Saturday, 29 June 2013

6. Irrlehre und Schisma in den ersten drei Jahrhunderten



6. Irrlehre und Schisma in den ersten drei Jahrhunderten


Bereits zur Zeit der Apostel gab es Irrlehrer und erste Spaltungen. Der Apostel Paulus musste die Christengemeinde von Korinth in innerkirchlichen Spannungen trösten. Er verwies auf die tiefe Bedeutung solcher Auseinandersetzungen, wenn er schreibt: Denn es muss Parteiungen geben unter euch; nur so wird sichtbar, wer unter euch treu und zuverlässig ist (1 Kor 11,19). Gegen Ende des 1. Jh. erhob im hohen Greisenalter von fast 90 Jahren der letzte noch lebende Apostel, Johannes, seine Stimme, um gegenüber irrigen Auffassungen die unverkürzte Botschaft über Christus und sein Gottesreich zu verkünden


A. Judenchristliche Sekten

Bereits im Neuen Testament, vor allem in den paulinischen und johanneischen Schriften, werden einzelne Richtungen des Judenchristentums immer profilierter, die in drei Grundfragen sich deutlich vom Glauben der christlichen Gemeinden abheben:

- in einer doketisch und adoptianisch gefärbten Christologie,
- in einem machtvollen Chiliasmus,
- in der bleibenden Verbindlichkeit des mosaischen Gesetzes.

Im Ostjordanland (Pella) kam es um die Mitte des 2. Jh. zur Bildung häretischer Gruppen von Ebioniten (wohl abgeleitet von dem hebräischen Wort ebjon = arm) und Elkesaiten (Elchosai = geheime Kraft).

Kerinth (Kleinasien) ein Judaist, der behauptete, dass Jesus war nur ein Mensch. Bei der Taufe ist auf ihn der göttliche Christus herabgekommen (Taube als Kraft Gottes). Beim Leiden und Tod hat Christus den Leib verlassen – Doketismus (Scheinleib). Apostel Johannes schrieb gegen ihn das Evangelium und die Briefe.

Die Sekte der Mandäer (manda = Erkenntnis) dürfte wohl im Zusammenhang mit jüdischen Täufergemeinschaften gestanden haben, die den Täufer Johannes hoch verehrten. Heute noch leben ebionitische Gruppen im Gebiet des unteren Euphrat und Tigris.


B. Gnosis

Erst durch den Fund einer umfangreichen gnostischen Gemeindebibliothek (13 Handschriften mit etwa 1000 Seiten, von denen 794 ganz erhalten sind, u. a. das Thomas-Evangelium), die 1945/46 in der Nähe der oberägyptischen Stadt Nag Hammadi (100 km nördlich von Luxor) entdeckt werden konnte, ist eine genaue Kenntnis der Gnosis möglich geworden. Rudolf Bultmann schreibt von der Gnosis, die als die gefährlichste Rivalin des Christentums anzusehen ist und die christlichen Gemeinden zu unterwandern suchte:
Als Gnosis bezeichnen wir ein in seinen konkreten Gestaltungen vielfältiges, in seiner Grundstruktur aber einheitliches religionsgeschichtliches Phänomen. Zuerst greifbar und die Forschung fesselnd als eine Bewegung innerhalb des Christentums, galt die Gnosis lange Zeit als eine innerchristliche Bildung, nämlich als eine Verwandlung des christlichen Glaubens in eine spekulative Theologie, als akute Hellenisierung des Christentums. Die Forschung erkannte mehr und mehr, dass die Gnosis in Wahrheit eine religiöse Bewegung vorchristlichen Ursprungs ist, die in verschiedenen Formen aus dem Orient als Konkurrentin des Christentums in den Westen eindrang.


Typische Merkmale der gnostischen Heilslehre:

Dualismus        Mit gleichzeitiger Leib- und Materieverachtung. Konsequenz: doketische Christologie –
Christus hat nur einen Scheinleib gehabt - und verstiegene Askese: Reinheitsriten.

Gnosis             Erkenntnis als Weg zur Erlösung und zum Heil. Individualistische Mystik und
                        Frömmigkeit, die weder des Kultus noch der Gemeinde bedarf.

Die Anfänge des christlichen Gnostizismus wurden mit den Anhängern Simons des Magiers und seinen Nachfolgern Menander und Satornil verbunden. Die gnostischen Gruppen der Ophiten, nach denen die Schlange dem Menschen Erkenntnis vermittelt, sowie der Peraten und Sethianer boten ähnliche Antworten an, wobei ihre Systeme mit zahlreichen mythischen Elementen durchsetzt waren.

Zu den Gnostikern in Alexandrien zählte Basilides (145), der einen umfänglichen Kommentar zu den vier Evangelien geschrieben hat und unter dem Anspruch, unmittelbare Überlieferungen empfangen zu haben, einem scheinbaren Mensch gewordenen Christus die Befreiung der Menschen aus den Fesseln des Archonten (Obrigkeit) zuschrieb.

Eine große Werbekraft für die gnostische Bewegung entfaltete der Ägypter Valentinos (+160), der um die Mitte des 2. Jh. in Rom wirkte, dort zeitweilig enge Kontakte zur christlichen Gemeinde pflegte und zahl-reiche Schriften verfasste, darunter ein Evangelium der Wahrheit. Ausgehend von einem entschiedenen Dualismus, sah er im unsichtbaren Gott den Ursprung von Emanationen, deren Abwärtsentwicklung bis zur Einbindung göttlichen Samens in die Materie führt, ein Zustand, aus dem sich der Mensch kraft der Gnosis wieder befreien kann.

Theodotos (2.Jh.), Valentinos Schüler, war in Kleinasien tätig; er formulierte jene charakteristischen Fragen, die in der Gnosis einer eigenwilligen Antwort zugeführt wurden: Wer waren wir, was sind wir geworden; wo waren wir, wohin sind wir geworfen; wohin eilen wir, wovon werden wir frei; was ist Geburt, was Wiedergeburt?

Angesichts solcher Auflösungstendenzen sah sich das kirchliche Christentum genötigt, die biblische Offenbarung in ihrer Ganzheit zu wahren und ihren geschichtlichen Charakter sicherzustellen. Zahlreiche Gegenschriften entstanden, von denen viele verlorengingen; doch ein Werk wie Gegen die Häresien des Eirenaios von Lyon oder Tertullians - Einspruch Gegen Markion zeigen die Stoßrichtung antignostischer Argumentation. Mit dem Grund auf apostolische Tradition (Sukzession) und der Bestimmung des Kanons widerstand man dem subjektiven Offenbarungsanspruch der Gnostiker.

In die Mitte der Auseinandersetzung trat die Betonung der Menschheit Christi und des Kreuzestodes als Grund der Erlösung, um so jeder Entleerung des göttlichen Heilsgeschehens entgegenzuwirken. Ohne Zweifel hat die Auseinandersetzung mit dem Gnostizismus die Entfaltung des Glaubensbewusstseins gefördert und immer stärker das Erscheinungsbild der großen Kirche geformt. Mit dem Ausschluss der Häretiker gewann zusehends die Rechtgläubigkeit an Boden, wobei sich nicht zuletzt die römische Gemeinde als ihr Hort erwies.


Markion

Die kirchliche Reaktion hat in besonderer Weise Markion (+160), Antijudaist,  herausgefordert, der als vermögender Schiffseigner wegen Sonderlehren mit seiner heimatlichen Christengemeinde Sinope am Schwarzen Meer, Pontus, in Konflikt geraten war und sich auf seinen kommerziell-missionarischen Seefahrten schließlich in der römischen Gemeinde einführte. Anschließend an die gnostische Verwerfung des alttestamentlichen Schöpfergottes, der das Joch des Gesetzes auferlegte, verkündete Markion einen Gott der Liebe, den er nur im Lk Ev sowie im paulinischen Schrifttum zu erkennen meinte. In seinen Antitheseis suchte er diesen Widerspruch zum AT aufzuweisen und den Glauben ohne Furcht gegenüber dem fremden Gott als Haltung des Erlösten darzustellen. Mit dem Gebot der Liebe verband er einen ethischen Rigorismus, der in Ehelosigkeit sowie Verzicht auf Fleisch und Wein gipfelte, um so das Ideal einer heiligen Kirche zu verwirklichen. Die Organisation der Markionitischen Gemeinschaft, ähnlich dem Erscheinungsbild der christlichen Gemeinden, sicherte ihr im Verbund mit einer ausgreifenden Mission anhaltenden Bestand. Er lehrte vom Scheingeschehen in Geburt und Kreuzigung Christi. Die Kirche gab zur Antwort - die Ausbildung des biblischen Kanons.






C. Geistbewegung und Kirchenanspruch (Schisma)


Montanismus

In enthusiastischer Weise wurde das tausendjährige Reich Christi (Chilialismus) und die Herabkunft des himmlischen Jerusalem (in Pepuza) von Montanus um 156 - 172 in Phrygien verkündigt. Ethischer Rigorismus wurde von allen Mitgliedern gefordert, um sich durch Gebet, Fasten und Bereitschaft zum Martyrium auf dieses Heilsreignis vorzubereiten. Der bedeutendste Verfechter des herben und düsteren Montanismus war Tertullian.


Manichäismus

Der Manichäismus (Mani, +277) stellt eine Mischreligion aus persischen, buddhistischen, babylonisch-chaldäischen, jüdischen und christlichen Bestandteilen dar. Sein Hauptgepräge hat er vom Dualismus empfangen, wonach zwei Grundprinzipien, das Urgute (Licht, Lichtkönig, Urmensch) und das Urböse (Finsternis, Urteufel), miteinander im Kampfe liegen. Weil das Licht und der Urmensch unter die Knechtschaft der Finsternis und der Materie gerieten, wird Christus, der nur mit einem Scheinleib ausgerüstet war, vom Lichtkönig geschickt, um das Licht und die Menschen aus der Knechtschaft der Finsternis zu befreien. Erst nach mühseligem Ringen gelingt die endgültige Scheidung des Lichtreiches vom Reich der Finsternis. Auch Augustinus war vor seiner Bekehrung längere Zeit Anhänger des Manichäismus, da er hier das Problem des Ursprungs des Bösen in der Welt gelöst sah.


Ketzertaufe

Die Frage nach der Gültigkeit der Sakramente, die von Abgefallenen gespendet werden (Ketzertaufe), wie auch die Frage nach der Wiederaufnahme der Gefallenen (lapsi) führte zu ernsten innerkirchlichen Spannungen und zum ersten Papstschisma, brachte aber auch gleichzeitig eine vertiefte Sicht der Sakramenten- und Kirchentheologie.
Weitere Folge des Streites (Wiederaufnahme der Gefallenen und zweite Taufe) ist der Donatismus.

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