8. Die Eingliederung der
christlichen Kirche in das römische Reich
Die Neuorientierung römischer Religionspolitik zu Beginn
des 4. Jh. vollzog sich weitgehend im Rahmen überkommener Anschauungen,
insofern nunmehr die Verehrung des Christen-Gottes Bürgschaft für die salus
publica gewährleisten sollte.
Diokletians
Tetrarchie:
Vierkaiserherrschaft
West Ost
Maximian, Maxentius Galerius,
Maximinus Daja
Constantius Chlorus, Konstantin Licinius
Konstantin, der Sohn des Constantius Chlorus und einer
Schankwirtin namens Helena
306 – Konstantin gewählte Kaiser in Britanien
308 – Pakt in Carnuntum zwischen Konstantin und Maxentius
311 – Toleranzedikt von Galerius freie Bekenntnis christlichen
Glaubens in allen Reichsteilen
312 – 28.X. Sieg Konstatntin an der Milvischen Brücke in
Rom
313 – II. Mailänder Edikt – Konstantin und Licinius –
Religionsfreiheit für Christentum
324 – Licinius wurde von Konstantin bei Adrianopel und
Chrisopolis besiegt
330 – Gründung des Stadt Konstantinopolis, als Neu Rom, ohne
heidnisches Tempel
337 – Tod des Konstantin
Die Wende der
Religionspolitik unter Kaiser Konstantin
Der Wandel römischer Religionspolitik unter Galerius und
Konstantin kam für die Christen nicht unvorbereitet. Wortführer aus ihren
Reihen hatten schon lange Loyalität gegenüber dem Staat bekundet und selbst die
Möglichkeit einer Kooperation von Kirche und Staat ins Auge gefasst.
Trotz der Übernahme christlicher Wege in das Gottesbild des
Herrschers lässt sich kaum von einer Bekehrung
im biblischen Sinne sprechen; er gab vielmehr dem Gott der Christen in
seiner religiösen Vorstellungswelt Raum und begann dessen Kult als Pontifex Maximus
zu fördern. Als Zeichen des militärischen Triumphes verlor gleichzeitig das
Kreuz seinen Skandalon-Charakter, ein Umstand, der in der Folgezeit seine
Darstellung als christliches Heilszeichen erleichterte.
Neuorientierung der Religionspolitik
Der siegreiche Kaiser übernahm als Pontifex Maximus die
Sorge für den Kult des Christen-Gottes. Im Winter 312/13 übereignete Konstantin an
die römische Christengemeinde das Gebiet der Laterani, wo die Basilica Constantiniana (San Giovanni in
Laterano) errichtet wurde.
Reskripte an den Prokonsul von Afrika, Anullinus, verfügten
die Rückgabe konfiszierten Kirchengutes, und dem Klerus des Bischofs
Caecilianus von Karthago räumte man das Privileg der Liturgien ein (die
steuerrechtliche Befreiung von öffentlichen Abgaben).
Die Kleriker dürfen nach Meinung des Herrschers ... weder
durch Irrtum noch durch Sakrileg von ihrem der Gottheit schuldigen Dienst
abgehalten werden, sondern sie müssen vielmehr ohne eine Behinderung ihrem
eigenen (Kult) Gesetz dienen (dient salus publica).
Nach dem Vorbild der Priesterkollegien an heidnischen
Tempeln werden die christlichen Kleriker in die religiöse Struktur der Zeit
eingestuft, um ungehindert ihren sakralen Dienst für die Öffentlichkeit leisten
zu können. Angesichts der donatistischen Wirren in Afrika tauchte jedoch
plötzlich das Problem der Rechtmäßigkeit auf, ein Streit, in den der Kaiser
alsbald selbst hineingezogen wurde.
Die Integration des
Christentums mit dem römischen Imperium
Im Februar 313 trafen sich in Mailand Konstantin und
Licinius zur Regelung jener Fragen, die aus dem Wandel der politischen Verhältnisse
entstanden waren. Hinsichtlich der Religion einigte man sich im Anschluss an
das Galerius-Edikt auf die
Freiheit für das christliche Bekenntnis, und zwar neben der Tolerierung der
alten Kulte. Über die Anerkennung (religio
licita) hinaus wurde dem Christentum allgemeine Rechtsfähigkeit
zuerkannt und zugleich die Rückgabe beschlagnahmter Kirchengüter verfügt,
Maßgaben, die aus den veröffentlichten Reskripten in den jeweiligen
Herrschaftsbereichen ersichtlich sind.
Konstantin lehnte den Kern des alten Kaiserkultes, das
Opfer, entschieden ab, während er Titel und Funktion des Pontifex Maximus
beibehielt und damit die Verantwortung im religiösen Bereich wahrnahm.
Im Rahmen dieser Religionspolitik machte sich christlicher Einfluss
geltend, der nicht zuletzt humanisierende Züge aufweist. Im Jahre 315 ein
Dekret, wonach das Antlitz von Verurteilten nicht mit dem Brandzeichen
geschändet werden dürfe, weil es nach dem Gleichnis der himmlischen Schönheit
gebildet sei. Hinsichtlich der Sklaven, in einer für die antike Gesellschafts-
und Wirtschaftsordnung schwerwiegenden Frage, ermöglichte ein Erlass (316) die
Freigabe in der Kirche.
Nach einem Gesetz vom Jahre 318 können Streitsachen vor
einem bischöflichen Schiedsgericht entschieden werden; die Anerkennung einer
kirchlichen Rechtsinstanz illustriert die Tragweite der lex christiana.
Im Jahre 321 verordnete Konstantin, dass der Sonntag nicht
durch Gerichtsverhandlungen oder handwerkliche Arbeit entweiht werden dürfe.
Der religionspolitische Kurs steuerte offenkundig auf das Bündnis des Staates mit
der Kirche zu, die immer ausschließlicher wahren cultus dei verbürgte; dementsprechend verloren die heidnischen
Kulte an Bedeutung. Alle diese Maßnahmen bestätigen, dass Konstantin das
Christentum nicht auf eine kultische Funktion beschränkte, sondern durchaus
seinen ethischen Impulsen Raum gab.
Die Universalmonarchie Konstantins
Das Konzil von Nikaia wirkte als Demonstration
kirchlich-staatlicher Integration, eben als Reichskonzil. In der Angleichung
kirchlicher Strukturen an die Provinzgrenzen des Reiches und der Zuweisung
rechtlicher Vollmachten an den Metropoliten bzw. die Provinzsynode wurde die
Verschränkung beider Größen deutlich. Konstantin gesicherte als
Universalherrscher die in Nikaia beschworene Einheit.
Konstantin sah sich genötigt, die theologischen Parteien
zur Einheit zu drängen und er verfolgte weiterhin das Ziel einer Integration
des Christentums in das Reich. Über machtpolitische Interessen hinaus kamen bei
der Neuordnung des gesellschaftlichen Lebens verstärkt christliche Motive zum
Tragen. Die wegen ihrer Grausamkeit berüchtigten Gladiatorenspiele wurden
eingeschränkt, und die Exekution durch Kreuzigung grundsätzlich abgeschafft. Im
Jahre 326 erging ein strenges Gesetz, das den Ehebruch der Frau mit dem Tode
ahndete, wobei sich biblische Strenge mit altrömischer Rechtsauffassung verband.
Die von den Christen entschieden abgelehnte Kindsaussetzung
wurde zwar nicht verboten, jedoch suchte man ihre Ursachen zu beheben, insofern
arme Eltern staatliche Hilfe erhielten. Einer unmenschlichen
Rücksichtslosigkeit steuerte das Verbot, Sklavenfamilien bei einer Erbteilung
zu trennen.
Der Universalherrscher Konstantin äußerte sich seit 324
immer deutlicher seine Sympathien für das Christentum, und zwar für die
Beobachter des katholischen Gesetzes; Häretikern und Schismatikern kamen die
kaiserlichen Privilegien nicht zugute. Die Bischöfe der katholischen Kirche
erlangten staatliche Ehrenrechte (Nobilitierung).
Ein großzügiges Bauprogramm bescherte den Gemeinden von Rom
bis Jerusalem Basiliken und Martyrien. Konstantin stiftete um 325 über einer
Gedächtnisstätte des Apostels Petrus am Vatikan eine Basilika, und seine Mutter
Helena ließ eine Reihe von Kirchen und Palästen errichten. Ihren Höhepunkt
erreichte die kaiserliche Bautätigkeit mit der Gründung der neuen Hauptstadt am
Bosporus, Konstantinopel.
Es sollte das Neue Rom in seinem
Erscheinungsbild eine christliche Stadt werden, die nur Kirchen und keine
heidnischen Tempel in ihren Mauern aufweist. Als sie im Jahr 330 eingeweiht und
zur kaiserlichen Residenz erkoren wurde, fand nicht nur ein
christlich-religiöses Programm seinen Ausdruck, es verlagerte sich auch der
politische Schwerpunkt in den Osten.
Als episkopos ton ektos, fühlte er sich nach wie vor für die Kirche verantwortlich. Während
der Vorbereitungen zum Krieg gegen die Perser erfassten Konstantin in
Nikomedien Todesahnungen. Er, der bislang nur als Katechumene zur Gemeinschaft
der Christen zählte, ließ sich auf dem Sterbebett von dem arianischen
Hofbischof Eusebios taufen. Vermutlich hinderte ihn seine Funktion als
römischer Kaiser, der nach wie vor mit der Welt des Heidentums verantwortlich
verwoben war, diesen Schritt früher zu vollziehen. Als Neugetaufter starb
Kaiser Konstantin am Pfingstfest des Jahres 337 bei Nikomedien.
Im Westen webte man um den verstorbenen Herrscher die sog. Silvester-Legende, wonach der
erkrankte Kaiser von Papst Silvester I
(314-335) getauft wurde und so Heilung vom Aussatz erlangt habe. Die im
8. Jh. formulierte Fälschung, bekannt als Konstantinische Schenkung, erzählt dieses Ereignis und bemerkt
ergänzend, dass der Kaiser zum Dank für die Gesundung dem Papst die
kaiserlichen Insignien und den Westen des Reiches übergeben habe; denn es sei
nicht recht, dort als ein irdischer Kaiser Gewalt zu üben, wo vom himmlischen Kaiser
der Vorrang der Bischöfe und das Haupt der christlichen Religion eingesetzt sei.
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