Tuesday, 30 April 2013

Exegese des Alten Testaments vorlesung



Exegese des Alten Testaments:
„Das Recht ströme wie Wasser“ (Amos 5,14) –
Ausgewählte Texte aus dem Buch Amos

0. Vorbemerkungen

- Das AT besteht aus den 3 Teilen Pentateuch (=Tora), den nebiim und den ketubim
- die vorderen Propheten gehen von Jos – 2Kön25
- die hinteren Propheten sind Jes, Jer, Ez und das 12-Prophetenbuch (darin auch Amos)
- in der LXX, welche die Bücher nach ihrem Umfang ordnet, steht Am an 2. Stelle                 (9 Kapitel), bei uns steht er an dritter Stelle
- Amos ist der älteste der Schriftpropheten
- wir unterscheiden in vorklassische und klassische bzw. Schriftprophetie
              vorklassische Prophetie (z.B. Elia): überwiegend Prophetenerzählungen
              Schriftprophetie: weniger Erzählungen, mehr Worte des Propheten
- bei Amos werden die Worte nun also wichtiger als die Taten des Propheten
- im Dodekapropheton haben die 12 Propheten nicht als Einzelgrößen Einzug in das AT gehalten, sondern unter dem Dach des Dodekapropheton, welches bereits in Sir eine feste Größe spielt
              Allerdings werden die Propheten durch einzelne Zwischenüberschriften charakterisiert, was allerdings buchtechnische Gründe hat: im Synagogengottesdienst war es einfacher, alles auf eine Rolle zu schreiben und durch Überschriften zu gliedern
              Theologischer Grund: auffällig symbolische Zahl: 12
- das Dodekapropheton ist ein Extrakt atl Prophetie aus ca. 5 Jahrhunderten: Etnstehungszeit 8.-3. Jh vChr
- Am gilt als die Keimzelle des späteren Dodekapropheton
- der Inhalt von Am: da er zu den vorexilischen Propheten gehört, überwiegt bei ihm die Unheilsprophetie mit starkem sozial-kritischen Akzent (vgl. Hos, Jes, Mi)
- auffällig bei Am ist, dass bei ihm fast ausschließlich die Sozialkritik vorherrscht -> das ist v.a. im 8. Jh vChr erstaunlich
              um dies zu verstehen, ist der traditionell geschichtliche und  sozialgeschichtliche Hintergrund wichtig -> Am verkündete die Kritik im Namen Jahwes

- Literarkritik: widersprüche, unmotivierte Dopplungen, inhaltliche Verschiebungen, verschiedene Interessen, sprachliche Indizien
- Redaktionsgeschichte: einzelne Verse werden zueinander in Beziehung gesetzt


empfohlene Literatur:
- Herbert Donner: Geschichte Israels
- Gunter Fleischer: Von Menschenverkäufern... S. 346-426
- Reiner Albertz: Religionsgeschichte Israels I
- ! Kommentarreihen z.B. NEB oder Kleine Biblische Stuttgarter Kommentare
- Hans Walter Wolf: Amos-Kommentar
- !!! Jörg Jeremias: Amos-Kommentar; Reihe ATD (?)
- !!! Gunther Fleischer : Amos Kommentar; Reihe ATD
- Wilhelm Rudolf: Amos-Kommentar; Reihe KAT
Monographien:
- !! Jörg Jeremias: Amos und Hosea; FAT Bd. 13 (bes. für 1.5 und 1.6)
- Aaron Schadt: Zur Entstehung des 12-Prophetenbuches; BZAB (bes. für 1.7) -> am Ende des Buches sehr leserfreundlich zusammengefasst!
Geschichtlicher Überblick:

- Am hat vermutlich das eingetroffene Erdbeben kurz vorher vorhergesagt und hat sich damit als wahrer Prophet erwiesen dessen Worte sich in Kürze erfüllt haben
- das „Erdbeben“ ist bei Am eher eine Art Themenangabe, da bei ihm mehrfach von Erdbeben die Rede ist
- Am lebte/prophezeite in den letzten beiden Dritteln der Regierungszeit des Jerobeam, ca von 773-737 vChr
- das Nordreich in dieser Zeit (9.Jh vChr.):
              920: Aufspaltung, es bilden sich eigene Herrschaftsdynastien
              Jerobeam II herrscht in der Nimsiden-Dynastie, welche durch König Jehu begründet wurde
              In der Mitte des 9.Jh. erstarkt das Nordreich und expandiert in den Westen
- 8.Jh. vChr.:
              König Ahab (der Gegenspieler Elias) will das Vordringen der Assyrer verhindern, die Assyrer gewinnen wohl, was aber keine Auswirkungen für die palästinischen Kleinstaaten hat
              841 und 839vChr.:?
              838vChr.: der assyrische Drucklässt nach und König Hassael kann den Aramäer-Staat festigen  -> dasNordreich Israel kann den Aramäern wenig entgegensetzen (s. Elia-Elischa-Zyklus); 2 Kön 13,4
              in Am 1,6-8; 13,5 und Jes 9,10f. wird vom grausamen Vorgehen der Amoniter und Moabiter berichtet
- 787 vChr.:
              erst unter König Jerobeam II wendet sich das Blatt und die Macht des Aramäer-Staates geht zurück
              Expansion nach Westen
              Die Assyrer setzten das Aramäer-Reich unter Druck
              Jerobeam II stellt den territorilen Bestand des Nord-Reiches wieder her                 
(vgl. 2Kön 14,25 und Am 6,13)
- aber: von dem neuen Wohlstand profitiert nur die Oberschicht des Staates
- 747 vChr.: Jerobeam II stirbt und mit der Dynastie geht es schnell zu Ende
- 740 vChr.: ein neues assyrisches Großreich erwächst
- 738 vChr.: der assyrische Großkönig nimmt große Teile des Aramäer-Staates ein und unterwirft z.B. auch Israel im Sinne einer Vasallinentät
              -> das Nordreich Israel ist damit sozusagen „Geschichte“

Also: unter Jerobeam II herrschte Wohlstand, da Israel sich von den Aramäern erholen konnte, allerdings gab es diesen Wohlstand nur für den sog. „Adel“


Die sozialgeschichtliche Dimension von Amos:
- großenteils prophetische Drohworte (z.B. Am 6,4: gegen die Faulheit der reichen Oberschicht, der eine große Gruppe von Armen gegenübersteht oder Am 8,4: soziale Zerklüftung der Gesellschaft)
- Amos ist der erste, der sich so deutlich sozialkritisch äußert; vor Amos ging es der Prophetie meist um die Reinheit der Jahwe-Religion (Elia, Elischa) oder um die Bertung des Königs (Hofpropheten, z.B. Nathan oder Gad)
- am ehesten Sozialkritik findet man vor Amos noch in 2Sam12 oder 1Kön 21
- aber Kritik an einer ganzen sozialen Schicht gab es vor Amos nicht, also erst seit der Mitte des 8. Jh., was erstaunlich ist, denn das Problem zwischen Arm und Reich gab es vorher bestimmt auch schon
              ein bisschen klingt dies auch im AT an -> s.o.g. Stellen oder auch die Rechtssätze:
Ex21-23: Bundesbuch (Ex21,2-6: über hebräische Sklaven -> wirkt der Tendenz entgegen, die Not der Sklaven auszunutzen)
1Kön4f. und 12,4: die Kritik am Verhalten des Königs wurde in eine Sozialkritik verpackt
1Sam8: indirekte Kritik am Handeln des Königs
-> die Sozialkritik bezieht sich aber trotzdem wenn dann auf das Handeln des Herrschers und nicht auf die ganze Sozialschicht wie bei Amos

- wie kommt es nun dazu, dass im 8.Jh. vChr. in Israel eine solche soziale Form herrscht, dass ein Prophet sich aufgerufen fühlt, Sozialkritik zu üben? Wie kommt es zu einem solchen Unterschied in der Gesellschaft, dass große Kluften zwischen Arm und Reich herrschen?
- Vier wichtige Thesen für die sozialgeschichtliche Situation Israels im 8.Jh. vChr.:
1.) (Herbert Donner)
- die sozialen Schwierigkeiten stehen in Zusammenhang mit der Einführung des Königs
-> der König musste das Beamtentum einführen, wofür es wenige geeignete Leute gab
-> so holten die Könige Leute aus den kaananäischen Stadtstaaten (z.B. Megiddo) welche aus der intellektuellen Elite stammten und vom König aus dessen Krongut ausgestattet wurden
-> diese Beamten hatten eine grundsätzlich andere Auffassung vom Bodenrecht wie die Israeliten
-> denn die Israeliten dürfen kein Land von einem anderen Israeliten zur Vergrößerung irhes eigenen Landes kaufen; ebenso dürfen sie auch ihr Erbe nicht verkaufen, da das Land ja eigtl Jahwe gehört (1Kön1,21)
-> für die Kanaaniter war dies kein Problem, sie trieben die Bauern in die Verschuldung, um so an Land zu kommen
-> so wurden die Könige reicher und die Bevölkerung ärmer
-> die Rechtsordnung der Könige veränderte die festgelegten Besitzverhältnisse
- die Sozialkritik bei Amos steht damit in einer bestimmten Entwicklungsstufe im Kontext eines Prozesses, der mit der Einführung des Königs begonnen hat und gegen den sich zur Wehr gesetzt wird
2.) (Klaus Koch)
- es gab wohl einen konkreten Anlass, der Am veranlasste, im Nordreich als Prophet aufzutreten (z.B. ein punktuelles Ereignis, das aber nicht näher von Koch erläutert wird)
3.) (Oswald Lorenz)
- das Problem liegt im Gegenüber von Stadt und Land, da hier unterschiedliche Kulturen hervorgebracht werden
- bei Amos (z.B. Am6,1) wird die Oberschicht in Samaria angegriffen
-> die Reichen praktizieren einen sog. Renten-Kapitalismus, bei dem sämtliche regelmäßige Anteile am Produkt der Bauern und Gewerbetreibenden durch Zinsen oder Steuern eingetrieben wurden
-> Kapitalismus deshalb, weil es darum ging, diese Renten zu maximieren, es ging also nicht mehr um die bloße Versorgung
-> dies entsprach nun überhaupt nicht dem Streben der bäuerlichen Familienbetriebe, welche auf Selbsterhalt ausgerichtet waren
- die Oberschicht wollte sich möglichst alles aneignen -> planmäßiges Verschulden der Bauern und Handwerker -> möglichst noch Dauerschulden, um eine totale Abhängigkeit zu erreichen
-> das Kapital wurde dann verwendet für den Konsum der Reichen
- der Grundbesitz wurde an Kleinpächter weitergegeben, die ausgebeutet wurden
=> nicht beantwortet ist damit aber die Frage, wie es zu dieser Verschuldung kam
4.) (Kippenberg/Werthen?)
- Transformationsprozess des Grundeigentums der Wirtschaft und Gesellschaft
-> die entstandene Aristokratie eignete sich gewaltsam das Land an
-> Transformation der Abhängigkeit
- früher: Versklavung Fremder und Versklavung eigener ethnischer Angehöriger
- jetzt: unbefristete Verknechtung und Verkauf in Fremdsklaverei
- Spezialisierung im Anbau für den Export (vgl. heute z.B. in Lateinamerika den Kaffeeanbau)
-> unrentable Familienbetriebe können nun nicht mehr konkurrieren und werden ausgesiebt
=> all dies ist im Kontext der Einführung des Königtums zu sehen!
- die menschliche Arbeit und Boden werden zu Waren
       es wird auch nicht mehr auf die Eigenversorgung gezielt, sondern die bäuerlichen Existenzen werden ausgeschaltet

Fleischer kritisiert alle vier Thesen:
Zu 1.):
Das Beamtentum entstand ja schon 200 Jahre früher bei Salomo. Warum die Probleme dann grade im 8.Jh. v.Chr. auftreten, wird nicht deutlich
-> die Sozialkritik des Königtums müsste dann eigentlich stärker sein
Zu 2.):
In der Sozialkritik des Am gibt es keinen konkreten Anlass zu erkennen
Zu 3.):
Die Spaltung von Arm und Reich wird vorausgesetzt, aber es wird eben nicht erklärt, wie es dazu kommt
Zu 4.): es wird nicht klar, was diesen Transformationsprozess auslöst; er wird nur beschrieben, aber nicht erklärt

These Fleischer und Zapff:
Die Modelle von Donner und Koch beschreiben nur, erklären aber nicht, ähnliches ist auch bei den anderen Modellen zu kritisieren
Fleischer fragt nun:
1.) wieso müssen sich manche Schichten verschulden?
2.) wie können Bauern enteignet werden bzw. wie wird der Boden zur Ware der Mächtigen?
Zu 1.) Praxis der Erbteilung
- ungleiche Verteilung des Erbes:
der Erstgeborene erhält 1/3 des Erbes
die Nachgeborenen müssen sich den Rest teilen
-> so kommt es zu einem deutlichen Ungleichgewicht in der Bodenverteilung und Familienbetriebe können nicht mehr ernährt werden
- durch Expansionskriege können dann neue Territorien gewonnen werden
-> die Israeliten konnten sich ausweiten und z.B. die Nachgeborenen sich Land aneignen
-> ab dem 9.Jh. v.Chr. (Aramäerkriege) war dies jedoch nicht mehr möglich und die Israeliten mussten sich auf ihr Land beschränken
-> im 8.Jh. kam es dann zum oben beschriebenen Problem, denn die Erbteilung war noch nicht so weit fortgeschritten, außerdem : 2.)
Zu 2.) Zunehmendes Bevölkerungswachstum
- die Entwicklung zu einem zentral regierten Staat
-> archäologisch können ein starkes Siedlungswachstum, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung nachgewiesen werden
-> so gewannen die Städte also mehr an Bedeutung und es kam zur soziologischen Umstrukturierung
-> in den Städten lebten ausdifferenzierte Berufsgruppen, welche auf Warentausch angewiesen waren
-> für sie war es nötig, sich einen surplus zu erwirtschaften, der über den eigenen Bedarf hinausging
-> die neue Wirtschaftsform war also auf Handel und Austausch angelegt
- außerdem: das Verwaltungswesen:
-> die Beamtenschaft und das Militär waren auf Abgabe und Unterhalt angewiesen -> wieder musste ein surplus erwirtschaftet werden
26.10.2004
- Bevölkerungswachstum: die Leute kamen mehr in die Stadt, weil sie sich auf dem Land nicht mehr ernähren konnten
-> die Verstädterung wirkte zwar zunächst dämpfend auf das Bevölkerungswachstum und die Zersplitterung des Landes -> deshalb wurde das Problem nicht gleich akut
-> auch durch die Aramäerkriege (Menschenverluste) gab es kein großes Bevölkerungswachstum
- die Zeit des Am war also eine Friedenszeit, die allgemeine Entwicklung war jedoch weiter fortgeschritten:
- es gab zwei starke Extreme:
die städtische Oberschicht
die stark verarmte Unterschicht
- der Sippenethos wurde durch die Verstädterung mehr und mehr aufgegeben und der Zusammenhalt war nicht mehr so stark
-> er wurde auch von der Oberschicht nicht mehr praktiziert, stattdessen beutete sie die Unterschicht skrupellos aus
-> bei Zahlungsrückständen und Missachtung der Grundrecht verloren die Bauern ihre Liegenschaften und mussten ihre Familie und sich selbst verpfänden
- die Oberschicht lebte dagegen im ungehinderten Lebensgenuss, was sie vermutlich als Segen Jahwes interpretierten (vgl. Ijob: er fühlte sich anfangs gesegnet wegen seinem Reichtum)
- die Kritik des Am bezieht sich nicht auf die Strukturen der Gesellschaft an sich, sondern auf den unbarmherzigen Umgang mit den Armen, also auf das konkrete Verhalten

Zusammenfassung:
1.) die Sozialkritik des Am stellt gegenüber der älteren Königskritik etwas Neues dar -> im AT gibt es eigtl. keinen Vorgänger dieser Art der Kritik
2.) die Sozialkritik des Am setzt die soziale Differenzierung in Arme und Reiche bereits voraus, dieser Zustand als solcher wird nicht kritisiert, deshalb wird der Zustand wohl auf natürliche Weise entstanden sein (Erbteilung und Bevölkerungswachstum)
3.) vorliegende Texte sind also eine Reaktion des Am auf eine sozialgesellschaftliche Situation, die erst jetzt wirksam wurde
4.) die Oberschicht erstarrte in ihrer Bahn, die Unterschicht wurde immer schwächer
-> zunächst stoppten die Urbanisierung und die Menschenverluste während der Kriege diesen Prozess, doch während der Friedensepoche unter König Jerobeam II. spitzte sich die Entwicklung zu, und die Oberschicht bereicherte sich an der Unterschicht
5.) Mentalität: es gibt keinen Ständezusammenhalt mehr, sondern nur noch Eigenbezogenheit
6.) Am erhebt seine Stimme gegen das unsolidarische Verhalten der Oberschicht in dieser speziellen Situation


1.2. Zur Gestalt des Propheten Amos

Name: kommt sonst im AT nicht mehr vor
-> ein Vergleich könnte gezogen werden mit amassia (2Chr 17,6): Danksagung
-> amassia wäre ein westsemitischer Theophor = Jahwe trägt
-> Amos wäre dann die Kurzform dieses Namens oder die passivische Bedeutung: der von Jahwe getragene (eher wahrscheinlich ist aber die aktivische Bedeutung)
- auch bei Am gilt: es sind Worte von Propheten und weniger Erzählungen über  den Propheten
-> dies ist bei Schriftpropheten normal (Ausnahme: Jeremia: Erzählung und Worte)
- trotzdem haben wir relativ viele Informationen über Amos und wissen die ungefähre Zeit, seinen Herkunftsort und Beruf
- Am stammt aus einem Ort namens Tekoa (heute: hirbet theku), welcher am Rand der Wüste Juda (Steinwüste) liegt
-> „Herodion“  (eine Art Burg von Herodes dem Großen, welcher dort begraben liegt) liegt im Norden des Ortes Tekoa
-> nach Osten geht Tekoa in die Wüste Juda über und fällt zum Toten Meer (- 700m uM) hin ab
-> war Am also ein Hinterwäldler?
Beruf: s. Überschrift: der unter den Schafzüchtern war
-> vgl. aber 2Kön 3,4: König Mescha von Moab hatte die gleiche Berufsbezeichnung, war aber nun wirklich kein einfacher Schafhirte
-> vgl. die EÜ: sie gibt Am den Beruf Schafzüchter (?)
- in Am 7,14 finden wir zwei weitere Berufsbezeichungen:
-> prokkär (ist ein hapax legomenon, d.h., dieses Wort kommt nur einmal in der Bibel vor)
= Rinderhirte oder Viehzüchter
-> poles schikmin (ist eine Partizipialform): Feigenziehen -> vgl. EÜ
-> vgl. 1Kön 10,27: Maulbeerfeigenritzer: war sehr zahlreich in der Schefela (dem Hügelland vor dem judäischen Land)
-> das Holz des Maulbeerfeigenbaums war Bauholz (ungleich der Zeder, deren Holz für Täfelungen verwendet wurde)  
-> der Ritzer dieses Holzes war ein Pars pro Toto
-> wichtig bei dieser Arbeit war, dass die unreifen Feigen mit einem scharfen Instrument geritzt werden mussten, so dass der bittere Saft abfließen und der übrige Saft schneller süß werden konnte
-> die Maulbeerfeigen gedeihen nicht in den rauen Bergen, sondern eher im geschützten Jordangraben oder der vorgelagerten Schefela
-> Am musste also seinen Heimatort verlassen, um seinen Beruf ausüben zu können
-> seine Tätigkeit war nicht die eines einfachen Bauern, sondern er gehörte der Mittelschicht an und war unabhängig in seinem Lebensunterhalt
- Am 7,10 (vgl. Mi): es war damals vielleicht üblich, dass die Leute prophezeiten und dafür etwas zu essen bekamen
-> Am antwortet darauf, dass er die „professionelle“ Prophetie nicht nötig hat, da er eine selbständige Arbeit hat
- Am 7,15: weitere Berufsbezeichnung:
Jahwe hat ihn von seiner Herde weggeholt (Herde auf hebräisch: Kleinviehherde, also Schafe etc.)
-> vgl. 1Sam 16,11: Anlehnung an David: auch er wird von seiner Herde weggeholt, um König zu werden -> Am will damit sagen, dass sein Amt für ihn auch etwas überraschend kam (hier also weniger eine Berufsbezeichnung und mehr Theologie)
- Am kommt also aus einem judäischen, bäuerlichen Milieu, entstammt der Mittelschicht und hat zwei oder mehr wirtschaftliche Standbeine
- Am ist informiert über die Probleme der Nordreicher
-> er ist an sich interessiert, verlässt Tekoa auch zeitweilig (durch seine Maulbeeren) und kriegt dadurch von der Welt etwas mit
- Am tritt in Samaria (der Hauptstadt des Nordreiches) auf
-> aber auch in Beth-El (Am 7,13), dort verkündet er Unheil
-> dadurch kommt es zum Konflikt mit dem Priester Amazja
-> dort endet er auch mit der Prophetie (wurde er ausgewiesen oder starb er den Märtyrertod, wie eine apokryphe Schrift berichtet?)
- das soziale Milieu (vgl. Aufsatz von Helga Weippert; OBO 64, Freiburg/Schweiz 1985)
-> Am 4,1: Am versteht etwas von Rindern -> er vergleicht auch die reichen Frauen mit Kühen (Fett und große Stärke; vgl. auch Am 4,2b.3)
-> Am weiß als Bauer, dass die beschriebenen Katastrophen verheerend sind, da das Vieh in dieser Zeit auf die Weide muss
-> weitere ländliche Stichworte: Am 1,3b: Drehschlitten
-> Am 8,1f: Obstkorb
-> von der unbebauten Wüste im Osten drohen die Gefahren: Löwen, Bären, Schlangen
-> Am 5, 18-20 beschreibt die Erlebniswelt des Am (der Löwe als Unheilstier für die Menschen ist im Alten Orient häufig
-> Am 3,12 entspricht Ex 22,9-12
- Am 6,4: Betten aus Elfenbein -> d.h. sie sind nicht völlig aus Elfenbein, sondern mit Elfenbeinintarsien
-> Bezug zum Löwen: sie stehen auf Löwenbeinen oder sind mit Löwenbildern verziert und hatten dämonenabwehrende (apotropäische) Funktion
-> Am 3,4: das löwenhafte Auftreten Jahwes ist nicht mehr schützend (Verfremdungseffekt), sondern Jahwe verhält sich wie ein Löwe gegen die Oberschicht
- Am hat also das Verhalten eines Mittelständlers: er kann die Faulheit der Oberschicht nicht verstehen




1.3. Zu Aufbau, Strukturierung und innertextliche Bezüge des Amos-Buches

Am 1,1: Überschrift mit drei wesentlichen Elementen:
1. Name, Beruf/Herkunftsort
2. chronologische Einordnung in Bezug auf  zwei Könige
3. weitere chronologische Präzisierung: zwei Jahre vor dem Erdbeben

spezifisch für die Überschrift des Am-Buches sind 1. (zum Teil) und 3. (als Ganzes)

1.) Worte, die der Prophet schaute
vgl. Hos, Joel, Mi, Zef: hier wird von einem Wort Jahwes berichtet, das an den Propheten erging (die anderen Propheten-Bücher unterscheiden sich in der Überschirft eh völlig)
-> der Herkunftsort ist ähnlich wie bei Mi beschrieben
-> der Beruf ist in keiner weiteren Überschrift genannt (auch nicht bei den übrigen Propheten, außerhalb des 12-Proph.-Buches)
-> die Zeit ist analog zu anderen prophetischen Schriften (vgl. Hos, Mi, Zef)

Schlussfolgerungen:
1) Worte, die Am sah:
es gibt bei am eine ganze Reihe von Visionen (im 12-Proph.-Buch ist Am damit sogar einzigartig)
-> besonders in Am 7-8: Visionszyklus (so ließ mich sehen der Herr Jahwe)
2) Berufsbezeichnung:
in Am 7,12-14 kommt der Beruf nochmals zur Sprache: Am betont, dass er kein Professioneller ist, sondern einen säkularen Beruf hat
-> die Prophetie des Am ist etwas Neues, indem sie völlig frei ist von persönlichen Interessen
-> Am will kein Geld durch die Prophetie verdienen und stellt dies auch gleich am Anfang richtig -> bei den späteren Propheten ist dies dann nicht mehr nötig

Zu 2.): Chronologie
Hos, Am, Mi und Zef stehen in Korrespondenz zu Königen
Hos (welcher länger als Am auftrat) und Am sind Nordreichspropheten
-> in ihrer Prophetie wird Jerobeam II. genannt, allerdings werden sie auch in Bezug zu den Königen im Südreich gesetzt 
Mi und Zef werden mit den Südreichskönigen in Bezug gesetzt (wichtig für Prüfung: ihre Wirkungszeiten nachlesen!)
- Am ist also Teil einer chronologisch angeordneten Reihe von prophetischen Büchern
- bei Hos und Am fällt auf, dass der Südreichkönig vor dem Nordreichkönig erwähnt wird, obwohl sie doch im Nordreich wirken -> dies ist kein Zufall, sondern die Relevanz für das Südreich  (welches nicht nur wichtig war für das Nordreich)soll damit herausgestellt werden
- zur Prophetie des Am kann gesagt werden, dass er schon auch historisches Interesse hat, aber auch viel „Wort“ dabei ist, das seine Relevanz nach dem Untergang des Nordreichs für das Südreich behält

Auffallend ist die Ähnlichkeit zum Königsschema des deuteronomistischen Geschichtswerk (bes. 1,2Kön)
-> These: Hos, Am, Mi, Zef sind eine Fortsetzung des deuteronomistischen Geschichtswerkes
-> ! Zapff jedoch verweist auf das Göttinger 3-Schichten-Modell!
-> der DtrP hatte hier seine Hände im Spiel
-> es gilt auf jeden Fall: die Bedeutung des Jahwe-Wortes gilt, auch unter geänderten Umständen

Zu 3.) Chronologische Präzisierung: zwei Jahre vor dem Erdbeben
-> lange wurde dies ausschließlich chronologisch verstanden
-> Jörg Jeremias: dies ist keine chronologische Angabe, sondern bezieht sich auf den Inhalt des Am-Buches
-> Bezüge bei Am auf das Erdbeben:
Am 2,13
Am 8,8
Am 9,1
Am 9,5
(Am 7-9: Visionen mit Plage)
-> in Am 9,1 ist der Tempel nicht nur als Gebetsstätte zu verstehen, sondern kann auch in Bezug zur Schöpfung gestellt werden: in das Chaos wird der Kosmos  gestellt -> der Tempel ist hier ein stabilisierender Faktor für den für den Kosmos -> der Tempel als Mittelpunkt der Welt: wenn er nicht schwankt und die Gottheit noch im Tempel wohnt, ist die Welt vor dem Chaos bewahrt
2.11.2004
-> vgl. ähnliche Vorstellungen in Israel:
Hag 1,2-11: der Tempel steht für die Fruchtbarkeit des Landes
Ps 46: der Tempel als Ort der Sicherheit vor chaotischen Völkern
           Der Tempel als Ort der Beziehung zwischen Jahwe und seinem Volk
-> in diesem Zusammenhang ist bei Am das Beben der Schwellen bzw. der Tragbalken zu verstehen: das Ende der Gottesbeziehung zu Israel wie auch das Ende der Schöpfungsordnung! (vgl. Am 9,2-4: Verfolgung der Israeliten durch Jahwe)
-> Israel schwebt als Ganzes in Gefahr, es wird nicht „nur“ ein Erdbeben geben, sondern Israel geht verlustig der Beziehung zu Jahwe und der Weltordnung (= Zerstörung des Tempels)

die tiefe Gefährdung Israels wird auch in folgenden Stellen deutlich:
Am 2,13: Strafwort gegen Israel
Am 9,1: Erzittern der Tempelschwellen
Am 8,8,: das menschliche Versagen ist schuld an der Katastrophe

In der Überschrift wird das zentrale Thema von Am bereits angedeutet: die Verfehlungen Israels bringen den Kosmos zum Wanken
->  Glaubwürdigkeit des Am bezeugt sich darin, dass das vorausgesagte Erdbeben auch tatsächlich eingetreten ist


ein Blick auf den Textkorpus (s. Blatt „Gliederung des Amosbuches“)
Gliederung in vier Teile:
I: sechs Gerichtsworte gegen benachbarte Völker
   Ein Gerichtswort gegen Juda
   Ein Gerichtswort gegen Israel
Eine Steigerung ist der Umfang der Juda- und Israelstrophe
Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrecht ziehen das Gericht durch Jahwe nach sich

II: Unheilsworte gegen Israel
Drei Höraufrufe:
Am 3,1; Am 4,1; Am 5,1
-> allerdings liegen sie nicht auf einer Sinnebene:
der erste Höraufruf richtet sich an die vornehmen Frauen
der zweite und dritte Höraufruf richtet sich gegen die Gesamtheit Israels
-> zwischen Am 3,4 und Am 5,6 wechselt der jeweilige Adressat:
Haus Israels = Staat
Söhne Israels = Volk
Am 3-4: die Taten des Volkes sind verantwortlich für den Untergang des Staates in Am 5-6
Am 3-4: als Gottesrede stilisiert (wird allerdings nicht immer durchgehalten)
Am 5-6 (Reaktion auf vorheriges unheilvolles Jahwewort): hier spricht der Prophet selbst (vgl. Am 5,1: Totenklage über Israel)

III + IV: siehe Blatt
Am 3,1: Gotteswort
Am 3,3-8: Legitimation/Berufung des Propheten
Am 5,1-17: Ringkomposition (einzelne Textabschnitte von außen nach innen entsprechen sich):
A: Am 5,1-3 „Totenklage“
B: Am 5,4-6 „Suchen“ Jahwes
C: Am 5,7 Schuldaufweis Israels
D: Am 5,8 Doxologie
C’: Am 5,10-12 Schuldaufweis Israels
B’: Am 5,14f „Suchen“ des Guten
A’: Am 5,16f „Totenklage“
(die EÜ nimmt hier eine Versumstellung vor)
-> die Doxologie steht also im Zentrum der Ringkomposition -> Aussageziel: den Lobpreis des richtenden und strafenden Gottes als vornehmste Aufgabe dem unbußfertigen Israel vor Augen halten

Am 5,18; 6,1: Wehrufe -> sachliche Begründung dafür in Am 5,21-24; 6,2-11
Am 5,25; 6,12: didaktische Frage
-> Am 5,26f; 6,14: Vollstreckung des Todesurteils
-> Auffallend ist die zentrale Stellung der didaktischen Frage
-> Jeremias meint, dass damit die Möglichkeit einer Einsicht gegeben ist, eine Erinnerung an heilvolle Anfänge, aber auch an die außer Kraft gesetzte Rechtsordnung
-> ! die Möglichkeit zur Umkehr ist also noch gegeben

III: Visionszyklus
Fünf autobiographische Visionsschilderungen, die durch zwei Texte unterbrochen werden: Am 7,10-16 und Am 8,4-12
Die ersten vier Visionen entsprechen sich jeweils paarweise
Die Plage, die über Israel hereinbrechen soll, könnte vom Propheten durch seinen Einspruch noch abgewendet werden
3. und 4. Vision: Bilder, die für das baldige Ende des Volkes stehen (Obstkorb: Israel ist im negativen Sinne reif für die Ernte)
Am 7,8;8,2: der Prophet kann keinen Einwand mehr erheben -> auch die prophetische Fürsprache und Barmherzigkeit Jahwes kommen an eine Grenze, wenn die Unwilligkeit zu groß wird
Mit Am 7,10-17 ist ein narrativer Text eingefügt
-> Am 7,7-10: Halsstarrigkeit Israels gegenüber dem prophetischen Wort -> Jahwe bleibt also nichts anderes übrig als das unaufhaltsame Gericht -> die Begründung für das Gericht steht in Am 7,7-17
Am 7,9: die Vernichtung der Kulthöhen Israels ist berechtigt, denn diese Orte sind keine Orte mehr, an denen auf Jahwe gehört wird (Amazja erzählt davon) -> damit ist die dritte Vision begründet
Am 8,3 wird in Am 8,10 aufgegriffen: Ergänzung im Sinne einer Explikation
Am 9,1-4: fünfte Vision: Klimax gegenüber den anderen Visionen, da sie singulär steht
Hier wird nicht mehr von den Symbolen der Vernichtung gesprochen, sondern Jahwe selbst kommt und richtet
-> Zerschlagung des Knaufs = Anfang der Vernichtung durch Jahwe
Am 9,5: hymnischer Abschluss mit Gottesprädikation
       Zenger: Am 9,1-4 bedeutet, dass die universale Gottesherrschaft nochmals vertieft werden soll

IV: Am 9,7-15
Ausschließlich Heilsworte für Israel in vier Abschnitten
1. V 7f: Spruch-Jahwe-Formel
2. V 9f: hinweisendes Ja (Einleitung) und fiktives Zitat (Abschluss)
3. V 11: „an jenem Tag“ und Gottesspruchformel (vgl. auch schon 4.)
4. V 11-15: Abschluss: erweiterte Gottesspruchformel, die durch die Botenformel abgeschlossen wird

die Teile sind einander paarweise zugeordnet:
1. V 7-10: angekündigtes Ende als Läuterungsgericht, welches das Haus Israel als Ganzes vernichten wird (vgl. in V 8: das Königreich wird schon vernichtet, aber noch nicht das Haus Jakobs)
2. V 9-15: positive Zukunftserwartung: eschatologisches Finale
-> steht in direktem Kontrast zu den Unheilsbildern im Vorangegangenen
-> V 14 (neue Pflanzung) widerspricht Am 4,9
-> begrenztes Gericht: V 8-10: Läuterungsgericht mit einem Durchgang zu neuer Heilszeit

in V 12 wird Edom (südöstlich von Israel) erwähnt: inhaltlicher Zusammenhang zum folgenden Obadja (V 8f; 21)
durch die Bezüge zu den vorderen drei Teilen (Thema: Erdbeben) wird ein Neuanfang angekündigt 
Jeremias spricht von einem engen Bezugszusammenhang zwischen den Visionsberichten         (Am 7+8) und  den Völkersprüchen (am Beginn des Buches)
-> Reihung von einzelnen Sprüchen mit paarweiser Entsprechung
-> die Visionen enthalten jeweils einen Fürbittruf
-> der Visionszyklus erreicht in der 5. Vision  (Am 9,1-4) seinen Höhepunkt (Klimax: durch die Zerstörung des Tempels wird die rettungslose Verlorenheit Israels angekündigt)
- inhaltliche Verbindungslinien: Am 2,13: Garben/Getreide, schwankender Wagen vgl. 4. und 5. Vision: Obstkorb, Zerstörung des Tempels => Erdbeben
Am 2,6-16 und die Visionen: Revozierung der Erwählung Israels
Am 2,9 und Am 2,13-16 entspricht Am 7,1-6 (Verschonung) und Am 8,1-3; 9,1-4 (Vernichtung)
Am 2,6 entspricht Am 7,8; 8,2: es gibt keine Verschonung mehr
-> bewusste Komposition (inhaltlich und formal) von Völkersprüchen und Visionen
Visionen: Konsequenzen
Völkersprüche: warum ist es so, dass die Welt von einem Sinneswandel betroffen ist?
- die heutige Anordnung hat mit der Entstehung des Am-Buches zu tun: die Universalität Israels (die von vorne herein besteht) soll hervorgestellt werden   
-> Visionszyklus: die Geduld Gottes ist zu Ende (bei Jes u.a. ist es eigtl. umgekehrt)

Die Rolle von Teil III:
Am 3-6 ist aus inhaltlicher Sicht heraus gerahmt:
- konkrete Anklagen gegen die Oberschicht Samarias
- Begründung der Gerichtsankündigung in Teil I
-> darauf baut Teil III auf: er setzt die Schuld Israels (Ruf in Am 7,2) voraus
in Am 3-6 gibt es verschiedene auffallende Entsprechungen zu Hos
z.B. Am 4,4; 5,21-27: die Kultkritik spielt besonders bei Hos eine wichtige Rolle

2. Gliederungsschema
mindestens drei oder vier Hymnusfragmente (vgl. Brevier: die kleinen Horen):
vgl. Am 4,13; 5.8; 9,5 (1,2) = Jahwe ist sein Name -> Verherrlichung der weltüberlegenen Macht Jahwes, der die Welt erschaffen hat und ihre Ordnung erhält -> er hat allerdings auch die Macht, ihre Ordnung zu erschüttern
- die Hymnenfragmente stehen an zentraler Stelle:
Am 4,13: schließt den ersten der drei Teile ab
Am 5,8: bildet das Zentrum der Ringkomposition von Am 5,1-17
Am 9,5: bildet den Abschluss des Visionszyklus
Am 1,2: das Am-Buch selbst beginnt mit einem Hymnen-Fragment
- Gliederung: im Sinne eines Responsoriums stehen die Hymnen an zentraler Stelle um Jahwe als den zu proklamieren, der als universaler Weltenherrscher die Feinde seiner Ordnung vernichtet
- die Hymnen im 12-Proph.-Buch haben inhaltliche Entsprechungen:
Hos 4,3; Mi 1,3f; Zef 1,2f; Nah 1; Hab 3 -> Möglichkeit, dies als buchübergreifende Perspektive zu deuten


1,4, Zu sprachlichen Charakteristika und den Gattungen des Amosbuches
!!BT: Hans Walter Wolf: PKAT -> Amos-Kommentar

Gattungen in der Sprache:
Botenrede
Freie Zungenrede
Visionsberichte
Eigentümliche Sprachelemente
Gattungen

1. Die Botenrede:
prophetische Redeform, die streng an Jahwes Auftrag gebunden ist -> das göttliche „Ich“ kommt zum Tragen; meist wird sie durch eine Formel abgeschlossen
Am 1,3: Botenformel: so spricht der Herr
Am 2,16: Gottesspruchformel: Spruch Jahwes
Am 6,8: Schwurformel: Gott hat bei sich selbst geschworen
Am 7,16: Proklamationsformel: Darum hört jetzt das Wort des Herrn

2. Die freie Zungenrede
alle Rahmenformen fehlen, die Jahwe als Sprecher nennen
-> Jahwe in dritter Person
-> Prophet als Zeuge Jahwes
- 3 Möglichkeiten:
a) prophetische Hinführung zum Jahwewort: A, 3,1; 4,1; 5,1
b) didaktische Fragen (z.B. im Rahmen einer Disputation): Am 3,3-6 -> der unlösbare Zusammenhang von Sache und Folge kann nicht bestritten werden -> unwillkürliche Folgerung durch rhetorische Fragen
-> vgl. die weisheitliche Lehr- und Streitrede: die gegnerische Position soll entkräftet werden
c) Wehrufe: objektiv belehrender Sinn (ungleich der Heilsrufe der Unterweisung), eher katechetischer Elementarunterricht
-> z.B. Am 5,18 (insgesamt gibt es nur vier selbständige Streitworte und höchstens drei Wehrufe -> die Botenrede ist bei Am häufiger)
4.11.2004
3. Visionsberichte
das prophetische Ich tritt in den Vordergrund, die anderen Adressaten treten zurück
Am schreit zu Jahwe, dieser antwortet ihm
Der Sendungsauftrag an Israel wird nur indirekt angesprochen
Es ist aber auch kein Berufungsbericht des Am wie z.B. in Jer 1; Jes 6
Wolff spricht hier von autobiographischen Erinnerungen, die am originärsten auf die Gestalt des Propheten verweisen -> dies ist allerdings in der neueren Forschung umstritten, welche sagt: das Ziel des Visionsberichtes ist ein legitimatorischer Sinn
-> durch den Ich-Stil wird eine hohe Authentizität erreicht
-> durch diese Form kann leichter die höchste Autorität für sich in Anspruch genommen werden
Steins sagt, dass dadurch auch die Propheten als Fürbitter des Volkes dargestellt werden (vgl. Mose)

4. eigentümliche Sprachelemente
a) Worte gegen fremde Völker:
gestaffelter Zahlenspruch: Am 1,3-2,16
zunächst Zahl x, dann x+1, wobei das +1 immer die Hauptbetonung trägt
-> ursprünglich kommt dies aus dem Unterrichtsstil Israels, wo dies eine Lerntechnik (Mnemo-Technik) war -> das vierte Element wird so besonders hervorgehoben
-> oft findet man dies auch in Sprichwörtern, besonders im weisheitlichen Buch Jes Sir; vgl. auch Spr 30,18 (Betonung auf Punkt vier: der Weg des Mannes)
- bei Am sind es allerdings keine Belehrungen, sondern unwiderrufliche Strafankündigungen Jahwes -> dies soll den Bedrohten die Möglichkeit nehmen, sich im Voraus zu entschuldigen

b) Antithesen (im Zusammenhang mit Mahnworten)
z.B. Am 5,4: antithetische Parallel von Imperativ: typisch weisheitliches Formelement
vgl. Spr 9,6-8 (Imperativ, Meditiv)
Spr 3,1 (Imperativ, Meditiv, Lebenszusage)
Am 5,5b (Erweiterung dieser weisheitlichen Form)

c) Wortspiele
Wolff: die Botschaft soll mit Schärfe in die Ohren und ins Gewissen einschneiden; dies kommt besonders im Hebräischen zur Geltung:
Am 6,7: berrasch golim = Verbannte
Am 6,1: ruschit abnim =  Spitze der Völker
Am 6,6: reschit schebanim = Öl (?)
Am 5,5b: Alliteration zwischen dem Ortsnamen Gilgal und der hebr. Wurzel gabal                 (= fortgehen)

d) Bilderreichtum
die Bildung des Propheten und seine soziale und berufliche Herkunft werden sichtbar:
Am 3,12
Am 3,4.8
Am 3,5: die Jagd ist ihm auch vertraut
Am 2,13: landwirtschaftliches Umfeld
Am 2,9: Pflanzenwelt (die Libanon-Zeder und die Eichenwälder (vgl. Dan) gibt es auch heute noch)
Am 5,7: Wehrmut
-> selten gibt es zu diesen Bildern eine Vergleichsformel (nicht: „ist wie“)
Am 3,8: Jahwe wird mit einem brüllenden Löwen identifiziert ohne eine direkte Vergleichsformel -> die extreme Eindeutigkeit und schockierende Schärfe der Sprache des Amos kommt hier zum Ausdruck (vgl. auch Am 4,1: gegen die feinen Frauen der Oberschicht)

5. Gattungen
Am zeigt hier eine hohe Variabilität und Kreativität
a) Gerichtswort: Verbindung zwischen Scheltwort und Strafansage (das Scheltwort, welches vorausgeht, in Form einer Begründung der Strafansage)
Am 3,3b: Scheltwort/Benennung der Schuld; Am 3,4a: Strafansage (deshalb...)
Am will Jahwes Gerichtswort von Anfang an als gerecht bezeugen
Reine Scheltworte sind relativ selten -> Wolff findet sie nur zweimal: Am 6,12; 4,4 (dieses in Verbindung mit einer ironisierten anderen Gattung (Beth-El und Gilgal sind Heiligtümer im Nordreich): Gattung der priesterlichen Tora oder Belehrung -> hier kreativ in eine Scheltrede verwandelt)
b) Strafankündigung ohne Scheltrede (seltener als die Scheltrede)
Am 5,3: eingebettet in die Totenklage (der Prophet weint wie eine Klagefrau über Israel -> vgl. Am 5,1)
Die Totenklage nimmt antizipatorisch die düstere Zukunft vorweg
Dass das Unheil so beklagt wird, als wäre es bereits Wirklichkeit, das ist hier besonders schockierend

=> Sprachform und Gestaltung sind bei Am besonders vielgestaltig, das Gerichtswort ist allerdings beherrschend
- der weisheitliche und kultische Beriech werden kreativ verwendet, ebenso wie das Element der Verfremdung -> dadurch hört der Zuhörer interessierter zu


1.5. Literarkritisch relevante Beobachtungen im Amos-Buch

Es gab einen Umbruch in der alttestamentlichen Exegese:
Canonical approach: kanonisierte Annäherung
-> als kanonisierte Ganzheit
-> die Am-Worte von heute wurden verbindlich, nicht die damalige Struktur
-> die protestantisch geprägte Bibelexegese ist der Hintergrund dafür
- Rolf Rentoff: deutschsprachige, synchrone Übersetzung wichtig (synchrone Ebene: was liegt vor und welche theologischen Erkenntnisse können wir daraus schließen? Diachrone Ebene: Entstehung des Buches)
- Zapff: auch wenn in Deutschland nicht besonders beliebt, so ist es doch wichtig, dass Literarkritik betrieben wird und der Text z.B. auf Dopplungen, Widersprüche, Korrespondenz, sprachliche Eigenarten etc. untersucht wird, da bestimmte Phänomene nicht alle von einem einzigen Autor stammen können
-> bei synchroner Arbeit besteht die Gefahr, dass Texte ihre Konturen verlieren, die theologische und Geschichte Relevanz kann verloren gehen
-> obwohl das Wort darüber hinaus immer noch gültigen Charakter hat
(BT: Steck: Methodenlehre)

Phänomene im Buch Amos:

I
Die Überschrift des Amos-Buches
Offensichtlich wurde Am mehrfach überarbeitet und hat so einen längeren Entwicklungsprozess erfahren
Auch hier gilt es das chronologische Königsschema ( vgl. Hos 1,1; Am 1,1; Mi 1,1; Zef 1,1)
-> in drei der vier Überschriften wird vom „Wort des Herrn“ gesprochen
-> bei Am fehlt diese Bezeichnung, es heißt nur „Worte von Amos“
-> Erklärung: dem Ergänzer, welcher die Bücher überarbeitete, lag eine ältere Überschrift des Am vor -> es ist also keine neue Formulierung, sondern lediglich eine Ergänzung
9.11.2004
(Skript von Johannes)
Ältere Ergänzungen bei Am  sind: „Schafzüchter“; „die Worte, die er zwei Jahre vor  dem Erdbeben sah“
Jüngere Ergänzungen: s. Angabe der Könige: Südreichskönig Usja -> doch ist Am im Nordreich aufgetreten
-> warum dann also die Nennung des Südreichkönigs? -> die auffällige Vorausstellung dieses Königs (vgl. Hos): die Überschrift und dieser Teil des Buches ist im Hinblick auf Südreichleser geschrieben (-> Südreichsperspektive!!)  
Am 3-6: dieser Abschnitt charakterisiert die Worte als prophetisches Wort und nicht als Jahwewort
Am 1-2; 7-9: Jahwerede
-> also ist die Überschrift ursprünglich wohl  Am 3-6 einmal vorangestanden -> Samaria wird angeklagt
-> in den anderen Kapiteln wird ganz Israel und sein Umfeld angeklagt

Sprachliche Härten in der Überschrift:
es wird vom Schafzüchter und Visionär gesprochen, allerdings wird der Visionär hinten angestellt und ist deshalb wohl eine spätere Ergänzung (-> Relativsatz)
Inhaltliche Härten: Verbindung zwischen Worten und Visionen
-> Worte, die Am in Visionen „hörte“: ist an sich ein Widerspruch
-> vgl. hebräisch: hazar = schauen, Visionen haben
-> in autobiographischer Form wird hier von Visionen gesprochen (s. auch der Visionszyklus: Am 1,1 nimmt darauf Bezug)
Am 3-6: Worte des Propheten
Am 7-9: Visionen des Propheten
Am 7-8: nicht nur Jahwe-Rede

Der Grundbestand der Visionsberichte ( Am 1-4; 7-9) ist für viele Exegeten Grundbestand und damit authentisch
-> einige Exegeten sagen, dass die fünfte Vision (Am 9,1-4) eine nachträgliche Ergänzung sei
-> für Steins ist der gesamte Visionszyklus eine Überarbeitung
-> Jeremias hält es für möglich, dass die Präzisierung des „Schafzüchters aus Tekoa“ (vgl. Am 7,14) eine Ergänzung ist
- „zwei Jahre vor dem Erdbeben“ setzt die Verbindung  von Am 3-6; 7-9 voraus und ist somit auch als sekundäre Ergänzung anzusehen

Verschiedene Stadien der Entstehung: 
1. Am 3-6 ist der älteste Teil (Worte des Amos)
die Überschrift war wohl: „Worte des Amos der einer von den Schafzüchtern von Tekoa war)
2. dieser Teil wurde dann wohl erweitert durch Am 7-9; 1-4
die Überschrift wurde erweitert durch „zwei Jahre vor dem Erdbeben“
3. die „zwei Jahre vor dem Erdbeben“ wurden in Beziehung gesetzt, indem sie durch die Nennung der Südreichkönige erweitert wurden (vgl. auch die Nähe zu DtrG -> Am wurde wohl deuteronomistisch beeinflusst)

II
Am 1,2-2,16: Völkerspruchzyklus
Am 1,2: Beziehung  zum Südreich („vom Zion her brüllen“)
-> Kultzentralisation: Jerusalem ist der einzige Wohnort Jahwes) vgl. auch den Spruch gegen Juda (Am 2,4f): Am weissagt hier gegen Israel, nicht gegen Juda, doch hier: Wechsel der Thematik
-> Prophezeiung gegen Juda: s. Am 2,4b (8.Jh. v.Chr.): gegen das Fremdgöttergebot: vgl. DtrG : Kritik an der Fremdgötterverehrung
-> sonst ist die Kritik des Am ja eher sozial motiviert, hier nun aber auch Kultkritik
-> weiteres Beispiel: Am 1,11: Edomspruch in Bezug auf das Südreich: ist aber eine nachträgliche, nachexilische Ergänzung
-> eher: Babylon-Zerstörung: vgl. Obd 11: die Edomiter zerstörten gemeinsam mit den Babyloniern Jerusalem (586 v.Chr.) -> man darf also nicht nur 722 v.Chr. im Blick haben
-> vgl. Am 1,9: Tyrus-Wort: eng mit dem Edomwort verbunden
Am 1,3-2,16: Völkerorakelspruch, bestehend aus acht Sprüchen -> hat wohl vorher aus fünf Sprüchen bestanden (vgl. Am 7-8: Visionszyklus: hat auch nur fünf Visionen)          
-> Am 3-6: war wohl der ursprüngliche Kern und war vermutlich durch die Visionen gerahmt gewesen
-> Dreierstruktur des Buches: Am 1-2; 7-9;1-4: rahmen den Völkerzyklus/Visionszyklus, die wohl beide zur gleichen Zeit entstanden sind
-> die drei Visionen (8-3=5) können wohl literarkritisch ausgeschieden werden

III
Dreierstruktur; auch weitere Hymnenfragmente
Am 4,13; 5,8; 9,5f
=> kein ursprünglicher Bestand: kommen jeweils sehr plötzlich und stoßen sich inhaltlich
s.5,8: Umstellung des Textes in der EÜ zur besseren Verständlichkeit
Am 9,5f: hebt sich von der vorausgehenden Vision in Am 9,1-4 ab -> das Hymnenfragment ist formal abgehoben
-> insgesamt prägen diesem Doxologien dem Am-Buch einen liturgischen Charakter auf, fallen damit aber natürlich auch aus dem Gesamtrahmen

IV
Am 9,7-15: vgl. Am 8,2 und 9,8: unaufhebbarer Widerspruch
Am 9,7-10: Art Einschränkung des Jahwe-Gerichts
-> das Volk wird zerstreut, geht aber nicht völlig unter
-> in Am 8,2 aber schon!
-> Am 9,7-10 ist eine spätere Ergänzung mit dem theologischen Ziel, das Gericht auf eine Zeit einzuschränken, um Raum zu geben
-> Am 9,11-15: explizit heilseschatologischer Schluss durch eine insgesamte Wende des Geschicks (vgl. 8,2: definitives Ende aus der Südreichsperspektive heraus formuliert
-> Am 9,11: vielleicht soll das Davidkönigtum wieder rehabilitiert werden (Reben in Jerusalem)
-> 9,14: das Volk Jahwes wird wieder eingepflanzt -> vgl. Deuterojes: unbedingtes Gericht – unbedingtes Heil -> Am 9,11-15: spätere Ergänzung

Zusammenfassung:
Es gibt mindestens sechs verschiedene Textgruppen (s. Blatt)


1.6. Redaktionsgeschichtliche Schlussfolgerungen – Zur Entstehung des Amos-Buches
1. Eine Präsentation des historischen Am soll gegeben werden (Am 3-6)
Am 3-4: Worte gegen die Oberschicht Samarias
Am 5-6: Totenklage über Israel -> Konsequenz aus Am 3-4
-> Am 3-6 geht wohl nicht direkt auf den Propheten zurück
-> Jeremias: 3,9-4,3 geht wohl auf unmittelbare mündliche Rede des Propheten zurück, da es auf bestimmte Personen bezogen ist und verschiedene Sitze im Leben hat
-> Tendenz zur Interpretation: nicht mehr allein die Oberschicht, sondern das gesamte Volk wird angesprochen (Am 3,2) -> die ursprüngliche Botschaft wird ausgeweitet, weil es die Verbrechen nicht verhindert hat
-> die Worte wurden also nicht einfach nur gesammelt, sondern auch jeweilig angeordnet, um die Bedeutung der Worte dann auszuweiten
2. Am 3-6: über diese Stelle gibt es unter den Exegeten keinen wirklichen Kontext
Jeremias: Am 3-6 steht wohl mit dem Visionszyklus 7-8 und dem Völkerspruchzyklus 1-2 in Zusammenhang
-> trotzdem ist Am 1-2; 7-8 von Am 3-6 zu unterscheiden
Steins: es gibt wohl nur  in der 3. und 5. Vision etwas, das auf Am zurückgeht
-> am wenigstens sind wohl nach Steins die drei Völkerorakel auf Am zurückzuführen
-> es gab wohl 2x fünf Einheiten: den Völker- und Visionszyklus, die beide darin gipfeln, dass Gott seine Drohungen ausführt (vgl. Am 2,6: ich nehme es nicht zurück; Am 7,8: ich verschone mein Volk nicht noch einmal)
-> es wäre dann eine Rahmung um den Kern (Am 3-6)
-> aber: kein anderes Buch beginnt mit Völkerorakeln, meist ist es umgekehrt: vgl. Jes 6: Vision des Propheten -> erst das Gericht über Israel und dann erst über die Völker
-> Jahwes Gericht ist am Ende immer ein Weltgericht (vgl. Zef 2: Gericht über die Völker)
-> bei Am ist es aber umgekehrt
Jeremias: zunächst kam wohl der Visions- und danach der Völkerspruchzyklus -> erst im Nachhinein wurden diese dann in umgekehrter Reihenfolge verarbeitet
-> wieso die Umstellungen?: die Visionen sprechen von der Ungeduld Gottes –> Jeremias gibt aber keine weitere Antwort darauf
-> ein anderer Grund dafür könnte sein: durch den Beginn mit dem Völkergericht wurde die Botschaft in einen universalen Rahmen gestellt (frappierende Ähnlichkeit der Völkersprüche)
-> Irsael- und Völkerstrophen: Israel soll wohl mit den Völkern über einen Kamm geschoren werden (vgl. Am 2,6)
-> aber: Am 3,2: Heilsgewissheit -> hat aber keine Wirkung auf die Verschonung Israels
-> Gedanke der Nivellierung Israels: vgl. Am 6,2: Israel ist nichts Besonderes
Schadt: Problem der Vorrangstellung der Völkerorakel: Am war wohl im Zweiprophetenbuch ein Nachtrag zum buch Hos -> so kommen die Völkersprüche wohl aus beiden Büchern zusammen

Der Sinn der Anordnung des Visionszyklus:
Autobiographische Form (1.P.Sing.)
Der Visionszyklus ist wohl der Höhepunkt des Buches und ist die Konsequenz der Einzelvergehen (Am 3-6) -> er birgt eine immanente Steigerung in sich
Die Völkerworte, am 3-6 und der Visionszyklus sind in die Zeit kurz nach 722 v.Chr. anzusiedeln
-> der Sinn dieser Komposition: Am soll als wahrer Prophet gezeigt werden

Zusammenfassung:
These: die ältere Sammlung von Am 3-6 wurde durch Am 1-2; 7-9 und 1-4 erweitert unter redaktioneller Bearbeitung
-> Ziel der Überarbeitung des Grundbestandes war, dass Am als der Verkünder des Untergangs dargestellt werden sollte
Redaktionsgeschichte: die späteren Tradentengruppen legen neue Kompositionen vor (z.B. wurde das universale Gericht im assyrischen Vorgehen gesehen)
11.11.2004

3. Zum Amosbuch
Es sind Texte, die dem deuteronomistischen Geschichtswerk  (Jos-2Kön 25) nahe stehen
-> vgl. auch die Chronologisierung der Überschrift
-> auch lässt sich eine klar judäische Perspektive erkennen (vgl. Am 2,4f)
-> das Wort gegen Juda weitet sich zum Gericht gegen Juda aus -> aber: aufgrund des Toraverstoßes ist dies kein menschenrechtliches Vergehen
->  es ist wohl ein dtr.-deuteronomistischer Zusatz und deshalb spätere Bearbeitung (vgl. Jahwe-Alleinverehrung) -> laut Schadt ist dies eine D-Schicht
- weitere Prägungen:
Geschichtsrückblick: Am 2,10-12
-> Vgl. Dtn 5,6 (Einleitung zum Dekalog) und Dtn 26,8 -> vgl. Am 3,1b; 9,7-10 (der Exodus wird als Tat Jahwes an Israel nivelliert)

Deutung/Verständnis des Propheten:
Wichtig: die Schuld Israels ruft noch nicht unmittelbar Jahwes Strafhandeln hervor -> es gehört dazu, dass Jahwe immer wieder Propheten „auferstehen“ lässt -> erst bei der Abweisung der Propheten  wird Gott zornig (Dtn 18,18 vgl. Am 2,11 -> widerstand Israels gegen die Propheten)
Am 2,10: der von Jahwe gesandte Prophet erfährt durch Israel insgesamt Ablehnung -> Am wird hier nicht mehr als Individualgestalt betrachtet, sondern in eine Reihe von Propheten gestellt (vgl. Am 1,1: trotz des unterschiedlichen Verkündigungsprofils ist Am in einen Rahmen von Propheten gestellt)
Als Begründung des Gerichts wird die Fremdgötterverehrung angeführt (vgl. Dtn 5,7 -> Am 2,4; 5,25f.) -> Polemik auch gegen Götzenbilder (vgl. Dtn 5,8)
Am 2,13-16: ein Hinweis auf das Prophetenverständnis wird vermisst, deshalb wurde Am 2,11 wohl nachgetragen; auch Am 2,12 thematisiert dann den Widerstand Israels gegen die Propheten
Die D-Redaktion verschärft die Tendenz der Ablehnung (vgl. Priester Amazja in Am 7,10)

Folgende Texte werden der D-Schicht zugewiesen:
Am 1,1; 2,4f. (Juda-Spruch); 2,10-12; 3,1b.7 (Auszug aus Ägypten); 5,25f.; 9,7-10 (diese Stelle ist allerdings umstritten in ihrer Zugehörigkeit)
Datierung dieser Bearbeitung (vgl. die Juda-Strophe in Am 2,4f.: das Ereignis ist schon geschehen, hernach wird es aber so beschrieben, als wäre es gerade erst geschehen -> Prophetie, die das Ereignis angeblich angekündigt hat vaticinium ex evento = Weissagung aus dem Ereignis heraus): vermutlich bereits exilische Zeit, denn der Untergang des Südreichs und die Verbannung der Oberschicht nach Babylon werden vorausgesetzt
-> vgl. auch Am 1,11-12: Am wurde in der Zeit des Exils offensichtlich neu bearbeitet, um nun aus dem neuen Hintergrund (Exil) gelesen zu werden -> Jahwes Wort hat auch später in der neuen Situation mit neuen Adressaten (Südreich) noch Gültigkeit
-> durch die Juda-Strophe wird auch das Südreich in die Reihe der bedrohten Völker eingereiht, vielleicht kann auch Am 1,2 dazu gestellt werden: Zion als einzig möglicher legitimer Ort, wo Jahwe-Verehrung möglich ist und wo er wohnt (vgl. 1Kön 8 ->dtn)

Jetzt geht es v.a. um die Verstöße gegen die Verehrung Jahwes
-> Schadt: wenn Am 9,7-10 auch D-Schicht ist, dann wäre das zu dieser Zeit der Schluss des Am-Buches gewesen, denn hinterher kommt wieder eine heilsgeschichtliche Wende (auch sprachlicher Unterschied) -> das alte prophetische Wort des Am wird jetzt neu aktualisiert in einem neuen Hintergrund mit neuen Adressaten
-> Am kann so in einem großen Gesamtzusammenhang gelesen werden, indem er in einer Reihe von Propheten steht, die alle vor dem Untergang Israels warnen (Hos, A, Mi, Zef)

Die Hymnenfragmente in Am 4,13; 5,8f. und 9,5 sind weitgehend unbestritten
-> Koch u.a. zählen zu diesen Hymnenfragmenten auch Am 1,2; Schadt allerdings zählt diesen Vers zur D-Schicht
Zu den unbestrittenen Hymnenfragmenten gibt es die hypothetische Annahme, dass sie zu einem Psalm zählen, dessen Teil über Am verteilt wurden, um ihm eine bestimmte Struktur aufzuprägen -> den Schluss hätte dann eine Art Responsorium gebildet

Zur Funktion und Intention dieser Hymnenfragmente:
Horst: durch das Thema der Hymnen soll die Verherrlichung der weltüberlegenen Macht Jahwes dargestellt werden
Fleischer: er sieht in den Hymnen eine Steigerung: der Schöpfer der Welt hat auch die Macht zum augenblicklichen Umsturz seiner Schöpfung
Schadt: auch er sieht eine sich steigernde Abfolge; außerdem gibt es eine deutliche Unterscheidung zwischen Gott und dem Heiligtum:
-> Am 4,13b: Jahwe zertritt die Kulthöhen
-> Am 9,1: das Heiligtum von Beth-El wird von Jahwe zerstört
-> vgl. Am 9,6: Jahwe wohnt nämlich im Himmel und nicht auf der Erde -> die Präsenz Jahwes in einem konkreten Heiligtum wird in Frage gestellt
Die Hymnenfragmente sind aber eher geprägt von einem Erschauern vor Jahwe, der in nicht- menschlichen  Maximen handelt
Zapff: die Hymnenfragmente betonen die Transzendenz und Souveränität Jahwes, der ein undurchschaubarer Gott bleibt
-> dennoch bleibt eine Hoffnungsperspektive: vgl. den Schlusssatz der Hymnen:
-> Jahwe hat einen Namen, er ist anrufbar
-> in außergewöhnlichen Katastrophen kann die garantierte Ordnung Jahwes nicht erschüttert werden -> er behält seinen heilvollen Namen
16.11..2004
die Hymnen folgen wie Antiphone den Gerichtsworten
-> das Handeln Jahwes ist gerechtfertigt, aber es wird auch die Hoffnungsperspektive betont
-> die Hymnenfragmente sind wohl später eingefügt, da sie eine Botschaft für ihre Zeit in sich tragen
(BT: Fleischer: Amos-Kommentar)
Am 4,8: betont das Ordnungs- und Heilschaffen Jahwes, dies wird dann in Am 9,6 aufgegriffen, ebenso wird das Heil auch wieder hergestellt
-> der Name garantiert also Jahwes heilvolle Gegenwart
Die Hymnenschicht antwortet auf die Proben der exilischen Zeit: Jahwe schafft zwar Chaos, dann aber auch wieder Ordnung und man kann ihn trotzdem immer wieder anrufen

Fleischer: Am 9,7-10 ist eine eigene spätere Fortschreibung
-> die theologische Lösung wäre dann: das Gericht an Israel wird zu einem Reinigungsgericht umfunktioniert
-> das sündige Königtum ist dann nicht mit den Sündern in Israel gleichzusetzen und diese auch nicht mit dem Gottesvolk als Ganzes -> denn das sündige Königtum und die Sünde in Israel kommen um; dass das Gottesvolk aber bestehen bleibt, ist eine nachexilische Erfahrung


V
Am 9,11-15: heilseschatologischer Schluss
-> Beschreibung einer Restitution Israels
-> ist eine klare redaktionelle Fortschreibung, da sie Bezug nimmt auf andere Texte des Am-Buches
Am 9,8: die Vision eines idealen Königtums wird diesem Vers in Am 9,11 entgegengesetzt
Am 9;11: Jungfrau Israel
Am 9,14: damit wird Am 5,11 aufgehoben
Vgl. Hag und Sach: sie spiegeln Am 9,11-15 wieder
-> die Bestrafung Israels scheint abgeschlossen zu sein und das Heilshandeln Jahwes wird erwartet
-> Hag 2,15-19: Wideraufbau des Tempels -> der Segen schlägt sich (wie in AM) in landwirtschaftlichen Gütern nieder
-> Am 9,11-15: das im vorherigen Am angekündigte Gericht ist nun definitive Vergangenheit (Exil der Oberschicht und des Volkes)
-> jetzt: Durchgangsstation zu neuer Zuwendung Jahwes zu seinem Volk
Die Heilsverheißung wird dem Propheten in den mund gelegt -> das Unheil hat sich erfüllt, jetzt soll das Heil sich also auch erfüllen
-> Überzeugung: Jahwe ist ein treuer Gott, auch über das Gericht hinaus, das Heil triumphiert über das Gericht -> Hoffnungsperspektive der neuesten Fortschreibung

Zusammenfassung:
I
Am 3-6 entstand noch vor dem Untergang des Nordreiches durch Samarien
-> Gerichtsworte gegen die Oberschicht; Israel als Adressat der Gerichtsworte

II
722 v.Chr. wurde durch Am prophezeit
Der Völkerspruch- und Visions- Zyklus rahmen in einer Fünfer-Zahl
-> das unwiderrufliche Gericht ist eine Mahnschrift für judäische Adressaten

III
In der exilischen Zeit wurde die D-Schicht überarbeitet
-> es wird Bezug genommen auf das untergegangene Südreich
der Untergang von 586 v.Chr. wird damit theologisch begründet

IV
Die Hymnenfragmente besagen, dass das Gericht gerechtfertigt war, bezeugen aber auch die dauernde Präsenz Jahwes

V
Zur D-Schicht gehören nicht Am 9,7-10
? Reinigungsgericht?

VI
In der nachexilischen zeit entsteht der heilseschatologische Schluss
-> Jahwe wird sich an Israel heilvoll erweisen

I-VI ist das Entstehungsmodell
Redaktionsgeschichtliches Modell:
Die Offenbarung ist keine geschichtliche Größe
-> Gottes Wort geht in verschiedene Situationen hinein
-> das inspirierte Wort ist inspirierendes Wort und will eine neue Wirklichkeit erschließen
-> also: kein strenges sola scriptura Prinzip, sondern Predigt und Leben (vgl. Franziskus) sollen eine Interpretation der Hl. Schrift sein




1.7. Eine neue Fragstellung: Das Amosbuch im Kontext des Dodekapropheton 

Am und das Dodekapropheton können unabhängig voneinander interpretiert werden; jedoch wurden diese 12 Schriften immer als Einheit betrachtet und als solche auch überliefert (sie wurden z.B. immer auf eine Rolle geschrieben (vgl. Qumran-Funde)
- auch in Sir 49,10 werden die 12 Propheten erwähnt
-> haben sie eine jeweils eigene Aussage?
-> man könnte sie auch als 12-stimmigen Ausdruck einer prophetischen Stimme betrachten
Hat das Dodekapropheton nun als Ganzes eine Botschaft und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Buch Am?
- amerikanische Exegese: synchrone Arbeitsweise:
-> das Dodekapropheton wird als Ganzes betrachtet, da die Komposition, die Strukturen und Schlussfolgerungen für eine Einheit sprechen
- deutsche Exegese: vieles spricht für eine sukzessive Bearbeitung
-> vgl. die Art und Weise des einzelnen Buches im Kontext des Dodekaprophetons (z.B. reicht die Hymnenschicht über Am hinaus)
-> Vertreter:
James Novalski (s. Literatur-Liste)
Aaron Schadt (ev.)
Zapff (bes. Micha ? )
Berry A. Jones
Govalick (vgl. Ex 34,6 mit dem Dodekapropheton)
Die Überschriften im Dodekapropheton (besonders die vier Übschriften in Am, Mi, Hos und Zef) weisen große Ähnlichkeiten auf -> die Autoren wollten diese Bücher auf jeden Fall als Einheit verstanden wissen
Schadt: es gab verschiedene redaktionelle Bearbeitungen in Am -> Frage, ob sie sich in das ganze Dodekapropheton verlängern


1.7.1. Das frühe Amosbuch – Teil eines Zweiprophetenbuches?

Jeremias (vgl. Lit.-Liste: S.87-106): wenige Jahrzehnte nach dem Auftreten von Hos und Am wurden ihre Worte nicht nur verschriftet, sondern auch in einen konkreten Bezugszusammenhang gesetzt
Allerdings gibt es zwischen Am und Hos nur wenige Übereinstimmungen
-> das Ende Israels ist zwar beiden in nächster Zukunft zu erwarten, jedoch gibt es unterschiedliche Begründungen dafür
-> bei Am tritt die Sozialkritik stark in den Vordergrund, er verweist auf das gesellschaftliche Zusammenbrechen der Ordnungen
-> Hos kritisiert mehr das kultische Fehlverhalten, das Königshaus (Nord) und die verfehlte Politik; besonders jedoch den Gottesdienst seiner Zeit
-> auch bei Am spielt der Kult eine Rolle, jedoch mehr im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Armen im Alltag, wegen der die Oberschicht einen entarteten Kult feiern muss, um ihr Gewissen zu beruhigen
-> Israel feiert sich hier selbst und nicht mehr Jahwe
-> Am verwirft zwar die Wallfahrten nach Beth-El, erwähnt aber nicht das Stierbild dot (im Vergleich zu Hos)
- Hos: Israel muss sich mit seiner Gottesgeschichte beschäftigen
- Am: Kritik an Südreich
-> inhaltlich hat er viel mit Jes und Mi gemeinsam (Sozialkritik)
- waren Am und Hos nun trotz der Unterschiede Zeitgenossen?
Jeremias und Schadt: nach dem Untergang des Nordreiches 722 v.Chr. könnte es eine Ar Vereinheitlichung und In-Bezug-Setzung beider unterschiedlicher Bücher gegeben haben
(vgl. Amos-Tradent)

1. Kritik am Königtum (s. Blatt)
Am 7,9-17: Ausnahme: hinter dem Priester erscheint das Königtum als Opponent zu Am   (Am 7,10); vgl. Am 3-6: als Antwort in Am 7,15 -> der Vorwurf missversteht den historischen Am  -> der Vorwurf könnte eher Hos treffen (Hos 5,1f)
-> Angleichung: die Redaktion fügte Am 7,9 ein -> das ist das einzige Wort des Am gegen das Königtum
-> Am 7, 9-17 (Strafansage gegen den König) bekommt so einen neuen Sinn -> die Einbeziehung von Amazja und seiner Familie ist ein Symbol für die Verbannung ganz Israels
-> Hos 1 zeichnet hier ein deutliches Gegenbild zur Propheten-Familie

weitere Beispiele für die Verbindung zwischen Am und Hos
Vier Gedanken aus der Hos-Übelieferung: (in Bezug auf Am 3,2?)
1. Die Schuld Israels wird mit dem Begriff „awon“ bezeichnet -> dieser Begriff kommt bei Am sonst nie mehr vor, ist allerdings häufig bei Hos (in Bezug auf die Schuld Israels)
2. die Ahndung der Schuld: Verb „pakat“ = Heimsuchung
-> kommt bei Am nur noch einmal vor, bei Hos dagegen in: 1,4; 2,15; 4,9; 9,9; 12,3 etc
3. das besondere Verhältnis zwischen Jahwe und Israel wird mit dem Verb „jahda“ ausgedrückt -> vgl. Hos 13,5: Jahwe hier als Subjekt
-> die ältere Überlieferung spricht dagegen kaum von diesem Verhältnis
4. die freie Etnscheidung Jahwes, sich Israel zuzuneigen
-> die Verantwortung Israels erwächst gegenüber Jahwe (bei Am nur in 3,2),
-> bei Hos prägt diese Verantwortung die Kapitel 11 und 13

zwei Anliegen Schadts zur Stützung dieser These:
- Am 3,2 wurde an zentraler Stelle durch eine Redaktion eingetragen
- Am 3,2: die Botschaft des Am wurde mit Hilfe hoseanischer Begriffe zusammengefasst -> hatten sie also das gleiche Grundanliegen?

Die Vorform des Visionszyklus war ja schon da, warum gab es jetzt die Verbindung zu einem Buch von Hos und Am?
Schadt: die Begründung liegt in dem chronischen Legitimationsproblem der Prophetie
-> besonders die Unheilsprophetie galt als zusätzliche Bestätigung der prophetischen Botschaft -> Propheten als Zeugen für die Schuld Israels -> wenn dies nun auch noch doppelt dargestellt wurde, musste die Ankündigung also wirklich stimmen
-> die Geschichte gibt also den Worten beider Propheten Recht –> ihre Unabhängigkeit war für die Richtigkeit wichtig

Hos wird vor Am gestellt, obwohl er jünger ist
weil: -> Schadt: Hos 1 und Am 7,10-17 bilden einen Rahmen
-> Hos 1,4 entspricht Am 7,10: beides mal kommt ein König vor
-> so könnte die Meinung entstehen, dass Hos vor Am auftrat, weil sein könig älter ist
-> Am fällt auch leichter zu lesen, wenn vorher schon Hos gelesen wurde
der Untergang des Nordreichs wird theologisch begründet und das Südreich wird ermahnt, nicht das selbe Schicksal erleiden zu müssen
Datierung: dtn.-dtr. Zeit: Mitte des 7. Jh.

Stunden nachtragen!
2.12.2004
4. Vision:
Übermaß der angehäuften Schuld Israels: Am geht vom definitiven Ende aus (was die Exegeten schon immer beunruhigt hat)
-> mit der Oberschicht wird ganz Israel vernichtet
Am 5,15: es gibt eine zaghafte Möglichkeit auf Hoffnung nach dem Gericht -> aber: sind dies tatsächlich die Worte des Am oder ist es spätere Bearbeitung?
-> vgl. Am 9,7-10.11-15: Zukunftshoffnungen
Gründe für die Gerichtsankündigung: drei Stoßrichtungen:
1. Soziale Missstände:
Gewaltakte der Reichen gegen die Schwachen (Am 2,6; 4,1), die der Willkür der Reichen ausgeliefert sind (Am 2,8; 5,11)
-> sie werden in Schuldsklaverei getrieben
-> es gibt keine Solidarität mit den Armen (vgl. das altisraelitische Sippenrecht)
-> süßes Nichtstun: Am 6,4
2. Außerkraftsetzen des Gesetzes mittels Einflussnahme und Bestechung:
-> die Gerichtsbarkeit ist außer Kraft gesetzt
-> Am 5,10: falsche Angaben; Bestechungsgelder für Richter
-> Am 2,7a; 5,12: Unschuldige und Arme können nicht auf Gerechtigkeit hoffen
-> Am 2,6b: wegen Nichtigkeiten gerät man in Schwierigkeiten
3. Verfehlter Kult:
Am 5,21f.: zwar aufwändige Gottesdienste, aber ohne Wirkung auf das konkrete Verhalten
-> es ist nur religiöse Verbrämung, weil der soziale Zusammenhang gegenüber den Volksgenossen nicht besteht
-> es ist perfide: erst nimmt man den Armen das Geld, um davon dann reiche Opfer darzubringen
ein Schuldbekenntnis findet nicht statt, weil es ja tolle Opfer gibt -> man hat die Verbindung zu Gott aufgekündigt
So kommt es zum Ende Israels: Jahwe zerstört die Gotteshäuser selbst

Bei Am gibt es verschiedene Deutungen vom Gericht:
Am 3,11;6,14: Krieg im Land
Am 7,17: Schändung der Frau des Priesters, Tötung der Kinder, Exhimierung ganz Israels
Vgl. Am 4,2

Erwartungen von Am an das Volk: Recht und Gerechtigkeit!!
Am 5,14: das Recht ströme wie Wasser
Recht = mischpat = kodifiziertes Recht -> Grundlage einer jeden Gemeinschaft
Zedaka (?) = Gerechtigkeit -> nicht kodifizierbar, trotzdem braucht sie jede Gemeinschaft (vgl. Ehrenamt etc.)
-> besonders wichtig: die Solidarität mit den Schwachen: sie sollen als Personen, nicht als Ware betrachtet werden
Am 5,21f. der Gottesdienst und der soziale Dienst sollen miteinander in Einklang gebracht werden 
Die Botschaft des Am richtet sich auch an die umliegenden Völker (Am 1,3-2,16: Völkerspruchzyklus -> diese Völker sind aber nicht die direkten Hörer)
-> aber auch die Verbrechen der anderen Völker werden von Jahwe gesühnt werden
-> Tun-Ergehens-Zusammenhang: die böse Tat wird auf den Täter zurückfallen
Am 3,2: vgl. NT: wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert werden


II
Folgende Rückschlüsse können aus der Theologie des Am gezogen werden:
- zentrale Stellung: die Stärkung der ethischen Dimension der Jahwe-Religion
-> vgl. die Beurteilung des Jahwe-Kultes: wo Gott instrumentalisiert wird, nützt ein Kult nichts, sondern er beschleunigt noch das Ende
-Sozialverhalten und Kult gehören für Am zusammen -> theologische Ideologiekritik des Am: Jahwe ist kein Helfershelfer der Reichen (derer, die seinem Willen nicht gehorchen)
Jahwe ist bei Am nicht kultkritisch an sich! Am geht es aber um den Zusammenhang von Kult und Leben -> wesentlicher Aspekt altisraelitischer Gottesvorstellungen: Ideal der Egalität
-> Vorstellung eines Gottes der kleinen Leute mit einem befreienden Tun
-> Gott dient man also am besten durch Solidarität mit den Armen
- weiterer Aspekt: Universalisierung und Potenzierung des Gottesvorstellung: Jahwe ist für Am die Macht, welche das Schicksal der Völker weit über Israel hinaus bestimmt
(vgl. Am 1-2)
Die Einzigkeit Jahwes ist nicht Thema, sondern Voraussetzung bei Am -> dies ist erstaunlich, weil dies eigtl. erst in der ausgehenden Exilszeit verbreitet ist
Die Quelle des Am liegt in vorexilischer Theologie -> Monolatrie: es gibt andere Götter, aber es wird nur einer verehrt

Jahwe als Gott des Gerichtes: er handelt sehr unerwartet an seinem Volk (vgl. Am 5,18-20)
-> der Tag Jahwes ist ursprünglich ein tag der helfenden Nähe Gottes; hier tritt also ein Verfremdungseffekt auf: der Tag wird düster
die radikale Gerichtsankündigung wurde schon früh als problematisch empfunden, deshalb gab es wohl auch eine positive Fortschreibung
Also: Gott ist kein lieber Gott, sondern einer, der Verfehlungen durchaus ernst nimmt und sich nicht kaufen lässt, auch nicht durch noch so tolle Gottesdienste
-> der Leser soll sich aber auch Gott anvertrauen und die Hoffnung haben, dass Gott auch da noch Zukunft schaffen kann, wo die Menschen nur das Ende sehen
-> ein Gott, der richtet, tritt auch für das recht ein -> ihm ist nicht alles egal -> wenigstens für die Armen ist dies eine frohe Botschaft

Fleischer: Gott spricht durch de Propheten zum Menschen -> wer den Prophet und sein Wort nicht annimmt, verschließt sich dadurch Gott
Höhepunkt: Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus -> wer das Wort Gottes aufnimmt, verfällt nicht dem Gericht -> ist auch noch bei Johannes dem Täufer so

Das alttestamentliche Verständnis eines Propheten: er deckt Fehlverhalten auf, benennt verdrängte Schuld, weist auf das selbstzerstörerische Tun hin -> Begründung in den Missständen der Gegenwart
-> wenn der Prophet abgewiesen wird, wird er zum Verkünder des Untergangs

III
Grundkonstanten für die heutige Theologie und das heutige Leben:
1. die Sozialprophetie von Am ist ein konstitutives Element biblischer Theologie geworden
-> Am wird zwar selten zitiert, den gedanklichen Ansatz findet man aber oft im NT (vgl. Weltgericht; was man dem Nächsten tut, tut man Jesus etc.)
- für die Kirche: Option für die Armen -> aber nicht nur in kirchlichen Hilfsorganisationen, sondern z.B. auch in der Theologie der Befreiung
2. Am verkündet einen Gott, der Stellung für die Armen nimmt -> dies geht einher mit einer Ideologiekritik (Gott lässt sich nicht missbrauchen)
-> Am erinnert an einen Gott, der auffordert zur Befreiung und Herstellung menschenwürdiger Verhältnisse
-> die Rede vom Gericht ist letztlich eine Frohbotschaft für die Armen und Unterdrückten
-> vgl. NT: auch hier wird im Endgericht geteilt zwischen Arm und Reich
3. Am sagt, dass Gott durch seine Propheten spricht -> dies hat Theologiegeschichte gemacht
zentrales Theologumenon (jüdisch und christlich): Gott tritt in Kommunikation mit den Menschen
-> besonders ist, dass das Wort nicht abstrakt ergeht, sondern in einer gewissen Zeit in eine bestimmte Situation hinein -> dies hat ungeahnte Wirkung und regt zu ständiger theologischer Aktualisierung an
„Hörer des Wortes“: K. Rahner -> das Hören wird zum lebensentscheidenden Kriterium
Fleischer: Gott verschafft sich den Zugang zum Menschen durch sein Wort (heute: Wort = Bibel) -> das Wort ist ein zerbrechliches Medium, da es überhört, verdreht etc. werden kann
- im Hören des Wortes liegt auch für uns heute die Verheißung des Lebens 















7.12.2004
2. Exegese ausgewählter Texte aus dem Buch Amos
2.1. Die drei Samaria-Sprüche, Amos 3,9-4,3
2.1.1. Text und Übersetzung
2.1.2 Textkritik

in der Übersetzung lassen sich einige Einflüsse aus der LXX erkennen (s. Skript)
-> aber: der hebräische Text ist eigentlich sehr eindeutig, warum die LXX hier manches anders übersetzt, ist nicht einleuchtend
V 9b: übersetzt mit Wirrnis -> die Bedeutung ist aber umstritten; im hebräischen Wörterbuch findet man dazu: Bestürzung, Panik; eine andere Deutung könnte auch sein: Verwirrung im feindlichen Herr -> führt zu Gemetzel und Selbstvernichtung (vgl. 1Sam 5,9)
-> auf jeden Fall ist damit ein lebensbedrohendes Verhalten gemeint, da die Menschen sich gegenseitig selbst verursachen (z.B. Terror)
- Rudolff und Zapff sprechen sich jedenfalls für die Übersetzung mit „Wirrnis“ aus
- die Vulgata übersetzt mit „Tollheiten“ und die LXX mit „tammasta pola“: vieles Wunderbare
V 9; vorletzte Zeile: ashoukin (m,pl) = bedrängte Personen oder Bedrängnis
-> das Hebräische kennt keinen Superlativ, deshalb hier die Pluralsteigerung und die Übersetzung mit „Bedrängnis“
V 11: Korrektur von Zapff: der masoretische Text schreibt „Bedrängnis und Umzingelung des Landes!“ -> also kein Verb, sondern ein Nomen im genitiven Sinn -> Prädikat geht aber auch
-> deshalb versteht es Rudolff als Ausruf mit Ausrufezeichen, was aber sonst nirgends im AT belegt ist
-> deshalb kann man hier mit einer Verschreibung rechnen: das „waf“ war ursprünglich ein „yod“; ursprünglich hieß es dann: „Bedrängnis umzingelt das Land“ -> aus dem Nomen „Umzingelung“ wird also das Verb „umzingeln“
Am 4,3: das letzte Wort ist unklar: haharmona; der Berg Hermon heißt im Hebräischen: “hermon“; die LXX übersetzt mit Berg Rema
Bei den Targum ist hermona in Richtung Armenien oder wird auch übersetzt mit „Bannort“, vgl. häräm = der Bann


2.1.3. Die Sprüche in ihrem heutigen Kontext

Am 3,9-4,3: Abgrenzung aus formalen und inhaltlichen Gründen
-> an die Adressaten ergehen Ausführungen über die Berufung des Propheten
Am 3,9: Aufrufe an anonyme Boten oder Herolde, die Ausrufe in Ägypten und Heschdod machen sollen
Der Unterschied zu den vorhergehenden Teilen:
- nun wird sich dezidiert Samaria und seinen Verbrechen zugewandt: Am 3,10; 3,12; 4,1-3
In Am 4,3 gibt es dann durch die Botenformel eine klare Abgrenzung 
- außerdem fehlen die vorherigen Themen und Orte; es geht nun um den in Beth-El und Gilgal vollzogenen Kult
=> Am 3,9-4,3 ist also klar aus dem heutigen Kontext herauszutrennen

Die Funktion im heutigen Kontext: (vgl. Jeremia und Fleischer: Amos-Kommentar)
Am 3,1: Gotteswort: Jahwe will Israel durch seine Strafe zur Rechenschaft führen
Am 3,3-8: das Handeln Jahwes wird in verschiedenen Bildern vorgeführt : Löwe, Horn etc.
Die Legitimation des Propheten wird herausgestellt: er tritt auf, weil Jahwe spricht; Am soll zur Ermunterung des Volkes werden

2.1.4. Gliederung, Gattung und Form

Am 3,4: Beginn des ersten Spruches
Am 3,12-15: Spruch des Herrn
V 12: Leute aus Israel als Adressat; aber:
V 13: es kann nicht ganz Israel damit gemeint sein, eher eine Gruppe (Jakobsgruppe) davon
-> evtl. ist dies an die anonymen Herolde aus V 9a oder an Madoditer oder Ägypter um die Stadt herum gerichtet
-> jedenfalls gibt es einen Bruch im 2. Spruch: V 13-15
Der 3. Spruch ist ein Höraufruf, ein Basschan –Ruf, welcher mit der Botenformel endet
In Am 3,9-4,3 gibt es eine inhaltliche Profi-Steigerung
V 11: es wird vom Feind gesprochen, der das Land umzingelt und von der Plünderung der Paläste Samarias
Wadenbeine und Ohrläppchen: nur wenige Teile und gerade die unwichtigsten werden zurückgelassen
V 14: Zerstörung von Bet-El
V 15: Plünderung und Vernichtung der Paläste
Am 4,3: Höhepunkt

Gliederung:
1. Umzingelung
2. Plünderung
3. Tötung der Männer
4. Zerstörung von Bet-El
5. Zerstörung von Samaria
6. Wegführung der Frauen

Der Vorwurf von Am 3,9 wird nun in 4,1 mit dem Vorwurf an die Frauen auf einen Personenkreis hin zentriert
Ashak = unterdrücken -> 3,9 entspricht 4,1: Rahmung des Ganzen mit „Unterdrückung“ als Leitwort

Die Adressaten:
In Am 3,9-11 werden die Angeklagten noch nicht direkt angesprochen, sozusagen erst mal eine „Bestandsaufnahme“
In V 12-15 scheint der Prophet in einer Art Disput zu stecken: Am erklärt, was gerettet werden wird: nämlich unbedeutende Reste -> doch auch hier sind die Adressaten (die sog. Oberschicht) noch nicht direkt angesprochen
Erst in Am 4,1-3 wird die Gruppe der Schuldigen direkt angesprochen -> Steigerung
Fleischer: weil Am 3,9-11 die Vergehen nur in abstrakten Begriffen und erst hinterher recht konkret schildert, waren sie wohl in überschriftartiger Form geschrieben
Am 3,12-4,3: bestimmten Gruppen wird etwas zur Last gelegt

Gattung:
Am 3,9-11: Gattung der prophetischen Gerichtsworte
Zum klassischen Gerichtswort zählt hier:
- Schuldaufweis in V 9f
- Unheilsansage (gegen Samaria)
jetzt wird die Gattung aber weiterentwickelt:
sog. Herolds- oder Boteninstruktion:
der Prophet ist in der Rolle eines Königs, der einen Boten entsendet, welcher ein Gutachtergremium zusammenstellen soll, das Samaria objektiv beurteilen soll

Am 3,12: Disputationswort (Wolff)
-> Position des Propheten: es gibt keine Rettung vor dem Gerichtshandeln Jahwes (-> gegen die Disputationsgegner); die einzige Rettung: die der Ohrläppchen und Wadenbeine
V 13: Warnruf
V 14 und 15: Unheilsansage: der Untergang wird angekündigt

Am 4,1-3: klassisches Gerichtswort:
V 1: Schuldaufweis gegen die reichen Frauen in der Oberschicht
V 2: Unheilsansage: Verbannung
V 12-15 sind dem klassischen Gerichtswort schwer zuzuweisen, da sie insgesamt zu pluriform gestaltet sind (vgl. Gliederung des Textes)


2.1.5. Literarkritik von Am 3,9-4,3

Am 3,9-11; 4,1-3: literarisch weitgehend einheitlich (sagen alle außer Rotzoll)
Nur V 10 (Botenspruchformel als sekundäre Ergänzung) stört die Syntax des Satzes
V 11: das Adonai (All-Herr)vor Jahwe ist eine spätere fromme jüdische Überarbeitung (vgl. Am 4,2) -> es soll daran erinnern, dass „Jahwe“ nicht ausgesprochen wird
V 13 und 14: macht Schwierigkeiten
V 14b: unvermittelt wird von den Altären Bet-Els (Heiligtum) gesprochen -> bisher war von Samaria die Rede gewesen (wie auch wieder in V 15)
V 13 setzt einen anonymen Adressaten voraus und auch den Zusammenhang zwischen dem 1. und 2. Samariaspruch
Würden V 13 und 14 herausgenommen werden, würde V 15 ganz gut an V12 anschließen -> damit gelten sie als nachträgliche Ergänzung
Ziel: der erste Spruch sollte enger mit dem zweiten verbunden werden, indem die Herolde nochmals erwähnt werden, weil sie Israel etwas verkündigen sollen

Der Zusammenhang zu Am 7,10-17:
Grundbestand von Am 3,9-4,3: Am 3,9-11; 12+15, 4,1-3
-> Jeremias und Fleischer sagen zusammen mit der älteren Exegese: die Worte des historischen Am sind mit ziemlicher Sicherheit: Am 3,12+15; 4,1-3
-> denn: sie haben einen konkreten Adressaten im Blick (vermutlich haben sich dann ihre Schüler Notizen gemacht)
- allerdings sind bei Am 3,9-11 die Meinungen geteilt:
-> Wolff und Rudolff zählen sie zu den Worten des Am
-> Fleischer sagt, dass sie erst später dazukamen, da von der Umzingelung durch den Feind und der Plünderung Samarias die Rede ist -> wenn die Worte aus dem 8.Jh. stammen, scheint die Assur-Krise hier aufzuscheinen
-> außerdem benutzt Jahwe hier menschliche Subjekte (Bedränger), um das Gericht zu vollziehen
-< in der ursprünglichen Fassung (z.B. V 15) wird Jahwe selbst aktiv; auch in Am 4,2f. gibt es kein direktes menschliches Subjekt
Am 3,9-11 sind keine original amosischen Worte, denn:
-> die Adressaten werden nicht direkt benannt
-> Überschriftscharakter der Sprüche

Komposition:
Art Geschehnissabfolge
Am 3,9-11 ist eher eine Redaktion, die Jeremias als Amos-Tradenten bezeichnet:
-> erste Redaktion des Am-Buches
-> also nach dem Untergang des Nordreiches

Zusammenfassung zur Entstehung:
1. Ausgangspunkt ist Am 3,12.15; 4,1-3
-> diese Teile wurden unabhängig voneinander überliefert und entstanden mit dem Auftreten des Propheten in der Nordreich-Metropole Samaria
2. vermutlich nach 722 v- Chr. wurden diese Sprüche zusammengestellt und durch Am 3,9-11 ergänzt (Am 3,9-11 bildete eine Art Überschrift)
-> die Umzingelung durch die Assyrer wird angekündigt
3. Nach dem Untergang des Nordreichs wurde die Einheit durch V 13f. ergänzt: das Unheil gegen das Nordreich wird angekündigt, Am wird abgelehnt


2.1.6. Einzelexegese
Am 3,9-11 ist ein Gerichtswort, bestehend aus zwei Teilen
Zentrales Stichwort ist: Paläste (kommt in jedem Vers von 9-11) vor
Die Paläste sind beladen mit Schuld
Die Paläste sind Orte des Gerichtes

V9: Heroldsinstruktionen an anonyme Adressaten (kommt im AT häufiger vor:                   vgl. Jer 4,5+16)hier: Warnung; bei Jes 40,9f. z.B. ist es die Rettung Israels
-> hier: eine klare Verfremdung: denn die Gattung dient dem Herbeirufen zweier Mächte, die das Untreiben in Samaria bezeugen sollen
wer sind aber die Boten?
Rudolff: nimmt himmlische Boten an (vgl. Jes 40,1)
Sicher ist jedenfalls, dass es gedachte Boten sind; eine rhetorische Aussendung von Boten
-> Jahwe zieht auswärtige Beobachter heran, die ihn in seinem Urteil unterstützen sollen
-> wichtig: es sind zwei Zeugen (vgl. das israelitische Rechtswesen, welches sich auf Zeugen stützt -> Zungenrecht -> vgl. Passion: hier stimmt das Zeugnis nicht überein; vgl. auch Dan 13: Susanna-Geschichte; das römische Rechtswesen dagegen stützt sich auf Indizien): Aschdod und Ägypten
auch hier wird eine Art Gerichtsprozess beschrieben: es soll zwei Zeugen geben, so dass das Todesurteil unausweichlich wird
-> aber wieso gerade Aschdod und Ägypten?
-> zwei unterschiedliche Meinungen:
- die Israeliten sind auch nach allgemeinen Grundsätzen verwerflich, d.h. auch die Heiden würden sie verurteilen
-> auch den anderen Völkern wird damit ein ethisches Bewusstsein zugesprochen (wäre heute das „Naturrecht“)
- Zapff: Aschdod und Ägypten waren ausgewiesene Fachleute in Sachen Unterdrückung
-> Aschdod gehörte zur philitäischen Pentapolis (vgl. David-Goliath) und war ein erfahrener Unterdrücker
-> für die Ägypter galt sozusagen das Synonym „Unterdrückung“
Es ist auch die Rede von den Palästen in Aschdod und Ägypten -> sie können so also das Treiben der Oberschicht in Israel noch besser beurteilen
-> Israel, das Gottesvolk, ist sozusagen auf das Niveau der Unterdrücker zurückgefallen – welche Schande!
-> Jahwe muss sie nun nicht mehr aus der Unterdrückung befreien, sondern sie selbst vernichten

Begriff „Paläste“:
Man darf dabei nicht die neuzeitliche Vorstellung von Palästen haben
Es waren eher mittelalterliche Burgen (eher düster), aber bescheidener
Ein Palast in einer altorientalischen Stadt war größer als der normale Wohnungsbautypus
Er war mit Quadern und nicht mit Stroh oder Lehm gebaut
Die Paläste hatten meist ein Obergeschoss, was besser war für die Verteidigung (vgl. Wohntürme im MA) -> innen konnte man sich gut wohl fühlen

1Kön 16,24: um 876 v.Chr. gründete König Omri (israelitisch) die Stadt Samaria, indem er den Berg Samaria von Schemer kaufte; „Samaria“ -> Schemer
- Omir gewinnt damit den Platz, der zum Krongut des Königshauses gehört (vergleichbar mit dem Status der Hauptstadt Jerusalem, welche zum Krongut der Davididen gehörte)
-> somit gab es den König von Juda und den König von Jerusalem, beide hatten ihre Städte selbst erobert und konnten damit tun, was sie wollen
-> Samaria gewann dadurch auch größere Unabhängigkeit vom Stämme-Verband
9.12.2004
Die Dynastie von Omri konnte sich einige Zeit auf dem Thron halten, dann orientierte sich Omri immer mehr nach Westen
-> sein Sohn Ahos heiratet dann Isebel (welche beim Deuteronomisten nicht besonders gut wegkommt)
-> Ahos baute Samaria zur Metropole aus (mit ägyptischen, phönizischen u.a. Einflüssen und Vorstellungen -> vgl. die ausgegrabenen Plaketten aus Elfenbein, die in Tyros oder Damaskus hergestellt wurden, und auf denen ägyptische Motive dargestellt sind -> damit wurden die Betten der Reichen verziert)
-> die Oberschicht Samarias war also aufgeschlossen für die Strömungen der Zeit
Das Mauerwerk eines Palastes bestand immer in Quaderreihen von abwechselnd einem großen und einem kleineren Stein -> israelitischer Baustil

Samaria wurde die Metropole des Nordreichs und Sitz des Königs
Die Oberschicht suchte auch den Prunk des Königs zu kopieren (vgl. Barock: Versailles)

Aschdod und Ägypten sehen bei ihrer Prüfung „große Wirrnis“ = mechomo (eigtl. aber im Plural); mechomo ist der Zustand im Gegensatz zum Shalom-Zustand = Frieden, Heil
„mechomo“ hat einen kriegerischen und mörderischen Grundklang; vgl. Spr 15,16: mechama ist das Gegenteil von „Gottesfurcht“
hier: mechomod= Aufhäufen von Schätzen und ebenfalls das Gegenteil von Gottesfurcht, welche nicht abzutrennen ist von dem Verhalten gegenüber der Mitmenschen
„ashoukin“ = Unterdrückung (auch: Unterdrücker -> wäre aber eher „mechomod“)
Ashoukin ist wieder Plural, weil es die Steigerung im Blick hat
Fleischer übersetzt mit „ ashankin“ = Erpressung

V 10: Schlussfolgerung aus Beobachtungen
Urteil in grundsätzlicher Art und Weise -> durch die Botenspruchformel als Jahwewort dargestellt (stärkt dadurch die Aussage noch mal)
-> vgl. Spr 8,9; 24,26 Sir 11,21 => der Aufrichtige und Gerade
Jeremias: „Aufhäufen von Schätzen“ und „der Aufrichtige und Gerade“: Am benutzt hier Begriffe der Weisheit, um die Offensichtlichkeit der Wahrheit darzulegen -> man muss also das israelitische Recht nicht kennen, um zu erkennen, was schlecht ist
-> es geht also nicht um die Schuld wegen Unwissenheit, sondern auch die Oberschicht weiß, was Recht ist und verstößt dagegen

V 10b: die Adressaten werden sichtbar: diejenigen, die Gewalt aufhäufen in ihren Palästen -> beißende Kritik: es wird nicht von Gold gesprochen, sondern von dem, was ihm vorausgeht: Gewalt und Bedrückung
-> Wolff: ironisch verschärfte Anklage
V 10a ist der Gegensatz zu V 10b
Wolff: hamas = Gewalttat (gegen Menschenleben)
Schod = Schädigung von Sachwerten
Jeremias: hamas = lebenszerstörende Gewalttat
Wa’schod = Gewalt am Land
Fleischer: sieht ebenfalls die Konkordanz: beide Termini sind nicht eindeutig festzulegen und voneinander abzugrenzen -> eher sind sie ein Sammelbegriff für soziale Unterdrückung jeglicher Art, die auch vor Gewalt nicht Halt macht, sich aber nicht darauf beschränkt

V 11: eigentliche Gerichtsansage: Jahwe kündet das Unheil an -> macht es dadurch noch sicherer
3 Elemente dieser Gerichtsansage:
1. Umzingelung durch einen Bedränger (anonymer auswärtiger Feind) evtl. Aramäer oder (eher) Assyrer (wenn der Spruch von einem Amos-Tradenten stammt, denn die assyrer vernichteten 722 v.Chr. den Rest des Nordreichs -> das prophezeite Wort in Bezug auf bereits Geschehenes)
2. Verlust der Macht
3. Plünderung der Wohnburgen
der Begriff „Paläste“ wird aufgegriffen und bewusst an den Schluss gesetzt -> sie bieten nun keinen Schutz mehr -> die alttestamentliche Vorstellung des sogenannten weisheitlichen Tun-Ergehens-Zusammenhangs wird hier sichtbar
-> die Paläste als Ausgangspunkt der Schuld werden nun zum Ort der Bestrafung
=< evtl. ! stammen diese Verse von einem Amos-Tradenten, denn Am spricht in der Regel das Volk direkt an
Das zweite Wort ist sehr wahrscheinlich auf den historischen Am zurückgehend, da es sich gegen eine bestimmte Gruppe richtet

V 12 und 15: Disputationswort:
V 12: unvermittelt scheint von Rettung gesprochen zu werden, aber: sie muss genauso unerwartet interpretiert werden
Leitwort von V 12 ist „retten“ = nasal (wichtig!)
Hier ist es ein Kausativstamm in der Hifil-Form
In V 12b: passivisch (Nifal-Form): sie werden gerettet
-> es ist umstritten, wie V 12bß zu verstehen ist:
Wolff: es ist eine nachträgliche Begründung der vorhergehenden Vernichtung; vgl V 15: vorweggenommene Begründung (wäre also eine Art Scharniervers)
Fleischer: V 12bß ist ein Kontrast zwischen dem Verhalten der Oberschicht und dem, was sie grade tut (faul rum liegen)
Zapff: vermutlich ist beides gemeint
V 12aß: unvermittelter Beginn mit „retten“; vgl. Ex 3,8 (Dornbusch): „um zu retten“ -> ist also ein Zentralbegriff in der Heilsgeschichte Israels   
-> Jahwe ist bis jetzt der, der Israel rettet, aber nicht vernichtet -> dem wird jetzt Am entgegengesetzt
-> die Reichen haben sich wohl als gesegnet von Jahwe empfunden (vgl. Ijob 1,10)
-> vgl.: bis in calvinistische Kreis zählten Reichtum und Erfolg als Zeichen göttlicher Erwählung und Segens
-> die Reichen empfinden so auch kein schlechtes Gewissen
-> Am hat nun einen sarkastischen Klang: der Sinn wird ins Negative verkehrt
-> Am bedient sich des Hirtenrechts, das ihm als Viehzüchter bekannt ist (vgl. ähnliche Weissagung: Ex 22,9-12):
-> ein von einem anderen Tier gestohlenes muss ersetzt werden
-> damit der Betrug durch Hirten aber ausgeschlossen werden kann (vgl. NT: guter Hirte), muss der Hirte, wenn das Schaf von einem Tier gerissen wird, einen Beweis erbringen: z.B. den Ohrzipfel oder den Wadenknochen
-> ist also eigtl. keine Rettung, da das Schaf ja trotzdem tot ist
-> übertragen auf die Oberschicht Samarias: der Totalverlust muss festgestellt werden
- Wortspiel: nasal = retten; aber ursprüngliche Bedeutung: = herausreißen
-> die Rettung der Oberschicht besteht also nur im Herausreißen der Reste aus dem maul des Löwen -> vgl. Am 3,8: Jahwe brüllt wie ein Löwe: er ist wohl ein Löwe gegenüber der Oberschicht

Die Adressaten werden als Söhne Israels angesprochen (vgl. Gen 32,29) -> die Israeliten sind die Stammsöhne Israels, d.h., sie sind schon erwählt, das schlägt jetzt aber um, wegen ihres Benehmens
V 12bß: vgl. Am 6,4: die Betten scheinen Am besonders zu stören
-> warum stört Am das Sitzen und Liegen auf einem Bett?
-> Betten und andere Ausstattungen im Alten Orient waren Luxusgüter: ein einfacher Mann legte sich auf den Boden und wickelt sich in eine Decke oder den Mantel (vgl. Dtn 24)
-> Betten gab es nur bei Reichen oder Königen (vgl. Ikonographie-Darstellungen)
14.12.2004
die Betten waren ähnlich groß wie unsere, die Matratze war bespannt
die Längsbalken al Kopfende waren halbbogenförmig heruntergebogen
-> halbbogenförmig= amaschtu (arkadisch) = amaeschaet (hebr.) -> heutige masoretische Form im Text: daemaeschaek -> Beziehung zum Wort „Damaskus“ (vgl. Damast): vielleicht wurden dort Stoffe oder Kissen hergestellt)
pa’at: leitet sich ab von puta, was vermutlich das Fußende/die Fußwand war, welche das Wegrutschen der Matratze verhinderte
=> die Betten waren also gemütlich
vgl. Am 6,4: Elfenbeinbetten (= Verzierungen aus Elfenbein)
-> oft mit ägyptischen Motiven (vermutlich aus Phönikien oder Damaskus)
-> ist für Am kein Problem, da er Sozialkritik übt und nicht, wie Hos, Kultkritik und Kritik an fremden Göttern
Die Füße der Betten enden tiergestaltig: z.B. in einem Löwenfuß
Auch das Kopfende konnte als dämonenartige Gestalt geformt sein -> apotrophäische Funktion = die Dämonen sollen abgehalten werden
-> die Dämonen wurden oft tiergestaltig dargestellt, und der Dämon sollte durch sein eigenes Spiegelbild erschreckt werden (vgl. romanische Kirchen)
Am: die luxuriösen Betten ziehen Jahwe in der Gestalt des bösen Löwen (vgl. Bett) an, wehren Jahwe jedoch nicht ab, sondern sind so der Untergang der Oberschicht

Spricht aus Am der einfache Landwirt?
Ist er neidisch auf das Nichtstun der reichen Oberklasse?
-> Am geht es darum, dass dieser Müßiggang bezahlt wird mit Unterdrückung und Ausbeutung der Armen (allein schon die Betten sind teuer!)

Winter- und Sommerhaus:
Umstritten in der Deutung
Fleischer: es gab zwei Räumlichkeiten in einem Haus
-> Sommerhaus: oben, wo der wind angenehm fächelt (vgl. Ri 3,20)
-> Winterhaus: beheizbare Räume im Erdgeschoss
hier: grammatikalischer Befund: das Winterhaus liegt über dem Sommerhaus, weil es als erstes genannt wird; deshalb:
Jeremias/Wolff: es gab zwei unterschiedliche Hausanlagen (vgl. 1Kön 21,18: König Ahab (ca. 100 Jahre vor Am) hatte einen Palast in Samaria und das zweite Haus in Jesreel, dort war es im Winter angenehmer;  König Barakib (2. Hälfte 8. Jh.) beklagt, dass er zwei Häuser in einem hat und will ein zweites haben)
-> dies wird jetzt von der Oberschicht nachgeahmt

V 15: das Verschwinden der Elfenbeinhäuser (bzw. –betten)
Das Elfenbein war teure Importware und konnte auch gemeinsam mit Gold und Silber als Tribut gelten
Das Elfenbein  kam aus Syrien, wo es im 8./9. Jh. V.Chr. Elefanten gab, die dann aber ausrotteten
-> So musste das Elfenbein zur Zeit des Am aus Sodan über Ägypten transportiert werden -> war deshalb sehr teuer -> der absolute Luxus wird deutlich
Stichwort „viele Häuser“: Unter Jerobeam II gab es einen Bauboom, an dem aber nur die reiche Oberschicht teil hatte (vgl. Jes5,9)
Am 3,12+15 in der heutigen Anordnung: die Drohbotschaft von V 9 wird noch mehr verstärkt, es gibt nicht mehr nur Ausbeutung, sondern auch Zerstörung

V 13+14: nachträglich eingefügt
-> gegenüber dem Kontext wechselt das Thema
-> es geht um die Zerstörung des Reichsheiligtums Bet-El
Die Geschichte und Bedeutung von Bet-El im AT:
Geographisch: es liegt auf einem Bergsattel, 17km nördlich von Jerusalem
Der Ost-West-Übergang von Jericho zum Mittelmeer schneidet sich hier und die Kamsunstraße (?) von Sichem nach Beerscheba
-> Bet-El lag also verkehrsgünstig

Ausgrabungen bringen Ergebnisse bis in das Kalkolitikum (Steinzeit), bis in die Zeit des Jura wurde dort eine Stadt nachgewiesen
Zur Zeit der Hyksos spielte Bet-El eine schwierige Rolle (Umfassungsmauer ausgegraben)
Bet-El = „Haus Gottes“ = kanaanäisches Heiligtum vom Gott El
-> die israelitischen Siedler machten daraus eine Kultstätte für Jahwe, die sie mit der Gottheit El identifizierten
-> vgl. Gen 12,8; 28,17-22: Abraham soll dieses Heiligtum errichtet haben
Bet-El war zunächst wohl das Lokalheiligtum des dort in der Nähe angesiedelten Staates Benjamin
-> unter Saul, welcher sich die Stämme unterwarf, stieg es dann auf zum Reichsheiligtum neben Jerusalem
vgl. 1Kön 1,26: Jerobeam I macht Bet-El zum Staatsheiligtum und lässt dort das Stierbild aufrichten -> so willer die Pilgerströme von Jerusalem abhalten = Sünde des Jerobeam (1Kön 12,30)
vgl. Ex 32: der Tanz um das goldene Kalb: gegen Tierkult in Bet-El
kanaanäische Theologie: die Gottheit steht auf einem Stier, der ein Fruchtbarkeitssymbol ist

durch Jerobeam erfährt Bet-El einen beträchtlichen Aufschwung
725 v.Chr.: assyrische Eroberung des Nordreichens: Bet-El liegt in Ruinen -> neben Jahwe wurden jetzt auch andere Götter verehrt
König Joschia: durch Restituierungspolitik soll das Nordreich nun dem Südreich angeglichen werden
-> Kultreform (vgl. Dtn): Kultzentralisation; aber: Bet-El wird endgültig zerstört (vgl. 2Kön 23,15f.)
V 13: die Einfügung war vielleicht vor Joschia oder vor der Zerstörung -> Am soll also auch die Zerstörung der Hauptstadt des Nordreichs vorausgesagt haben
-> in Am 7,12 wir ihm eine weitere Verkündigung der Unheilsbotschaft verboten (in Bet-El)
Das Heiligtum:
Ein Ort, um mit der Gottheit in Verbindung zu treten, ein Ort, um Sünden zu vergeben
-> wenn Gott jetzt alles vernichtet, kann nicht mehr mit ihm in Verbindung getreten werden
-> die Ablehnung erfährt Am ja eigtl. erst in Am 7, doch hier hat man die Botschaft der Zerstörung dann schon im Ohr

V 13: zwei Imperative: shemu. Höraufruf
’awad zusammen mit der Präposition beth = warnen, einschärfen -> etwas soll im Haus Jakob eingeschärft oder ermahnt werden -> wer wird hier ermahnt?:
Fleischer: V 9b: die Bewohner der Paläste 
Jeremias: Kontext: V 9: die Herolde (ausschließlich die Mitglieder des Gottesvolkes –typ.für die dtn bzw. chronistische Theologie): angesichts der drohenden Strafe soll das Volk zur Besinnung gerufen werden -> vgl. die Umkehrpredigt von den Leviten in der dtn/dtr Epoche: sie rufen das Volk zum Hören auf und ermahnen es (vgl. Ps 81,9: Hörer = Israel; Mahner = Jahwe) -> hier: jeder soll hören und ermahnen)
Der Begriff „Haus Jakob“ ist für Am ungewöhnlich
-> erst seit Am 9,8-10 (sekundärer Text) wird die Gemeinde im nichtsstaatlichen Gewand beschrieben
-> Am öffnet sich also für neue Leser: die Hörer sollen sich die Sünden Israels als warnendes Beispiel vor Augen halten (vgl. Mi 3,12: Ankündigung)
Am 3,2: Ahndung der Sünden Israels: Sünde ist nicht nur die ablehnung des Propheten (vgl. Am 7), sondern man muss dazu auch Hos miteinbeziehen: bei Hos ist Sünde irregeleiteter Kult (Hos 6,10; 8,5) -> Am wurde also damals schon im Kontext zu Hos gelesen, was auf den Dtn zurückzuführen ist
V 14b: Altäre (Plural)
V 14c: Altar (Singular)
Fleischer: V 14b ist ein Thema aus Hos (Hos 8,11;10,1)
-> Am und Hos sollen durch redaktionelle Bearbeitung in Beziehung gesetzt werden

Zusammenfassung: die Verfehlungen im sozialen Bereich wirken sich unweigerlich auf das Gottesverhältnis aus
V 14c: Abbrechen der Hörner des Altars:
Die Altäre hatten vier erhöhte Ecken
-> der Ursprung dieser Ecken ist bis heute unsicher
-> evtl. sollen es vier Steinmale (Masseben) sein, in denen die Präsenz der Gottheit veranschaulicht werden soll
-> aber: gewöhnlich standen diese Steinmale neben den Altären
-> oder: es sollen die Hörner eines Stieres sein als Zeichen der Mächtigkeit (vgl. Ijob: mein Horn liegt im Staub)
-> praktische Funktion: das Heiligtum galt als Asyl für Flüchtlinge die Bluträchern entkommen wollten, wenn sie sich an den Hörnern festhielten, waren sie geschützt (vgl. 1Kön 1,50; Ex 21,40: kein Schutz für vorsätzliche Mörder)
-> oder auch: Sühnehandlungen: das Blut von Tieren strich man an die Hörner, die ein Symbol der Macht waren -> bei Abbruch der Hörner gab es an dem Ort keine Sühne mehr und er war entweiht
Hier: Jahwe beraubt sein Volk der Möglichkeit, Sühne zu leisten; evtl. Israel als Mörder dargestellt; Israel hat jetzt keine Möglichkeit mehr, Asyl zu beantragen, denn Gottes Erbarmen kann nicht endlos strapaziert werden -> die kultische Verehrung hängt vom sozialen Handeln Israels ab

Am 4,1-3: Klassisches Gerichtswort
V 1: Anklage
V 2+3: Strafansage
Damit in Zusammenhang gebracht werden jetzt:
Am 3,10 (Unterdrückung)
Am 3,12b (Genusssucht)
Die Adressaten sind jetzt Baschankühe (weibl. Endung: desh. Kühe)
Shemu (hört) = Imperativ maskulin, plural -> das maskulin ist hier aber möglich, auch wenn  es Kühe sind
Exegese: unterschiedliche Meinungen
Baschankühe metaphorische gesehen sind wohlgenährte und fette Kühe (vgl. Ez 39,18)
Die Stiere von Baschan stehen wegen ihrer Stärke für Bedrängnis (vgl. Ps 22,13)
Baschan ist eine steinlose, fruchtbare Ebene, die nord-südlich vom See Genezareth liegt (heute Israel); sie gilt als besonders fruchtbar
Die Frauen als Baschankühe: damals war Kuh noch kein Schimpfwort, sondern vielleicht eine Metapher für die äußere Erscheinung; damals galt als Schönheitsideal eine wohlgenährte Frau (vgl. Jes 47,8: Babel als üppiges Weib -> ist hier positiv gemeint)
Ps 22,13: Gefährlichkeit der Baschanstiere: die reichen Frauen in Samaria zertreten die ihnen ausgelieferten Armen 
Helga Weippert: da Samaria ja eher eine karge Gegend ist, werden die Zuhörer aufmerksam, wenn an diesem ungewöhnlichen Ort die Baschankühe auftreten
-> der Zuhörer fragt sich, wie diese Kühe da hin gekommen sind und wie sie fett geworden sein könnten
-> Antwort: durch die Unterdrückung der Armen
V 1b: Verhalten der Kühe: zwei Partizipialformen: ashak = erdrücken, erpressen
Fleischer: vgl. Dtn 24,14:  ashak = Vorenthaltung des Tagelohns gegenüber der Lohnarbeiter
Zapff sagt dagegen: vgl. Am 3,9: die Baschankühe mästen sich mit erpresserischem und ausbeuterischem Verhalten
Harossesot = zerbrechen = physischer Zusammenbruch der Kräfte oder der wirtschaftliche Zusammenbruch der Unterdrückten -> die Frauen richten die Armen in jeder Hinsicht zugrunde
16.12.2004
dalim und epionim sind die Opfer der Frauen
dal = Hilflosigkeit, sich gegen etwas (z.B. gegen Macht) zu wehren
epion = Aspekt der materiellen bedürftigkeit
V 1c beschreibt, in welcher Weise die Unterdrückung geschieht
Adonehem: enklitisches Personalpronomen, plural, maskulin (aber: die Kühe sind doch weiblich) -> deshalb gibt es Schwierigkeiten bei der Interpretation
Saufen = ungebremster Weingenuss (vgl. am 6,6: große Humoen)
Was ist am Wein schlimm? Kommt doch öfters im AT vor (vgl. Ps 104,15; oder als Versüßung des harten Alltags für die einfache Bevölkerung); aber vgl. auch: Spr 32,29f; Jes 28,7 -> im Orient sieht man es also nicht gerne, wenn jemand betrunken auf der Straße wankt
-> es geht hier also mehr um die Folgen des Weingenusses-> la’adonehem
die EÜ übersetzt: die ihr zu euren Männern sagt
aber: adon ist meist der Herr, selten der Ehemann (= ba’al)
deshalb gibt es in der Exegese (die von einer Änderung ausgeht) meistens die Korrektur: enkl. Personalpronomen, 2.Per. Plural: euren Herren oder ihren Herren
-> entweder wird das Anspruchsdenken de Frauen betont, die zu faul sind, sich selbst Wein zu holen
-> oder (Rudolff): es ist eine ironische Feststellung, und es soll ausgedrückt werden, dass die Männer sich dem Willen ihrer Frauen beugen („Herren“)
Zapff: es ist wahrscheinlicher, dass keine Änderung vorgenommen wurde; das Suffix bezieht sich dann auf die Armen und Hilflosen im Satz vorher
-> die Herren der Armen sind dann die Sklavenhalter; diese Herren sind dann auch die Ehemänner, von denen die Frauen genügend Wein fordern
-> Weinpartys sind teuer, und darunter leiden dann die Armen, die von ihrem Herrn bis zum letzen ausgesogen werden

V 2: beinhaltet die Strafansage
Beginnt mit dem Schwur Gottes (schwa = schwören)
Schawa steht gewöhnlich im Niffal, meist ist eine Selbstverfluchung dabei, falls der Schwur gebrochen wird -> unbedingte Selbstverpflichtung
-> vgl. das dtr Geschichtswerk: im Kontext der Landverheißung gibt es 25 Belege für einen Schwur Gottes an die Väter (z.B. Dtn 1,8)
-> diese Stelle gilt aber nicht als Beispiel für die Stelle bei Am (Dtn ist ja eh jünger)
sonst war es so, dass Am z.B. Dtn 1,8 herangezogen hat -> früher hieß es dann: künftiges Land; jetzt heißt es: künftiges Gericht
-> der Eid Jahwes ist jedenfalls die äußerste Form der Selbstfestlegung Gottes: er schwört bei seiner Heiligkeit: dies steht für sein innerstes Wesen, für Gott selbst
vgl. Jes 6 (auf diese Stelle geht das Sanctus zurück): Jes 6,5: der Sprecher erkennt seine Sünden
-> auch bei Am: die Heiligkeit bewirkt ein tremendum faszinosum -> die Unwiderruflichkeit betrifft nicht das ganze Volk, sondern nur die ausbeuterische Oberschicht

V 2aß: auf die Zukunft gerichtete Ankündigung; aber: Partizipialform im Hebräischen: die Tage sind kommend: das unabwendbare Gericht wird gegenwärtig gesetzt -> die Macht kündigt die Wirklichkeit nicht nur an, sondern setzt sie auch

V 3: Deportation: evtl. sind damit jetzt auch die Männer angesprochen (sofern sie das vorherige Gericht überlebt haben)
V 2bα: Epp, 2. Person Plural maskulin -> ist eine männliche Größe
Umstritten ist in der Exegese, welches Werkzeug für die Deportation verwendet wird
Zinot = Dornenstachel; aber auch: Fischerhaken, es könnte aber auch vom Arkadischen zinitu kommen = Nasenseil
-> Zapff: vermutlich war es ein Ochsenstachel, um die Tiere in Bewegung zu bekommen

V 2bß: feminines Suffix 2. Person Plural = von eurem Rest
Rest im AT: ist oft eine symbolische Größe (z.B. bei der Heimkehr von einer Schlacht: wie groß die Niederlage war, sieht man am Rest der Heimkehrenden)
-> hier: Jahwe wird tabula rasa machen: es bleibt nicht mal mehr ein kläglicher Rest übrig
das umstrittene Werkzeug bringt die Grausamkeit der Deportation zum Ausdruck

V 3: die Umstände der Deportation werden genauer erkennbar
Breshen = gewaltsamer Ausdruck
-> die Stadt ist wehrlos und wurde gewaltsam erobert (evtl. Aramäer)
-> erfüllt wurde diese Ansage dann 722 v.Chr (nach Amos!) als die Syrer Samarien eroberten
-> shalach = senden, werfen (bei der Belagerung der Stadt wurden die Leichen hinausgeworfen; vgl. Am 8,3)
-> hier: das Leben der vornehmen Frauen ist keinen Pfifferling mehr wert
-> bei einer Belagerung war es üblich, dass die Oberschicht entweder getötet oder deportiert wurde -> die Frauen wurden dann zu Nebenfrauen und die Männer zu Sklaven
- Hermon = ha herbona (hebr.): Berg an der Nordgrenze Israels, gehört schon zum Anitlibanon, dazwischen liegt die Dekaebene

auch in diesem Text zieht also das soziale Fehlverhalten die Strafe Jahwes nach sich -> hier si besonders, dass auch die Frauen zur Rechenschaft gezogen werden, da sie sonst als verantwortliche Personen nicht auftreten (ist aus frauenrechtlichen Gründen ja eigtl. auch positiv zu sehen)

hier: die Prophetie setzt das, was geschieht, als Wirklichkeit vorausm es ist keine Umkehr mehr möglich (vgl. z.B. Jes 6: er sollte das Herz verstocken) -> ein anderes Prophetieverständnis als z.B. bei Jona (Umkehr ist noch möglich)
Am 7+8: Am tritt als Fürsprecher auf, trotzdem kommt das Unheil, weil auch die Geduld Jahwes nicht überstrapazierbar ist (kein kuscheliges Gottesbild): Gott nimmt den Menschen ernst, auch in seinem Tun
21.12.2004
Rezeption von Am:
2Kor 6,18: Gottesbezeichnung
Lk 16, 19-31: Arme und Reiche (beosnders die frage nach dem rechten Umgang mit Geld)
Am 4,1 vgl. mit den aramäischen Targum: aus den Baschankühen wurden hier keine Frauen gemacht, sondern Leute, die nicht genug haben können (entw. Regierende (pl.) oder der König (sing.) -> vgl. Am 4,1-3: maskuline Suffixe und Verbformen
In den Targum heißt es: ihr, die ihr reich seid an Viehherden damit wir saufen = lasst uns herrschen -< hier kommt also nichts mit Frauen vor -> ist dann je nach Gesichtspunkt frauenfreundlich oder -feindlich 

2.2. Der Völkerspruchzyklus in Amos 1,3-2,16
2.2.1 Text und Übersetzung
2.2.2. Textkritik

Der Text geht mitten hinein in die Gerichtsprophetie
Er ist gut überliefert und einfach zu übersetzen
V 5: yoseb = Partizipialform von Yashab = sitzen; wörtlich: der, der sitzt
-> bezieht sich vielleicht auf ein Kollektivum, das singulär übersetzt wird: evtl. die Bewohnerschaft des Sündentals -> der Zepterträger wird auch zerschlagen, deshalb ist yosheb vielleicht eine singuläre Größe
-> Partizip yosheb= der Thronende/Herrscher des Sündentals
-> vgl. V 8; die Botenspruchformel in V 8 ist wohl einNachtrag -> vgl. Am 1,2: nur: der Herr hat gesprochen

V 11:
Die LXX übersetzt: er zerstörte die Mutter auf der Erde (= Mutterleib)
-> hebr.: rahamangw = pl = Erbarmen
-> daraus leitet sich rehem ab = sing = Mutterschoß

Am 2,7a: merkwürdige Übersetzung
Hebr.: sh’ab = schnappen, lechzen
Hier: Partizipialform: sho’ apim = die schnappen -> wird aber eigtl nicht mit der Präposition beth, sondern mit einem Akkusativ verwendet
-> es gibt auch den Begriff hashapim -> shaupim -> shup = zertreten
-> LXX: die ihren Fuß setzen auf

2.2.3 Gliederung, Gattung und Komposition

Am 2,6-16: die Israel-Strophe ist vom Umfang her die größte -> offensichtlich lag hier ein besonderer Schwerpunkt
Immer wieder entdeckt man die Formelhaftigkeit, welche dem Text Struktur verleiht
Elemente:

1. Botenformel (leitet das Wort gegen das jeweilige Volk ein):
amar jahwe: so spricht der Herr
-> allgemeiner Vorgang der Botschaftsübermittlung; vgl. Ri 11,14f. -> es kommt also aus der Diplomatensprache (ein Bote zum König)
-> hier im AT: die Botenspruchformel als Legitimierung als Bote Gottes

2. Gestaffelter Zahlenspruch:
Am 1,6
Parallelismus der poetischen Satzglieder -> eine Zahl wird im nächsten Vers gesteigert
Am 3-4 ist dafür das häufigste Beispiel, gibt aber auch noch andere Staffelungen (vgl. Spr 30,15f.18f. Sir26,5)
Der traditionsgeschichtliche Hintergrund dieser Zahlensprüche: vermutlich eine mnemotechnische Hilfe im Unterricht in Israel
Es ist auffällig, dass hier immer nur vier Verbrechen genannt werden

3. Unwiderruflichkeit:
ich nehme (es) nicht zurück (im Hebr. Gibt es kein direktes Objekt)
-> ist entweder auf das Wort der Strafansage oder auf die Strafe selbst zu beziehen
-> das macht hier aber keinen Unterschied, es ist die gleiche Unwiderruflichkeit (Am 7,8; 8,2: Visionsberichte)
Das klare Nein zu Beginn von Am lässt auch erst mal erschauern

4. Stets analoge Konstruktion: ’al = wegen: mit Infinitiv (Nennung des jeweiligen Verbrechens des Volkes): das vierte Verbrechen ist immer das schlimmste -> es sind so gut wie immer Kriegsverbrechen (außer Juda-Strophe) ohne genauere historische Umstände

5. Strafansage
mehr oder weniger formal
direkte Jahwerede: Drohung, Feuer zu senden (Eschatologie)
Strafe an politische Hauptverantwortliche (vgl. Am 3,9-4,3)

Auffällige Unterschiede zwischen den Strophen:
In den folgenden Strophen werden die weiteren Folgen des Handelns Jahwes erklärt (Feuer in den Städten):
Am 1,3-5: Aram-Strophe
Am 1,6-8: Gaza-/Philister-Strophe
Am 1,13-15: Amoniter-Strophe (Erwähnung von Kriegsgetöse)
Am 2,1-3: Moab-Strohe (Erwähnung von Kriegsgetöse)
Abschließende Botenspruchformel bei allen vier Sprüchen: Jahwe hat gesprochen

Am 1,9f.: Tyrus-Strophe
Am 1,11f.: Edom-Strophe
Am 2,4f.: Juda-Strophe
-> die Sprüche enden mit der Ankündigung des Feuers, die abschließende Botenspruchformel fehlt aber -> es werden also keine weiteren Folgen angekündigt

es gibt also zwei Gruppen:
1: folgen werden angekündigt: Aram, Gaza, Amon, Moab
-> Am 1,3-5 entspricht Am 1,6-8: Vernichtung der Thronenden; Folgen fürs Volk;
->Am 1,13-15 entspricht Am 2,1-3: Kriegslärm und Fürsten
2: es gibt keine weiteren Folgen: Tyros, Edom, Juda

Am 2,6-16: Israel-Strophe:
Hier gibt es nur vier Elemente (statt fünf), außerdem sind sie verändert
Die Botenspruchformel und der gestaffelte Zahlenspruch sind zwar dabei, aber es gibt auch Unterschiede:
1.: die Schuldaufdeckung ist anders formuliert: in vier Perioden wird eine Reihe von Verbrechen aufgedeckt
-> alle Verbrechen werden genannt -> Steigerung: alle Verbrechen Israels sind der Erwähnung wert
2.: die Verbrechen richten sich nicht gegen die feindlichen Völker (wäre noch einigermaßen erklärbar), sondern gegen die Angehörigen des eigenen Volkes -> ist ein schier unfassbares Verbrechen
außerdem weitet sich der Täterkreis: es geht nicht mehr nur um die politisch Verantwortlichen, sondern um die Oberschicht, die sich des Verbrechens schuldig macht
Am 2,13-16:
Strafansage Gottes: umfangreicher und umittelbarer als vorher
Das Gericht besteht nicht mehr nur aus Feuer, sondern Jahwe lässt den Boden erbeben
Am 2,14-16: alle Bewohner werden betroffen sein
Am 2,9-12: geschichtstheologischer Rückblick: einstiges Handeln Jahwes an Israel
- Kontrastierung zum Verhalten Israels
-> die Sünden erscheinen noch viel schlimmer
-> das undankbare Volk steht seinem Gott gegenüber
- das künftige Gerichtshandeln wird so radikal sein wie das einstige Heilshandeln (vgl. auch das Gericht der Ammoniter -> so wird er auch mit Israel verfahren)
V 12: nochmaliger Aufweis der Verbrechen Israels (kommen allerdings recht spät):
- die Naziräer mussten Wein trinken
- Mundverbot für Propheten

auch der Abschluss ist anders: keine Botenspruch- sondern eine Gottesspruchformel (Spruch Jahwes)
Wolff: eine feierliche Bekräftigung der Gewissheit, dass im Prophetenspruch Jahwe selbst Israel entgegentritt

Sinn der Gesamtkomposition:
Die Israel-Strophe stellt einen Höhepunkt dar; die anderen Strophen laufen auf sie zu und sollen sie vorbereiten -> die besondere Schwere der Verbrechen Israels soll herausgestellt werden
Dies erklärt auch die heutige Stellung der Völkersprüche am Anfang des Buches (vgl. auch  Jes 1-12: Worte gegen Israel; Jes 13-27: Worte gegen die Völker)
Vgl. Ps 2,9: ägyptischer Einfluss: wie Krüge werden die Völker zerschmettert Hintergrund: in Ägypten wurden Feinde auf Steinfiguren oder Krüge geschrieben und diese dann zerschlagen)
Hier geht es nicht primär um die Vernichtung der Völker sondern darum, dass Jahwe selbst spricht und souverän handelt (allerdings ist es ehr unwahrscheinlich, dass die traditionsgeschichtliche Ableitung von diesen äg. Krügen kommt)- möglich, dass es etwas mit dem Rahmen des Kultes zu tun hat (Kultprophet: Unheil für andere, Heil für Israel)
-> wenn, dann wäre das hier aber verfremdet dargestellt: denn hier mündet alles ein in ein Gerichtswort gegen Israel
-> aufgrund der erwähnten Heilstaten hätte Israel eigtl. noch mehr Strafe verdient

die Reihenfolge der Völker:
Fleischer (und Zapff): im Sinne einer doppelten geographischen Einkreisung Israels: die  Völker liegen geographisch alle um Israel herum

2.2.4. Literar- und Redaktionskritik
Tyros- Edom- und Judaspruch: nachträgliche Einfügungen
Inhaltliche Kriterien:
Die ausführliche Darstellung der Strafe Jahwes hat psychologische und theologische Dimensionen:
Das Verbrechen von Tyros: Nichtgedenken des Juda.Bundes
Das Verbrechen von Edom: ?
Das Verbrechen von Juda: das Vergehen ist hauptsächlich theologisch beschrieben (keine Kriegsverbrechen -> deuteronomistisch)
Am 2,3-5: es werden sogar drei verbrechen genannt, es sind in sich geschlossene Sätze (keine suffilierten Infinitive) und lasse ein exilisches Cholorit erahnen (586: Zerstörung durch die Babylonier; vgl. auch Obd 14: Edom-Verbrechen: Deportierung Israels)

Juda fällt also aus dem Rahmen -> so bleiben noch vier Völkerworte:
Am 1,3-5: Aram
Am 1, 6-8: Gaza
Am 1,13-15: Amon
Am 2,1-3: Moab
=> jeweils zwei Worte sind einander zugeordnet:
1,3-5 und 1,6-8
1,13-15 und 2,1-3
Die Zahl der Völkerworte (+ Israel) = 5
-> vgl. Am 7-9: Visionszyklus:
-> Am 7,1-3 und 7,4-6 (1. und 2. Vision)
-> Am 7,7-9 und 8,1-3 (3. und 4. Vision)
-> die fünfte Vision entspricht der Israel-Strophe: auch sie steht isoliert den anderen vieren gegenüber
Jeremias: weitere Auffälligkeiten:
- in der ersten Strophe des Paares werden die Grausamkeiten, welche das Nordreich betrafen, beschrieben; Am 1,3; 1,13 -> Gilead ist Ostjordanland und damit Nordreich -> betrifft Israel
- die zweite Strophe der Paare gilt jeweils Juda; Am 1,6-8; 2,1 -> Edom und Gaza sind Nachbarn von Juda
- die Aramäer- und Amoniterstrophe: die dort geschilderten Verbrechen wandten sich gegen Israel und empörten dieses
-> diese Strophen gingen wohl noch auf die mündliche Überlieferung des Am zurück und wurden dann ergänzt durch das Moab- und Gazawort
- Am 7,8+9 entspricht den Völkersprüchen: 4+1=5

23.12.2004
aus dem 2-er Völkerpaar entstand dann die 4-34 Gruppe + Israel = 5
Am 2,6-16: 8 Völkerworte
-> in der nachexilischen Zeit kamen die Tyros-, Edom- und Juda-Strophen mit ihrem exilischen Cholorit hinzu
- Am 2,6-16 (Israel-Strophe) ist heftig umstritten, ob sie ursprünglich amosische Aussage war
es gibt zwei Linien:
1. Volkmar Fritz: die Völkerworte und die Israel-Strophe hatten urspr. nichts miteinander zu tun
-> denn die Israel-Strophe mit der Schilderung der vier Verbrechen steht im Gegensatz zu der strengen Form der Völkerworte
-> die Israel-Strophe wurde nachträglich den Völkerorakeln formal angeglichen -> die heutige Konzeption entstand mit Israel als Klimax
-> Fritz sieht auch kein amosiches Wort in den Völkersprüchen -> die Völkerworte sind das Ergebnis einer nachträglichen Reflexion auf die Assur-Krise (particinium ex eventum)
-> die Prophetie also als Reaktion auf die Unterjochung Israels während der Assur-Krise
-> anhand der geschichtlichen Ereignisse soll die Bestrafung für die Unterjochung aufgewiesen werden   
-> die Theologie hat auch das Schicksal anderer Völker im Horizont desTun-Ergehens-Zusammenhangs -> Jahwes Reaktion auf ihr Tun ist die strafe
2. Dietmar Vieweger/Jeremias/Zapff: Die Aram-Strophe steht in Bezug zur Zeit des Amos!
-> es gibt einen Zusammenhang zwischen der Worte gegen Aram und Amon: sie sind mit der Israel-Strophe bereits verbunden
-> die Israel-Strophe von der Anklage her interpretiert: sie weist 4 der 5 Elemente der Völkerstrophen auf, modifiziert und vervollständigt sie aber -> deshalb ist die Israel-Strophe die Klimax des gesamten Zyklus
-> Am bedient sich also eines Verfremdungseffekts
-> z.b. in der Aram-Strophe u.a. mit Gerichtsworten: der Hörer erwartet Heil für Israel
-> diese Erwartung wird aber nicht erfüllt
Die Redaktion des Am wurde später mit der des Hos zusammengestellt -> vermutlich zur Zeit des Untergangs des Nordreichs
Die 4+1-Anlage: Dankreflexion auf die Assur-Krise, aber erst nach der ersten Bearbeitung
Vermutlich dtr-Beeinflussung: Am 1,3-6 und 2,1-3 -> Untergang des Südreichs: die Paläste gehen in Flammen auf
Am 2,10-12 gehört dazu: spezifisch dtr-Propheten-Theologie -> die Propheten warnen das erste Mal
Am 2,9: umstritten wegen der Ursprünglichkeit
Jeremias: gehört zum Grundbestand
Fleischer/Zapff: wegen des dtr-Kolorit eine Ergänzung; außerdem schließt V 13 nach der Ausschließung von V 9-12 ganz gut an V 6-8 an
V 9-12: dtn.-dtr. Theologie mit evtl. Ergänzungen
-< jetzt werden die früheren Heilstaten Jahwes geschildert, weil vorher Israels Sünden besprochen wurden
Am 1,3-2,16: Redaktionsgeschichte: die Worte von Am werden unter einen neuen Situation betrachtet: Jahwes Wort hat allgemeine Gültigkeit


2.2.5. Einzelexegese
Am 1,3-5: Wort gegen Aram
Hauptstadt Damaskus als Pars Prototo für das ganze Land
Wenn Gaza damit in Zusammenhang gebracht wird, dann wegen den Philistern
-> die Aramäer und Philister waren fast von Anfang an die Erzfeinde Israels
-> die Aramäer geraten in davidische Großherrnschaft und machen Israel zu schaffen
Die Aramäer gingen v.a. gegen Gilead vor, dessen Besitz nördlich des Jaboks war -> dieses Gebiet war bekannt für seine Fruchtbarkeit und hatte ein natürliches Einfallstor für die Aramäer
-> unter König Jehm wurde Gilead mehr und mehr erobert

V 3: Verbrechen von Damaskus
Pesha -> pesha(im) = Sünde
’awon -> avon = Vergehen, Sünde
hat’a -> hatta = Sünde, Schuld

bei Am: pesha = Vergehen gegen die Mitmenschlichkeit; Hass, Zank, Streit
-> es geht immer um Eigentums- und Personaldelikte

Peshaim ist Plural (vgl. Seraphim) -> auch im internationalen Berich gibt es ethische Standarts -> Übersetzung also mit „Rechtsbruch“

Damaskus war evtl. im 4. Jahrtausend v.Chr. eine Karawanenstadt

V 3b: das schlimmste der vier Verbrechen wird geschildert:
-> Aram hat Gilead mit Dreschschlitten gedroschen (Dreschschlitten = nach oben gebogenes Brett mit Eisenschneiden an der Unterseite -> die Tiere gehen beim Dreschen im Kreis um einen sich verringernden Kornhaufen -> das Korn wird zerschnitten und kommt auf die Tenne, wo das Spreu vom Weizen getrennt wird ( vg. Jes 41,15f.) -> übliche Redewendung für kriegerische Erfolge
-> Gilead wird das Opfer aramäischer Agression -> die Bevölkerung war Freiwild (vgl. 2Kön 10,32; 2Kön 13,3+7)
-> der Hang zur Agression war bis mind 773 v.Chr. bei Aram zu finden -> sie stocherten v.a. militärische in Israel (Ost-Jordan-Land) herum
-> die Gegnerschaft eines starken Aramäerreiches ist also nicht ferne Verkündigung, sondern harte Realität

V 4: Jahwe vollzieht das Gericht: er kann von seinem angestammten Platz aus die Geschicke der anderen Völker lenken -> nicht nur zum Schutz Israels! -> Universalisierung Jahwes (vgl. 1Kön 18,38: von Jahwe kommt das Feuer -> im Alten Orient brauchte man das Feuer zur Einnahme oder Zerstörung anderer Städte oder Regierungspaläste -> vgl. der assyrische Großkönig Salmanasser III: „in seine Paläste warf ich Feuer“ -> die Paläste galten als Symbol für die Macht einer Stadt)
Hassael und Ben Haddad war das allgemeine Herrschergeschlecht in Damaskus
-> Hassael starb um 806 v.Chr. -> vgl. EÜ: chronologische Auflistung

V 5aα: Riegel zerbrechen = Eroberung einer Stadt = Jahwe handelt direkt
-> vermutlich ist damit die drohendende Assur-Gefahr gemeint
-> die Riegel waren aus Bronze oder Eisen und damit der empfindlichste Teil einer Befestigung; sie waren in die Torpfosten eingelassen und damit sehr stabil -> Jahwe kann keine noch so sichere Befestigung trotzen

V 5aα und 5bß: hilearti = ich haue ab/ ich fälle
Die Herrscher mit ihren Örtlichkeiten = Verballhornung, da die Städte „Sündental“ oder „Lusthausen“ heißen
-> vgl. Am 3,9-15: Zusammenhang von Unrecht und genießerischer Pracht

Die Beka-Ebene liegt zwischen dem Libanon und dem Antilibanon
Mit Bet-Eden ist evtl. Bet-Adini am linken Eufrat-Ufer gemeint, welches 855 v.Chr. an die assyrische Herrschaft übergegangen war

V 5bß: Exilierung der Aramäer
Kir -> unsicher, wo dies liegt
Vgl. Am 9,7: die Aramäer kamen von da, werden nun also wieder zurückgeführt und ihre Geschichte damit definitiv beendet -> vgl. Hos 8,13: Israel muss an seinen einstigen Ausgangspunkt Ägypten zurück 
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