Saturday, 29 June 2013

Die nachapostolischen Gemeinden und ihre Einheit



3. Die nachapostolischen Gemeinden und ihre Einheit


Das Ev-m breitete sich innerhalb des Röm. Reiches,  aber auch über ihre Grenzen schnell hinaus. Wie in der Antike wurde auch die Stadt (Polis-Civitas) zum Lebensraum der örtlichen Gläubigen. Es bildeten sich folgende christlichen Zentren, die Bedeutung hatten: Jerusalem (bis 70), Rom, Antiochien, Alexandrien, Korinth, Ephesus. Die Zentren hatten ihre Besonderheiten – Liturgie (Gebete) oder Bekenntnisformeln. Die Besonderheiten hinderten aber nicht die Einheit im Glauben.


Das Selbstverständnis der Gemeinden

Das deutsche Wort Kirche, abgeleitet von Kuriakos, d.h. zum Herrn gehörig, dient zur Wiedergabe des griechischen Terminus ekklesia, womit die Septuaginta Israel als Bundesvolk Jahwes bezeichnete. Die Gläubigen nahmen die Tradition des alttestamentlichen Bundesvolkes auf und betrachteten sich ihrerseits als ekklesia tou theou, als endzeitliche Heilsgemeinde. Dem Begriff ekklesia (hebräisch Qahal), der beim Wechsel zum Latein beibehalten wurde, eignet über die Ortskirche hinaus universale Bedeutung. Die Ortskirche verstand sich zugleich als Gesamtkirche – Universale Kirche. Sie waren bewusst ihrer christlichen Grundhaltung als Universalität und erlebten die irdische Welt als Fremde, waren voll Erwartung der Parusie und Abstand zur Umwelt.

Gegenwärtige Erfüllung und künftige Erwartungen verschmolzen in dem Glauben, dass die Ansage eines Neuen Bundes erfüllt sei, wobei die Geschichte Israels als Vorgeschichte der Kirche gesehen wurde. Trotz aller Wandlungen kam es zu keinem Bruch im kirchlichen Selbstverständnis.


Der jüdische Hintergrund

Außerhalb Palästinas wurde das Ev-m zunächst an die Mitglieder der hellenistisch-jüdischen Synagoge gepredigt, in deren Umfeld und Schutz die neuen Glaubensgemeinschaften entstanden. Für die Organisation und das Leben der Ortskirche diente die Synagoge als Modell. So verstand sich die römische Christengemeinde ganz in der Tradition des Judentums, wenn sie die Tempelordnung Jerusalems als Leitbild bejahte und den Glauben Abrahams rühmte.

Das Merkmal des Jesusglaubens trat nur langsam ins Bewusstsein der Öffentlichkeit (Apg 11,26). Ignatios von Antiochien (+110) sah sich sogar genötigt, der Gemeinde von Magnesia mit Nachdruck die Lebensform des Christentums (Christianismos) gegenüber jüdischer Praxis in Erinnerung zu rufen, ein Hinweis auf die Modellfunktion des Ioudaismos. Trotz aller Gemeinsamkeit im Milieu der Synagoge wuchs unter Berufung auf das Christusereignis die Distanz zur konkreten jüdischen Gemeinde.


Ortsgemeinde und gottesdienstliche Versammlung

Die Mitte des Gemeindelebens bildete die gottesdienstliche Versammlung, in welcher der einzelne Gläubige Gemeinschaft erfuhr. Den Zugang eröffnete die Taufe (Baptisma) in fließendem Wasser, notfalls durch dreifaches Besprengen. Mit Gebet und Fasten begleitete die Gemeinde diese Initiation, und sie besiegelte die Gemeinschaft mit dem Neophyten durch die eucharistische Feier. Das ethische Niveau des Täuflings musste dem Anspruch der Heiligen genügen und die Taufe rein und unbefleckt bewahren. Sie verstanden sich als Wiedergeborene.

Das Gemeinschaftsbewusstsein der Gläubigen erreichte seinen Höhepunkt in der Feier der Eucharistie. Ignatios von Antiochien kämpfte besonders für die Einheit:
Seid bedacht, eine Eucharistie zu gebrauchen - denn eines ist das Fleisch unseres Herrn Jesus Christus und einer der Kelch der Vereinigung mit seinem Blut, einer der Opferaltar, wie einer der Bischof zusammen mit dem Presbyterium und den Diakonen, meinen Mitknechten, damit ihr, was immer ihr tut, gottgemäß tut. In der Eucharistie gründet danach kirchliche Einheit, für die zusehends der Bischof Bedeutung gewann.

Einzelne Ortskirchen erfuhren durch die apostolische Gründung  überregionale Anerkennung und eine Legitimation eigenständiger Formen in Gottesdienst und Leben, wie z.B. Feier der Eucharistie, kirchliche Disziplin, Gemeindeverfassung und Bußpraxis. Sie betonten die Dynamik der jeweiligen Ortskirchen. Solche Vielfalt des kirchlichen Lebens barg gewiss die Gefahr der Spaltung in sich; man respektierte sie aber als Ausdruck des einen Glaubens.


Einheit der Kirche

Das neue Volk der Christen betrachtete sich als Vollendung Israels, das bewusst alle nationalen Schranken überschritt. In der Rede von den Christen als dem dritten Geschlecht gegenüber Griechen und Juden, kam dieser universale Anspruch gleichfalls zur Geltung; man schrieb sich den Erhalt der Welt zu und überschlug das Reich der Römer durch Verweis auf die alles umgreifende Herrschaft Gottes. Diese Öffnung zur Universalität traf sich mit dem stoischen Kosmopolitismus der Zeit und steigerte das Bewusstsein der Katholizität. Ignatios von Antiochien sprach erstmals von der Katholike ekklesia [Sm 8,2], womit er über die Universalkirche hinaus auf ihr transzendentes Urbild abhob. Für ihn wurzelt kirchliche Einheit in J.Chr., den jeder bischöfliche Leiter einer Lokalgemeinde verkörpert. Eine Gemeinschaft von Gläubigen am Ort repräsentiert also die übergreifende Gesamtkirche, und sie bleibt so eingebunden in ihre Einheit.

Wie in der Ortskirche Gemeinschaft (im Gottesdienst) erlebt wurde, so pflegten diese auch die Gemeinden untereinander. Der Reiseverkehr führte zu einer Verbundenheit der Gläubigen miteinander, die durch brüderliche Gastfreundschaft erleichtert wurde; einem möglichen Missbrauch hinderte man durch eine Art Pass (Gemeinschaftsbrief). Ein Briefverkehr zwischen den Gemeinden diente der gegenseitigen Information und er war weitgehend Ausdruck der Mitverantwortung. Man stärkte sich im Glauben, schenkte Trost in der Bedrängnis und mahnte zu christlichem Lebenswandel; über die Bestellung von Bischöfen wurden andere Ortskirchen unterrichtet. Bf Dionysios von Korinth richtete um 170 katholische Briefe [H.e.,IV 23,1] an zahlreiche Gemeinden, weit über seinen Sprengel hinaus, und er bezeugte so die Universalität altkirchlicher Einheit. Mit dem Begriff Koinonia - Communio, der ursprünglich die Verbundenheit des Glaubenden mit Christus ausdrückte, bezeichnete man diese Gemeinschaft der Gläubigen, deren Mitte die Eucharistie bildete. Der Ausschluss von der Eucharistie, die Exkommunikation, markierte umgekehrt den Bruch mit einem Sünder oder Irrlehrer.


Kirchenfriede und Osterfeststreit

Eine Gefahr für die universale Einheit der Kirche tauchte mit dem sog. Osterfeststreit auf. Das Gedächtnis von Tod und Auferstehung Christi hatte das österliche Fest zur zentralen Feier der christlichen Glaubensgemeinschaft werden lassen, deren Bedeutung durch die Spendung der Taufe unterstrichen wurde. Ohne einseitig den Gehalt des Osterfestes auf das Leiden Christi zu beschränken, feierte man im kleinasiatischen Kirchenbereich nach jüdischem Vorbild am 14. Nisan ein christliches Passah (Quartodezimaner), während man im Westen, in Ägypten und Syrien die Auferstehung am darauf folgenden Sonntag beging (dominikale Praxis), vielleicht um den Abstand zum Judentum hervorzuheben, und zwar unter Berufung auf die Chronologie des Johannesevangeliums.

Es kam wegen des unterschiedlichen Brauchs zu ernsthaften Spannungen, die bei einem Gespräch zwischen Papst Anicet (154-166) und Polykarp von Smyrna (+156) nicht ausgeräumt wurden, aber auch nicht zum Bruch führten. Trotz dieser Differenzen blieben beide in Gemeinschaft (Ekoinonesan). Anicet gestattete aus Ehrfurcht dem Polykarp in seiner Kirche die Feier der Eucharistie. Und in Frieden schieden sie voneinander. Die gegenseitige Respektierung der unterschiedlichen Praxis unterdrückte allerdings nicht die anhaltende Diskussion, bis schließlich Papst Viktor gegen die Quartodezimaner ausgesprochen befehlerisch auftrat, vermutlich weil sie ihren Brauch in Rom einführen wollten.

Mehrere Synoden sprachen sich für die dominikale Osterfeier aus, worauf er die kleinasiatischen Gemeinden mit Bf Polykrates von Ephesos (+200) aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschließen versuchte. Nur der Einspruch des Eirenaios von Lyon verhinderte eine Kirchenspaltung wegen unterschiedlicher Disziplin, bis schließlich das Konzil von Nikaia (325) um der kultischen Einheit willen die dominikale Praxis allgemein vorschrieb.

Anfänge des Synodalwesens

Um ökumenischer Einheit zu fördern, fanden sich seit dem ausgehenden 2. Jh. Bischöfe zu gemeinsamer Beratung zusammen, um so die anstehenden Probleme zu lösen (Osterfesttermin / die Montanismus).

Ein Vorbild für solche Versammlungen konnte bislang nicht gefunden werden; weder vom römischen Senat oder den Landtagssynoden der Provinzen noch die Rückführung auf das jüdische Synedrium vermag die Entstehung der Institution zu erklären, zumal auch das sog. Apostelkonzil (Apg 15,1-33) eher vorsynodale Züge aufweist.

Um die Mitte des 3. Jh. versammelten sich in Nordafrika Synoden mit rund 100 Teilnehmern. Dahinter stand nicht nur die Sorge um eine vollständige Vertretung des Episkopats, sondern auch das Bemühen übergeordneter Bischöfe, durch eine große Zahl von Synodalen den eigenen Einfluss zur Geltung zu bringen. Das war bereits ein Instrument kirchlicher Ordnung, das dann in den ökumenischen Konzilien universale Einheit repräsentierte.

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