3. Die nachapostolischen Gemeinden und ihre Einheit
Das Ev-m breitete
sich innerhalb des Röm. Reiches, aber
auch über ihre Grenzen schnell hinaus. Wie in der Antike wurde auch die Stadt
(Polis-Civitas) zum Lebensraum der örtlichen Gläubigen. Es bildeten sich
folgende christlichen Zentren, die Bedeutung hatten: Jerusalem (bis 70), Rom,
Antiochien, Alexandrien, Korinth, Ephesus. Die Zentren hatten ihre
Besonderheiten – Liturgie (Gebete) oder Bekenntnisformeln. Die Besonderheiten
hinderten aber nicht die Einheit im Glauben.
Das
Selbstverständnis der Gemeinden
Das deutsche Wort Kirche, abgeleitet von Kuriakos, d.h. zum
Herrn gehörig, dient zur Wiedergabe des griechischen Terminus ekklesia, womit
die Septuaginta Israel als Bundesvolk Jahwes bezeichnete. Die Gläubigen nahmen
die Tradition des alttestamentlichen Bundesvolkes auf und betrachteten sich
ihrerseits als ekklesia tou theou, als endzeitliche Heilsgemeinde. Dem Begriff ekklesia
(hebräisch Qahal), der beim Wechsel zum Latein beibehalten wurde, eignet über
die Ortskirche hinaus universale Bedeutung. Die Ortskirche verstand sich
zugleich als Gesamtkirche – Universale Kirche. Sie waren bewusst ihrer
christlichen Grundhaltung als Universalität und erlebten die irdische Welt als
Fremde, waren voll Erwartung der Parusie und Abstand zur Umwelt.
Gegenwärtige Erfüllung und künftige Erwartungen
verschmolzen in dem Glauben, dass die Ansage eines Neuen Bundes erfüllt sei,
wobei die Geschichte Israels als Vorgeschichte der Kirche gesehen wurde. Trotz
aller Wandlungen kam es zu keinem Bruch im kirchlichen Selbstverständnis.
Der jüdische
Hintergrund
Außerhalb Palästinas wurde das Ev-m zunächst an die
Mitglieder der hellenistisch-jüdischen Synagoge gepredigt, in deren Umfeld und
Schutz die neuen Glaubensgemeinschaften entstanden. Für die Organisation und
das Leben der Ortskirche diente die Synagoge als Modell. So verstand sich die
römische Christengemeinde ganz in der Tradition des Judentums, wenn sie die
Tempelordnung Jerusalems als Leitbild bejahte und den Glauben Abrahams rühmte.
Das Merkmal des Jesusglaubens trat nur langsam ins Bewusstsein
der Öffentlichkeit (Apg 11,26). Ignatios von Antiochien (+110) sah sich sogar
genötigt, der Gemeinde von Magnesia mit Nachdruck die Lebensform des
Christentums (Christianismos) gegenüber jüdischer Praxis in Erinnerung zu
rufen, ein Hinweis auf die Modellfunktion des Ioudaismos. Trotz aller
Gemeinsamkeit im Milieu der Synagoge wuchs unter Berufung auf das
Christusereignis die Distanz zur konkreten jüdischen Gemeinde.
Ortsgemeinde und
gottesdienstliche Versammlung
Die Mitte des Gemeindelebens bildete die gottesdienstliche
Versammlung, in welcher der einzelne Gläubige Gemeinschaft erfuhr. Den Zugang
eröffnete die Taufe (Baptisma) in fließendem Wasser, notfalls durch dreifaches
Besprengen. Mit Gebet und Fasten begleitete die Gemeinde diese Initiation, und
sie besiegelte die Gemeinschaft mit dem Neophyten durch die eucharistische
Feier. Das ethische Niveau des Täuflings musste dem Anspruch der Heiligen
genügen und die Taufe rein und unbefleckt bewahren. Sie verstanden sich als
Wiedergeborene.
Das Gemeinschaftsbewusstsein der Gläubigen erreichte seinen
Höhepunkt in der Feier der Eucharistie. Ignatios von Antiochien kämpfte
besonders für die Einheit:
Seid bedacht, eine Eucharistie zu gebrauchen - denn eines
ist das Fleisch unseres Herrn Jesus Christus und einer der Kelch der
Vereinigung mit seinem Blut, einer der Opferaltar, wie einer der Bischof
zusammen mit dem Presbyterium und den Diakonen, meinen Mitknechten, damit ihr,
was immer ihr tut, gottgemäß tut. In der Eucharistie gründet danach kirchliche
Einheit, für die zusehends der Bischof Bedeutung gewann.
Einzelne Ortskirchen erfuhren durch die apostolische
Gründung überregionale Anerkennung und eine
Legitimation eigenständiger Formen in Gottesdienst und Leben, wie z.B. Feier
der Eucharistie, kirchliche Disziplin, Gemeindeverfassung und Bußpraxis. Sie
betonten die Dynamik der jeweiligen Ortskirchen. Solche Vielfalt des
kirchlichen Lebens barg gewiss die Gefahr der Spaltung in sich; man
respektierte sie aber als Ausdruck des einen Glaubens.
Einheit der Kirche
Das neue Volk der Christen betrachtete sich als Vollendung
Israels, das bewusst alle nationalen Schranken überschritt. In der Rede von den
Christen als dem dritten Geschlecht gegenüber Griechen und Juden, kam dieser
universale Anspruch gleichfalls zur Geltung; man schrieb sich den Erhalt der
Welt zu und überschlug das Reich der Römer durch Verweis auf die alles
umgreifende Herrschaft Gottes. Diese Öffnung zur Universalität traf sich mit
dem stoischen Kosmopolitismus der Zeit und steigerte das Bewusstsein der
Katholizität. Ignatios von Antiochien sprach erstmals von der Katholike ekklesia [Sm 8,2], womit er
über die Universalkirche hinaus auf ihr transzendentes Urbild abhob. Für ihn
wurzelt kirchliche Einheit in J.Chr., den jeder bischöfliche Leiter einer
Lokalgemeinde verkörpert. Eine Gemeinschaft von Gläubigen am Ort repräsentiert
also die übergreifende Gesamtkirche, und sie bleibt so eingebunden in ihre
Einheit.
Wie in der Ortskirche Gemeinschaft (im Gottesdienst) erlebt
wurde, so pflegten diese auch die Gemeinden untereinander. Der Reiseverkehr
führte zu einer Verbundenheit der Gläubigen miteinander, die durch brüderliche
Gastfreundschaft erleichtert wurde; einem möglichen Missbrauch hinderte man
durch eine Art Pass (Gemeinschaftsbrief). Ein Briefverkehr zwischen den
Gemeinden diente der gegenseitigen Information und er war weitgehend Ausdruck
der Mitverantwortung. Man stärkte sich im Glauben, schenkte Trost in der
Bedrängnis und mahnte zu christlichem Lebenswandel; über die Bestellung von
Bischöfen wurden andere Ortskirchen unterrichtet. Bf Dionysios von Korinth
richtete um 170 katholische Briefe [H.e.,IV 23,1] an zahlreiche Gemeinden, weit
über seinen Sprengel hinaus, und er bezeugte so die Universalität
altkirchlicher Einheit. Mit dem Begriff Koinonia
- Communio, der ursprünglich die Verbundenheit des Glaubenden mit Christus
ausdrückte, bezeichnete man diese Gemeinschaft der Gläubigen, deren Mitte die
Eucharistie bildete. Der Ausschluss von der Eucharistie, die Exkommunikation,
markierte umgekehrt den Bruch mit einem Sünder oder Irrlehrer.
Kirchenfriede und
Osterfeststreit
Eine Gefahr für die universale Einheit der Kirche tauchte mit
dem sog. Osterfeststreit auf. Das Gedächtnis von Tod und Auferstehung Christi
hatte das österliche Fest zur zentralen Feier der christlichen
Glaubensgemeinschaft werden lassen, deren Bedeutung durch die Spendung der
Taufe unterstrichen wurde. Ohne einseitig den Gehalt des Osterfestes auf das Leiden
Christi zu beschränken, feierte man im kleinasiatischen Kirchenbereich nach
jüdischem Vorbild am 14. Nisan ein christliches Passah (Quartodezimaner),
während man im Westen, in Ägypten und Syrien die Auferstehung am darauf folgenden
Sonntag beging (dominikale Praxis), vielleicht um den Abstand zum Judentum
hervorzuheben, und zwar unter Berufung auf die Chronologie des
Johannesevangeliums.
Es kam wegen des unterschiedlichen Brauchs zu ernsthaften
Spannungen, die bei einem Gespräch zwischen Papst Anicet (154-166) und Polykarp von Smyrna (+156) nicht ausgeräumt
wurden, aber auch nicht zum Bruch führten. Trotz dieser Differenzen blieben
beide in Gemeinschaft (Ekoinonesan). Anicet gestattete aus Ehrfurcht dem
Polykarp in seiner Kirche die Feier der Eucharistie. Und in Frieden schieden
sie voneinander. Die gegenseitige Respektierung der unterschiedlichen Praxis
unterdrückte allerdings nicht die anhaltende Diskussion, bis schließlich Papst Viktor gegen die Quartodezimaner
ausgesprochen befehlerisch auftrat, vermutlich weil sie ihren Brauch in Rom
einführen wollten.
Mehrere Synoden sprachen sich für die dominikale Osterfeier
aus, worauf er die kleinasiatischen Gemeinden mit Bf Polykrates von Ephesos (+200)
aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschließen versuchte. Nur der Einspruch
des Eirenaios von Lyon verhinderte eine Kirchenspaltung wegen unterschiedlicher
Disziplin, bis schließlich das Konzil von Nikaia (325) um der kultischen
Einheit willen die dominikale Praxis allgemein vorschrieb.
Anfänge des
Synodalwesens
Um ökumenischer Einheit zu fördern, fanden sich seit dem
ausgehenden 2. Jh. Bischöfe zu gemeinsamer Beratung zusammen, um so die
anstehenden Probleme zu lösen (Osterfesttermin / die Montanismus).
Ein Vorbild für solche Versammlungen konnte bislang nicht gefunden
werden; weder vom römischen Senat oder den Landtagssynoden der Provinzen noch
die Rückführung auf das jüdische Synedrium vermag die Entstehung der
Institution zu erklären, zumal auch das sog. Apostelkonzil (Apg 15,1-33) eher
vorsynodale Züge aufweist.
Um die Mitte des 3. Jh. versammelten sich in Nordafrika
Synoden mit rund 100 Teilnehmern. Dahinter stand nicht nur die Sorge um eine
vollständige Vertretung des Episkopats, sondern auch das Bemühen übergeordneter
Bischöfe, durch eine große Zahl von Synodalen den eigenen Einfluss zur Geltung
zu bringen. Das war bereits ein Instrument kirchlicher Ordnung, das dann in den
ökumenischen Konzilien universale Einheit repräsentierte.
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