- Johann Baptist Metz (1928)
Johann
Baptist Metz, weltweit anerkannter Theologe und Begründer der "Neuen
Politischen Theologie", ist am 5.8.1928 geboren. Der emeritierte
Münsteraner Hochschullehrer gilt als einer der bedeutendsten
deutschsprachigen Theologen in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil (1962-65). Der Schüler des Jesuiten Karl Rahner hatte Einfluss
auf Entstehung und Entfaltung der lateinamerikanischen
Befreiungstheologie und wurde in seinen Entwürfen wiederum von dieser
mitgeprägt. „Wenn Theologie alle Fragen wirklich perfekt beantworten
kann, ist es schon falsch. Es geht auch um den Schrei des leidenden
Menschen, den unbeantworteten Schrei.“[1] Johann
Baptist Metz bleibt, auch mit 80 Jahren unruhig, unruhig wie seine
Theologie. Ihn treibt „die Rede von Gott nach Auschwitz“ nach dieser
Menschheitskatastrophe um.
Die
neue Politische Theologie von Johann Baptist Metz ist zu einem einer
der einflussreichsten theologischen Denkansätze weltweit geworden. Die
Befreiungstheologie aus der Dritten Welt ist ohne die Impulse der
Politischen Theologie nicht zu denken. In solidarischer Kritik an seinem
Lehrer Karl Rahner hat Metz die Theologie grundlegend erneuert. Eine
Theologie, die sich nicht von vornherein absichert gegen die konkrete
Geschichte und ihre Katastrophen, eine Theologie, die, die
Leidensgeschichte der Menschen ansieht, eine Theologie, die in den
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Zeit nicht einfach eine
bequeme Zuschauerrolle einnimmt, sondern sich darin selbst aufs Spiel
setzt - das zeichnet das Denken von Metz aus.
- Einführung
Was
ist eigentlich Politische Theologie? Politische Theologie ist keine
Primär Staats-Rechts-oder Gesellschaft Theorie, sondern eine Theologie
mit dem Gesicht zur Welt, Gottesrede in dieser Zeit. Im Hintergrund des
Konzepts der neuen Politische Theologie steht ein Problem das sich
abgekürzt mit dem Stichwort, „Gott und Zeit“. Politische Theologie ist
ein kritisches Korrektiv gegenüber einer extremen Privatisierungstendenz
in der gegenwärtigen Theologie. Metz versteht sie gleichzeitig als
positiven Versuch, die eschatologische Botschaft und den Bedingungen
unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu formulieren. Er erläutert die
politische Theologie als kritisches korrektive innerhalb der
gegenwärtigen Theologie. Nach der Politische Theologie, wird die Welt
nicht als Kosmos verstanden, dem Existenz und Person gegenüber stehen,
sie wird aber auch nicht als rein existentielle oder personale
Wirklichkeit verstanden sonder als gesellschaftliche Wirklichkeit in
einem geschichtlichen Prozess: „Und die Kirche lebt nicht neben oder
über dieser gesellschaftliche Wirklichkeit, sondern in ihr als
gesellschaftliche Institution.“[2]
Durch
seine Orientierung an den eschatologischen Verheißungen gewinnt der
Glaube immer neu eine kritische Haltung gegenüber seiner
gesellschaftlichen Mitwelt. Dies war das Ergebnis der Verborgenen
Überlegungen zur Politischen Theologie. Nach der Politischen Theologie
muss der Glaube nicht institutionalisiert sein, aber ein Träger einer
kritischen Freiheit gegenüber der heutigen Gesellschaft.
„Der
Begriff Politische Theologie wird in der gegenwärtigen theologischen
Diskussion in einem ganz bestimmten Problem-und Sinnzusammenhang
gebraucht.“[3] Politische
Theologie ist ein kritisches Korrektive gegenüber eine gewissen
Privatisierungstendenz in der gegenwärtigen Theologie. Politischer
Theologie knüpft kritisch an die gegenwärtige innertheologische
Problemsituation an und sucht die tendenzielle Privatisierung des Kerns
der christlichen Botschaft. Zum einen erscheint die Politische Theologie
als kritisches Korrektiv gegenüber einer gewissen Privatiserungstendenz
in der gegenwärtigen Theologie. Zum anderen erscheint Politische
Theologie als Versuch, die eschatologische Botschaft des Christentums
unter den Bedingungen unserer Gesellschaft und mit Berücksichtigung des
Strukturwandels ihrer Öffentlichkeit zu formulieren
Politische
Theologie bezeichnet nicht primär eine neue theologische Disziplin
neben anderen, mit einer bestimmten regionalen theologischen
Aufgabenstellung. Sie ist nicht einfach etwa, angewandte Theologie,
gewissermaßen auf Öffentlichkeit und Politik angewandte Theologie. In
dieser Hinsicht ist sie auch nicht einfach identisch mit dem was man
innerhalb der Theologie, politische Ethik nennt. Politische Theologie
reklamiert nämlich einen Grundzug im Aufbau des kritischen theologischen
Bewusstseins überhaupt, das freilich von einem neuen
Theorie-Praxis-Verhältnis bestimmt ist: Diese Politische Theologie
bezieht alles auf die eschatologische Botschaft Jesus, aber auf einem
Weg mit der neuen Ausgangssituation der kritischen Vernunft.
Politische
Theologie sucht unter Berücksichtigung der Situation der aufgeklärten
und säkularisierten Gesellschaft, eine Gesellschaft, die, die Botschaft
von Heil, Vergebung und Versöhnung reflektiert. Sie reklamiert das
Bewusstsein vom anhängenden „tödlichen“ Prozess zwischen der
eschatologischen Botschaft vom Reiche Gottes und der jeweiligen
gesellschaftlich-politischen Öffentlichkeit unter Berücksichtigung von
deren geschichtslosem Strukturwandel.
Nach
der Politischen Theologie kann man nicht die zentrale Verheißung der
Reich Gottes-Botschaft (Freiheit, Friede, Gerechtigkeit, Versöhnung),
radikal privatisieren, sondern muss den Einzelnen in eine kritische
Freiheit gegenüber seiner gesellschaftlichen Mitwelt einsetzen. „In
Wahrheit sucht die Politische Theologie, diese „säkularisierte“ Welt als
Ausgangspunkt von Theologie und Verkündigung radikal ernst zu nehmen“ [4] Die
Politische Theologie kann und muss auch die zentralen theologischen
Wahrheiten im Hinblick auf das in ihr artikulierte Verhältnis von Glaube
und gesellschaftsbezogener Vernunft auslegen. „So erschient in ihrem
Lichte der christliche Glaube als Gestalt gesellschaftskritischer
Freiheit und die Kirche als Ort dieser Freiheit, zu der sich der Christ
im Angesicht der eschatologischen Botschaft berufen weiß.“[5]Die
Politische Theologie behauptet Glaube, Hoffnung und Liebe als Gestalt
gesellschaftskritischer Freiheit und Kirche als Ort und Institution
gesellschaftskritischer Freiheit.
- Entstehung der neuen Politischen Theologie
Wer
die Politische Theologie von Johann Baptist Metz einordnen und bewerten
will, muss ihre Genese, ihre Grunderfahrung im Aufbruch des Zweiten
Vatikanischen Konzils so wie in der Protestbewegung der damaligen Zeit
kenntlich machen. Politische Theologie ist eine Theologie, die in einer
so herausfordernden Situation Verschärft sich die Frage nach Status,
Programm und Bedeutung. Politische Theologie ist eine Theologie, die
unter dem Spannungsbegriff, “Mystik und Politik in ihrer dialektischen
Grundtendenz sichtbar gemacht werden soll. „Politische Theologie ist ein
Begriff, der heute eher in die jüngste Theologiegeschichte als in die
Gegenwart gehört; die vor Jahren unter diesem Titel Angetretenen
benutzen das Wort selbst kaum noch; nicht weil es veraltet geworden wäre
und eine vermeintlich unpolitischen rein religiösen Spiritualität habe
weichen müssen, sondern weil andere das, was wir Ausgang der sechziger
Jahre mit Politischer Theologie meinten, indessen eindeutigen gesagt
haben.“[6]
1967
brachte Johann Baptist Metz den Begriff, „Politische Theologie“ in die
theologische und öffentliche Diskussion. Er wollte die politische
Theologie als eschatologisch verstandene Botschaft des Christentums
unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft kritisch und prophetisch
formulieren. Er wollte aus der Enge der Bürgerlichen „Religion als
Privatsache“ und den Beschränkungen der damaligen transzendentalen,
existentialen und personalistischen Theologien im Nachkriegsdeutschland
ausbrechen. „Der Vorgang der Privatisierung, der als erstes und
entscheidendes Krisenmoment der Aufklärung behandelt werden soll, dürfte
seine Wurzel in jenem Konflikt zwischen Kirche und Staat haben, der
sich im Spätmittelalter anbahnt und dann besonders in der Zeit der
Konfessionskriege und Konfessionsspaltungen verschärft.“[7] Jede eschatologische Theologie muss zu einer Politischen Theologie also eine gesellschaftskritische Theologie weiden.
„Kirche
und kirchliche Theologie waren immer versucht, die Kritik religiöser
Autorität rein theoretisch-argumentativ zurückzuweisen unter
Beibehaltung des oft Autoritäten in der Kirche.“[8] Politische
Theologie geht nicht um eine Politisierung der Kirchen. Sie
unterschützt die Politik des Vatikans und den politischen Katholizismus
nicht. Sondern es geht um eine Theologie mit dem Gesicht zur Welt, und
um Gottesrede in dieser Zeit. Und das Reich Gottes ist nicht
gleichgültig gegenüber den Welt Handels preisen. Neue basisdemokratische
und sozialistische Ideen entzündeten die Kritik der Studenten am
Zustand der Universtäten und der politischen Restauration in der
bundesdeutschen Gesellschaft. Was aber die Entstehung einer neuen
Politische am tiefsten motivierte, war das Erschrecken über das Versagen
der Kirchen und Theologien angesichts des deutschen Menschheit
Verbrechens, das mit dem Namen Auschwitz unauslöschlich bezeichnet wird.
- Was will die Politische Theologie
In
den heutigen Tagen wird die Politische Theologie unter verschiedensten
Formen diskutiert. Politik und Theologie sind mit allem einander
verbunden. In der Verbindung beider ist mindestens ein Präjudiz
getroffen, dass nämlich „Politisch“ nicht verstanden werden kann als
Taktik der Machapplikation auf die Gesellschaft. Unsere Gesellschaft ist
sehr rational geworden. Wenn Politik und Theologie miteinander
verbunden werden dann handelt es sich um eine Frage, die an die
theologische und kirchliche Substanz selbst heranreicht. Metz wollte
zwei Einstiegspunkte in die Bestimmung von politischer Theologie geben.
Einmal im Blick auf die Situation und die Aufgabe der Theologie und
einmal im Blick auf die Situation der Kirche, Zunächst im Blick auf die
Situation und die Aufgabe der Theologie. Nach Metz die Idee und der
Begriff, „Gott“ der so zentral und unaufgebbar für uns ist. „Was wir mit
Gott meinen nur überzeugend Sichtbar gemacht werden, wenn wir die
befreiende, die kritische Kraft des Inhalts dieses Wortes, „Gott“
gegenüber allen physiologischen und gesellschaftlichen Determinanten
immer neu freisetzen und aufzeigen.“[9]
- Glaube in Geschichte und Gesellschaft
Johann
Baptist Metz gilt als der Vater der neuen Politischen Theologie. Er
dezidiert Politische Theologie als Gottesrede zur Welt. Nach ihm darf
Theologie nie situationsfrei betrieben werden, sondern muss die konkrete
geschichtliche Situation, in der sie von Gott redet, aufnehmen.
Worum geht es der neuen Poltischen Theologie? Ist Theologie, Rede von
Gott in dieser Zeit? „Politische Theologie hat eingesetzt als eine Art
korrektive als Korrektive gegenüber einer Situationsfrei Theologie,
gegenüber allen idealistisch geschlossenen oder immer wieder sich
schließenden theologischen Systemen. Sie betrachtet sich in diesem Sinne
als „nachidealistisch“. Sie nährt sich aus einer gewissen Beunruhigung,
aus einem gewissen Erschrecken, aus einer Erfahrung von Nichtidentität,
über die noch näher Auskunft zu geben sein wird.“[10] Sie
betrachtet sich in diesem Sinne als Nach-idealistisch. Sie nährt sich
aus einer gewissen Beunruhigung, aus einer Erfahrung von Nichtidentität.
Einmal die unabgegoltene Auseinandersetzung mit den Prozessen der
Aufklärung, dann die Erfahrung der Katastrophe von Auschwitz, und
schließlich die Vergegenwärtigung der nichteuropäischen, der Drittenwelt
in der Welt der Theologie.
Der Einbruch gesellschaftlicher und praktischer Fragestellungen in die
systematische Theologie geschieht eigentlich schon im Prozess der
europäischen Aufklärung mit ihrem Primat der praktischen Vernunft bei
der Behandlung metaphysischer Fragen. „Wer treibt-wann und wofür wen und
in welcher Absicht Theologie? Das sind nun keine arbeitseilig zu
behandelnden Auszufragen mehr, sondern Konstitutionsfragen der
systematischen Theologie.“[11] Mit
diesen Fragestellungen gibt die Theologie nicht eine auf Wahrheit
gerichtet vernünftige Verantwortung des Glaubens und seiner Tradition
Preis. „Der Glaube muss sich nun angesichts einer Vernunft bewähren und
sich über eine Vernunft mitteilen, die ihrerseits als subjekthafte
Freiheit auch als Freiheit der Anderen und damit also Gerechtigkeit
praktisch werden und zu sich selbst kommen will.“[12]
Die neue Politische Theologie bildete sich ein Bewusstsein, dass sie,
eine Theologie nach Ausschwitz ist, dass diese Katastrophe zur inneren
Situation der Christlichen Gottesrede gehört. Als Theologie nach
Auschwitz will die Poltische Theologie auf etwas aufmerksam machen, was
in der Art wie das Christentum zur Theologie wurde, immer mehr in
Vergessenheit geriet. Politische Theologie sucht dem Einbruch der sog.
Dritten Welt wie der nicht europäischen Welt überhaupt in die Welt der
Theologie Rechnung zu tragen-nicht nur pastoral, sonder im strikt
theologischen Sinn, als Herausforderung an die Gottesrede. Einmal rückt
dadurch die soziale und wirtschaftliche Zerrissenheit in der Welt, der
sog. Nord-Süd Konflikt, der durch die Befriedung der Verhältnisse, die
dem Evangelium direkt widersprechen wie Entwürdigung, Ausbeutung,
Rassismus werden zu Provokationen des Kerns der Botschaft. Sie verlangen
die Formulierung der christlichen Gottesrede auch in Kategorien des
Widerstands und der Veränderung. Sehr früh sprach die politische
Theologie deshalb von der Kirche als einer „Institution der
gesellschaftskritischen Freiheit des Glaubens und von einer diesem
theologische Ansatz korrespondierenden Veränderungsethik. Diese
Veränderung in der Befreiungstheolgie wird sie zur Befreiung schließt
freilich den Begriff der Schuldfähigkeit und Umkehrbedürftigkeit aller
geschichtlichen Subjekte ein. Dies muss nicht zu einer politikfernen
Romantisierung führen. Es soll nur den politischen Veränderungen die
Basis des Hasses und der Gewalt entziehen.
Politische Theologie versucht dieser Erfahrung von Nichtidentität,
diesem Verlust der ethnisch-Kulturellen Unschuld der Gottesrede Rechnung
zu tragen. Inkulturation, wie überhaupt der Blick auf die neue,
ethnisch-kulturell vielfach verwurzelte Ausgangslage der Kirche bemüht
sich um eine nachidealistische hermeneutische Kultur der Gottesrede, um
die Kultur der Anerkennung der Anderen in ihren Anderssein und um die
Aufdeckung der Spur Gottes in der Erfahrung ihrer Alterität.
- Politische Theologie als Fundamental Theologie der Welt
Der Ansatz einer neuen Politischen Theologie ist entstanden aus der Frage nach der Möglichkeit eine „Theologie der Welt“.[13] In
den Verhältnissen der neuzeitlichen Welt mit ihren Prozessen der
Aufklärung, Säkularisierung und Emanzipation. Es gibt in der
gegenwärtigen theologischen Situation drei Versionen, einer Theologie
der Welt. Die erst Version ist Theologie der Säkularisierung. Für sie
ist Theologie in den Verhältnissen der Neuzeit möglich, weil sich
christlicher Glaube hier erstmals in seiner radikalen Andersartigkeit
zur Welt zeigt. Dieser Glaube gibt nämlich jetzt die Welt an sie selbst
frei, entlässt sie aus den normativen Ansprüchen der religiösen
Tradition und bewirkt damit gerade zu ihrer fundamentale Säkularität.
Christliche Glaube bleibt mit diesen Prozessen allein dadurch verbunden
dass sie sie wirkungsgeschichtlich mitkontiturert hat.
„Die
Politische Theologie ist der Versuch, die eschatologische Botschaft des
Christentums in den Verhältnissen der Neuzeit als Gestalt
kritisch-praktischer Vernunft auszudrücken.“[14] Die
Rede von Gott, die der Christlichen Theologie untrennbar verbunden ist,
mit der Rede vom Vollzug der eschatologischen Herrschaft Gottes über
die Welt, impliziert eine Rede vom Sinn und Subjekt der
Gesamtgeschichte.
In
der Position, der Politischen Theologie sucht sich die
christlisch-theologische Version, der Praktischen Vernunft in den
Verhältnissen der Neuzeit auszudrücken. Politische Theologie betont,
dass Gott in seiner eschatologischen Herrschaft das Subjekt der
Gesamtgeschichte ist. In diesem Sinne stellt sich das eschatologische
Gedächtnis des Christentums den modernen Zynikern politischer und
technokratischer Macht entgegen. Es führt dabei nicht etwa Gott als
Lückenbüßer nachträglich in diese Problematik ein, sondern es erinnert
an den Gott Jesus selbst als Subjekt der Gesamtgeschichte.
- Politische Theologie als praktische Fundamental Theologie
Jede
neue Theologie wirkt für viele zunächst wie keine. Sie hat Legitimation
Probleme. Auch die neue Politische Theologie hatte und hat sie. „Die
politische Tendenz einer Politischen Theologie nur dann stimmt, wenn
auch ihre theologische stimmt, und nicht umgekehrt.“[15] Politische
Theologie, in kritischer Fortbildung ihres Ansatzes als praktische
Fundamentaltheologie erläutert und entfaltet werden, wenn sie ihrerseits
jene Grundlagenprobleme des Christentums auszubreiten sucht.
„Politische Theologie will darauf aufmerksam machen, dass Theorie und
Praxis hier nicht im üblichen Folgeverhältnis gesehen werden, bei der
Praxis als Durchführung, Anwendung oder Konkretisierung einer
Vorgefasste Theorie gilt. Praktische Fundamental Theologie wendet sich
gegen eine undialektische Unterordnung der Praxis unter Theorie und
Idee.“[16] Der christliche Gottesgedanke ist aus sich selbst ein praktischer Gedanke.
Metz war schon in seinen früheren Überlegungen zum Ansatz einer
Poltischen Theologie vom „Primat der Praxis“ ausgegangen. Dieser Primat
bzw. das in ihm ausgedrückte Theorie-Praxis-Verhältnis war geradezu
Stich-und Programmwort für den Ansatz dieser Theologie. Im blick auf die
Grundlagendiskussion der Theologie hieß das: „Das sogenannte
hermeneutische Grundproblem der Theologie ist nicht eigentlich das des
Verhältnisses von systematischer und historischer Theologie von Dogma
und Geschichte, sondern von Theorie und Praxis, von Glaubensverständnis
und gesellschaftlicher Praxis.“[17]
Die Einsicht, dass sittliche Praxis nicht einfach gesellschaftlich
unschuldig ist, und nicht politisch neutral ist, ist für die Theologie
folgenreich. Das Ernstnehmen des Primats der Praxis in der Theologie
bezieht sich dann nämlich nicht nur auf sittliche Praxis im engeren
Sinn, sonder auch auf gesellschaftlicher Ebene.
- Ökumenischer Begriff der „Politische Theologie“
„Der
Zuwuchs an theologischer Verständigung und christlicher Einheit wird
nicht allein und nicht primär durch den unmittelbaren und direkten
Dialog der Kirchen untereinander hervorgebracht, sondern durch die je
eigene Auseinandersetzung der christlichen Kirchen und ihrer
spezifischen Traditionen mit einem „dritten Partner“ nämlich mit den
Problemen und Herausforderungen der Welt von heute.“[18] Die
Ökumene-Begriff handelt von der theologischen und dogmatischen Frage
der Überwindung dieser wesentlichen Differenzen im Bekenntnis selbst.
Die
Kirche ist die Kirche des Sohnes, die Kirche Jesu Christi. „Der
Theologische Fundort der verlorenen und gesuchten Einheit der Christen
ist primär jene „fremde Welt“, die der Sohn als sein Eigentum,
reklamiert und in die hinein Kirche sich immer neu übersteigen muss,
wenn sie sich nicht selbst verlieren oder verraten will. Diese Fremde
ist der Ort, an dem sich Christen Wiederfindern und wiedererkenne könne
in der treue zu der eine Botschaft, in deren Angesicht der
Konfessionalismus der Christen erscheint.“[19] Diese
Fremde Ort ist der Ort, an dem sich Christen Wiederfinden und
wiedererkennen können in der Treue zu der einen Botschaft, Annährung und
Einheit geschahen so gewissermaßen indirekt und beiläufig. Sie kommen
einander näher indem sie aus ihren eigenen kirchlichen Traditionen
heraus immer neu diesen übersteigen und wächst in diesem indirekten
ökumenischen Verfahren, Einheit, soziale Kooperation, substantielle
Einheit im Glauben, Einheit in der Selbstranzendenz der Kirche und ihrer
Traditionen als Einheit in Christus. Die christliche Kirche versuche,
Kirche für die Heiden, Kirche für die ungläubige zu sein. Sie kommen
sich untereinander näher und wachsen in der Einheit der Kirche Jesu
Christi.
- Schlusswort
Die
neue Politische Theologie, wie sie von Johann Baptist Metz initiiert
und entwickelt wurde, hat die theologischen Grundlagenfragen
entscheidend verändert. Anders als im vertrauten Identitätsdenken der
Theologie nimmt sie die konkrete geschichtliche und gesellschaftliche
Situation in die theologische Begriffsbildung selber auf. Sie nährt sich
aus der beunruhigenden Erfahrung von Nichtidentität angesichts der
Leidensgeschichten der Welt. Politische Theologie für Metz ist ein
Gottesgedächtnis, das an die auch für die Kirche unhintergehbare
„Autorität der Leidenden“ erinnert, ist den Angelpunkt in der
gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die moralischen Grundlagen der
Politik in der heutige Welt. Die von Johann Baptist Metz entwickelte
Politische Theologie im engeren Sinn ist ein theologischeskonzept, die
eschatologischen Inhalte des christlichen Glaubens als kritisches
Korrektiv innerhalb gesamtgesellschaftlicher Entwicklung zu
interpretieren und so zur Überwindung ungerechter (gesellschaftlicher)
Strukturen beizutragen. Aus der Verkündigung des Evangeliums müssen eine
eindeutige Parteinahme und ein konkretes Engagement für die durch diese
Strukturen Bedrohten, Benachteiligten und Diskriminierten folgen. Die
politische Theologie ist dadurch eng verwandt mit der
Befreiungstheologie, schwarzer Theologie und feministischer Theologie.
Literatur
Metz, Johan Baptist: Glaube in Geschichte und Gesellschaft, Mainz 1977.
Metz Johan Baptist: Mystik und Politik, Mainz 1988.
Metz, Johan Baptist: Zum Begriff der neuen Politischen Theologie, Mainz 1997.
10
[1] http://domradio.de/aktuell/artikel_43695.html, v. 04.05.2009 (als Ausdruck u. Datei in der Anlage).
[3] Ebenda, 26.
[4] Metz, Zum Begriff, 30.
[5] Ebenda, 31f.
[6] Johann, Baptist Metz, Mystik und Politik, Mainz 1988, 13.
[7] Johann, Baptist Metz, Glaube in Geschichte und Gesellschaft, Mainz 1997, 31.
[8] Ebenda, 36.
[9] Metz, Zum Begriff, 63f.
[10] Ebenda, 167.
[11] Ebenda, 168.
[12] Ebenda, 169
[13] Ebenda, 75.
[14] Ebenda, 77.
[15] Metz, Glaube in Geschichte, 44.
[16] Ebenda, 47.
[17] Ebenda, 49.
[18] Metz, Johann Baptist, Zum Begriff der neuen Politischen Theologie, 85.
[19] Ebenda, 86.
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