Exegese AT: Abrahamserzählungen
2.1.1.3 Abgrenzung, Kontextbezüge, innere Struktur und
Gattungsbestimmung von Gen 12,1-9 (synchron)
10
→ Hinweis im
Literaturverzeichnis besonders auf Ruppert.
0. Einleitung
∙
Die wichtigsten
Persönlichkeiten im AT sind Abraham, Moses, David. Davon ist Abraham der
einzige der aus neutestamentlicher Sicht nicht relativiert wird. Moses und
David werden in Christus überholt (Mt 5,1 etc.). Es ist sogar so, dass die
Bedeutung Christi anhand von Abraham herausgestellt wird (Joh 8,58: Noch ehe
Abraham wurde, bin ich).
∙
Die Bedeutung des
Abraham:
-
Röm 4,10: Abraham ist
der Vater aller Glaubenden
-
Abraham ist das
Bindeglied der drei großen monotheistischen Religionen
-
Abraham ist das Urbild
jedes glaubenden Menschen
∙
An Abraham geht als
erstes eine ausdrückliche biblische Verheißung: Beginn der Heilsgeschichte,
Eröffnung eines Hoffnungsraumes. Jeder Glaubende ist in diese Verheißung
miteinbezogen →
universales Heil des biblischen Gottes, alle Menschen sollen gerettet werden.
1. Die Abrahamserzählungen Gen 11,27 – 25,11 (allg. Überblick über Komposition und Entstehung)
1.1 Die Vätererzählungen (Gen 12-50) in ihrem heutigen kanonischen Kontext
∙
Überblick über die
Vätererzählungen (es ist ein Erzählduktus über 4 Generationen):
-
(Gen 11,27-32:
Geschlechterfolge nach Terach)
-
Abraham: 11-25
-
Isaak 26
-
Jakob 27-36
-
Joseph 37-50
∙
Abraham → Isaak → Jakob (Esau) → (12 Söhne) Joseph
Die Stellung der Vätererzählungen zwischen der Urgeschichte (UG) und
dem Exodus:
a) Die Verbindung von UG und der Abrahamserzählung (AE):
∙
Genealogische
Verbindung:
-
Der Stammbaum von Sem
in 10,21f. wird in Gen 11,10 noch einmal aufgegriffen. 11,18 führt die Söhne
Pelegs auf, die in 10,25 nicht genannt werden. Der Stammbaum geht bis 11,27 wo
Terrach Abraham zeugt → So wird Abraham genealogisch über Noah mit Adam verbunden! Durch die
hohen Lebensalter der Vorfahren Abrahams wird erreicht, dass alle Vorfahren
Abrahams seine Geburt erleben!
-
Die AE wird so auf die
UG fokussiert und wird damit zur UG Israels: ähnlich wie die UG der Menschheit
ist die UG Israels eine Familiengeschichte.
∙
Theologische
Verbindung:
-
Rad: Die UG ist die
Kulminierung der menschlichen Schuld, die den Fluch Jahwes nach sich zieht. Es
gibt 3Flüche: Ackerboden, Kain, Ham, wobei sich der Fluch steigert und auf alle
menschlichen Beziehungen tangiert. Damit einher geht eine zunehmende
Lebensminderung. Immer gibt es jedoch den Aspekt der Bewahrung des Menschen
durch Jahwe: Fellkleidung, Kainsmal und Arche.
-
In der AE wird nun dem
Fluch der UG das Segenswirken Jahwes entgegengestellt → es beginnt ein neues
Kapitel in der Beziehung Gottes zum Menschen in Kontinuität und Diskontinuität
zur UG: Jahwe spricht direkt zu Abraham, letzter Adressat war Noah → wie bei Noah geschieht
Bewahrung und Heil. 12,2.3: fünfmal „Segen“, der durch Abraham universal auf
die Völker bestimmt ist. Die Verfluchung des Ackerbodens von 3,17 wird in 26,12
aufgehoben, weil sich der Segen Abrahams auswirkt.
∙
weitere Verbindungen
der UG mit der AE:
-
Die Ost-West-Bewegung
der UG (2,8 und 11,2) setzt sich in der AE fort: Abraham wandert von Ost nach
West, wird aber in ein neues Eden (13,10) hineingeführt, weil er auf den Ruf
Jahwes hört.
-
Parallelisierung des
Abraham mit Noah: Wie Noah wird Abraham durch Jahwe bewart, weil er seinen Weg
mit Jahwe geht. Wie Noah in 8,20 baut Abraham in 12,7 einen Altar
-
Die Berufung des
Abraham ist auf dem Hintergrund des Turmbaus zu lesen: Das, was sich die
Menschen selber aneignen wollten, wird Abraham in 12,2 von Gott verheißen
(großes Volk, großer Name). Abraham wird zum Prototyp des gelungenen
Menschseins in der nachsintflutlichen Zeit.
-
Baumgartner: Kap.
10/11 gehörten nicht mehr zur UG, sondern bilden die Verbindung zwischen UG und
VE: Erst in 12,1.7 (also später als alle anderen) ergeht die Landverheißung
(Kanaan) an Abraham. Die beiden Kapitel davor (10/11) beschreiben über die
Genealogie, wie Israel durch Abraham zum Land kommt.
b) Verbindung der Vätererzählungen (VE) mit dem Exodus:
∙
15,13: Vorausblick auf
die Sklaverei.
∙
Verbindung aufgrund
der Landverheißung:
-
12,7: erste
Landverheißung und Eröffnung des Bogens, denn die Einlösung geschieht erst in
Josua, bzw. vollkommen mit David.
-
Damit einher geht ein
neues Gottesverständnis: Jahwe verpflichtet sich Israel und löst seine
Verheißung in der Geschichte ein.
∙
Verbindung aufgrund
der Sohnes-/Mehrungsverheißung:
-
15,5: Verheißung
zahlreicher Nachkommen, die in Isaak eingelöst wird, sich aber erst in Ex 1,7
entfaltet. Erst in Ägypten kann das Volk entstehen. Dieser Umweg über Ägypten
wird aber auch der VE nicht ersichtlich. Deshalb ist die Verbindung zw. VE und
Exodus nicht so eindeutig.
→ Die VE ist wichtiges
Bindeglied zwischen der UG und Ägypten (die Josefgeschichte erklärt den
Aufenthalt Israels in Ägypten)
→ Die VE sind die
Urgeschichte Israels, weil Abraham der Stammvater Israels ist.
1.2 Die Abrahamserzählungen im kanonischen Kontext der Vätererzählungen (VE)
Folgende Verbindungen lassen sich feststellen:
1. AE (12-25) und VE sind durch
die Generationsfolge miteinander verbunden (Abraham, Isaak, Jakob, Josef) → genealogische Verbindung
2. Die Verheißungen sind
weitere Verbindungen:
-
Die Landesverheißung
in 12,7 an Abraham wird in 26,3 für Isaak erneuert
-
Die Mehrungsverheißung
in 12,3 und in 15,5 an Abraham wird in 26,3 für Isaak erneuert.
-
28,13 koppelt beide
Verheißungen und fügt noch die Segensverheißung hinzu.
→ über die genealogische
Verbindung hinaus werden die drei Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob) durch
die Verheißungen theologisch verbunden.
3. Motiv der Unfruchtbarkeit
der „Erzmutter“:
-
Sarah, Frau des
Abraham (11,30)
-
Rebekka, Frau des
Isaak (25,31)
-
Rahel, Frau des Jakob
(29,31). Sie bedient sich wie Sarah ihrer Magd um Kinder zu bekommen.
→ Die mehrmalige Aufnahme des
Motivs der Unfruchtbarkeit verbindet die Patriarchen miteinander.
4. Isaak und Jakob haben Frauen
aus der Verwandtschaft und keine Kanaaniterinnen (29,18-30). Es ist einen
Haltung der Abgrenzung gegenüber Fremdvölker. Esau bricht diese Regel (26,34)
und heiratet Hetiterinnen.
5. Der Erstgeborene wird nicht
zum Träger der Verheißung: Isaak tritt an Ismaels Stelle (AE) und Jakob an Esaus
(VE).
6. Gefährdung der Frauen: Sarah
in Gen 12 und 20 (Dublette) / Rebekka in Gen 26. Die Intention ist Isaak in
enger Analogie zu Abraham darzustellen.
Komposition der
Vätererzählungen:
Die VE ist nicht, wie man aufgrund der Verbindungen (s.o.) annehmen
könnte aus einem Guss entstanden, sondern in drei Abschnitten, die eine jeweils
unterschiedliche Genese haben:
1.
Die AE, die aus
Einzelerzählungen besteht, die locker miteinander verknüpft sind.
2.
Die Jakobserzählung
(inklusive Esau-Jakob-Laben-Zyklus 27,41 – 33,20), die im Gegensatz zur AE ein
umfangreicher Erzählzyklus mit einem durchkomponierten Erzählbogen ist.
3.
Die Josefserzählung
(Gen 37.39-50), die ebenfalls eine schlüssige Erzählung ist.
1.3 Synchroner Überblick zu den Abrahamserzählungen
❖
Aufgabe: AE lesen und
einen Überblick, bzw. Gliederung über die AE anhand der Bibel herausschreiben!
∙
Bezüge innerhalb der
AE:
-
Lot und Sodom/Gomorra
in 13,11 und Gen 19
-
Geographische
Bezugnahme (Negeb-Ägypten-Negeb) in 12,9.10 und 13,1
-
Bezüge der Kapitel
16-18. 21. 22. 24
Theologischer Duktus innerhalb der AE nach Seebass:
∙
Einleitung (11,27-32
Stammbaum des Terrach)
∙
Erster Abschnitt (12,1
– 15,21): „das Land der Zukunft“
-
12,10-20: Abraham
flieht aus Kanaan nach Ägypten: Verheißungsland ex negativo. Die erste
Verheißung droht zunichte zu werden, da Sarah Haremsfrau wird. → Abraham wird zum Vorläufer
Israels in der Josefsgeschichte. Beide Male steht die Zukunft Israels auf dem
Spiel
-
Gen 13:
Verheißungsland ex positivo. Lot scheidet als Verheißungsträger aus und der
scheinbar benachteiligte Abraham bekommt in 13,15.16 eine erneute Verheißung.
→ die Landverheißung von 12,7
wird in diesem Abschnitt variiert gefährdet.
∙
Zweiter Abschnitt
(15,1 – 22,19): „der leibliche Erbe von Sarah“
-
Zwei Themen: Land
(15,18) und leibliches Erbe (15,4: der Haussklave scheidet als Erbe aus)
-
Es zeichnet sich ab,
wie Jahwe die Mehrungsverheißung (MV) umsetzt. Da Lot und der Haussklave
bereits ausgeschieden sind, verengt sich die Mehrungsverheißung auf Ismael, der
aber in 17,21 ausscheidet und in 21, 9-21 verstoßen wird.
-
Erneuerung des Bundes
in Gen 17 und Geburtsverheißung des Isaaks in Gen 18.
-
18,16-19: Gericht
gegen Sodom und endgültige Ausschließung des Lot. In 19,30-38 wird Lot zum
letzten Mal erwähnt.
-
Gen 20: erneute
Gefährdung der MV durch Abimelech. Gott greift aber ein.
-
Gen 21: Geburt des
Trägers der MV: Isaak
-
Gen 22: Opfer Isaaks
als erneute Gefährdung der MV. Ismael und Isaak werden beide durch das
Eingreifen Jahwes gerettet → Abraham muss beide Söhne aus der Hand geben, um sie neu zu empfangen.
∙
Dritter Abschnitt
(22,20 – 25,6): „Frauen um Abraham“
-
Gen 23: Tod Sarahs. In
Gen 24 tritt Rebekka als neue Ahnfrau an die Stelle Sarahs.
∙
Vierter Abschnitt
(25,7-11): Tod Abrahams
→ auf synchroner Ebene lässt
sich eine stimmige Komposition der AE feststellen. Die Verheißung an Abraham
setzt sich durch und mit Isaak beginnt der Anteil am verheißenen Land. Dennoch
gibt es Unstimmigkeiten: Gen 14 fällt aus dem Gesamtduktus heraus und es ist
eine redaktionelle Bearbeitung von einst unabhängigen Erzählungen anzunehmen.
Deshalb:
1.4 Die Abrahamserzählungen diachron betrachtet
1.4.1 Vorbemerkung: Der gegenwärtige „Paradigmenwechsel“ in der Pentateuchkritik
Die drei Entstehungsmodelle des Pentateuchs:
1.
Neuere
Urkundenhypothese (vier-Quellen-Modell) von Wellhausen (entwickelt aus der
Urkundenhypothese): J(9.Jh.)+E(8.Jh.)=JE + Dtn(7.Jh.) + P(550)
2.
Fragmentenhypothese:
Unabhängige Schriften werden von einem Redaktor zusammengefügt
3.
Ergänzungshypothese:
Kombination von 1+2 (Ergänzung der Grundschicht, bestehend aus J,E,P durch
Fragmente)
∙
Zu 2b): Theorie von
Noth (Überlieferungsmodell): Es gibt eine Grundschicht, aus der sich J und E
unabhängig voneinander entwickelten. G selber entwickelte sich aus unabhängigen
Erzählkränzen. (Problem: unklare Zergliederung, die schwer verifizierbar ist)
∙
Zu 3: Kriterien zur
Abgrenzung von P setzt Zapff aus der Einleitung voraus.
∙
Zu 4a): Ist der
priesterlichen Bestand (P) eine eigene Quelle, oder ist P redaktionelle
Bearbeitung von nP?
∙
Zu 4b): Der nichtpriesterliche Bestand (nP) ist aus Erzählzyklen
entstanden, die redaktionell zu einem Ganzen zusammengefügt wurden. Somit kann
man sowohl die thematischen Zusammenhänge, als auch die literarischen
Widersprüche erklären.
1.4.2 Umfang und Theologie des priesterschriftlichen Bestandes in den Abrahamserzählungen
Grundsätzliches zu P:
∙
P ist die jüngste
Quelle im Pentateuch. Sie kennt nP und nimmt darauf Bezug.
∙
P wurde vor allem an
der UG erarbeitet und von da auf den Tetrateuch übertragen
∙
Unklar ist, ob P eine
eigene Quelle ist (Wellhausen, Zenger), oder ob P Bearbeitung eines früheren
Werkes im Sinne einer Fortschreibung von nP ist (Rendtorf, Blum). Dieser Frage
wird im Folgenden nachgegangen. Kennzeichen dafür dieses Zeichen:
Eigenart und Charakter von
P:
∙
P in der UG:
-
Zwei priesterliche
Erzähleinheiten: erster Schöpfungsbericht und priesterliche Sintfluterzählung
(Schöpfung und Antischöpfung). Die Arche ist Mikrokosmos, der Bund mit Noah hat
zum Anliegen den Bestand der Schöpfung dauerhaft zu sichern.
-
Fünf Toledots (siehe
Vorlesung Urgeschichte)
→ P in der UG kann man zu
einer eigenständigen Erzählung abtrennen. Problem ist die Trennung von P und nP
in der Sintfluterzählung.
∙
P in der VE:
a) Toledots (fünf)
b) narrative Texte
(Erzählmaterial)
c) Itinerative
(Wanderungsnotizen)
a) Aspekte hinsichtlich der
Toledot-Formeln:
∙
Die Toledots leiten
immer eine Geschlechterfolge, oder eine Geschichte ein, nie aber (...)
∙
Die Einleitung der
Toledots (Toledotformel) korrespondiert mit dem Tod des Stammvaters
(Todesnotiz) am Ende des Toledots → Abgrenzung zwischen den Vätern. Daraus ergibt sich
folgende Gliederung in der VE:
1.
Terrach-Toledot (= AE)
11,27 – 25,11
2.
Ismael-Toledot
(Nebenlinie) 25,12-18
3.
Isaak-Toledot (=
Jakobsgeschichte) 25,19 – 35,29
4.
Esau-Toledot
(Nebenlinie) Gen 36
5.
Jakob-Toledot
(Geschichte Josephs und seiner Brüder) Gen 37 – 50
Auffälligkeiten nach Blum:
-
Die Nebenlinien heben
sich von den anderen Toledots, den Hauptlinien ab. Sie sind dazwischen
geschoben und spielen danach keine Rolle mehr.
-
Die Nebenlinien
enthalten genealogische Angaben und nichtpriesterliches Material → Abwechslung zwischen P und
nP.
Daraus lässt sich
schließen, dass P Bearbeitung eines früheren Werkes (nP) ist (gegen das
Wellhausen-Modell)
Intention der Toledots:
-
Nach der Todesnotiz
schließt sich der Hinweis auf den Wohnsitz der Nachkommen an (Gen 25,18). Damit
erreichen die Toledots, dass die Hauterben im Verheißungsland bleiben und die
Nebenlinien außerhalb wohnen. Die Nachkommen Sems rücken nach und nach in ihr
Territorium ein, Jakob und Isaak sind bereits im Verheißungsland, aber es
gehört ihnen noch nicht.
-
Die fünf Toledots der
VE bilden zusammen mit den fünf der UG die Zahl zehn.
Die eigene Intention
der Toledots spricht für die Eigenständigkeit von P als Quelle.
b) Aspekte hinsichtlich des narrativen Textes 17,1-27
∙
17,1: „Gott der
Allmächtige“ (yD;v; lae)
taucht nur noch in Gen 28,3; 35,11; 48,3 und Ex 6,2 auf. Letztere Stelle ist
die priesterliche Variante zur Dornbuscherzählung. → Verbindung zw. Exodus und
VE.
∙
P hat eine gestufte
Offb mit folgenden Phasen des Gottesnamens: Elohim in der UG, El Schaddai in
der AE, Jahwe in Ex 6,2.
Dieser Sachverhalt
spricht für die Eigenständigkeit von P als Quelle.
Das Bundesthema:
∙
Verbindung von Noah
und Adam durch den Bund, der beidesmal unbedingt ist. Zeichen des
Bundesschlusses ist der Regenbogen und die Beschneidung.
∙
In den allgemeinen
Bund mit Noah wird der Bund mit Abraham für Israel hineingestellt → konzentrische Kreise,
typisch für P.
Bei Abraham gibt es
den Bundesschluss zweimal: Doppellung in Gen 15 und 17. Das spricht für P als
Quelle. Versteht man aber die Doppellung als Korrektur, spricht der gleiche
Sachverhalt für P als Bearbeitung eines früheren Werkes.
∙
Anhand von Gen 17
lässt sich die Abhängigkeit von P vom vorpriesterlichen Bestand erkennen
c) Aspekte hinsichtlich der Itinerare
∙
Itinerare sind Notizen
über die Wanderungen der Väter
∙
Gen 12,4b-5 ist P
wegen der Altersangabe und der Abhängigkeit vom Toledot Terrachs.
Die Problematik um in
Gen 16 und 21 spricht eher für P als Redaktion
Bei der
Geburtserzählung des Ismaels und des Isaaks sprechen mehr Argumente für P als
Quelle
→ Man kann wegen der
Kompliziertheit keine klare Entscheidung treffen, ob P Quelle oder
redaktionelle Bearbeitung ist!
Zapff vertritt die Position, dass P eine Quelle ist: P ist als
Gegenkonzeption zu nP eingefügt worden. P setzt andere Akzente, aber behält
dennoch deutlich den Inhalt von nP bei (z. B. bei der Landes- und
Mehrungsverheißung). P verschweigt menschliche Schwäche (z.B. die Entehrung des
Noahs), und zeichnet die Gestalten als Helden. Deshalb fällt der Bestand von P
in der AE relativ gering aus.
Datierung der
Priesterschrift:
Es gibt zwei Positionen:
a) Für eine exilische
Entstehung spricht die Landes- und Mehrungsverheißung (Betonung der
Dauerhaftigkeit der Verheißung, der Bundesschluss (Betonung der Beschneidung
als äußeres Zeichen im fehlenden staatlichen Rückhalt), sowie die
Sabbatterminologie.
b) Für eine nachexilische
Entstehung spricht die Mischehenproblematik ( Gen 26,34ff. und 27,46 – 28,8),
die in Esra 9 wichtig ist.
1.4.3 Der Bestand an nichtpriesterlichen Texten (nP) in den Abrahamserzählungen
Erzählduktus nach Abzug von
P in Gen:
∙
Zweiter
Schöpfungsbericht
∙
Sündenfall, Sintflut,
Turmbau
∙
In Gen 12,1 nimmt sich
Gott die Sippe Abrahams heraus und führt sie ins Verheißungsland
∙
Der Gesamtduktus führt
über Abraham, Ismael, Isaak, Jakob, Joseph und seine Brüder (12 Stammväter)
Schwierigkeiten bereitet, dass nP aus einem komplexen Geflecht von
Einzelerzählungen, mit jeweils unterschiedlicher Theologie besteht. Früher nahm
man folgendes Entstehungmodell an:
Das Enstehungsmodell von nP nach Wellhausen:
∙
nP entstand aus zwei
Erzählwerken: dem Jahwist (J) und dem Elohist (E), die der Jehowist zum
Jehowistischen Geschichtswerk (JE) verband.
∙
Problem: J und E kann
man nicht genau voneinander unterscheiden. Auch die Subtraktionsmethode greift
nicht, weil man nicht einmal eine Schicht genau abzugrenzen vermag. J, E und JE
sind also hypothetische Größen. Deshalb zog man bald ein anderes Modell vor:
Kombination von modifizierter Fragmenten- und Ergänzungshypothese:
∙
nP entstand aus der
Komposition von einzelnen Bausteinen der Überlieferung.
∙
Man nimmt eine
Grundschicht an, der Fragmente eingearbeitet wurden. Diese ist dann
fortgeschrieben worden: (G + Fragmente) + Fortschreibung
∙
J, E und JE sind also
keine Quellenschichten mehr, sondern Überarbeitungen, bzw. Fortschreibungen.
∙
Offen bleibt die Frage
nach dem Umfang von nP: von Gen 2,4b bis Num oder nur in der VE?
Wie muss man sich die Entstehung der nP Vätererzählung vorstellen?
Unter 1.2 (Komposition der Vätererzählungen) sind die drei Abschnitte
in der VE charakterisiert worden. Diese drei Erzählungen sind auch geographisch
von einander unterschieden:
∙
Die AE spielt sich im
Süden ab (Negeb, Sodom, Mambre, ...)
Einmal gibt es jedoch eine geographische Überschneidung, die Abraham
und Jakob miteinander verknüpft.
→
Die nP VE muss aus
ursprünglich selbstständigen Erzählungen entstanden sein, die dann über die
Genealogie und über die Geographie miteinander verknüpft wurde.
Der nichtpriesterliche
Bestand in den Vätererzählungen (siehe Blatt):
∙
Zu a): Gen 14 ist
aufgrund des anderen Erzählduktus und der anderen Charakterisierung des Abraham
als Krieger, was sonst nicht vorkommt, ausgeschieden.
∙
Zu b): Kriterien für
die Zurechnung des Sondergutes zum Elohisten: Meidung des Gottesnamens Jahwe
(eher Elohim) und Motiv der Gottesfurcht.
∙
Inhaltlicher Duktus
der nP AE anhand von c) in der Bibel nachvollziehen.
Überlieferungsgeschichte der nP AE:
Besonders in Gen 18/19 lässt sich eine mündliche Vorüberlieferung
feststellen. Gen 19 (Sodom und Gomorra) hat ätiologische Züge. Der Text
erklärt, warum das südliche Gebiet am Toten Meer so wüst ist. Der Vorverweis
auf Sodom in 13,13 ist redaktionelle Einfügung, um Gen 19 einzugliedern.
Außerdem weiß Gen 19 nichts von Abraham. → Gen 19 ist eine ursprünglich eigenständige
Einzelerzählung.
Diachroner Bezug der nP AE
zur UG und zur VE (Ergänzung zur synchronen Verbindung unter Punkt
1.1). Beziehungen entstehen durch folgende redaktionelle Verbindungen:
∙
Gen 12,1-3 ist
Scharnier zw. UG und AE
∙
11,1-9 (Turmbau) ist
Kontrastfolie zu Abraham
∙
12,1-3.7 und 28,13-15
sind älteste Verheißungen, die als
redaktionelle Klammer fungieren.
∙
Durch das Segensthema entsteht ein großer
Erzählzusammenhang:
-
Der Segen in AE ist
Kontrapunkt zum Fluch der UG: redaktionelle Verknüpfung durch das
Fluch-Segen-Thema
-
Der Segen spannt einen
Bogen zur Jakobserzählung (12,2 entspricht 28,14-15). Das Segensthema
beherrscht den Fortgang der nP AE. Weitere Segnungen, bzw. Auswirkungen des
Segens (in der Bibel makieren): 13,2.5 / 24,35 / 26,12-16 / 27,27-29
(Jakobssegen) / 30,27.29-30 / 32,5-6 (Auswirkung auf Laban)
→ Auf redaktioneller Ebene
werden einst unabhängige Segnungserzählungen miteinander verbunden: Der Segen
Jahwes, den er Abraham versprochen hat, wirkt sich auf die anderen Personen
aus.
∙
Die genealogische Verbindung: Abraham – Lot
– Ismael – Isaak – Jakob, Esau
∙
Die Geographie (s.o.)
Umstritten ist der Umfang der nP AE. Drei Meinungen gibt es:
-
Kratz: es ist eine
Komposition von der UG bis zu den VE (Zapff)
-
Blum: (AE +
Jakobserzählung) wurden mit der UG verbunden
-
Ruppert: die
jahwistische Grundschrift geht bis zum Exodus
Die Intention der nP Komposition:
∙
zwei Grundintentionen:
Geburt der Söhne Jakobs (vor allem Juda von Lea in 29,35) und Umbenennung
Jakobs in Israel → Juda
und Jakob-Israel werden die Stammväter der beiden Staaten Juda und Israel.
∙
Jahwisierung:
Identifikation der Gottheiten der Väter mit Jahwe (monolatrisches Denken).
Durch die Verbindung von UG und VE wird der Gott der Schöpfung aus der UG wird
mit Jahwe identifiziert. Daneben wird die Familienreligion, die vorexilisch
auch andere Gottheiten zuließ, mit der Staatsreligion verbunden.
∙
Nationalisierung:
Israel und Juda werden zu Vater und Sohn inmitten anderer Bruderstaaten. Die nP
VE ist die Gründungslegende der Staaten Israel und Juda in nichtstaatlichem
Gewand.
Die Datierung der nP Komposition:
a)
Wellhausen (Ruppert):
10.Jh., salomonische Zeit, Absicht war die Festigung des davidischen Reiches.
Aber: man kann so früh nicht mit einer Jahwe-Monolatrie rechnen. Sie ist
frühestens im 9. Jh. (mit Elia) anzusetzten.
b)
Blum: exilische Zeit,
6.Jh.
c)
Zenger, Kratz: nach
720 v. Chr. (Fall Samariens durch die Assyrer 722).
1.5 Zum historischen Hintergrund der Abrahamserzählungen, oder: „Gab es eine Patriarchenzeit?“
Literatur
vor allem Ruppert: Genesis. S. 40-60
1.5.1 Ausgangspunkt für die historische Rückfrage
Bezug zur diachronen Analyse:
a)
Die Texte aus P sind
relativ jung und somit nicht für die Historie heranziehbar. Insbesondere die
Toledot sind nicht historisch anzusehen, sondern haben theologische Bedeutung.
b)
Die elohistischen
Texte sind aus dem 8. Jh.. Wenn man die Patriarchenzeit auf 1250 v. Chr.
ansiedelt ist der Abstand von 400 Jahren ein zu großer Zeitraum für historische
Rückschlüsse.
c)
Selbst wenn man für
die jahwistischen Texte aus dem 10. Jh. eine mündliche Vorüberlieferung annimmt,
ergibt sich im günstigsten Fall immer noch ein Abstand von 250 Jahren.
→ Aufgrund der literarischen Verhältnisse kommt nur einem geringen
Textbestand Historizität zu. Mündliche Überlieferungen über so lange Zeit sind
unzuverlässig.
Der Versuch die Patriarchenzeit (PZ) zu datieren scheitert an folgenden
Punkten:
1.
Die Abfolge der Väter
ist nach den diachronen Untersuchungen keine chronologische und somit nicht
historisch. Wenn es eine PZ gegeben haben sollte, handelte es sich höchstens um
einzelne Gestalten, auf die sich die Stämme beziehen.
2.
Die Einordnung der VE
in die UG setzt die biblische Darstellung voraus, die davon ausgeht, dass die
PZ eine Epoche zwischen der Landverheißung und der Landnahme darstellt. Es ist
zweimal von einer Landnahme berichtet, einmal friedlich in Exodus und einmal
kriegerisch in Josua. Ein Vorschlag ist, die PZ als Teil der Landnahme
anzusehen.
3.
Textinterne Indizien
für eine Datierung fehlen. Die VE spielt sich in einer Zeitlosigkeit ab. Weder
die Lebensweise als Halbnomaden (es gab sie immer) noch die Könige in Gen 14
(man kann sie nicht identifizieren) geben einen Anhaltspunkt.
→ Die VE geben keinen Hinweis
auf eine Datierung. Man kann die PZ nicht als Epoche vor der Landnahme
annehmen.
1.5.2 Datierungsversuche Abrahams
1.
Der früheste
Datierungsversuch bringt Abraham mit der
amoritischen Wanderung im Zeitraum von 2200 – 1900 v. Chr. in Verbindung.
„amartum“ heißt westlich und die Amoriter sind eine Volksgruppe die westlich
wanderten und in Kanaan einsickerten. Dagegen spricht die Unklarheit und dass
eine 1000jährige mündliche Überlieferungsgeschichte notwendig gewesen sein
müsste, da die früheste Abrahamserzählung um 900 verschriftlicht wurde.
2.
Ein weiterer
Datierungsversuch bringt Abraham mit den
Hyksos in Verbindung. Dies sind semitische Völker, die nach Ägypten
eindrangen. Gen 12,10-12 (Abraham zieht mit Sarah wegen der Hungersnot nach
Ägypten) könnte mit ihnen in Verbindung stehen. Das ist aber ebf. unsicher.
Allenfalls Gen 37-50 (Josefsgeschichte) könnte noch mit den Hyksos in
Verbindung stehen.
3.
Die Erwähnung der
Hetiter in Gen 23 hat zu einer dritten These geführt: Abraham wird als Zeitgenosse der Hetiter (1700 – 1280) dargestellt.
Aber die Hetiter kamen nicht bis nach Palästina, da es unter ägyptischer
Herrschaft stand.
4.
El-Amarna-Hypothese.
El-Amarna ist die Korrespondenz des ägyptischen Pharaos mit den kanaanäischen
Stadtfürsten über die Hapiru, die die kanaanäischen Stadtstaaten bedrohten.
Hapiru sei die Vorform von Hebräer (semantische Ableitung), weil Abraham in Gen 14,13 als Hebräer
bezeichnet wird, sei er ein Hapiru gewesen. Dagegen spricht, dass die
Hapiru ein kriegerisches Volk waren, die Erzväter aber friedlich.
Auf die Frage nach Datierung und Historizität des Abrahams gibt Ruppert
folgende Antwort:
∙
Die
Erzvätererzählungen sind ein Vorspiel der Landnahme, die weitgehend friedlich
verlief. Es gab zu der Zeit mehrere Sippen (Abrahamsippe, Jakobssippe, etc.),
die sich nach dem Patriarchen benannten, aber sonst nichts von ihm wussten. Sie
projizierten ihre eigenen Erfahrungen mit Gott auf den Namensgeber → corporal personality (Personalisierung des eigenen
Selbstverständnisses).
∙
Abraham ist also
historisch, aber die AE stammt als Projektion aus einer späteren Zeit.
1.5.3 Die Abrahamserzählungen im Kontext altorientalischer Sitten und Gebräuche
Ein anderer Ansatz in der Frage nach Historizität und Datierung geht
von den Sitten und Bräuchen in der AE, bzw. PE in Verbindung zum
altorientalischen Umfeld aus:
∙
Die PE haben Sitten
und Bräuchen, die sonst im AT unbekannt oder verboten sind:
-
Verwandten-Ehe in Gen
20,12 widerspricht Lev 18,9 (Heiligkeitsgesetz) und 2Sam 13,11-12. Abraham lebt
also in einer Beziehung, die später geachtet wird.
-
Leihmutterschaft
(30,9-13) und Beerbung durch den Haussklaven (15,3) sind im AT sonst unbekannt.
Es scheint, dass man in
vorstaatlicher Zeit andere Sitten als in staatlicher, bzw. nachexilischer Zeit
hatte.
∙
Analogie zum
altorientalischen Umfeld:
-
In den hurritischen
Keilschrifttafeln aus dem 14. Jh. gibt es das Fratriarchat, bzw. die
wife-sister-Verbindung (Bruder heiratet Schwester). Eine Verbindung der AE dazu
ist aber nicht eindeutig, da auch dies auch in Ägypten Sitte war.
-
Ebenfalls kommt die
Beerbung durch den Haussklaven darin vor. Dieser Brauch war in Israel aber zu
allen Zeiten möglich, ist also nicht auf dem Hintergrund der hurritischen
Keilschrifttafeln zu erklären.
-
Leihmutterschaft ist
in altorientalischen Urkunden belegt, aber nicht datierbar und lokalisierbar.
Fazit (nach Ruppert):
altorientalische Parallelen zu Bräuchen der Erzväter lassen sich nicht auf die
hurritischen Keilschrifttafeln beschränken. Damit kann man die Erzväter auch
nicht mit Hilfe der hurritischen Keilschrifttafeln datieren. Trotzdem spricht
einiges für die Herkunft des Abraham aus dem mesopotamischen Raum. Die
Parallelen in den Bräuchen gehen wahrscheinlich auf die Sippen (s.o.) zurück.
1.5.4 Die Namen der Erzväter
Die Namen sind für die Datierung wichtig. Zwei Möglichkeiten gibt es:
a)
Es sind Kunstnamen für
corporale Persönlichkeiten
b)
Es sind reale Namen,
die auf historische Gestalten verweisen, ohne dass etwas von ihnen bekannt ist.
Für b) spricht:
∙
Die AT’lichen
Patriarchennamen sind im israelitischen Volk sonst ungebräuchlich. (nur noch in
Num 16,1-21)
∙
Abraham wird als Vater
der Menge gedeutet (17,5). Der Name ist eine Volksetymologie. Abram und Abraham
sind Dialektvarianten
Deutung des Namens Abraham:
a)
Im Akadischen (2000 v.
Chr.): abam-rama = Er hat den Vater lieb
b)
Noth deutet ihn als
Nominalsatznamen. Ab = Vater und rum = erhaben → der Vater ist erhaben. Vater ist auch Bezeichnung
für die Gottheit, daraus folgt, dass in diesem Namen die Beziehung zwischen den
Menschen und Gott ausgedrückt ist. Der Vater der Sippe steht repräsentativ
dafür. Es ist kein Sonderverhältnis zwischen dem Einzelnen und Gott, sondern
Ausdruck des Verhältnisses zwischen Gott und der Sippe → Das Gottesverständnis
drückt sich im Namen aus. Zu diesem Sachverhalt gibt es Parallelen am ehesten
in den Texten von Mari (nordwestsemitisch). Zeit: 17. /18. Jh. „ram“ kommt in
den Mari-Texten häufig vor.
c)
Amana-Hypothese: In
den Schriften von Ugarit (Hafenstadt in NW-Syrien, Blütezeit im 13./14. Jh.,
Bal-Mot-Mythos) fand man Texte der Amana, einem Volkstamm zwischen den
kanaanäischen Stadtstaaten. Die Sprache ist semitisch. Man fand auf einem
Papyrus die Konsonantenkombination Ab-rm. Zeitlich datieren kann man den Namen
allerdings nicht.
→ Abram / Abraham ist auf jeden Fall ein Name aus vorisraelitischer
Zeit. Enger eingrenzen kann man ihn nicht. In der AT’lichen Zeit ist der
Gebrauch des Namens sehr selten.
Die Namen Isaak und Jakob:
∙
Beide Namen sind
Imperfektkurznamen. Die Langform der Namen hatte ein theophores Element, das
bei der Verkürzung jedoch wegfiel.
∙
Jakob kommt von
Jakubila, gebräuchlich bei den Westsemiten des Zweistromlandes. Der Name heißt
„die Gottheit möge schützen“.
∙
Isaak kommt von sahaq: „die Gottheit möge lachen“. Es ist ein Wunsch
nach einer Gottheit mit freundlicher Miene. Der Ausdruck ist aber nicht auf
Jahwe bezogen, sondern auf Sarah in Gen 17,17.
∙
Im altorientalischen
Umfeld ist Isaak sonst nicht nachweisbar.
1.5.5 Die Religion der Erzväter – ein vorjahwistischer Religionstyp?
Dieser Punkt ist nach
anderen Mitschriften rekonstruiert. Vgl. dazu, sowie zum gesamten Punkt 1.5,
Ruppert: Genesis. S. 40-60. Signatur: 75/BC 7500 S357-70
∙
Es geht um die Frage,
was man unter der Religion der Erzväter zu verstehen hat und um ihre Datierung:
vorstaatlich oder vorisraelitisch?
∙
Wellhausen: Was wir
aus der Jahwe-Quelle wissen ist nicht die Religion der vorstaatlichen Zeit,
sondern die Religion des 10. Jh., denn J ist nicht Sammler, sondern Autor
seines Werkes.
∙
Der wellhausensche
Ansatz änderte sich mit dem Aufkommen der Überlieferungsgeschichte. Gunkel: Man
muss vor den Quellen mit einer mündlichen Vorgeschichte rechnen. Es sind also
neben der zeitgenössischen Religion auch frühere Formen von Religion
eingeflossen, ihre Spuren sind in den Texten noch erkennbar. Man kann also auf
die vorjahwistische Religionsform rückschließen. Wichtig dafür ist:
-
die Datierung der
Erstverschriftlichung der Patriarchenerzählungen
-
die Bedeutung, die man
der mündlichen Überlieferungsgeschichte beimisst.
∙
Blum: Der Abraham-Lot-Zyklus
wurde erst im Exil verschriftlicht, es gab also eine 600 Jahre lange
Überlieferungszeit. Man kann daraus keinen Rückschluss auf die vorstaatliche
Zeit ziehen.
∙
Ruppert geht von einer
frühen Verschriftlichung aus (Ende des 10. Jh.). So ist die Wahrscheinlichkeit
größer, dass sich in den PE Spuren vorjahwistischer Religionsformen erhalten
haben.
Was war die Religion der Väter? – Charakterisierung der Väterreligion
entsprechend der heutigen Darstellung der Bibel
(vgl. Maag, Volker: Der Hirte Israels. S. 111 – 144.):
∙
Die Erzväter glauben
an eine besondere Beziehung Gottes zu ihnen.
∙
Gott hat zu ihnen eine
familiäre Beziehung als Vater.
∙
Die Gottheit hat
keinen Eigennamen, sondern wird durch die Namen der Erzväter definiert: Gott
Abrahams (26,24), Gott Isaaks (28,13), Gott Jakobs. Gott meines Vaters (31,5):
der Nachkomme ordnet sich genealogisch in die Verehrung Gottes ein.
∙
Sonderbezeichnungen
für Gott: Der Starke Jakobs (49,24), Schrecken Isaaks (31,53).
∙
Der Vätergott führt
den Stammvater und seine Sippe, bzw. Nachkommen sicher ans Ziel: Abraham (12,1)
und Jakob (31,3).
∙
Gott geht mit den
Vätern mit. Er ist nicht ortsgebunden, ruht nicht an einer Kultstätte → deus vagans, deus migrans.
(Gen 26,24: denn ich bin mit dir. Weitere Stellen: 28,15; 28,20; 46,4;
12,10-12)
∙
Der Vätergott sorgt
sich um seine Verehrer und gewährt ihnen Schutz. Er nimmt Jakob vor Laban in
Schutz (31,29.42), rettet aus Gefahren (32,12), versorgt mit dem Nötigsten,
bewahrt vor Hunger, Durst und Blöße (28,20) → persönliches Verhältnis, das auf existentielle Nöte
eingeht.
∙
Von den Vätern ist
kein Opferkult berichtet. Sie errichten zwar Altäre, aber opfern nicht darauf.
Das einzig berichtete Opfer ist das Widderopfer anstelle des Isaaks in Gen 22 → Ätiologie des Kultes, Berg
Moria soll als Berg Zion legitimiert werden.
∙
Gott ist ein Gott der
Verheißung: Landverheißung an Abraham, Isaak und Jakob, Mehrungs- und
Sohnesverheißung.
Alt: (Albrecht Alt: Der Gott der Väter)
∙
Alt (1929), geht davon
aus, dass die Väterreligion ein vorjahwistischer Religionstyp ist. Die
Charakterisierung der Väterreligion weist darauf hin.
∙
Der Vergleich der
Väterreligion bezüglich der oben dargestellten Elementen mit nabatäischen und
palmyrischen (?) Schriften aus der hellenistischen Zeit ergibt, dass die
Väterreligion ein Religionstyp eigener Prägung ist.
∙
Er unterscheidet
zwischen dem vorpalästinischen Status (nomadenhaftes Umherziehen) und dem
palästinischen Status (Sesshaft-Werdung, Identifizierung der Gottheiten mit
lokalen Kultstätten).
∙
Die Mehrungsverheißung
ist älter als die Landverheißung: Die MV entspricht dem Interesse der Nomaden
an der Mehrung der Männer. Sie ist also im vorpalästinischen Status entstanden.
Die LV entspricht dem Wunsch nach Kulturland (man sitzt bereits im Land), sie
ist im palästinischen Status entstanden.
∙
Auswirkungen des
palästinischen Status sind:
-
Die Väter konnten
Offenbarungsempfänger und Kultstifter werden: Gen 28 (Offenbarungsempfang des
Jakob, Bet-El)
-
Die Väterreligion
wurde selbstständig. Es kam zu einem Nebeneinander von Stammesreligion und
Jahwereligion
-
Nach und nach wurde
jedoch alles jahwisiert und die El-Gottheit wurde mit der Vätergottheit Jahwe
identifiziert.
∙
Alt’s These wurde in
den 80iger Jahre in Frage gestellt. Blum geht von einer späten
Verschriftlichung aus, nach Köckert ist sie ein religionsgeschichtlicher
Befund.
∙
Alt’s Fehler ist, dass
er sich von der biblischen Chronologie leiten lässt. Die Landnahme ist aber Teil
der Patriarchenzeit (Zweifache Erzählung, sowohl friedlich als kriegerisch)
Köckert (Köckert, M.: Vätergott und Väterverheißungen) kritisiert Alt:
∙
Die Väterreligion ist
nicht typisch für Halbnomaden, sondern entstammt der staatlichen Familienreligion
als in der Assurkrise die Jahwereligion nur in der Familie weiterexistieren
konnte.
∙
Es gibt vier mögliche
Wendungen für die Gottesbezeichnung:
a)
Gott des NN
b)
Gott meines/deines
Vaters
c)
Kombination von a) und
b)
d)
Appellativ und
Patriarchenname (Schrecken Isaaks)
→ Daraus lässt sich nicht die
Annahme einer nomadischen Herkunft ableiten.
∙
b) ist
traditionsgeschichtlich die älteste Gottesbezeichnung, aber sie weist nicht
unbedingt in vorstaatliche Zeit hinein. Dass ein Mensch sich auf Gott beruft
weist nicht auf die vorstaatliche Zeit, sondern auf den familiären Hintergrund
hin.
∙
Am Anfang war ein
Stammvater, in dessen Familie sich die Gottheit beheimatet.
∙
Köckert datiert die
Entstehung der Väterreligion ins 8. Jh., denn der Monojahwismus passt am besten
in diese Zeit. (Zapff schließt sich im an).
Vorländer (Vorländer, H.: Mein Gott):
∙
Man muss im alten
Orient zwischen den persönlichen Gottheiten (Familiengötter) und den
Nationalgottheiten unterscheiden. Auf den sumerischen Königsinschriften ist von
einem persönlichen Schutzgott die Rede: Ein Einzelner hat von seinem Vater eine
Gottheit übernommen und mit seinem Namen versehen. Der persönliche Gott ist
Garant für das Wohlergehen.
∙
In Israel gab es auch
den Unterschied zw. persönlichen Schutzgottheiten und dem Nationalgott. David
hat Jahwe zu seinem persönlichen Schutzgott erwählt und verknüpfte so Staat und
Familie.
∙
Durch den Jahwisten
wurden die Familiengötter jahwisiert. Die Schutzgottheit der Väter wurde mit
Jahwe identifiziert. Deshalb fehlen auch die Namen der Familiengötter, Jahwe
ersetzte alle anderen Götternamen. Gen 28, 20-22 ist paradigmatisch für die
Jahwisierung der Familienreligion.
∙
Im 8. Jh. wurde Israel
Vasall von Assur, Israel musste im Tempel den Gott der Assyrer verehren. Um die
Jahwereligion zu gewährleisten verehrte man Jahwe in den Familien. Auf diesem
Hintergrund versuchte das nP Geschichtswerk aus dem 8. Jh. die Jahwereligion zu
stärken und ihr Überleben zu sichern: Nach der Zerstörung des Tempels überlebte
Jahwe im Exil allein in der Familie. Die VE sollten dafür als Paradigma gelten → die Väterreligion war also
nicht Vorstufe, sondern sie existierte bis ins Exil als Jahwereligion.
∙
Zwar gab es auch in
vorstaatlicher Zeit eine Väterreligion, aber diese ist schwer zu
charakterisieren.
!!Die PE ist eine Erzählung,
die die Menschen in der Gegenwart betrifft. Das Wichtige dabei ist nicht die
historische Gewissheit, sondern die theologische Wahrheit!!
2. Exegese ausgewählter Texte aus den Abrahamserzählungen Gen 11,27 – 25,11
2.1 Texte aus den nichtpriesterlichen Abrahamserzählungen
2.1.1 Die Berufung des Abraham Gen 12,1-9
2.1.1.1 Text und Übersetzung
Siehe
Blatt
2.1.1.2 Textkritik
∙
V2: In der LXX steht
„sei gesegnet“ statt „sei ein Segen“. Die LXX ist dem Text aber nicht gerecht
gewesen.
∙ V9: %Alh + Inf. absolutus: ständiges Laufen, Gehen.
2.1.1.3 Abgrenzung, Kontextbezüge, innere Struktur und Gattungsbestimmung von Gen 12,1-9 (synchron)
Der Text ist einer der großen theologischen Texte des ATs. Es gibt zu
ihm viel Sekundärliteratur, aber ohne Grundkonsens. Dieser Abschnitt geht
synchron vor, weil die Fragestellungen ohne Blick auf die Schichten beantwortet
werden können. In 2.1.1.4 geht es diachron weiter.
Abgrenzung:
∙
wissenschaftlich
unbestritten.
∙
Nach vorn: nach dem
Tod Terachs beginnt mit 12,1 ein neuer Abschnitt.
∙
Nach hinten: V9 ist
Überleitungsvers. Manche zählen ihn bereist zum Folgenden, manche noch zum
Kapitel. Beides ist richtig. Sicher ist, dass nach V9 etwas neues beginnt.
Kontextbezüge:
1.
Der Auszugsbefehl in
V1 erinnert an Gen 7,1 (Befehl an Noah), die Ähnlichkeiten reichen bis in den
sprachlichen Bereich hinein. Es geht beidesmal um die Trennung von der Heimat. → Abraham wird zum zweiten
Noah, wie Noah zum Stammvater der Menschheit wird, wird Abraham zum Stammvater
des Gottesvolkes.
2.
Nimmt man 12,1-9 für
sich allein, fällt die Ortlosigkeit Abrahams auf. Das Vaterhaus in V1 wird
nicht lokalisiert. Das erinnert an die UG, wo die Personen ebf. ohne Ortsbezug
geschildert werden. → Abraham ist nicht als individuelle Persönlichkeit, sondern als
korporative Persönlichkeit gezeichnet: Abraham rettet Israel.
3.
Die Verheißung an
Abraham in V2 bildet den bewussten Kontrast zur Turmbaugeschichte.
4.
Die Segnung des
Abraham steht im Kontrast zum Fluch in der UG (3,17; 4,11; 9,25)
5.
Der V3 (Segen für alle
Völker) findet in 18,18 und 22,18 sein Echo (Zusammenhang innerhalb der AE)
6.
Übergreifender
Zusammenhang mit den PE: Die Verheißung an Abraham weitet sich in 26,4
(Verheißung an Isaak) und in 28,14 (Verheißung an Jakob) aus.
7.
V4b (Haran) setzt
11,28-32 voraus.
8.
Die Erwähnung des Lot
in V4a ist Voraussetzung für Gen 13.
9.
Durch 12,6-8 werden
die Erzväter Abraham und Jakob in Parallele gesetzt: Wie Abraham nach (?)
wandert, so später auch Jakob.
Fazit: 12,1-9 hat kontextuelle Bezüge nach hinten und vorne → die Erzählung spielt für
die Interpretation der anderen Texte eine zentrale Rolle.
Struktur (siehe Blatt!):
2 Teile: V1-3 und V4-9
∙
V2/3 hat 7x das Verb
segnen in einem kunstvollen Aufbau: 3 Futural-, bzw. Verbalsätz am Anfang und 3
am Schluss.
∙
V 3b fällt aus der
Reihe, weil er länger ist und in einer anderen Zeit steht.
∙
→ Zweigipfliger Aufbau: V2b =
Hauptgipfel, V3b = Nebengipfel. Das ergibt auch eine inhaltliche Aussage: der
Segen in 2b ist wichtiger als in 3b.
∙
Der zweite Teil ist
weniger strukturiert. Er erzählt von der unsteten Wanderung des Abraham ohne
Ziel. Abraham steht in der Gefahr das Verheißungsland zu verfehlen.
Gattung:
∙
Anhand von V2/3 ließe
sich die Gattung als klassische Verheißung bestimmen: Hofsprache gemäß Ps
72,17.
∙
Die Gattung ist jedoch
die eines Itinerars (Wegbeschreibung einer Wanderung). Auch wenn V1 nicht den
Ausgangspunkt bringt, motiviert er aber die Wanderung. Die VV2/3 lassen sich in
das Itinerar einfügen.
∙
Sitz im Leben der
Itinerar-Gattung: Situation eines Wanderhirten, der seine Wanderung festhält.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich traditionsgeschichtlich um eine in
vorstaatliche Zeit zurückreichende Erzählung handelt. Bei Blum erübrigt sich
der Sitz im Leben, da er die Erzählungen ins Exil datiert. Ruppert datiert sie
in die Zeit Salomos.
2.1.1.4 Literarkritik
Ausgangspunkt für die Literarkritik: Sachkonturen, theologische
Konturen stehen in Spannung.
V4b/5:
∙
wissenschaftlicher
Konsens (außer Blum) ist, dass die Verse spätere Ergänzung sind, und damit
ausscheiden. Kriterien für die Ausscheidung sind:
∙
Textinternes
Kriterium: Dopplung des Mitziehens von Lot, dadurch entsteht eine inhaltliche
Spannung von V5 zu V4a. Weitere Spannung: In V5 zieht Lot auf die Initiative
des Abraham mit, in V4a zieht Lot auf eigene Initiative mit.
∙
Textexternes
Kriterium: Durch „Haran“ ergibt sich ein Bezug zu Gen 11,31 und eine Analogie
zu 11,32. Haran ist von daher Ausgangspunkt der Wanderung des Abraham. Die
Altersangabe in V4b gehört zu P.
→ V4b/5 ist also nachträglich eingefügt und gehört zu P.
Der Restbestand:
Nach der Subtraktionsmethode bleiben die VV 1-3; 4a; 6-9 übrig. Sie
gehören zu nP. Nach älterer exegetischer Auffassung wird er dem Jahwisten
zugeschrieben. Westermann / Ruppert gehen davon aus, dass er auf ältere
Traditionen zurückgeht, die von J aufgenommen wurden. Kilian / Zenger sagen,
dass der jahwistische Grundtext noch Ergänzungen erfuhr.
Weitere literarkritische Ausscheidungen nach Zenger / Ruppert:
∙
V3a ist spätere
Ergänzung, denn er schränkt die undifferenzierte Segensaussage für alle Stämme
in V3b ein, indem er ihr die Segnung an eine Bedingung knüpft. (Diese
Ausscheidung akzeptiert Zapff. Die Folgenden aber nicht. Sie sollen nur
dargestellt werden)
∙
V2aα (und ich mache dich zu einem großen Volk) und V2ab (und ich mache deinen Namen groß):
scheide aus, weil es im Kontext zu früh komme. Die beiden Halbverse seien
nachträglich eingefügt worden. Zapff dagegen sagt, dass V2 einheitlich ist,
weil in ihm die Aussagen einander entsprechen: die Folge des Volk-Werdens ist
der große Name.
∙
4aβ: die Erwählung Lots sei
nachträgliche Ergänzung. Aber das kann so nicht ohne weiteres behauptete
werden. Die Frage entscheidet sich nämlich auf dem Hintergrund des jeweiligen
Entstehungsmodells.
∙
V6bβ: Kanaaniter sei
nachträgliche Einfügung.
∙
V7 sei spätere
Ergänzung des jahwistischen Grundtextes. Gründe:
-
Spannung zu V1:
Während in V1 nur die Jahwerede steht, steht die Jahwerede in V7 im
Zusammenhang mit einer Gotteserscheinung. Auch kommt der Altarbau in V7 in V1
nicht vor.
-
Gebrochene
Landverheißung: Das Land wird nicht Abraham, sondern seinen Nachkommen
verheißen im Gegensatz zu Gen 13,15.
∙
V8: erneuter Altarbau
und Spezifizierung der Ortsangabe → V8 sei ebf. spätere Ergänzung
Nach diesen Ausscheidungen
bliebe dann als Grundbestand die VV 1; 2; 3b; 4aα; 6abα; 7-9
2.1.1.5 Redaktionskritische Überlegungen und der Versuch einer Datierung
Im Folgenden soll Gen 12,1-9 auf dem Hintergrund der verschiedenen
Entstehungsmodellen gedeutet werden. Früher nahm man mit Wellhausen an, dass
der Grundbestand von J älteste Quellenschicht) ist und datierte ihn demnach ins
10. Jh. (salomonische Ära). Heute gibt es drei Datierungsversuche: Blum,
Ruppert und Kratz / Zenger:
Datierungsversuch nach Blum:
∙
Ausgangsthese: die
Gesamtkomposition der VE wurde erst im Exil fertiggestellt.
∙
12,1-9 ist
unterschieden in drei Teile: V1-3 / 6-9 / 10-12. V6-9 bildet eine
kompositionelle Klammer, die 1-3 mit 10-12 verbindet. Zugleich parallelisiert
6-9 Jakob mit Abraham durch die Wanderung und den Altarbau. → V6-9 steht in Korrespondenz
mit der Jakobserzählung und damit in Zusammenhang mit der Komposition der Vätergeschichte,
welche Blum als Vätergeschichte 2 (Vg2) bezeichnet.
∙
Vg2 ist die
Überarbeitung von Vg1. Vg1 besteht aus dem Abraham-Lot-Zyklus (Gen 13/19) und
dem Jakob-Laban-Zyklus. An Vg1 wird nun 12,1-9 angefügt, wodurch Abraham
pointiert vorangestellt wird. So entsteht Vg2. → 12,1-9 ist also literarische Produktion im Blick
auf Vg2.
∙
Zentrale Themen von
Vg2: die vier Gottesreden, Abraham (12,1) Verheißung der Volkswerdung, der
Landgabe und des Segens.
∙
Vg2 ist unabhängig von
der UG und vom Exodus entstanden, da zu beidem keine Zusammenhänge bestehen.
∙
Blum datiert deshalb
Vg2 (und damit 12,1-9) in die exilische Zeit. Begründung der Datierung:
-
Entsprechend
Deuterojesaja (Jes 41,13) werden auf Abraham (und damit auf Israel)
königsideologische Elemente übertragen: V3b (durch dich sollen alle
Geschlechter der Erde Segen erlangen) findet sich in Ps 72 und 45 → königliche Konnotation.
-
Die Mehrungsverheißung
(V2a) ist nur als Negation der völlig desolaten Lage Israels im Exil zu
verstehen. Angesichts des Bevölkerungsschwunds verheißt sie Hoffnung.
-
Die Segensverheißung
ist im Exil Trost für Israel: Jahwes Segen bleibt bei euch.
-
Die Landverheißung
entstand angesichts der Tatsache, dass das Leben im Verheißungsland in
Misskredit geraten ist. Vgl. Jer 42: Das Land ist verwüstet, die
Übriggebliebenen wollen deshalb nach Ägypten auswandern, was aber als Zeichen
des Unglaubens zu werten ist. Deshalb wird betont, dass das Land das
Verheißungsland ist.
∙
Gegen eine exilische
Datierung spricht (Zapff ist mit Blum nicht einverstanden):
-
Blum nimmt die
literarkritische Analyse von 12,1-9, die auf eine längere Redaktionsgeschichte
verweist nicht genügend ernst. Der Grundbestand wurde in späterer Zeit
fortgeschrieben. Bei einer Datierung ins Exil würde die Fortschreibung viel zu
spät geschehen sein und würde in Konkurrenz zu P treten.
-
Nach Blum gibt es in
12,1-9 keinen vorexilischen Bestand. Der Text ist reine „Schreibtischarbeit“.
Das ist aber kaum vorstellbar, denn man muss in jedem Fall einen
religionsgeschichtlichen Hintergrund annehmen. Abraham ist eine Persönlichkeit.
Eine rein exilische Herleitung trifft nicht zu.
-
Die Verbindungslinien
zwischen der UG und dem nichtpriesterlichen Grundbestand von 12,1-9 belegen,
dass die Grundschrift von 12,1-9 eine ursprünglich durchgehende Schrift war.
Vg2 kann daher nicht sukzessive entstanden sein. Folgende Verbindungslinien
lassen sich feststellen:
1.
Die Beziehung zwischen
der nP VE und der UG ist enger als Blum annimmt.
2.
V8 findet sich in Gen
4,26 (nP UG)
3.
Abraham befindet sich
in der urgeschichtlichen Bewegung von Ost nach West.
4.
Enge Verbindung
zwischen Noah und Abraham.
5.
Die Altarbaunotizen
verbinden Abraham mit Noah.
Datierungsversuch nach
Ruppert:
∙
Ruppert vertritt die
Datierung von Wellhausen: Der Text ist in 10. Jh. entstanden.
∙
Im Unterschied zu Blum
geht Ruppert davon aus, dass die Verheißungen bereits Wirklichkeit wurden, sie
sind im Salomonischen Großreich (10. Jh.) verwirklicht.
∙
Insbesondere die
Segensverheißung (in dir sollen sich segnen alle Völker) hat sich im
friedlichen Zustand des Salomonischen Großreiches verwirklicht. Der
Segensverheißung kommt ätiologischer Charakter zu: man wollte erklären, woher
der Friedenszustand des Salomonischen Großreiches herkommt.
∙
Der Grundbestand von
12,1-9 ist jahwistisch.
∙
Die Erweiterung V2/3
(Eingrenzung in 3a) stammt aus späterer Zeit
∙
V7 ist ebf. später.
Hintergrund dafür ist der Landverlust nach 722 (Untergang des Nordreichs und
Restaurationsprogramm des Hiskija)
∙
Ruppert liefert einen
detaillierten Deutungs- und Datierungsversuch. Kriterium zur Beurteilung ist,
ob sich die Segensverheißung schon erfüllt hat, oder ob sie noch aussteht.
Datierungsversuch nach Kratz
/ Zenger (nach
Zapff am ehesten angemessen):
∙
Die Grundschrift
stammt aus dem letzten Drittel des 8. Jh., Zeit der Hiskajanischen Reform
∙
Nord- und Südreich
wuchsen in jener Zeit wieder zusammen, Israel muss jetzt unter
nicht-staatlichem Gewand existieren. Auf diesem Hintergrund unterstreicht
12,1-9 die Landverheißung an Abraham → trotz der Zerstörung des Nordreichs kann sich
Israel als Einheit erfahren und zum Segen werden.
∙
Der Text hat eine
doppelte Aussage-Intention: Bekräftigung der Landverheißung – Umsetzung der
Segensverheißung im nicht-staatlichen Zustand → Schlüsseltext zur Selbstvergewisserung des Volkes
in schwieriger Zeit.
∙
In der Gestalt der
Patriarchen weist die Familienreligion den Weg, wie die Jahwereligion gelebt
werden kann. Israel kann auch unter der Bedingung der Nichtstaatlichkeit mit
Jahwe im Rahmen der Familienreligion weiterexistieren.
2.1.1.6 Einzelexegese
∙
V1 + V4a (Wegzug)
bilden einen Rahmen um die Verheißung in V2/3. V4a vermerkt die Umsetzung der
Weisung in V1.
∙
Das Wort Jahwes in V1
steht in Verbindung mit der Verheißung in V2/3
∙
Es gibt eine
Steigerung des Segens von V2b (Andeutung, dass der Segen über Abraham hinaus
wirkt) zu V3 (Segen wird universal)
V1:
∙
Unvermitteltes,
plötzliches Jahwewort: manche schlagen 11,28-30 als Einleitung dafür vor, es
spricht aber mehr dafür, dass V1 unvermittelter Beginn der VE ist.
∙
Ziel ist die radikale
Kontrastierung: auf den Turmbau folgt sofort die Berufung des Abraham (der Text
dazwischen ist aus P) → auf die Hybris der Gehorsam, auf das Stimmengewirr die Stimme Jahwes.
Es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen.
∙
In der Jahwerede wird
eine neue Initiative Jahwes deutlich: Er beruft Abraham aus freien Stücken.
∙
V1 setzt eine
Unmittelbarkeit (unmittelbares Verhältnis) zwischen Gott und Mensch voraus. Es
ist die Unmittelbarkeit der UG (3,17 und 7,1). Die Anrede an Abraham entspricht
deutlich Gen 7,1. Beidesmal wird eine neue Epoche eingeleitet. → Abraham wird wie einst Adam
und Noah zum Begründer einer neuen Menschheit.
∙
Durch die Beziehungen
zu Noah wird Abraham nicht als Einzelperson dargestellt, sondern als Person der
Heilsgeschichte im Sinn einer korporativen Persönlichkeit → in Abraham spiegelt sich
Schicksal und Charakteristik Israels, sowie sein Selbstverständnis wieder. Es
gibt im biblischen Denken kein Gegensatz zwischen Historie und Theologie.
Biblisches Denken ist Reflex auf Historie in anderem Sprachgewand und kein
modernes Geschichtsdenken.
∙
„Abram“ ist
Dialektvariante. J greift die Konzeption von P auf, um auf die Umbenennung in
Gen 17 (Abram-Abraham) hinzuarbeiten.
∙
Die Jahwerede ergeht
als Befehl, Forderung → der Gott der Bibel ist ein fordernder Gott.
∙
Dreigliedrige Struktur
der Forderung: die drei Termini Land, Verwandtschaft und Vaterhaus bezeichnen
eine vollkommene Herauslösung aus allen Verwurzelungen (3 = Zahl der
Vollkommenheit) →
dreigliedrige Verengung von außen (Land) nach innen (Familie als intimster
Bereich).
Theologie der Jahwerede in V1 und V2:
V1:
∙
Westermann: Da Abraham
ein Wanderhirte ohne Heimat ist, ist die Weisung als Rettung aus einer Notlage
zu verstehen. Der Schutzgott weist ihn in ein anderes Gebiet um einer Not zu
entgehen. Aber: es ist nicht nur ein Gebietswechsel geboten, auch die Familie
soll verlassen werden. Die Forderung ist eine Zumutung
∙
Die Aufforderung den
Schutz der Sippe zu verlassen bedeutet Lebensgefahr (Vgl. Zapff: Was ist der
Mensch, Antrittsvorlesung). Da der Jahwist wahrscheinlich in einer Stadt lebte,
war er sich der Bedeutung von Sicherheit wohl bewusst. → von Abraham wird ein enormes
Vertrauen in Jahwe gefordert.
∙
Das Hebräische ^l.-%l, (Geh für dich) ist ausdruckstarkes Verb dafür → es ist für Abraham eine
Glaubensprobe.
∙
Das Ziel des
Herausrufens wird in V1b sehr allgemein benannt, es ist ungewiss. Das verwendete
Verb ist har in kausativer Form (ich lasse dich sehen). Diese
Form wird für das Handeln Gottes verwandt: theologische Verbform. → Bis Jahwe das Land zeigt
ist von Abraham blindes Vertrauen gefordert. Die Zumutung steigert sich.
∙
Jahwe verpflichtet
sich dadurch aber auch bei Abraham zu sein, er geht mit. Rad: In dem Ruf sah
Israel ein Grundmerkmal seines ganzen Lebens vor Gott. Herausgenommen aus den
Völkern liegt es ganz in der Hand Jahwes.
V2:
∙
Motivation des
Aufbruchs sind die Verheißungen.
∙
Leitwort der
Verheißung ist „Segen“, krB. Es kommt 5x in
verschiedener Weise vor. Die Betonung des Segens ist auffällig, weil in der nP
UG der Segen nicht vorkommt. Nimmt man nP für sich kommt in 12,2 zum erstenmal
das Wort Segen vor → Abraham erscheint in besonders hellem Licht.
∙
Sinnvoller wäre es,
wenn der Segen vor der Volkswerdung stehen würde (Ruppert scheidet den Vers
deswegen aus), aber es ist bewusst umgekehrt, denn die Intention ist: der Segen
Jahwes ergeht nicht nur für Abraham, sondern durch ihn für ganz Israel. So
Seebass.
V2:
Erste Verheißung: „großes Volk“:
∙
Für Volk ist das Wort yAg verwendet. Im Unterschied zu am (Innenseite, familiäre Sicht und Blutsverwandtschaft eines
Volkes) bezeichnet es die Außenseite, die staatliche Größe, die gemeinsame
Sprache und die Landesgrenze eines Volkes.
∙
Datierung:
-
Wenn Jahwe Abraham ein
yAg verheißt, ist das Anhaltspunkt für die Datierung
ins Salomonische Großreich, weil dort die Verheißung erfüllt wurde.
-
Ruppert dagegen sagt,
dass das Salomonische Großreich keine geschlossene Größe war, sondern ein
Vielvölkerstaat. Er datiert den Text nach 722, als Juda yAg inmitten der Völker war. (Zapff schließt sich
Ruppert an, allerdings datiert er im Gegensatz zu ihm die ganze Grundschrift
nach 722. Ruppert ja nur Teile davon. V2 ist bei Ruppert spätere jehowistische
Überarbeitung.)
-
Da Juda aber kein
vollständiges yAg war, sondern abhängiger
Vasallenstaat, war es einerseits im Ist-Zustand des yAg, andererseits im Verheißungszustand auf die volle
Verwirklichung hin. Ideal war damals das davidische Reich. Es war aber
deutlich, dass nur Jahwe Juda wieder zu einem yAg
machen kann.
Zweite Verheißung: Segen:
∙
Die Bedeutung der
Segensverheißung (krB):
-
Grundbedeutung:
Heilskraft, heilsschaffende Kraft.
-
Die zweite Bedeutung
von krB ist Niederknien. Das Verhältnis zwischen beiden ist
aber ungeklärt
-
Im alten Orient hat krB noch andere Bedeutungen: Kraft der Fruchtbarkeit,
des Wachsens, karabu = segnen, grüßen
∙
krB kommt im AT 88x vor, besonders in Gen, Dtn,
Psalmen. KrB ist Charakteristikum der VE.
∙
Übersetzung von krB:
-
Deklaratorische
Bedeutung: es erklärt, dass jemand mit heilschaffender Kraft begabt ist.
-
Jahwe verleiht
heilschaffende Kraft.
∙
Der Segen ist auf
Zukunft ausgerichtet: „sei ein Segen!“ → der Segen konkretisiert sich in der künftigen
Volksgeschichte. Segen wird zum Deutewort der Geschichte Israels.
Dritte Verheißung: „großer Name“:
∙
Bedeutung des Namens:
-
Dianoetisches Element:
Der Name bezeichnet das Wesen der Person. Am Namen erkennt man die Person,
nomen est omen. Bsp: Abel = Vergänglichkeit, Gen 35,18 wo Rahel ihrem Sohn
wegen der schwierigen Geburt den Namen Unheilskind gibt.
-
Dynamisches Element:
Der Name bezeichnet Macht und Bedeutsamkeit. Wer bedeutsam ist, dessen Name ist
groß – wer einen großen Namen hat, der ist bedeutsam (aufeinander bezogen). In
2Sam 7,9 ist steht „Name“ im Kontext der Politik, großer Name heißt politische
Macht. Das entspricht altorientalischer Königsideologie → Übertragung königstypischer
Vorstellungen auf Abraham? Aber die Verheißung eines großen Namens geht nicht
an Abraham, sondern an seine Nachkommen, nicht Abraham, das ganze Volk ist
groß. Das heißt aber auch, dass Jahwe den großen Namen verschafft, es ist keine
Leistung des Abrahams. Von hier aus gibt es zwei Datierungsvorschläge: exilisch
/ 8. Jh.
Deutung des Abschluss von V2: „und sei ein Segen!“:
Wie in Sach 8,13: „damit ihr ein Segen seid“ ist die Aussage ist im
Sinne eines Fazits zu verstehen. Da V3b den Segen expliziert, ist V2 als
Einleitung zu V3b zu verstehen. (3b folgte ursprünglich auf V2, 3a ist später).
Dieses Fazit kann man dreifach deuten:
a)
Abraham ist
„fleischgewordener Segen“, d.h. der Segen ist an ihn gebunden und hat keine
Auswirkung auf andere. Aber in V3b beziehen sich die Völker auf den Segen.
Diese Deutung stimmt also nicht.
b)
Abraham hat bezüglich
der Völker eine aktive Rolle. Er ist Segenspender.
c)
Abraham hat bezüglich
der Völker eine passive Rolle. Der Segen geht ohne sein Mittun auf sie über.
→
a) scheidet aus, gegen
b) spricht, dass es keine Völkermission im AT gibt, also ist c) am ehesten
denkbar: In Abraham/Israel ist die heilvolle Kraft Jahwes gegenwärtig und kann
auf die Völker überfließen. Das geschieht z.B. auch in der
Jakob-Laban-Geschichte, wo der Segen Jakobs auf Laban überfließt (30, 17). Dies
ist eine königsideologische Vorstellung, vgl. Ps 72 (kosmische Dimension der
Segenskraft).
V3b:
(Weil V3a literarkritisch ausgeschieden ist, wird zuerst V3b behandelt.
V3b folgte auf V2)
Die
Übersetzungsmöglichkeiten von Wkr>b.nIw> (wenibreku).
krB steht im Niphal und hat damit keine eindeutige
Übersetzung. Es kann passivisch, reflexiv oder medial übersetzt werden → siehe Blatt!:
Zu 1:
∙
Der Satz ist dann als
passivum divinum zu verstehen → Gott steht hinter dem Segen und gibt allen Völkern Anteil am Segen.
Kontrast zum Fluch der UG
Zu 2:
∙
Es gibt zwei
Parallelstellen mit dem Verb wenibreku und zwei Parallelstellen
mit krB im reflexiven Hitpael. Weil alle reflexiv übersetzt
werden, ist V3b auch reflexiv zu übersetzen, so Blum.
∙
Bei dieser Übersetzung
ist nicht Jahwe der Segensspender. Wie Abraham erstreben die Völker für sich
den Segen. Sie segnen sich selbst. Auch in Ps 72,17 und Jer 4,2 ist der Segen
im diesem Sinn zu verstehen. Die Völker wollen also wie Abraham gesegnet sein.
∙
Wenn sich die Völker
aber selber segnen, fällt der Zusammenhang zwischen UG und VE weg.
Einwände von Ruppert:
∙
Die Parallelstellen
sind jünger als V3b und damit Interpretation von V3b.
∙
Die beiden
Hitpaelformen sind eine Abschwächung der Aussage von V3b. Der Autor will
vermeiden, dass die Völker von Jahwe gesegnet werden.
∙
Die Parallelstellen
sind also nur bedingt hilfreich.
Zu 3:
∙
Ruppert schließt sich
Schreiner an.
∙
V3b wird vom Kontext,
d.h. von V3a her interpretiert.
∙
Bei der medialen
Übersetzung ergibt sich, dass die Völker aktiv am Segen mitwirken → aktive Rolle der Völker.
Ergebnis:
∙
2 (Blum) ist nicht
überzeugend. Da V3a sekundäre Erweiterung ist, scheidet 3 (Schreiner) aus. Es
bleibt nur noch 1 (Rad) als Möglichkeit: In Beziehung zur UG geht durch Abraham
der Segen auf alle Völker über.
∙
Dafür spricht auch die
Verwendung von adama in V3b
(Zusammenhang mit Segen) in Parallele zu 3,17(Zusammenhang mit dem Fluch) → Dem Fluch wird der Segen
gegenübergestellt.
∙
Über Abraham wird der
Segen auf alle Völker übergehen. Abraham signalisiert die Wendung zum Heil. wenibreku
ist passivisch zu verstehen. Das entspricht auch der kirchlichen Theologie.
∙
Unterschiedliche
Interpretationen der Grammatik können also theologische Unterschiede bewirken.
∙
Im heutigen Kontext
ist V3a ist Nachinterpretation von 3b. nach der Einfügung von V3a ergibt sich
eine mediale Interpretation in dem Sinn, dass man wegen dem feindlichen
Verhalten der Völker die Segensverheißung eingrenzen wollte.
Datierung:
∙
Israel ist also
Bedingung für das Heil der Völker. Das impliziert aber auch einen moralischen
Impetus: Israel muss sich segensgemäß Verhalten. Deswegen datiert Ruppert V3b
in die Zeit des Salomonischen Großreiches (10. Jh.)
∙
Zapff ist für die
Datierung ins 8. Jh. In dem Vers spiegelt sich die existentielle Lage Israels
nach dem Untergang des Nordreichs. Es gibt nur noch Juda. Intention ist: nicht
durch Assur wird die Völkerwelt geeint, sondern durch Jahwe, weil er Israel
erwählt hat.
V3a:
∙
3a (spätere Ergänzung)
ist die konditionale Auffassung von 3b.
∙
„segnen“ steht im
Hebräischen in der Pluralform, „fluchen“ in der Singularform → die Mehrzahl segnet
Abraham, nur eine Minderheit flucht ihm.
∙
Die Fluch- und
Segensaussagen kommen auch in Gen 27,29 und Num 24,9 vor, dort aber in einem
magischen Verständnis (Fluch und Segen fallen automatisch auf die jeweilige
Person zurück). In V3a ist dies nicht der Fall, weil „segnen und fluchen“
personalisiert ist: Jahwe segnet und flucht → Jahwe steht auf der Seite seines Volkes und schützt
es, er setzt sich mit ganzer Person für Abraham ein.
∙
Auf die Völker geht
der Segen nicht automatisch über, er ist an die Solidarität mit Israel
geknüpft. Israel hat für die Völker Heilsbedeutung.
∙
Die Segnung Abrahams
impliziert die Anerkennung Jahwes.
∙
Es kommen zwei Verben
für „fluchen“ vor: das erste Verb kalal
steht im Piel und hat die Bedeutung von „verächtlich machen“. Es steht im
Zusammenhang mit den Menschen. Das Zweite Verb aar steht im Zusammenhang mit Gott und hat die Bedeutung
„verfluchen“. → Die
Herabsetzung des Menschen ist äußerlich. Die Verfluchung durch Gott (aar) dagegen ist existenzmindernd (vgl.
Fluch in Gen 3,14.17; 4,11). Damit ist ausgedrückt, dass die Menschen gegen
Abraham nichts vermögen.
∙
Israel ist für die
Völker der Katalysator des Heils.
V4a:
∙
Gehört zur
Grundschrift.
∙
Die Reaktion des
Abraham ist in einem einzigen Wort charakterisiert: und er ging → Aufgreifung von „geh!“ aus
V1. gedeutet wird dies in zwei Weisen:
a)
Die Mehrzahl der
Exegeten deuten es als Gehorsamstat
b)
Westermann deutet es
wegen dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund als Ausweichen vor einer
Notlage (Transmission). Aber: dies mag zwar der traditionsgeschichtliche
Hintergrund sein, aber entsprechend V1 hat der Verfasser der Grundschrift das
Weggehen als Lösung aus den menschlichen Bindungen verstanden.
∙
Charakterisierung des
Gehorsams in V4a: bedingungslos, Gehorsam der Tat → Kontrastierung zur UG und
zum Ungehorsam des Sündenfalls in Gen 3,17.
∙
Das neue Kapitel der
Menschheit beginnt mit dem Gehorsam des Abraham. Im Gehorsam kann der Segen
Jahwes zu den Völkern kommen. (vgl. die Verkündigung an Maria. Der Unterschied
dabei ist aber der Dialog zw. Gabriel und Maria)
∙
Der Ausgangspunkt der
Wanderung ist nicht genannt. Es könnte Haran aus 11,28-30 sein, wahrscheinlich
ist aber bewusst kein Ort genannt als Steigerung der Ortlosigkeit Abrahams.
∙
Das Mitziehen Lots ist
redaktionelle Einfügung als Vorbereitung des Lotzyklus in Gen 13.
V4b-5:
∙
Priesterschriftlicher
Einschub, weil andere Konzeption. Vom Pentateuchredaktor geschickt eingefügt.
∙
Form: P benützt die
Struktur des Itinerars: Mitnahme Lots – Auszug – Ankunft.
Die Altersangabe in V4b:
∙
Durch die Altersangabe
und Haran (Geographie) wird ein Bezug zu 11,27.32 hergestellt. Im Gegensatz zur
nP Grundschrift wird in P der Ausgangspunkt festgelegt
∙
Sowohl das
Hereinbrechen der Sintflut in 7,6 als auch die Geburt des Ismael in 16,16 ist
mit einer Altersangabe verbunden.
Erste Implikation der Altersangabe:
∙
Die Altersangabe von
75 Jahren in 4b steht im Zusammenhang mit anderen Altersangaben: Aus 11,32 geht
hervor, dass Terach, der Vater Abrahams, 205 Jahre alt wurde. Wenn Abraham mit
75 Jahre wegzog, war Terach zu diesem Zeitpunkt 145 Jahre alt.
∙
21,5: Abraham bekommt
Isaak mit 100 Jahren → wenn Abraham mit 75 Jahre wegzog, war er 25 Jahre im Verheißungsland,
bis Isaak geboren wurde.
∙
25, 26: als Jakob und
Esau geboren wurden, war Isaak 60 Jahre alt, und Abraham demnach 160 → Abraham erlebt die Geburt
seiner Enkel Jakob und Esau. Er erlebt die Erfüllung der Verheißung, dass er
Vater vieler Völker wird.
∙
25,7: Abraham lebte
insgesamt 175 Jahre → er war 100 Jahre im Verheißungsland.
→
Die Lebensdaten
Abrahams sind so angelegt, dass sich runde Zahlen ergeben: symbolische Daten.
Zweite Implikation:
∙
Liest man nur P (d.h.
ohne 12,1-4a) geht Abraham in 4b aus eigener Initiative weg. Jahwe spricht zu
ihm dann erst in 12,7. Aber aus den Altersangaben wird implizit sichtbar, dass
Gott im Verhalten Abrahams wirkt → implizite Theologie.
V5:
∙
Unterschied zu nP: Lot
zieht nicht freiwillig mit und Abraham ist nicht mittellos, er hat Besitz.
∙
Mit Lebewesen sind die
Tiere, Kleinviehherden entsprechend 13,6.11b (ebf. P) gemeint.
∙
5b: Das Ziel des
Abraham ist bekannt. Während in nP das Ziel nur Jahwe bekannt ist, weiß Abraham
in P das Ziel selbst.
→
Gott tritt in P in den
Hintergrund, aber im menschlichen Tun wird die göttliche Absicht sichtbar → theologischer Unterschied
zu nP.
V6-8 ist bis auf V6bβ nP:
V6:
∙
V6 ist die Fortsetzung
des Itinerars von 4a.
∙
Auf der Ebene der
Grundschrift war Sichem die erste Station Abrahams. Denn „Abraham durchzog das
Land“ (ba’aräs) ist nachträgliche
Ergänzung des Pentateuchredaktors. Ursprünglich hieß es nur „Abraham zog seines
Weges“. Land bezieht sich auf Kanaan.
∙
Auf der Endtextebene
heißt es dann, dass Abraham das Land in einer Art Inspektion durchzog. ba’aräs ist Terminus der Wanderhirten
für die Inspektion des Landes.
Der Ort Sichem:
∙
meqom
ist Ausdruck für „Heilige Stätte“, Sichem bedeutet wörtlich Bergrücken.
∙
Sichem (bei Samaria,
Berg Garizim) ist bedeutende Stadt im AT. Schnittpunkt der beiden
Hauptverkehrswege. Heute Nablus.
∙
Sichem wird in einer
Grabinschrift eines Pharaos erwähnt und erscheint im 14. Jh. als Zentrum der
Hapiru (Outlaws, die die Herrschaftsstruktur in Palästina erschütterten).
∙
Sichem war Zentrum der
israelitischen Stämme: Landtag zu Sichem in Jos 24,1-28.
∙
Gen 33,18-20: Jakob
erwirbt sich ein Grundstück in Sichem und baut einen Altar. Dies ist die Motivation
Abraham in V6 nach Sichem wandern zu lassen. Abraham wird bewusst mit Jakob
parallelisiert. Weitere Parallelisierung ist der Altarbau (12,7 und 33,18).
Damit wird Abraham zum Vorläufer Jakobs. Jakob folgt dem Vorbild Abrahams → ätiologisches Interesse.
∙
Aussageintention der
Parallelisierung:
-
Steigerung der
Bedeutung Abrahams, indem auch nordisraelitische Stätten für ihn vereinnahmt
werden. Abraham erlangt gesamtisraelitische Bedeutung.
-
Vereinheitlichung von
Nord- und Südreich in der Krisenzeit. Die beiden Staaten werden neben der
Genealogie auch geographisch in Verbindung gesetzt.
elon moräh:
∙
Unklarer Ausdruck: elon = Baum, Eiche; moräh = Partizipialform von lehren → Baum des Lehrenden: ein Priester, der unter der
Eiche lehrt. Attributiv übersetzt: der lehrende Baum im Sinne eines Orakels
(Identifizierung einer Gottheit mit einem Baum).
∙
Bäume haben göttliche
Bedeutung: Gen 18: Jahwe erscheint an den Eichen von Mamre (markanter Ort bei
Sichem).
∙
Erklärung:
-
Ruppert: Abraham
erwartet in Sichem eine göttliche Botschaft, bekommt sie aber nicht und zieht
deshalb nach elon moräh weiter.
-
Zapff: Die Eiche
ist Offenbarungsort einer fremden Gottheit und wird jetzt jahwisiert.
∙
6bβ (Kanaaniter) ist
Anachronismus. Da das Land schon besetzt ist, wird Abraham vor eine weitere
Glaubensprobe gestellt.
V7:
∙
Im Gegensatz zu V1
erscheint Jahwe. Wegen dieser anderen Offenbarungskonzeption bezeichnet Ruppert
V7 als spätere Einfügung. Andere dagegen bezeichnen ihn wegen der besonderen
Offenbarung Jahwes als Höhepunkt von 12,1-9.
∙
Das „Erscheinen
Jahwes“ in V7 ist wie das „zeigen“ in V1 mit aar
gebildet → wenn
Jahwe sich sehen lässt, ist zeigt er Abraham damit das Land, wie er es in V1
verheißen hat.
∙
„Erscheinen Jahwes“ in
allen Schichten vor: Gen 17,1 (P) / 18,1 (J) / 22,14 (E). Es meint keine
visuelle, sondern personale Erfahrung mit dem Ziel der göttlichen
Verheißungsrede.
∙
In 1Sam 3,21
entwickelt sich die „Erscheinung Jahwes“ zur Offenbarung fort.
∙
Der Inhalt der
Erscheinung ist die gebrochene Landverheißung (Das Land wird nicht Abraham,
sondern seinen Nachkommen verheißen). Damit verbindet sich:
1.
Abraham wird mit der
Volkswerdung verbunden. Auf dem Hintergrund der Entstehungszeit des 8. Jh. ist
das ein Trost, denn wie einst Abraham sieht Israel das Verheißungsland in
fremden Händen. Wie bei Abraham ist die LV dennoch nicht hinfällig, sondern
erfüllt sich.
2.
Abraham wird eine
weitere Glaubensprobe zugemutet, weil Sarah unfruchtbar ist (11,30). Wenn er in
V7b einen Altar baut, ist das auch innertextuell von Bedeutung: Es ist ein
schweigender Dank Abrahams, denn Abrahams Glaube ist ein Glaube der Tat und
nicht der Worte. Weil der Altarbau im heidnischen Heiligtum Sichem erfolgt,
heißt das, dass Abraham Sichem zum Heiligtum Jahwes erklärt. Damit wird aber
auch des Land zum Land Jahwes. Ein Opfer auf dem Altar wird nicht erwähnt → die Väter brachten keine
Opfer dar. Nach Blum ist dies ein Hinweis auf die exilische Entstehung des
Textes, da im Exil keine Opfer dargebracht werden konnten. Zapff sagt, dass
eine Opferthematik in dem Text gar nicht intendiert war, primär soll zum
Ausdruck kommen, dass Abraham ein treuer Jahwe-Verehrer war.
V8:
∙
Fortsetzung des
Itinerars von V6. Elemente sind:
-
Aufbruch
-
Station mit Ortsangabe
-
Episoden: Altarbau
-
Weiterziehen in V9
∙
Ruppert, der V7 als
später eingefügt bezeichnet, sieht die Motivation für das Weiterziehen im
Schweigen Jahwes. Zapff sieht V6-8 jedoch als einheitlich an und
charakterisiert das Weiterziehen als Inspektionsreise.
∙
Bet-El:
-
70km nördlich von
Jerusalem auf einem Gebirgssattel. Vorisraelitisches Heiligtum
-
Nach der Reichsteilung
gibt es dort ein Kalb-Postament (Götterbild) von Jerobeam I.
-
Aus Am 7,13 geht
hervor, dass es ein wichtiges Reichs-Heiligtum war.
-
Der Name Bet-El
bezeichnet dreierlei: das Heiligtum, eine vorisraelitische Gottheit (Gen
31,13), und die Ortschaft beim Heiligtum.
-
Die
Gründungsgeschichte von Bet-El wurde ätiologisch mit Jakob in Verbindung
gebracht (Gen 28,19). Die Verbindung mit Jakob ist älter als die mit Abraham.
Wenn hier Bet-El durch Abraham begründet wird, dann aus folgenden Gründen:
-
Steigerung der
Legitimität des Heiligtums.
-
Steigerung der
Bedeutung des Abrahams für die Nordreich-Bewohner, um Einheit im Reich zu
schaffen.
∙
Abraham schlägt sein
Lager zwischen Bet-El und Ai auf. Die Intention dafür ist:
-
Abraham bewegt sich
nur im Umkreis von Bet-El
-
Weil die damalige
Grenze zwischen Bet-El und Ai verlief korrigiert der Jehowist damit eine
Vorlage. Abraham soll so als Grenzgänger zwischen Nord- und Südreich vorgestellt
werden.
-
Den Bewohnern des
Nordreichs soll Abraham als gemeinsamer Vorfahre vorgestellt werden.
∙
Mit dem Aufschlagen
des Zeltes wird Abraham als Wandernomade charakterisiert. Es war ein Spitzelt.
∙
Ai:
-
liegt östlich von
Bet-El an der Straße nach Jericho. Ai heißt Trümmerhaufen
-
Ursprung liegt in der
Frühbronzezeit, ab 1150 v. Chr. gab es zwei Bauphasen, ab 1000 verfiel es.
-
Jos 8: Zerstörung von
Ai.
∙
Der Altarbau in Ai
drückt den Besitzanspruch Jahwes und die Übereignung des Landes an Jahwe aus.
Wieder gibt es kein Opfer.
∙
Gegenüber V7 ruft
Abraham Jahwe ausdrücklich an. Abraham meldet sich zum ersten Mal zu Wort → die Antwort Abrahams
steigert sich. Nach Gen 4,26 ist Abraham in nP der erste Mensch, der Jahwe
anruft. Im Kontext von 12,1-9 ist dies der Höhepunkt. „anrufen“ ist in nP
selten, es ist Terminus der Beziehung zu Jahwe. Es ist kein Herbeizwingen damit
gemeint, sondern die Kontaktaufnahme. Intention:
-
Israel grenzt sich so
vom Kultverständnis der Nachbarvölker ab, wo der Kult Drama ist.
-
Der jüdische
Gottesdienst ist in Abrahams Verhalten vorgeprägt: er besteht aus Wort und
Handlung.
V9:
∙
Im heutigen
Zusammenhang bildet der Vers den Übergang zur Weiterwanderung nach Ägypten.
∙
Nach Ruppert ist
Gen12, 10-20 später eingefügt → Auf 12,9 folgte 13,1 wo Negeb wieder aufgegriffen wird. Gen 13,18 ist
dann der dritte Ort des Aufenthalts Abrahams: die Eichen von Mamre.
∙
2x wird ysn (aufbrechen, wörtlich herausreißen) verwendet. Das
zweite Mal steht es im Infinitiv absolutus, was die Fortdauer des Aufbrechens
bezeichnet. Damit wird die Existenz eines Wanderhirten charakterisiert.
∙
Negeb geht in im Süden
in die Sinai-Wüste über. Zur Zeit der Landnahme war der Negeb nicht besiedelt.
∙
Im Kontext von 12,
10-20 (Abraham und Sarah in Ägypten) kann V9 als Flucht gedeutet werden.
Dahinter mag die Warnung stehen, das Verheißungsland nicht zu verlassen.
2.1.1.7 Theologische Würdigung und Rezeptionsgeschichte
Zusammenfassung der zentralen Aussagen:
12,1-9 schlägt in der nP Komposition ein neues Kapitel auf. Abraham
wird zum Stammvater Israels, mit dem sich Jahwe verbindet. Daraus ergeben sich
folgende theologische Aussagen:
a)
Gott ist ein Gott des
Heils für alle Völker. 12,1-9 stellt den Anfangspunkt der Heilsgeschichte dar.
Die Heilsgeschichte ist nicht partikulär verengt, sondern universal. Der Gott
des ATs ist nicht nationalistisch. Die Vollendung der Heilsgeschichte findet
sich im NT.
b)
Das Handeln Jahwes ist
nicht abstrakt, sondern konkret und kategorial. Jahwe hinterlässt konkrete
Spuren. Die Konkretheit Gottes im Christentum hat hier ihren Ansatz.
c)
Die Berufung des
Abraham eröffnet den Spannungsbogen des Heils. Die Hoffnung auf das Handeln
Jahwes, der seinen Verheißungen treu bleibt, hat hier seinen Ansatz.
d)
Der Text steht jedem
Antisemitismus entgegen, weil der Antisemitismus sich gegen Gott selbst richtet.
Gott lässt das Heil durch Israel allen Völkern zuteil werden.
e)
Abraham wird zum
Paradigma des Glaubens, wobei Glaube Antwort auf die Zumutung Gottes ist.
Zentrales Thema ist der Aufbruch, der auf Gottes Weisung hin erfolgt. Es ist
eine Loslösung, das Ziel bleibt im Dunkeln. Jahwe verlangt Vertrauen. Daran
knüpfen die Heiligen der Kirche an (Antonius, Franziskus, Damian de Veuster,
Mutter Teresa, ...) → das Einlassen auf den Ruf Jahwes bringt Segen.
Rezeption im AT:
∙
Jes 51,2: „Blickt auf Abraham, euren Vater, und auf
Sara, die euch gebar. Er war allein, als ich ihn rief; doch ich habe ihn
gesegnet und ihm viele Nachkommen geschenkt“. → Die nachexilische Gemeinde
kann auf die Verheißung an Abraham bauen, denn sie ist auch jetzt noch gültig.
∙
Weish 44,19-21 (??):
das Weisheitsbuch ist das jüngste Buch der Bibel (1.Jh.). In dem Text werden
mehrere Stellen der VE synchronisiert. In 44,21b wird die MV aufgegriffen und
die LV ausgeweitet. Darin spiegelt sich das Selbstverständnis der
Diasporagemeinde.
Rezeption im NT:
∙
Hebr 11,8-10: „Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem
Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg,
ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Aufgrund des Glaubens hielt er sich als
Fremder im verheißenen Land wie in einem fremden Land auf und wohnte mit Isaak
und Jakob, den Miterben derselben Verheißung, in Zelten; denn er erwartete die
Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat.“ → Abraham wird zum Exemplar
des Glaubens und zum Vorbild für jeden Christen.
∙
Gal 3,6-8: 3,8 nimmt
Bezug auf Gen 12,3: „Von Abraham wird
gesagt: Er glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Daran
erkennt ihr, dass nur die, die glauben, Abrahams Söhne sind. 8 Und da die Schrift vorhersah, dass Gott die
Heiden aufgrund des Glaubens gerecht macht, hat sie dem Abraham im voraus
verkündet: Durch dich sollen alle Völker Segen erlangen.“ → Aufgrund des Glaubens sind
die Heiden gerechtfertigt. Loyalität mit Abraham zeigt sich nicht ethnisch,
sondern im Glauben. Paulus schreibt die Verheißungen an Abraham Christus zu,
denn in Gal 3,16 fasst er „deiner Nachkommenschaft“ singularisch auf: „Abraham und seinem Nachkommen wurden die
Verheißungen zugesprochen. Es heißt nicht: «und den Nachkommen», als wären
viele gemeint, sondern es wird nur von einem gesprochen: und deinem Nachkommen;
das aber ist Christus.“
In der jüdischen Tradition
wurde 12,1 im Zusammenhang mit 22,2 gesehen: beide Male „geh!“ → Abraham soll seine Heimat
und sein Sohn Opfern, beide Male gewinnt Abraham seine Zukunft.
2.2. Texte aus der priesterlichen Abrahamserzählung
2.2.1 Der Bundesschluss Gottes in Gen 17,1-27
Gen 17,1-27 ist der einzige
größere narrative Text in P
2.2.1.1 Text und Übersetzung (siehe Blatt)
2.2.1.2 Textkritik
∙
Text ist problemlos
∙
Text ist deutlich von
nP unterschieden:
-
Viele sprachliche
Wiederholungen
-
Umständliche
Wiederholungen. Bsp.: Beschneidung und Durchführung der Beschneidung ist aufs
peinlichste genau beschrieben.
-
Typische priesterliche
Formulierungen: ewiger (dauerhafter) Bund / Bund aufrichten (in nP Bund
schneiden, z.B. in Gen 15,18) / Vermeidung von „Jahwe“, der Gottesname ist „El
Schaddaj (Ausnahme ist V1)
∙
Textkritische
Bemerkungen:
-
V1: LXX übersetzt El
Schaddaj mit „dein Gott“. Problem ist die unklare Bedeutung von El Schaddaj.
-
V16: LXX bezieht die
Segensaussage auf Isaak und nicht auf Sarah (siehe Übersetzung).
2.2.1.3 Abgrenzung, Kontextbezüge, Gattungsbestimmung und innere Struktur
Abgrenzung nach vorne:
∙
Geburtsnotiz des
Ismael in Gen 16, 15, verbunden mit der Altersangabe des Abraham in 16,16
(beide Verse aus P): 86 Jahre – in Gen 17,1 ist er 99 Jahre.
Abgrenzung nach hinten:
∙
Ab Gen 18,1 wird
wieder der Gottesname Jahwe verwendet.
∙
Gen 18, 10 ist
Dublette zu 17,21
Verbindung im Kontext von P:
∙
17,1-27 setzt die
priesterlichen Texte fort.
∙
16,16: Abraham ist 86
J. – Gen 17,1: Abraham ist 99 J. → damit stimmt die Angabe des Ismael in 17,25 (13 J.)
überein: 86 + 13 = 99. Wenn es in 17,21 heißt, dass Isaak im kommenden Jahr
geboren wird, ist Abraham bei der seiner Geburt 100 J. alt, was mit 21,5
übereinstimmt.
∙
P ist durch die
Altersangaben verbunden
Verbindungen im Kontext mit nP (Beziehung von Gen 17 zu Gen 15-18):
∙
Gen 17 findet sich in
nP wieder: Gen 15 (nP Bundesschluss) und Gen 18,15-21 (Geburtsankündigung des
Isaak) → Gen
17 ist an der einzig möglichen Stelle in nP eingefügt
∙
Gen 17 klärt die
Stellung und Bedeutung von Ismael, die bisher unklar war.
∙
Isaak wird
entsprechend 17,21 (P) und 18,10 (nP) übers Jahr geboren.
Weitere Entsprechungen zwischen Gen 17 und der nP AE nach Ruppert (vgl.
Ruppert-Kommentar S. 340):
1.
V1b: Gotteserscheinung
-
Gen 12,7
2.
V2,4,7: Bund
-
Gen 15,8
3.
V4b: Menge von Völkern
-
Gen 12,2
4.
V8: Landverheißung
-
Gen 12,7; 15,8; 28,13
5.
V16a: Verheißung des
Sohnes
-
Gen 18,10-15
6.
V12: Abrahams Lachen
-
Gen 18,12
7.
V 19b Beschränkung des
Bundes auf Isaak, Ausschluss Ismaels - Gen 21,12 (E)
→ es gibt viele Anklänge an
den nP Textbestand.
∙
Zentral ist 2. (Bund).
Auffällig ist dabei, dass im Gegensatz zu Gen 15 die Landverheißung in Gen 17
nur einmal erwähnt wird. → Gen 17 (P) ist von Gen 15 (nP) abhängig. Dagegen spricht:
-
Wenn Gen 17 exilisch,
dann Gen 15 vorexilisch. Gen 15 wäre in der Zeit entstanden, als das Nordreich
verloren ging, Jahwe hat aber in Gen 15 sich verpflichtet den Israeliten das
Land zu geben.
∙
P ist also eine
eigene, unabhängige Quellenschicht (s.o.). Dafür sprechen zwei Indizien:
-
Die gestufte Offenbarung
des Jahwenamens: Elohim – El Schaddaj – Jahwe ist nur verständlich, wenn P
keine Fortschreibung, sonder Quelle ist.
-
Der Bundesschluss in
Gen 17 ist Doppelung und Neukonzeption des Bundesschlusses von Gen 15 → nur erklärbar, wenn P Quelle
ist.
∙
P schöpft aus nP und
um dessen Konzeption. Dies wird z. B. deutlich, wenn Gen 17 eine eigene
Konzeption des Bundes gegenüber Gen 15 hat. Der Bund in Gen 17 ist in
konzentrischen Kreisen angelegt: Nach dem Noahbund (für alle Menschen)
errichtete Gott einen zweiten Bund mit Abraham (für Israel).
∙
Bisher war in P nur
von der Initiative Abrahams die Rede. Weder der Leser noch Abraham wussten in P
vom Heilshandeln Gottes. Das ändert sich in Gen 17: Plötzlich meldet sich Gott
massiv zu Wort und überhäuft Abraham mit Verheißungen. → Gen 17 ist der zentrale
Text in P und gewährt Einblicke in die priesterliche Theologie.
Gattungsbestimmung von Gen 17:
∙
Keine Dramatik, kein
Handlungsfortschritt
∙
Trotz narrativer Züge
ist es keine Erzählung, sonder ein literarisches Gebilde, das eine Erzählung
nachahmt und dabei ältere Erzählungen von Abraham voraussetzt.
∙
Formale Elemente sind:
1.
Beschneidung in V23-27
2.
Gottesreden in V1b-22,
die unterbrochen sind von zwei Aktionen Abrahams (er fällt auf das Gesicht) in
V3 und V17.
3.
Hinweis auf das
Erscheinen Gottes in V1a und V22
→ für die Gattung
„Gotteserscheinung“ reichen die formalen Elemente nicht aus.
∙
Behelfsmäßige
Bestimmung (Ruppert): Gen 17 ist ein literarischer Bericht einer
Gotteserscheinung, der von Gottesreden durchbrochen ist und durch eine Handlung
(Beschneidung) abgeschlossen wird.
Gliederung:
Da die Komposition in einer Spannung steht, gibt es kein einheitliches
Modell. Drei Gliederungsmodelle:
Zweitens:
Gliederung nach dem Inhalt
(Mc Evenue)
1. Teil (Verheißung ergeht
an Abraham):
A
V1f. Jahwes Absicht
einen Bund zu stiften, Verheißung der Nachkommenschaft
B
V3b Abraham fällt aufs
Gesicht
C
V4b-6 Abraham wird zum
Vater vieler Völker
D
V7 Gott schließt den
Bund für immer
E
V9-14 Zeichen des
Bundes (Beschneidung)
2. Teil (Verheißung ergeht
an Sarah):
A’
V16 Gottes Absicht
Sarah mit Nachkommen zu segnen
B’
V17f. Abraham fällt
aufs Gesicht
C’
V19 Sarah wird ein
Sohn verheißen: Isaak
D’
V18b.21 Gott schließt
den Bund für immer
E’
V23-27 Zeichen des
Bundes (Beschneidung
Erstens:
Gliederung nach der
Handlungsstruktur von Rede und Handlung (Westermann):
A: Redeteil V1b-22
-
gerahmt durch V1a und
V22.
- V1-3a: Proömium
- V3b-22: Entfaltung des
Proömiums
- A ist unterteilt in fünf Gottesreden:
1. V1f.
V3a: Unterbrechung durch Abraham
2. V3b-8
3. V9-14
4. V15f.
V17.18: Zweite Unterbrechung durch Abraham
5. V19-21
B: Handlungsteil V23-27
(Beschneidung)
Drittens:
Gliederung aufgrund der
konzentrischen Struktur
(Mc Evenue)
A
V1a Abraham ist 99
Jahre alt
B
V1bα Jahwe erscheint Abraham
C
V1bβ Gott spricht
D
V1bγ-2 erste Rede
E
V3a Abraham fällt aufs
Gesicht
F
V4-8 zweite Rede
G dritte Rede V9-14
F’
V15f. vierte Rede
E’
V18 Abraham fällt aufs
Gesicht
D’
V19-21 fünfte Rede
C’
V22a Gott beendet die
Rede
B’
V22b Gott fährt auf
A’
V24f. Abraham ist 99
Jahre alt
Mit der Struktur werden Inhalte verbunden:
∙
Bei Zweitens ist die
Parallelisierung
von Sarah und Abraham zentral
∙
Bei Drittens ist das
Beschneidungs-
Gebot zentral
2.2.1.4 Literarkritik, Redaktionskritik und Datierung
Einheitlichkeit:
∙
Rad: Nähte im Text
weisen auf einen sukzessiven Zusammenschluss hin.
∙
Die Struktur nach Mc
Evenue belegt die Einheitlichkeit des Textes.
∙
Literarischer Befund
aufgrund sprachlicher Indizien (Seebass): V9-14 ist sekundär, wegen dtn
Formulierungen. Diese sind:
V9a: Bund bewahren
V10a: Bund halten
V14b: Bund brechen
V14a: Exkommunikationsformel
Darüber hinaus hat V9-14
keine Verbindung zum Kontext. Nach Seebass gehören zur Grundschrift: V1-8 /
15-22 / 26-27a / 24f.
∙
Einwände von Ruppert
gegen Seebass:
-
dtn Terminologie war
während des Exils in Gebrauch, es lässt sich nicht genau zwischen P und dem dtn
Sprachgebrauch unterscheiden.
-
V9-14 kann nicht
sekundär sein, weil V24 die Beschneidung aufgreift und deshalb V9-14
voraussetzt.
-
Das Ausscheiden von
V9-14 löst die konzentrische Struktur auf.
-
V9-14 könnte
allenfalls die Aufnahme einer bestehenden Beschneidungsordnung sein.
∙
Köckert:
-
V9-14 ist dreimal
erweitert worden. (darauf wird nicht weiter eingegangen)
-
V12b.13a: Erweiterung
der Beschneidung auf Nichtisraeliten kann kaum ursprünglich sein, es ist
nachpriesterliche Erweiterung.
-
Außerdem hat V12b.13a
Numeruswechsel vom Plural zum Singular
-
Wenn V12b.13a auf
einer anderen Ebene, dann auch V23.27 (Wiederaufnahme des Motivs)
Datierung:
a)
Ruppert, Zapff:
Exilische Zeit (586-539). Die Beschneidungsvorschrift ist im Exil als
Abgrenzung gegen die Babylonier gut denkbar → Identitätsstiftung.
b)
Nachexilisch (nach
539-Mitte 5. Jh.)
2.2.1.5 Einzelexegese
Die erste Gliederung (Westermann) wird als Grundlage genommen.
Das Proömium V1-3a (erste Gottesrede):
∙
Es kommt zum Ausdruck,
dass die Wanderung von Gott geheimnisvoll geführt war.
V1:
∙
Die Altersangabe steht
im Zusammenhang mit 16,16 (s.o.).
∙
Nur eine kurze Notiz
verweist darauf, dass Gott erscheint. P hat Interesse am Wort Gottes, nicht an
den Begleitumständen → Wortzentrierung, vgl. erster Schöpfungsbericht.
∙
„Jahwe“ ist
ungewöhnlich, es wurde nachträglich eingefügt. P stellt klar, dass es Jahwe und
kein anderer Gott ist, der erscheint. Der Gottesname Jahwe wurde erst dem Mose
(Ex 2) offenbart. Der Leser weiß also mehr als Abraham.
∙
V1 entspricht 18,1 und
12,1 sowohl durch ähnliche Formulierung als auch durch das Verb „gehen“ (halak) → 17,1 wurde auf dem Hintergrund von 18,1 und 12,1
formuliert.
∙
Die Gottesrede beginnt
mit der Selbstvorstellungsrede Gottes entsprechend Gen 15,7.
Der Gottesname in P:
∙
V1: Erste Offenbarung
Gottes in P, Gottesname El Schaddaj
∙
Gen 35,11: zweite
Offenbarung Gottes in P: (Jakob): ähnlich eingeführt, Gottesname El Schaddaj
∙
Ex 6,2: dritte
Offenbarung Gottes in P: Gottesname Jahwe.
∙
Jahwe offenbart sich
den Vätern als El Schaddaj. Es gibt in P eine gestufte Offenbarung:
-
UG: Elohim → kein Bezug zu Gott
-
VE: El Schaddaj → Beziehung
-
Ex: Jahwe → kultische Anrufbarkeit
Exkurs: Der Gottesname El Schaddaj
∙
Übersetzung:
-
EÜ: Gott, der
Allmächtige
-
Vulgata (Hieronymus):
deus omnipotens
-
LXX übersetzt
unterschiedlich
∙
Die Langform (El
Schaddaj) kommt insgesamt 8x vor, 5x in P. Die Langform ist typisch für
P. Die Kurzform (Schaddaj)
kommt 40x vor, 31x in Hiob.
∙
Etymologie:
-
Vom hebräischen sadeh (Feld) → Gott des Feldes
-
Vom akkadischen sadu
(Berg) → Gott
des Berges
-
Jes 31,6: sadad (verwüsten), passt aber nicht zu
Gen 49,25
∙
Bedeutung:
-
El Schaddaj ist
Kultname als Konkretisierung des kultischen Obergottes. El Schaddaj war eine
alte Vätergottheit. Dagegen spricht, dass El Schaddaj in jüngeren Texten
verwendet wird.
-
Einzige Stelle mit
älterer Tradition ist Gen 49,25. Darin rekurriert P mit El Schaddaj auf die im
vorpriesterlichen Werk angetrofffenen Gottheiten. P führt mit El Schaddaj eine
übergreifende Bezeichnung für die Vätergottheiten ein.
-
In Gen gibt folgende
Gottesbezeichnungen: Gott Abrahams (17,1), Gott Isaaks (38,2), Gott Jakobs
(35,11), Gott Josefs (48,3) → die priesterliche Theologie führt El Schaddaj als Name für den gemeinsamen
Gott der Väter ein.
∙
Schaddaj in Hiob: Hiob
soll als Patriarch stilisiert werden
Die Weisung an Abraham: „wandle vor mir uns sei rechtschaffen“. Der
erste Teil „wandle vor mir“:
∙
„gehen“ ist mit gehen
im Hitpael gebildet. → Neuinterpretation gegenüber 12,2 (nP). Mit „gehen“ ist keine
Ortsveränderung mehr gemeint, sondern eine neue Weise des Daseins: wandeln vor
Gott. Die Weisung kann man als Zusammenfassung des biblischen Glaubens verstehen.
∙
Wandeln meint die
religiöse Beziehung. Es kommt auch in Gen 5,22.24 (Henoch) und 6,9 (Noah) vor → Abraham als neuer Henoch,
Noah. Er soll jetzt aber vor Gott
wandeln, nicht mehr mit Gott. Abraham
hat eine direkte Beziehung zu Gott → Steigerung
∙
Impliziert ist auch
ein prüfendes Element: das gesamte Leben wird in Beschlag genommen, es gibt
keine halbe Sache. Die Weisung meint ein Leben im Gegenüber zu Gott.
Der zweite Teil „sei rechtschaffen“:
∙
tamim
= ganz, vollständig → Opferterminus: Vollständigkeit, Fehlerlosigkeit des Opfertieres
∙
Gott verlangt von
Abraham eine ungeteilte Hingabe
∙
Da Abraham nicht als
Einzelperson, sondern als corporative Persönlichkeit gesehen wird, richtet sich
die Aufforderung an alle, die im Glauben in den Spuren Abrahams wandeln.
V2:
∙
berit
ist der zentrale Begriff in Gen 17. Deshalb ein Exkurs dazu:
Exkurs zu berit:
∙
Zwei Arten:
- Vereinbarung
zwischen gleichen Partner (eher die Ausnahme im alten Orient)
- Verhältnis zwischen einem stärkeren und einem
schwächeren Partner (Gedanke der Verpflichtung)
∙
Bedeutung von „Bund
schließen“:
-
Ein Stärkere legt
einem Schwächeren einen berit auf mit bestimmten
Bedingungen an ihn, z. B. Ausschluss von anderen Bündnissen, Halten des
Gesetzes (Vasallenvertrag). Der Stärkere gewährt dafür dem Schwächeren Schutz.
-
Das Dtn nimmt diese
Konzeption der Vasallenverträge auf. Es ist jetzt Jahwe, der seinem Volk einen berit
auferlegt. Bundesbruch geschieht durch Untreue. Das ist Theologie im Kontext.
-
Den Bund kann immer
nur der Schwächere brechen, denn der Stärkere gewährt ja den Bund. Aber der
Stärkere verpflichtet sich selbst. So ein Bund ist ein Gnadenbund, er ist im alten Orient belegt (Könige verpflichten sich
ungeschuldet an Untergebene).
∙
Der Bund in Gen 17 ist
ein Gnadenbund, denn von Abraham sind keine Voraussetzungen zu erbringen. Die
Imperative in V1 ist keine Bedingung für den Bund, denn die Bundessetzung ist
sprachlich nicht vom Rechtschaffensein abhängig. Wenn sich Abraham rechtschaffen
verhält entspricht dies der Offenbarung Gottes.
∙
Der Zusammenhang
zwischen Imperativ und Bundeszusage ist nichtbedingt: Ähnlich wie Abraham
rechtschaffen sein soll, verpflichtet sich Gott Abraham.
Die Formulierung „Bund stiften“, wörtlich „Bund geben“:
∙
Weil nicht „Bund
schneiden“ wie in Gen 15 verwandt wird, wird jede sprachliche Metaphorik
vermieden.
∙
Es kommt die freie
Souveränität Gottes zum Ausdruck: Gott gibt den Bund in reiner Gnade.
∙
In V2 heißt es „Bund
geben“, in V7 „Bund aufrichten“ → in V2 wird der Bund verheißen, in V7 wird er
definitiv geschlossen.
V2b: die Mehrungsverheißung:
∙
Der Bundesschluss ist
keine priesterliche Interpretation der MV von 12,1-9. Gründe:
-
V6/7 machen deutlich,
dass der Inhalt des Bundes über die MV hinausgeht: V7b etabliert ein neues
Verhältnis zwischen Gott und den Nachkommen Abrahams. Der Bund geht also über
die MV hinaus.
-
in V20 wird Ismael in
die MV miteinbezogen, in den Bund dagegen nicht (V19) → Bund und MV sind zwei
verschiedene Größen.
∙
Auf P-Ebene wird durch
V2 deutlich, dass die MV nicht durch Ismael (16,3) erfüllt wird.
Beziehung der MV in V2 zu den anderen Mehrungsverheißungen:
∙
Die Formulierung in
17,2 greift auf die vorpriesterlichen Formulierungen in 12,2 und 15,5 zurück
∙
„zahlreich machen“
(Wurzel rabah) kommt auch in Gen 1,27
und 9,1 (Auftrag zur Mehrung) vor. Daraus geht hervor:
-
In Gen 17,2 ist die
Mehrung kein Auftrag mehr, sondern Verheißung Gottes.
-
rabah erscheint
immer, wenn ein neuer Anfang gemacht wird → Gott setzt mit Abraham einen neuen Anfang, der den
Mehrungsauftrag übertrifft: Gott führt selbst die Mehrung durch, er handelt in
direkter Weisel
-
Der Abrahambund wird
an die Schöpfung rückgebunden.
Theologische Implikationen:
∙
V2 ist eine
theologische Herausarbeitung, dass Israel in Abraham seinen Ursprung dem
gnadenhaften Handeln Gottes verdankt: Gott benützt einen unfruchtbaren Greis,
um sein Volk zu konstituieren (sola gratia-Motiv).
∙
Gott etabliert sich im
Volk Israel eine neue Menschheit.
V3a: das wortlose Niederfallen
Abrahams aufs Angesicht:
∙
altorientalischer
Ritus zur Ehrung.
∙
Die Geste wird in P
als kultische Beugung vor Gott im Sinne des Amens (Bestätigung) gebraucht.
∙
Lev 9,24: großes Amen
von ganz Israel zum Heilshandeln Jahwes.
∙
Ruppert: Das
Niederfallen ist geschickt in den Gesamtduktus eingebaut. Es steht nicht schon
in V1, das Abraham sich noch nicht sicher sein konnte, mit welchem Gott er es
zu tun hat. Erst nachdem Gott sich als El Schaddaj offenbart hat, wirft sich
Abraham nieder. Das Niederfallen drückt Folgendes aus:
-
Abraham verpflichtet
sich vor Gott rechtschaffen zu wandeln
-
Einleitung der
Selbstverpflichtung Abrahams zum Bund
Die zweite Gottesrede V3b-8
Es ist zweimal vom Bund die Rede. Es handelt sich aber nicht um zwei
unterschiedliche Bünde, sondern um eine zweifache Entfaltung des einen Bundes:
a)
V4/5: Bund zwischen El
Schaddaj und Abraham. Inhalt ist die Mehrungsverheißung
-
Bleibt ohne Bundeszeichen.
Weil in P der Bund immer mit einem Bundeszeichen einhergeht (vgl. 9,13:
Regenbogen) kann V4/5 kein eigener Bund sein. a) und b) sind Entfaltungen des
einen Bundes.
-
V4/5 ist Einlösung des
in V2 angekündigten Bundesschlusses und Konkretisierung der allgemeinen MV von
V2b.
b)
V7/8: Bund zwischen El
Schaddaj, Abraham und seinen Nachkommen. Inhalt ist die Dauerhaftigkeit des
Bundes (berit olam) und das besondere Gottesverhältnis.
-
Die
Beschneidungsvorschrift in V9-14 bezieht sich auf wegen der Nachkommen darauf.
Beschneidung ist das Bundeszeichen.
Verhältnis der zwei Entfaltungen des Bundes:
∙
V4/5 ist theologisches
Vorwort und Voraussetzung für V7/8.
∙
V7/8
(Nachkommenschaft) setzt die Mehrungsverheißung von V4/5 voraus.
∙
V7/8 dehnt den Bund
von V4/5 auf die Nachkommen und auf die Zeit aus. Der Bund mit Abraham bekommt
Dauerhaftigkeit.
Einzelexegese:
V4:
∙
V4a ist merkwürdig
formuliert. ani
(ich) weist auf V1b → Gott steht mit seiner ganzen Person hinter dem Bund.
∙
Im Gedanken der
Selbstverpflichtung Gottes ist die Verheißung enthalten. Da das Hebräische
keinen Begriff für Verheißung kennt, drückt es Verheißung durch
Selbstverpflichtung aus.
V5:
∙
„Vater eines Getöses
von Völkern“: Ausweitung der Vaterschaft Abrahams:
-
Gen 16: Abraham wird
mit Hagar Vater von Ismael
-
Gen 12,2: Abraham wird
verheißen Vater eines großen Volkes zu werden
-
Gen 17,5: Abraham wird
verheißen Vater von einem Getöse von Völkern zu werden
∙
Wer ist mit gojim (Völker) gemeint?
-
Die Ismaeliten. P hat
aber die Nachkommen Abrahams über Isaak im Blick, nicht über Ismael.
-
Die Söhne der Ketura
(Gen 25,1-4), von denen die arabischen Stämme abstammen. Sie werden aber in
25,6 weggeschickt.
→ gojim meint
weder die Ismaeliten noch die Ketura-Söhne. gojim
meint die 12 Stämme Israels, die über Isaak-Jakob entstehen (Gen 35,11: Volk im
Singular, gemeint ist Israel) und die Edomiter, die über Isaak-Esau entstehen
(Gen 36,9).
Die Umbenennung des Abrahams:
∙
Art und Weise der
Umbenennung: P benützt die Dialektvariante Abraham für eine volksetymologische
Deutung: Abraham – hamon
(Getöse vieler Völker) → Abraham wird zum Getöse vieler Völker
∙
Wie Abraham wird auch
Jakob (Gen 32,29) umbenannt → ähnlich wie beim Gottesnamen El Schaddaj werden die beiden Erzväter
durch die Umbenennung in Verbindung gebracht.
∙
Während Jakob durch
die Umbenennung zum Volksvater (Israel) wird, wird Abraham zum Völkervater, zum
Vater aller, die im Umkreis seiner Erwählung stehen. Deshalb ist auch gojim nicht nur auf Israel, sondern auch
auf die Edomiter zu verstehen, so Zapff. Ruppert sieht in gojim nur Israel.
∙
Abraham wird in Bezug
zu Noah gesetzt: wie von Noah die Menschheit abstammt, so stammt von Abraham
das Getöse von Völkern ab.
∙
Den Namen erhält man
bei der Geburt, er drück das Wesen aus. Wenn Abraham einen neuen Namen bekommt,
heißt das, dass er neu geboren wird.
∙
Die Umbenennung steht
auf dem Hintergrund der altorientalischen Inthronisationsfeiern, bei denen der
König einen neuen Thronnamen bekam (vgl. Jes 9) → Übertragung von königlichen Zügen auf Abraham
V6:
∙
para
(fruchtbar sein) entspricht Gen 1,28; 9,1. Hier aber bewirkt Gott die
Fruchtbarkeit selbst. Abraham ist der neue Mensch in Überbietung von Adam und
Noah.
∙
V6b: die Könige sind
die davidischen Könige. Wenn aus Abraham Könige hervorgehen, wird Abraham als
königlich charakterisiert.
V7:
∙
Die Aufrichtung des
Bundes steht mit qum.
∙
berit olam: Der Bund wird als dauerhafte Institution eingesetzt. Er überdauert
Abraham, weil er unkündbar und nicht an Bedingungen geknüpft ist (vgl. Röm
9-11).
∙
Vor dem exilischen
Hintergrund ist die priesterliche Bundeskonzeption ein „Evangelium“: Der
Abraham-Bund überdauert trotz dem Bundesbruch Israels.
∙
Das besondere
Verhältnis zwischen Gott und Abraham wird auf Abrahams Nachkommen übertragen.
∙
P hat eine
eigenständige Konzeption: sie verlässt die nP MV und LV und geht über zum
dauerhaften Verhältnis zwischen Mensch und Gott.
1.
Jahwe ist der Gott
Israels
2.
Israel ist Jahwes
Volk.
Aber V7 unterscheidet sich von der Bundesformel:
-
Keine Bedingungen. Die
Zusage „ich bin dein Gott“ ist unbedingt.
-
Nur 1. kommt in V7
vor, 2. fehlt. Erst in Ex 6,7 findet sich in P die vollständige Bundesformel.
Es gibt bei Abraham das Volk Israel ja noch nicht → logischer,
heilsgeschichtlicher Duktus.
V8:
∙
Die LV an Abraham und
an seine Nachkommen entspricht der nP Tradition in 12,7 und 15,18f. Während in
Gen 15 die LV zentral ist, spielt sie in 17,8 eine untergeordnete Rolle.
∙
Im Vordergrund steht
das besondere Verhältnis Gottes zu Abraham und zu seinen Nachkommen in V7b.8b → die LV ist von dem „Gott sein“
in 7b.8b gerahmt.
∙
V8a: Kanaan als Land
der Schutzbürgerschaft: exilische Erfahrung klingt an. Für die nach Babylon
Verschleppten und für die im Land Verbliebenen drückt sich darin die Hoffnung
aus, dass der exilische Zustand sich ändern wird.
Zentrale Aussagen:
∙
Auch ein Landverlust
wie im Exil kann die Gottesbeziehung der Kinder Abrahams nicht tangieren.
∙
Die eigentliche Heimat
ist die Beziehung zu Gott.
Die dritte Gottesrede und das Gebot der Beschneidung V9-14:
Die Beschneidung ist kein
Gebot, sondern ein Bundeszeichen. Sie ist die Antwort Abrahams und seiner
Kinder auf den Bund. Der Begriff „Bundeszeichen“ (ot):
∙
Während in Gen 9,13
Gott selbst das Bundeszeichen stiftet (Bogen) und sich verpflichtet keine Flut
mehr zu stiften, setzt Abraham in Gen 17 das Bundeszeichen selbst.
∙
V10: Beschneidung
setzt Bund in Kraft → Bund und Bundeszeichen sind stark miteinander identifiziert.
∙
Währen in Gen 9,9 Gott
dem Bund mit allem Lebendigen schließt, ihn unabhängig vom Menschen schließt
und sein Gegenüber nicht miteinbezieht, gibt es in Gen 17 auf der menschlichen
Seite eine Rezeption des Bundes durch das Bundeszeichen. Das Bundeszeichen ist
aber keine Bedingung des Bundes, sondern das menschliche Ja zum Bundesangebot
Gottes → die
menschliche Freiheit kommt ins Spiel.
∙
V14: Das
Unbeschnitten-Sein (=Bundesbruch) ist nur Einzelnen möglich. Der von Gott mit
Abraham geschlossene Bund bleibt davon unberührt, er besteht auf ewig.→ die Freiheit des Einzelnen
wird nicht übergangen.
∙
Die Beschneidung
entspricht im christl. Verständnis der Taufe: unkündbares Bundesverhältnis.
→
imponierende
Bundeskonzeption der Priesterschrift: Gott verpflichtet sich Israel. Der Mensch
kann immer nur antworten. Die Gnade Gottes ist vorgängig und kann vom Menschen
angenommen oder verweigert werden.
Struktur der VV 9-14:
-
V9a: Einleitung der
dritten Gottesrede
-
V9b: Aufforderung zur
Bewahrung des Bundes
-
V10: Beschneidung als
Bewahrung des Bundes
-
V11a.12-14:
Ausführungsbestimmungen zur Beschneidung
-
V11b: Beschneidung als
Bundeszeichen
Rahmung durch V9b (Bewahrung des Bundes) und durch V14b (Alternative:
Bundesbruch)
Leitthema der Verse 9-14 ist „Bund“
Einzelexegese:
V9:
„Bund bewahren“:
∙
ist mit der Wurzel samar gebildet
∙
dtn. Sprachgebrauch
(vgl. Ex 19,5; Dtn 29,8) → P verwendet dtn. Terminologie, nach Seebass ist deshalb V9-14 später.
∙
Gegen Seebass: P hat
den Ausdruck bewusst aufgegriffen, um ihm eine neue Bedeutung zu geben.
Deuteronomistisch wird der Bund durch Gesetzeserfüllung gewährleistet, in Gen
17 ist der Bund unbedingt, das Bundeszeichen ist Rezeption des Bundes und nicht
Voraussetzung →
„Bund bewahren“ in P heißt lediglich Ja-Sagen, nicht mehr Gesetzeserfüllung.
V10b:
∙
Zum erstem Mal kommt
„Beschneidung“ (mul) ausdrücklich
vor.
Exkurs zur Beschneidung:
∙
Ursprung der
Beschneidung ist Ägypten.
∙
Werkzeuge aus Stein
(Jos 5,2) lassen auf eine sehr alte Zeit schließen → archaisches Ritual
∙
Beschneidungsalter:
Pubertät
∙
Die Beschneidung wurde
mit der Heirat verbunden (Gen 34,15) → Beschneidung als Mannbarkeitsritus und als Abwehr
des Dämonischen. Damit war die Beschneidung offen für eine religiöse Deutung,
sie konnte zum religiösen Symbol werden (vgl. Jos 5,1-12: kollektive
Beschneidung als Abwälzung der ägyptischen Schande, Reinigung).
∙
1Sam 14,6:
Unbeschnitten-Sein ist Schande und Schimpfwort.
∙
Im Exil wurde die
Beschneidung zum Zeichen der Identität, um die Assimilation zu Verhindern. Mit
dem Wandel der Beschneidung zum Unterscheidungsmerkmal ging einher, dass die
Knaben bereits mit 8 Tagen beschnitten wurden (vgl. Lk 8,23)
∙
Die Beschneidung mit 8
Tagen:
-
Durch die frühe
Beschneidung wird bereits der Neugeborene zum Teilhaber am Bund.
-
Da die Beschneidung im
Kontext der MV steht wird die persönliche Fruchtbarkeit relativiert: Ismael
steht für die persönliche Fruchtbarkeit, er wird mit 13 Jahre beschnitten,
Isaak als Erbe der MV wird bereits mit 8 Tagen beschnitten (21,4) → es kommt auf die Verheißung
Gottes an die Fruchtbarkeit schenkt, nicht auf die persönliche Fruchtbarkeit.
∙
Zur äußeren
Beschneidung muss die Beschneidung des Herzens hinzukommen: Dtn 10,16 (Jer
6,10: Beschneidung der Ohren) → dtn. Einfluss, Spiritualisierung des Bundes ohne Aufgabe des äußeren
Zeichens.
∙
Makkabäischen Kriege
(1Makk 1,15): In der griechischen Kultur der Nacktheit ruft die Beschneidung
Spott hervor.
∙
NT: Abtrennung der
inneren Haltung vom äußeren Zeichen (Gal 6,15).
V12b.13a (nachträglicher Zusatz,
s.o.):
Hinter der Forderung steht der Gedanke der kultischen Einheit der
Großfamilie (vgl. Ex 12,43-49 Psekundär). Es geht darum auch Nicht-Israeliten
die Teilnahme am Pascha-Mahl zu ermöglichen → Humanisierung, da der Sklave wie ein
Familienmitglied behandelt wird. Sklave-Sein heißt auch Gottesgemeinschaft zu
haben. Der Sklave wird zum Mitbruder.
V14:
∙
Im Stil eines sakralen
Rechtssatzes wird das alternative Verhalten, nämlich das Brechen des Bundes,
mit einer Strafkonsequenz belegt.
∙
Da die Beschneidung
mit dem Bund identisch ist, ist die Konsequenz des Nicht-Beschnitten-Seins die
Exkommunikation: karat = abhauen,
vgl. Ex 12,1.19, u.a.
∙
näpäs
(Kehle) wird abgeschnitten: es klingt der ursprüngliche Sinn der Todesstrage
an, die aber nicht gemeint ist, sondern nur der Ausschluss aus der
Religionsgemeinschaft, bzw. aus dem Volk.
∙
Der Singular zeigt,
dass nur einzelne den Bund brechen können. Abraham hat den Bund in V24
angenommen, er ist somit gültig.
∙
„Bund brechen“ ist
dtn. (Dtn 31,16.20). V14 ist aber keine spätere Ergänzung, sondern
Neukonzeption (s.o.) → selbe Ausdrucksweise mit neuem Inhalt.
Die vierte und fünfte Gottesrede V15-21:
Struktur:
-
V15.16: Umbenennung
Sarais als Symbol der sich an Sarai vollziehende MV
-
V17.18: Reaktion und
Bitte Abrahams
-
V19-21: Fortsetzung
und Bestätigung der Verheißung Gottes von V15.16
Inhalt:
1.
Sarah wird in V16a ein
Sohn verheißen → die
MV vollzieht sich nicht über Ismael.
2.
Abraham kommt zum
ersten Mal selbst zu Wort
3.
das Verhältnis von
Isaak und Ismael wird geklärt.
∙
V17.18 ist kein
Dialog, sondern dient zur Akzentuierung der Gottesrede.
∙
V15.16 knüpft an Gen
18,9 an, wo Sarah aber Ohrenzeugin der Verheißung ist. Hier ist Abraham
einziger und direkter Empfänger der Verheißung. Dies ist aber keine Abwertung
Sarahs, denn die Umbenennung Sarais zeigt, das Sarah Abraham ebenbürtig ist. → Abraham und Sarah als Erzeltern
Israels.
∙
Sarah-Sarai ist
Dialektvariante. Sarah = Fürstin → Hinweis auf die Verheißung von V16.
V16:
∙
Die Segensverheißung
ist nur für Sarah: Segen bewirkt keine allgemeine Fruchtbarkeitsförderung wie
in Gen 9,1, sondern die Aufhebung der Unfruchtbarkeit → Steigerung des Segens der
UG.
∙
Traditionsgeschichtlicher
Hintergrund ist Gen 12,2
∙
Verbindung zu Gen 16,2
(Winkelzug mit Hagar): Die Segensverheißung bringt zum Ausdruck, dass es keinen
Winkelzug wie in Gen 16 bedarf.
∙
Während Ismael Frucht
menschlicher Initiative ist, ist Isaak von Gott gegeben. In der
Sohnesverheißung kommt der besondere Gnadencharakter zum Ausdruck: Isaak ist
von Gott.
∙
Sarah ist die
gesegnete Frau des ATs: Archetyp, weibliche Figuration des Gottesvolkes (vgl.
DJ, Jes 54,1; TJ) →
Maria Mutter der Kirche ist in Sarah vorgebildet. Ähnlich wie Sarah gebiert
Maria den Verheißungsträger des Neuen Bundes → marianisch-weibliche Figuration der Kirche. Lk
1,28: „unter den Frauen“ (in der EÜ nicht so übersetzt) entspricht im
Hebräischen der Formulierung bei Sarah.
V17:
∙
Reaktion Abrahams: wie
in V3 fällt er aufs Gesicht (Zeichen des Dankes).
Spannung:
∙
17a: im Niederfallen
drückt sich Abrahams Glaube aus
∙
17b: es wird deutlich,
dass das Lachen ein ungläubiges Lachen ist
→ psychologische Unmöglichkeit.
Inhaltlicher Sachverhalt und theologische Deutung:
∙
P zeichnet ein Bild
von Abraham, das sich von nP unterscheidet: Abraham ist nicht der Vater des
Glaubens, sein Herz zweifelt. Der Stammvater Israels hat einen oberflächlichen
Glauben.
∙
Der Unglaube Abrahams
fällt umso mehr ins Gewicht, da Abraham vor Gott steht: Kontrast zwischen der
Erscheinung Gottes und Abrahams Unglaube
∙
Verschärfung: in 18,12
(nP) lacht Sarah heimlich, in 17,17 lacht Abraham vor Gott und wird dennoch zum
Exponenten des ungläubigen Gottesvolkes.
∙
17,19: Der Name Isaak
(Anspielung auf das Lachen) wird von Gott angeordnet. Isaak wird zum Zeugnis,
dass Gott trotz des ungläubigen Lachens seine Verheißung verwirklicht.
∙
Gen 17: kein Tadel für
das Lachen – Gen 18,13: Tadel für Sarah.
→ deutlicher Unterschied zu nP
→ Gott vermag Dinge, die menschlich unmöglich sind
→ Gott ist in seinem Tun unabhängig vom Glauben der Menschen
→ P zeichnet Gott souverän
→ Kerygma auf dem Hintergrund des Exils
V18:
∙
Abraham ergreift das
Wort auf dem Angesicht liegend, aber es ist ein Wort des Unglaubens, verpackt
in der Bitte für Ismael.
∙
Abraham hält an den
realen Gegebenheiten (Ismael) fest und versucht die Verheißung auf Ismael
umzulenken →
Dimension der Tiefe des Zweifels, Abraham klammert sich an menschliche Sicherheiten.
∙
V18 bringt also den
Zweifel von V17 ins Wort
∙
Aussage: auch wenn
Gott den Bund nicht scheitern lässt, bleibt der menschliche Bundespartner
gefährdet. In P scheint Gott auf die menschlichen Voraussetzungen nicht zu
bauen.
V19:
∙
Klarstellende
Verheißung
∙
Gottesrede in drei
Teilen:
a)
Nochmalige
Geburtsankündigung. Im Unterschied zu V16 wird durch die Formulierung „Sohn
gebären“ die Möglichkeit ausgeschieden, dass Ismael gemeint sein könnte.
b)
Benennung des
geborenen Sohnes. Rückverweis auf das Lachen Abrahams und deutlicher Hinweis,
dass Gott Abrahams Lachen wahrgenommen hat. Der Name ist Bekenntnis für Abraham
zu seinem Kleinglauben.
c)
Bundesschluss mit
Isaak und seinen Nachkommen. Konkretisierung von V7: allein mit Isaak und
seinen Nachkommen schließt Gott den Bund. Ismael wird vom Bund ausgeschlossen.
V20:
∙
Der souveräne Gott hat
Abrahams Bitte von V18 erhört, er geht nicht über sein Anliegen hinweg → der Ausschluss Ismaels vom
Bund ist keine Existenzminderung.
∙
Dass Ismael im
Hinblick auf die MV keine Nachteile hat drückt sich in den Verheißungen für
Ismael aus:
-
V20 überträgt den
Segen von V16 auf Ismael
-
Übertragung der MV auf
Ismael: durch die Parallelstellung von „fruchtbar machen“ - „zahlreich machen“
überbietet V20 die Parallelstelle in Gen 1,28; 9,1 → in Ismael vollzieht sich
der Urgeschichtliche Segen in vollkommener Weise.
-
„Fürsten“ entspricht
den Königen von V6.16, es ist darin aber auch eine Minderung ausgedrückt.
-
12 Fürsten = Analogie
zu den 12 Stämmen Israels. In Gen 25,12-26 wird die Verheißung der 12 Fürsten
eingelöst.
-
„großes Volk“:
Rückgriff auf 12,2 (nP).
∙
Ausdruck des Universalismus:
der Gott Abrahams hat es auch mit anderen Völkern zu tun.
Zum Namen Ismael:
∙
Wortspiel „...Ismael
erhöre...“: 2x sama (hören). Ismael
ist ein Nord-West-semitische, theophorer Satzname (s.o.). is-sama-el = Gott möge hören.
∙
P übernimmt den Namen
Ismael aus der vorpriesterlichen Tradition. Gen 16,11 (E): der Name wird mit
Hagars Not begründet, Gott hat gehört.
Islam:
∙
Die Muslime leiten
sich von Ismael ab, der in der islamischen Tradition der eigentliche Sohn
Abrahams ist. Die Bevorzugung Isaaks wird als nachträgliche Verfälschung
betrachtet.
∙
Abraham ist nach
Mohammed die zweitwichtigste Person im Islam, er wird in 25 Suren erwähnt
Der Handlungsteil V23-27:
∙
Ausführung der
Beschneidungsvorschrift
∙
V23: Die Erweiterung
der Beschneidung auf Nicht-Israeliten (im Text kursiv) entspricht V12b.13a
(selbe Intention, s.o.). Mit ohne die Erweiterung gelesen hat Ismael durch die
Beschneidung eine besondere Stellung, mit der Erweiterung gelesen wird Ismael
nachträglich relativiert.
∙
Die Beschneidung wird
gemäß Gottes Anordnung juristisch genau ausgeführt.
∙
Abraham setzt die
Weisung sofort um →
Ausdruck seines Gehorsams. Abraham wird in P als Vater des Gehorsams
stilisiert, nicht wie in nP als Vater des Glaubens. Auf dem exilischen
Hintergrund ist das eine Mahnung zur Beschneidung trotz eventueller
Glaubenszweifel.
∙
V24.25: die doppelte
Altersangabe ist in P Markierung für besonders Wichtiges.
∙
Die Beschneidung des
Abrahams ist Setzung des Bundeszeichens und Inkraftsetzung des unaufkündbaren
Bundes.
→ Im 99. Jahr Abrahams beginnt die neue Geschichte Gottes mit den
Menschen. In P beginnt die Geschichte Israels mit der Beschneidung.
V25:
∙
13 Jahre: Hinweis auf
das ursprüngliche Alter der Beschneidung.
∙
Gen 16,16: Abraham ist
86 Jahre + 13 Jahre Ismael = 99 Jahre bei der Beschneidung.
∙
Gen 25,17:
Gesamtlebensalter Ismaels ist 137 Jahre (13 x 10 + 7 → Zahl der Vollkommenheit,
Beginn der biblischen Zahlenmystik)
V26/27: Nachtrag, bzw.
Zusammenfassung, der die genaue Ausführung Beschneidungs-Vorschrift
unterstreicht.
2.2.1.6 Theologische Würdigung und Rezeptionsgeschichte
Theologische Würdigung:
Gen 17 bildet als erster narrativer Text das Zentrum der P in den VE → Sparsamkeit, die bereits in
der P-UG da ist (nur erster Schöpfungsbericht und P-Sintfluterzählung). Dennoch
kommt das theologische Anliegen gut zum Ausdruck. Gen 17 (Gründungsurkunde
Israels) ist in den Noahbund eingeschrieben.
Zwei theologische Schwerpunkte in Gen 17:
a)
Das besondere
Verhältnis Gottes zu seinem Volk:
-
P hat Interesse an der
Setzung der Fundamente: Noahbund begründet den Bestand der Welt, Abraham-Bund
begründet die theologische Besonderheit Israels (das besondere Verhältnis
Gottes zu seinem Volk)
-
Die theologische
Besonderheit Israels wird in der P-Exodusgeschichte im „Wohnen Gottes unter dem
Volk“ realisiert.
Folgende Schritte:
-
Ex 24,15b-18a: Gott
zeigt Moses den Plan des Heiligtums
-
Ex 25.27: Ausführung
des Heiligtums
-
Ex 40,34: Wohnen
Gottes unter dem Volk = Zielpunkt der P-Theologie
b)
Die menschliche
Verhaltensweise gegen El-Schaddaj als Antwort auf den Bund:
-
Bundeszeichen
-
„wandle vor mir und
sein rechtschaffen“ (17,1)
-
Dazu kommt später die
Kultordnung vom Sinai (Lev 1-10). Sie wird von Gott gestiftet.
Die P-Bundestheologie:
(Lit.: Groß, W.: Zukunft für Israel, SBS 176, Stuttgart 1998, S. 65-70)
∙
dtn. Bundesverständnis
(Dtn 26,16.17) als Hintergrund: der Bund ist an bestimmte Bedingungen gebunden,
die zu erfüllen sind → Exil als Folge des Bundesbruches (vgl. DtrG, 2Kön 22,16)
∙
Die Exils-Katastrophe
warf folgende Frage auf:
-
Was kann Israel nach
einer Umkehr an einem erneuten Bundesbruch hindern?
-
Wie kann man sich
seine Existenz nach dem Bundesbruch vorstellen?
-
Wie verhalten sich der
bedingte Sinaibund und der unbedingte Abrahams-Bund (Gen 15) zueinander?
∙
Da der dtn. Bund von
menschlichen Leistungen abhängig war, entwirft P ein eigenes Bundes-System. P
lässt den dtn. Bund verschwinden, nur noch der Abrahams-Bund als reiner
Gnaden-Bund existiert. Folgen:
-
Motiv des kollektiven
Bundesbruches verschwindet
-
Exilsproblematik und
Umkehr treten aus dem Blickfeld
∙
Gen 17 schwächt die in
Gen 15 zentrale Landgabe ab, zentral ist jetzt die unkündbare Verbindung Gottes
mit seinem Volk → die
Bundessatzungen werden unwichtig.
∙
Geschichtlicher
Hintergrund: P spricht zu den Exilierten
∙
P ist am Entwurf eines
ewigen Zustandes interessiert, nicht an einer dynamischen Entwicklung
∙
Es gibt in P keine
Landname → das
Land bleibt eine abstrakte Größe.
∙
Wie der Noah-Bund
Sicherung der Welt ist, ist der Abraham-Bund Sicherung Israels
∙
P verbindet Kult und
Bund: Kult ist die Aktualisierung der Gegenwart Jahwes.
Kritik an der P-Bundestheologie:
∙
Trennung von Bund und
Schuld des Volkes
∙
Keine Erklärung des
Exils
∙
Keine Möglichkeit der
Umkehr des Einzelnen, der den Bund bricht
∙
Wegfall der dtn.
Verbindung von Bund und sozialem Verhalten (17,1 ist keine Bedingung)
∙
Der Mensch erscheint
passiv, dem Gnadenhandeln Jahwes ausgesetzt → skeptische Sicht des Menschen
Fazit:
∙
P fundiert die
nachexilische Existenz Israels durch Auslöschung des Exils
∙
Die geschichtliche
Realität wird der Theologie geopfert → hoher Preis, um einen möglichen Bundesbruch
auszuschließen.
Rezeptionsgeschichte:
∙
Judentum:
-
steht in den
Verheißungen des Abraham-Bundes und in den Verpflichtungen des Sinai-Bundes
-
nach dem gebrochenen
Sinaibund hofft es auf den neuen Bundesschluss (Jer 31,31)
-
die Verheißungen des
Noah/Abraham-Bundes gelten für Israel weiter → es steht nicht in einem gebrochenen
Bundesverhältnis
-
Bund muss durch
Beschneidung rezipiert werden
∙
Christentum:
-
lebt bereits im in Jer
31,31 angekündigten Bund, den Christus gestiftet hat (1Kor 11,25) +
eschatologischer Vorbehalt.
-
der Christusbund
ersetzt den Sinaibund und weitet ihn auf alle Völker aus.
-
Bundeszeichen ist die
Taufe
-
der Neue Bund ist die
Rezeption des Abraham-Bundes in neuer Gestalt
-
die Kirche als Ganzes
kann nicht aus dem Bund herausfallen (LG 14)
Konkrete Rezeption im NT:
∙
direkte Zitate:
-
Röm 4,17 – Gen 17,5
LXX: Paulus versteht die MV im Blick auf die Heiden- und Judenchristen, sie
erfüllt sich in den Christusglaubenden
-
Gal 3,16 – Gen 17,8:
Singularische Form, der Nachkomme ist Christus. Christus ist der eigentliche
Verheißungsempfänger des Abraham-Bundes. Als Nachkomme Abrahams kommt Christus
nicht aus dem Gesetz → Relativierung des Gesetzes gegenüber dem Glauben.
∙
Lk 1,5-25 (Verheißung
des Johannes) bezieht sich auf Gen 17:
-
Lk 1,13 – Gen 17,19 → wie mit Isaak, wird auch
mit Johannes ein neues Kapitel der Heilsgeschichte aufgeschlagen.
-
Lk 1,18 – Gen 17,17 → Zachäus als neuer Abraham,
Elisabeth als neue Sarah.
20. Januar 2004: Ende der Vorlesungs-Mitschrift.
1
[1] Heute hast du der Erklärung
des Herrn zugestimmt. Er hat dir erklärt: Er will dein Gott werden, und du
sollst auf seinen Wegen gehen, auf seine Gesetze, Gebote und Rechtsvorschriften
achten und auf seine Stimme hören. Und der Herr hat heute deiner Erklärung
zugestimmt. Du hast ihm erklärt: Du möchtest das Volk werden, das ihm
persönlich gehört, wie er es dir zugesagt hat. Du willst auf alle seine Gebote
achten; er soll dich über alle Völker, die er geschaffen hat, erheben - zum
Lob, zum Ruhm, zur Zierde -; und du möchtest ein Volk werden, das ihm, dem
Herrn, deinem Gott, heilig ist, wie er es zugesagt hat.