Tuesday, 30 April 2013

Moraltheologie Einleitung



Allgemeine Moraltheologie


Einleitung

Die Reaktionen auf den Begriff Moral sind sehr unterschiedlich. Die Vorstellung von Moral ist. Zwiespältig. a) Einmal ein neu erwachendes Interesse an Moral, vor allem weil im medizinischen Bereich eine sehr schnelle Entwicklung da ist, die die Ethik heraufruft, auch gibt es heute einen Ruf nach Werten. Menschen merken, sie kommen ohne Werte nicht zurecht. Der Spiegel machte dazu eine Umfrage, große Prozentzahl für Höflichkeit und korrekte Kleidung. b) Skepsis und Befürchtung: Kann Moral nicht das Leben einschränken? Mancher erlebt das Gute als Zwang, er möchte lieber frei sein. Edith Piaff sagt: Moral ist, wenn man so lebt, daß es gar keinen Spaß mehr macht, zu leben.
Was will Moral eigentlich? Sie will Zielbilder gelingenden Lebens aufzeigen. Moral soll dazu helfen, zu einer Lebensbejahung zu finden, daß der Mensch sagen kann: Es ist gut, daß ich da bin. Paulus sagt: Wir sind Helfer zu euerer Freude. Zu einem gelingenden Leben gehört auch, mit Leid umgehen zu lernen, also nicht nur Spaß. Moraltheologie ist die Wissenschaft vom Sittlichen Handeln. Das meint: Es ist ein Handeln, das bewertet wird nach dem Maßstab gut, böse. Sittlich meint: Ein Maßstab, der sich aus einer Wertordnung ergibt, wird angelegt. Moraltheologie muß den Menschen gemäß sein, also dem Menschen entsprechend. Dazu muß man auch fragen: Wer ist der Mensch, was kann er, was soll er? Weitere Frage: Wie kann der Mensch aus seinem ihm vorgegebenen Dasein etwas machen? Der Mensch darf keine rigide und keine laxe Moral bekommen, er braucht eine Mitte.

A.   Der relationale Aspekt der Moraltheologie – Zu einer Grundperspektive der Moraltheologie

1.      Wodurch ist die MT heute besonders herausgefordert?
Ein Zeichen der Zeit heute ist die lädierte Beziehungsfähigkeit des Menschen. Wichtig ist immer zu fragen: Wer ist der Mensch heute? Das muß ich wissen, um eine gute Moraltheologie betreiben zu können. Das ist wie ein Beratungsgespräch, wo erst gefragt wird, wie es dem Klienten geht. Danach schaut man, was weiter hilft. So sollte auch Moraltheologie vorgehen. Erst fragen: Wie geht es dem Mensch heute? Dann entwickelt man hier konziliatorische Aspekt (beratender Aspekt). Wo ist nun der Mensch, was ist ein Zeichen der heutigen Zeit? Dazu ein Konzept von Wilhelm Heinen. Das Konzept der indirekten Fragen. Heinen behandelt Fehlformen der Liebe, wie sind die zu verstehen und wie kann man die heilen. Dazu bringt er die Moralpsychologie mit ins Spiel. Konzept der indirekten Fragen ist: Jeder Mensch stellt Fragen normal mit Worten. Indirekte Fragen sind Fragen durch das Verhalten, nicht mit Worten. Man muß nun schauen, was es für eine Frage ist. Wie kann ich die beantworten? Diese fragen sind hier problematische Verhaltensweisen, z.B. Fehlformen der Liebe. Der Ausgangspunkt der Deutung ist die Wahrnehmung des Menschen in der Gesellschaft. Heinen sagt: Der Mensch lebt in Kultur des Bewußtseins und der Triebdynamik. Es betont das geistig rationale des Menschen, also das obere, und es betont das Triebhafte, das Untere. Aber die Mitte, die nach Sinn sucht, geht dabei leer aus. Kultur des Bewußtseins überbetont die Ratio, den Verstand und den Zweckwillen, der alles umsetzen will. Also Sachverstand, Zweckwillen und Bewußtsein. Triebdynamik meint: Triebe nach Haben wollen, siehe Werbung. Weiter: Genießen wollen und dritter Trieb: Gelten wollen. Unterbelichtet ist der Bereich der Mitte. Das wäre alle Emotion, Sinnsuche, was vermittelt dem Menschen Zugehörigkeit. Und Frage nach verläßlichen Beziehungen, Geborgenheit. Aus dem Mangelzustand nun entwickeln sich indirekte Fragen: Wie kann der Mangelzustand beseitigt werden? Beispiele dafür. 1.: Inadäquates Verhalten, z.B.: Aggressivität, Trotzverhalten, Eßstörung, Sprechstörung. Viele Kinder haben heute verzögerte Sprachentwicklung, weil keine da sind, mit denen man sprechen kann. Wenn sich nun einer auffällig kleidet und schlimme Geschichten erfindet, nur um aufzufallen, Aufmerksamkeit zu erregen, das ist dann indirektes Verhalten. Anderes Beispiel: ADS – Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivsyncrom. ADS meint: Man redet gegen eine Wand, Kinder passen nicht auf. Hyperaktiv meint: Man kann nicht still sitzen. Mit inadäquatem verhalten wird gefragt: Werde ich gesehen? Dazu muß man wissen. Leistungen streben danach, daß das Kind hören will: Das hast du gut gemacht. Leistungen sind adressierte Phänomene, man will wahrgenommen werden. Ein solches schwieriges Verhalten kann gelöst werden durch Zuwendung. 2.: Konflikte mit der Zeit: Das ist: störende Unpünktlichkeit, Hetze. 3.: Konflikte mit dem Raum: Ein Kind soll einen Baum malen, das ist dann, wenn einer keinen Baum auf ein Blatt Papier bringt, wenn einer mit dem Raum nicht zurecht kommt, wenn einer ständig wo anstößt. 4.: Umgang mit Geld. Dazu nun ein weiterer Bereich, wo diese fragen kommen: Der Leistungsbereich; Leistungsabfall oder gar -ausfall. Woher kommt die Unfähigkeit, an die Arbeit zu gehen? Kinder, deren Elternhaus nicht stimmt, sind weniger leistungsfähig. Wie lautet da die indirekte Frage des Kindes? Ihr Eltern, schaut auf euere Situation, daß die wieder in Ordnung wird. Leistungsschwund kann auch daher kommen, daß zuviel erwartet wird von den Kindern. Überforderungen entmutigen einen. Ruth Kohn meint, man solle in der Schule nicht nur nach Leistungen bewerten, es gibt mehr als Sieger zu sein. Auch das Verhalten wäre wichtig, auch mal andere loben, nicht nur die mit den besten Noten. Ein weiterer Bereich für indirekte Fragen: Delikte und Vergehen, also da, wo ein Rechtsbruch ist, das ist indirekte Frage. Weiterer Bereich: Erkrankung. Heute fragt keiner mehr: Welchen Sinn hat diese Krankheit hier und jetzt. Krankheit ist mehr als nur ein somatisches Problem. Letzter Bereich nun: Der Zustand höchster Verzweiflung als Suizidversuch. Dieser ist meist ein Apellversuch: Man sieht keinen Ausweg mehr zu leben.
Was hat das alles für eine Bedeutung für die Moraltheologie: Wenn Leben gelingen soll, braucht es mitmenschliche Begleitung. Die indirekten Fragen zeigen, wie Menschen sich schwer tun, zurecht zu kommen. Die Moraltheologie muß dazu eine Lebensbewältigungslehre sein. Was gehört denn zur Lebenskompetenz dazu? Unterscheiden können zwischen gut und schlecht, auch sich entscheiden können, ein Verhalten zu ergreifen, das andere aber dann zulassen. Dann lernen können, sich an neue Umgebung gewöhnen können, dann Entwicklung von Beziehungsfähigkeit von Freundschaften. Dann ertragen können, dann die Polarität zwischen Beginnen können und Aufhören können. Dann zugreifen können und verzichten können, dann: glauben, hoffen, und lieben können. Heute genügt es nicht, nur Forderungen zu stellen, sondern wichtig ist, auch zu fragen: wie kann der sittliche Anspruch verwirklicht werden? Es ist die Frage nach dem sittlichen Können. Die indirekten Fragen zielen darauf hin, Hilfen zu bekommen durch mitmenschliche Begleitung. Wilhelm Heinen hebt hervor, daß diese Fragen auf bestimmte Personen sich beziehen: Es sind familiäre Personen, die der Mensch braucht. Peter Struck zeigt unter anderem, wie wichtig die Sprachfähigkeit und die Bewegungsfähigkeit bei der Erziehung des Kindes zu beachten ist. Auch die Entfaltung der Sinne, die Entfaltung des Spielens, der Umgang mit Medien. b) Ein Psychotherapeut ist: Helm Stierlin. Er nennt die Gesellschaftssituation Haltsuche in Haltlosigkeit. Er fragt: Woran kann man sich heute noch halten, wenn alles fließt? Denn was gestern Halt gab, gilt heute nicht mehr. Wichtig wären haltbar machende Beziehungen. Wichtig ist, daß jeder Prioritäten setzt und sich für etwas entscheidet. Sucht ist: Ausdruck einer gestörten Selbstregulation. c) Eugen Biser versucht die Gesellschaft zu beschreiben. Er zeigt: Der Mensch der Gegenwart ist gekennzeichnet durch den gebrochenen Lebenswillen. Es ist ein Unvermögen des Menschen zu sich selber. Dieses erwächst aus der Wurzel der Angst. Und die Angst ist der Nachbar der Einsamkeit, ein einsamer Mensch ist der Angst ausgesetzt. Biser weiter: Die Gesellschaft ist da nicht förderlich, sondern eher frustrierend. Die Menschen sind eine anonyme Masse. Der Mensch fragt heute: Warum muß ich sein?

2.      Die Zielgestalt des Werdens
Was ist das Ziel des Weges, wohin geht die Reise. Werden ist die Entfaltung des Menschen. Zielgestalt bedeutet das, Woraufhin der Entfaltung. Wenn wir Ziel entwerfen, dann muß das Ziel dem inneren Wesen des Menschen entsprechen. Man kann die Zielgestalt des Werdens auch sehen als Beitrag zum Gelingen des Lebens. Worin besteht nun die Zielgestalt? Vorläufige Antwort: Es ist der beziehungsfähige und selbständige Mensch. Darin stecken zwei Begriffe: a: Selbständigkeit, Autonomie und Freiheit Das wird heute leider oft überbetont, aber das Ziel ist schon berechtigt. Der Mensch will ja Ich selbst werden. Der Mensch soll in sich ruhen, in sich selber Stand gewinnen. b: Die Beziehungsfähigkeit. Schon das Leben beginnt mit Beziehung bei der Geburt. Beziehung gibt es zweifach: gegenüber und enthalten im Mutterleib. Beziehung sein ist der Anfang von allem, da ist man noch nicht selbständig. Auch am Lebensende ist Selbständigkeit oft erloschen, aber man ist noch in Beziehung. Man kann nun sagen: Leben gelingt in dem Maße, wie der Mensch beziehungsfähig wird und wie er dann selbständig wird. Nun muß man die Zielgestalt näher präzisieren. Dazu muß man Beziehung und Selbststand ethisch näher differenzieren. Denn Autonomie kann ja auch heißen: rücksichtslos. Wichtig ist dazu der Begriff der Liebe. Was heisst Liebe? 1.: Liebe ist Sehfähigkeit auf den anderen Menschen, den anderen wahrnehmen, b: die Bereitschaft, den anderen in seiner Andersartigkeit anzunehmen. Zum annehmen gehört auch immer das Neinsagen können. Ist eine Polarität zwischen ja und nein 3.: Dem anderen Lebenshilfen geben, die der andere zum Leben braucht. Das Zielbild der Entfaltung ist der liebende Mensch. Das bezieht sich auf mehreres. a: Auf sich selbst, z.B.: Ich gönne mir ein Frühstück morgens. b: Liebe zum anderen. c: Liebe zu Gott. d: Liebe zur Natur. Ziel der Entfaltung ist der liebende Mensch das wird zweifach unterstützt. a: Alois Ethmaier schrieb Buch mit Titel: Dialogische Ethik. Er will egologisches Denken überwinden und ein dialogisches Denken fördern. Das dialogische Denken ist Du-bezogen. Ethmaier sagt: Die Liebe ist die Norm ethischen Handelns. Ethmaier stellt dialogische Denker dar, z.B. Martin Buber, Franz Rosenzweig. Einige Gedanken dazu auch von Ferdinand Ebner. Man muß über die egozentrische Daseinsinteresiertheit hinauswachsen. Der Abgrund ist die Du-losigkeit und damit verbunden die Ich-Einsamkeit. Ziel für Ebner ist, in die Offenheit der Du-Begegnung zu kommen. Das Gegenteil ist Nietzsche. Er will aus dem Gegenüber-sein heraus. Nach Ebner gelingt das durch die Liebe und durch das Wort als Wege aus der Ich-einsamkeit. Die Gesprächsfähigkeit ist da wichtig. Beziehungsfähigkeit und Selbständigkeit sind Bedingungen für die Gesprächsfähigkeit. Vorbedingung für Gespräch ist aber auch: mit sich allein sein können. Gespräch ist nicht Unterhaltung, Besprechung, Selbstgespräch. Welche Hauptmerkmale hat ein Gespräch? Basis ist Vertrauen, der Mensch fühlt sich ein in den anderen, und ist zugleich ganz bei sich, er entfaltet sich also selbst. Das Gespräch stellt auch ein sehr gutes Therapeutikum dar. b: Konzeption von Jörg Willi. Schreibt über die Psychologie der Liebe. Er ist Fachmann in der Paartherapie. Er hat relationale Psychotherapie. Seine Richtung heißt daher: Beziehungspsychotherapie Ausgangspunkt dieser Richtung ist: Wir sind in Zeit der Destabilisierung, der Relationalität. Er stellt fest: Heute steht im Vordergrund die Entwicklung und Gestaltung von Beziehungsprozessen. Heute muß man sich nicht mehr von Beziehungen unabhängig machen, so wie 1968, sondern man muß fähig werden zu Beziehungen. Willi basiert auf der Rückverbindung von Psychologie, Philosophie und Theologie. Willi hat also anderes Menschenbild als Grundlage. Er sagt: Der Mensch entwickelt sich aus Beziehungen, diese fordern heraus zu Beziehungen, sie begrenzen Beziehungen und unterstützen Beziehungen. Diese drei Dinge nennt Willi. Grundvoraussetzung bei ihm liegt in der Frage enthalten: Wer wären wir heute, wenn wir nicht bestimmten Menschen begegnet wären? Man muß jetzt Beziehungen so schaffen, daß sich das Potential entfalten kann, das jeder in sich hat. Außerhalb Beziehung gibt es kein psychisches Leben. Bei Willi ist dann wichtig das beantwortete Wirken. Das meint: Jeder Mensch sucht in seinem Beziehungsfeld etwas zu bewirken, dann will der Mensch, daß dieses Wirken von anderen beantwortet wird. Der Mensch ist bestrebt zu wirken und will beantwortet werden. Für die Psyche ist es wichtig, von der Mitwelt beantwortet zu werden. Formen des Wirkens sind die Leistung, das Ausüben von Einfluß oder andere in ihrem Wirken unterstützen. Jeder sucht sich so eine Umwelt, wo er sich am besten entfalten kann. Der Mensch ist am meisten damit beschäftigt, die Wirkungen zu beobachten, die anderen auf das Wirken hin zeigen. Man beobachtet, wie andere das eigene Wirken beantworten.

3.      Die Vielfalt von Beziehungen
a: Zwischenmenschliche Beziehung. Da gibt es zwei Variablen, die die Vielfalt ausmachen. Das Alter und das Geschlecht Das Alter: Beziehung zu Jüngeren, Gleichaltirgen, Älteren. Das Geschlecht: gleiches oder anderes Geschlecht. Daraus ergeben sich schon 6 Möglichkeiten von Beziehungen. Oft ist das aber eingeschränkt. Manche haben nur Beziehungen zu Jungen. b: Beziehung zu sich selbst. Es ist schon wichtig, mit sich selbst in Kontakt zu sein. Es gibt ja Körpersignale, wichtig ist besonders, daß wir mit unserem Gewissen in Kontakt sind. Das Gegenteil der Selbstwahrnehmung ist Flucht vor sich Selbst. c: Beziehung zur Natur, Bereich der Erholung. Diese Drei werden nun durch vierte Dimension erweitert, das ist eine besondere, weil die vierte Dimension alle drei anderen umgreift: c: Beziehung zu Gott. Das meint: Indem wir der Natur begegnen, können wir der Spur Gottes begegnen. Überall also schwingt die Begegnung Gottes mit. Es finden sich immer Spuren der Liebe Gottes. Die Mystik sagt: In der Tiefe der Seele ruht das Fünkchen, das uns mit Gott verbindet. Der Seelengrund reicht in das Geheimnis Gottes. Dazu wird nun eine bildhafte Form vorgestellt. Es gibt die vier Dimensionen der Bezogenheit. Die vierte Dimension Gott umfaßt alles. Die vier Urbeziehungen sind zunächst einmal zu Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Gott Vater über uns, Jesus uns gegenüber, der Geist in uns. Dann: zum Mitmenschen ist das du und wir. Und das wieder je nach Geschlecht. Zu: Natur: Es gibt belebte und unbelebte, wie Steine, und letztens: zu uns selbst.

4.      Der relationale Aspekt der Moraltheologie in theologischer Sicht
Allgemein gilt: In theologischer Sicht zeigt sich: die Bedeutung der Beziehungen im menschlichen Dasein wird von der heiligen Schrift voll bestätigt. Was heißt theologisch Denken? Die Zeit aus der Sicht der Ewigkeit betrachten. Oder anders: alles aus dem Licht der Offenbarung betrachten. Offenbarung ist: Der ewige Gott kommt als Jesus in die Zeit. Die Offenbarung ist ein Beziehungsvorgang, weil Gott mit den Menschen eine Beziehung knüpft, und zwar durch das Wort, das Fleisch geworden ist. Worin bestand die Haupttätigkeit Jesu? Er arbeitete an Beziehungen von Menschen zu sich selbst und zu Gott und zur Natur. Die Natur kommt bei Jesus in vielen Wachstumsgleichnissen vor. Diese Beziehungsarbeit wird in den Heilungsgeschichten des NT besonders deutlich. Heilung bedeutet: Die vierdimensionale Bezogenheit des Menschen wird durch Jesus ermöglicht. Das sieht man vor allem an den Sinnesheilungen, z.B. Blindenheilungen. Was soll man sehen? Man soll Gott entdecken in der Welt, Gott im rechten Licht sehen, Verabschiedung von falschen und naiven Gottesbildern. Zum Sehenlernen gehört, sich selber und die eigene Lebensgeschichte kennenlernen. Die Bekehrung Pauli wird in der Apg dreimal erzählt. Paulus wird innerhalb von drei Tagen sehend. Drei Tage meint: Der Tag der göttlichen Hilfe. Bei Paulus ist das Sehendwerden eine Umkehr. Ein zweiter Bereich der Heilungsgeschichten: Taube lernen Hören. So ist das Grundgebot des Dtn: Höre Israel. Auch die Berufungsgeschichten sind wie folgt: Einer ruft, der andere hört. Das heißt, der Gipfelpunkt des Hörens ist das Wahrnehmen der Berufung. Dann zum nächsten: Stumme lernen Sprechen. Jesus meint vor allem die Fähigkeit zum Lobpreis Gottes. Lahme können gehen meint: Man kommt in Bewegung, lähmende Selbstzweifel werden überwunden. Nun ein Beispiel für eine solche Heilungsgeschichte. Mk 3: Die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand. Jesus sagt am Sabbat: Stell dich in die Mitte. Was ist die verdorrte Hand? Die Hand ist eines der wertvollsten Organe, die wir haben. man merkt es, wenn wir uns mal geschnitten haben. Hand und Handlung gehört sprachlich auch zusammen. Ist die Hand verdorrt, fehlt das, was zum Leben bestimmt ist. So ein Mann mit behinderter Beziehungsfähigkeit wird von Jesus in die Mitte gestellt. Und die Rettung Jesu ist: Der Mann wird wieder beziehungsfähig, denn der Mann streckt seine Hand aus. Kurz gesagt: Glaube heißt, die Handreichung Gottes ergreifen. Denn in Jesus ergreift der Mensch die Hand Gottes. Bei Johannes erkennt man: Da werden die Wunder Zeichen genannt. Wunder sind Zeichen. Und das erste Zeichen in Johannes ist die Hochzeit von Kana. Es geht da um Beziehung von Mann und Frau. Man muß die Hochzeit von Kana lesen auf dem Hintergrund der Urgeschichte von Adam und Eva. Da kommt jetzt Jesus, um den Menschen in der Bezogenheit zu Gott zu heilen. Auf dem Hintergrund der Urgeschichte erscheint das Kommen Jesu als beziehungsstiftend. Und das ist die Erlösung. Zur Hochzeit von Kana sei gesagt: Erika Lorenz beschäftigte sich mit Teresa von Avilla. Sie schreibt: Jesu Kommen ist ein fröhliches Fest. Jesus verwandelt 600 Liter Wasser in vorzüglichen Wein. Bedeutend ist bei der Hochzeit: Durch Jesus ist eine Wandlung ermöglicht. Welche Wandlung geschieht? Eine Wandlung zum Du und zur Beziehung hin. Der Wein ist auch Symbol für den neuen Menschen. Christus kam nicht in die Welt, um eine Lehre oder Gebote überzustülpen, sondern Jesus kam, um den Menschen in das Geheimnis des Daseins zu führen. Das Grundgesetz des Daseins ist: Der Mensch stammt aus der Liebe und ist zur Liebe bestimmt. Das Gelingen des Lebens hängt davon ab, daß der Mensch in die Grundmelodie des Daseins einstimmt und so in Harmonie kommt. All das kann man verdeutlichen an zwei Grundbegriffen: Reich Gottes und Umkehr. a: Reich Gottes ist da: wo der Mensch ganz Mensch ist, weil er Gott als Gott anerkennt. Reich Gottes ist da, wo Menschen glauben, hoffen und lieben. Glauben meint verwurzelt sein in Gottbezogenheit. Hoffen heißt: in der Enttäuschung den nicht zu verlieren, der unser Leben will. Lieben meint: von Gott geliebt worden sein, und dieses geliebt werden dann beantworten. Liebe ist also eine Antwort, denn Gott hat uns zuerst geliebt. b: die Umkehr ist der Aufbruch in die Du-Begegnung. Also Umkehr ist eine Umwendung, Gott nicht mehr den Rücken zeigen, sondern ihn anschauen. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters: Vor der Forderung des Sollens steht erst einmal das Geschenkt des Glaubens. Diese Erzählung ist ein Selbstbildnis Jesu. Der unter die Räuber gefallene Mensch steht für den Menschen allgemein. Und da kommt jetzt der Gottessohn, der Samariter, der heilt und rettet. Daraus ergibt sich: Ethik lädt in die Nachfolge ein, um an Heil und Rettung des Menschen mitzuwirken. Auf einer Miniatur sieht man einen Engel, der eine Schale bringt. Eine Deutung. Es ist die Schale der Barmherzigkeit. Andere Deutung: Bei Jesus am Ölberg wird bei Lukas berichtet, daß ein Engel kommt und Jesus stärkt. Es könnte auch hier auf der Miniatur der selbe Engel sein, der hier Jesus bei der Rettung der Menschen hilft.

5.      Brauchen wir heute eine therapeutische Theologie?
Eugen Biser sagt: Die Theologie ist heute ein System geworden, man muß sich dabei fragen: Kommt da der einzelne, angeschlagene, leidende Mensch noch vor? Biser meint auch, das narrative der Theologie, das Angesprochenwerden, sei verloren gegangen. Biser sagt: in jeder Heilungsgeschichte bin ich angesprochen, diese Geschichten haben den Menschen heute im Blick. Nun habe sich die argumentative Theo durchgesetzt, da tritt das narrative zurück. Deshalb müsse, wieder das Heilende am Wort Gottes in Blick genommen werden. Aber: In der Wissenschaft ist das nur ein Anklang.

B.   Zum Selbstverständnis und zur Methode der Moraltheologie

1.      Die ethische Grundfrage
Die Ethik ist der Prozeß des Nachdenkens. Die ethische Grundfrage lautet: Was sollen wir tun? Was soll ich tun, damit mein Leben gelingt, was sollen wir tun, damit unser Zusammenleben und auch mein Leben gelingt? Menschliches Leben gelingt eben nicht von selbst. Es gibt viele Gründe für das Scheitern. Aber auch das Scheitern ist nicht einfach nur ein Schicksal. Die beiden Extreme: Totale Freiheit und Diktatur. Der Mensch muß sein Werden dazwischen entfalten. Es ist eine Reifung wie in der Natur, da muß eine Frucht reifen. Das Bild der Reifung aus der Natur wird nun ins Personale übertragen. Der Mensch ist Person, er hat Freiheit. Diese Person muß nun sein Leben entfalten, es reifen lassen. Gutes sittliches Handeln fördert das Reifen. Wie sehr es auf den Menschen bei der Reifung ankommt, sieht man besonders an Weggabelungen, wo man sich in Konfliktsituationen entscheiden muß. Ein Mensch muß sich immer wieder entscheiden, in welche Richtung man gehen soll. Bei Weggabelungen geht es nicht nur um Verhaltensweisen, sondern auch um Sinnentwürfe, Welchen Sinn gebe ich meinem Leben? Wozu lebe ich, was ist der Sinn? Auch das muß ich wählen. Wähle ich falsch, gerate ich in Widerspruch zu mir selbst, ich lebe im Widerspruch mit mir selbst. Wir kommen aber dann auch zu Widersprüchen mit anderen Menschen, dann komme ich in Isolation zu anderen Menschen. Falsche Entscheidungen haben also auch Konsequenzen für mich selbst, für den Mitmenschen und auch für die inhumane Natur, also die Tiere und Umwelt. Und schließlich kommt die vierte Beziehungsdimension dazu: die Beziehung zu Gott. Da kann man fragen, wenn die Beziehung zu Gott fallen gelassen wurde: Welchen Sinn hat das Leben dann ohne Gott? Die Situation der Entscheidung an Weggabelungen ist ein altes Bild. Kommt schon vor im Herakles-Mythos. Herakles muß entscheiden, ob er den Weg der Tugend oder den der Laster geht. Da setzt er sich auf eine Bank und überlegt. Da kommen zwei Frauen auf ihn zu. Die eine ist die Lasterfrau, die sagt: Du wirst keine Mühen haben, du wirst alle Freuden gewinnen. Die Tugendfrau sagt: Ich kenne dein Wesen, Herakles. Du kannst gute Taten vollbringen. Dann kommt es zur Diskussion zwischen beiden Frauen. Pointe ist: Das Glück wird nur erreicht durch das Tun des Guten. Beim Sinn des Lebens geht es immer um Wegetappen, um Zielpunkte, man muß auch mal in die Einsamkeit gehen und sich prüfen, denn eine Entscheidung kann mir letztlich keiner abnehmen. Kirkegaard nennt diese Entscheidung: Die Wahl der Wahl. Entscheidung meint auch immer Verabschiedung von nicht verwirklichbaren Möglichkeiten. Voraussetzung für eine Entscheidung ist die Einsicht in die Werte, um die es geht. Drei Schritte: erkennen, unterscheiden, sich entscheiden. Worauf läuft alles hinaus? Es muß eine Erfahrung des ethischen Anspruchs kommen. Es muß die Frage auftauchen: Was soll ich tun? Dieser Anspruch taucht auf im Gewissen. Der Heraklesmythos zeigt die beiden Wege, die beiden Frauen also, sind nicht gleichwertig, denn der Lasterweg führt ins Verderben.

2.      Die ethische Frage im Kontext des Glaubens
Der Mensch ist in Entscheidung. Jes Sir 15,14: Gott hat den Menschen erschaffen und ihn der Macht der eigenen Entscheidung gelassen. Gaudium et spes greift das auf: Die Schöpfung ist die Entlassung des Menschen in die Freiheit, und da soll der Mensch frei ja sagen zu Gott. Die ethische Frage aus Glaubenssicht meint: Wir sollen nach Gott suchen und ihn erkennen, erkennen meint den Ruf erkennen, der an uns geht. Lk 3,10 zeigt: Die Leute fragen Johannes den Täufer, wie Umkehr konkret aussehen soll. Da gibt Johannes dann konkrete Antworten. Menschen kommen zu Johannes aus ihrer Situation heraus. Das selbe ist mit dem reichen Mann und Jesus. Der Reiche fragt: Was soll ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Diese ist die klassische ethische Frage. Jesus gibt dann Antwort. Der Reiche fragt aber weiter. Darauf sagt Jesus: Alles verlassen und nachfolgen. Das kann der Reiche nicht. Theologisch kann man sagen: Es gibt allgemeine Berufung, das Heil und das ewige Leben zu gewinnen. Heil ist Leben mit Gott, communio mit Gott. Und es gibt die individuelle Berufung, wo der Mensch in seiner Einmaligkeit angerufen wird. Die individuelle Berufung findet man in Existenzialethik, so Karl Rahner. Eine andere Bibelstelle zur Entscheidung ist, wo Saulus zum Paulus wird. Apg 9.23.26: In diesen drei Kapiteln steht es jeweils. Da ist die Frage des Paulus: Herr, was soll ich tun? Die Frage ist gestellt im Dialog mit dem Herren. Jesus selbst gibt dann keine präzise Antwort, sondern verweist auf den Hannanias. Daran sieht man: Christliche Ethik ist responsorische Ethik, Anwort auf den Ruf Gottes. Es gibt drei Komponenten für das ethische Handeln im Glauben: a: Der Ursprung des ethischen Anspruchs. Wo kommt der Anspruch her? Es ist Christus, der uns anspricht. b: Die zweite Komponente der christlichen Ethik ist das Ziel des Rufes, die Ewigkeit, Ziel ist nicht diese Welt. c: Was sind die Verwirklichungshilfen, damit der Mensch im Glauben sein Ziel erreichen kann. Das ist die praktische Glaubensausübung, dazu gehört: Glaubensgemeinschaft, Schriftbetrachtung, Liturgie, Sakramente, Eucharistie, Gebetsleben in Stille. Eine Kurzformel der responsorischen Ethik ist: die Person Jesus selbst, die uns zeigt, was das Geheimnis des Menschen selbst ist.

3.      Erste terminologische Klärungen
Erster Begriff: Ehtik, griechisch Ethos, hat zwei Varianten. a: Mit Epsilon. Damit ist gemeint Gewohnheit, Sitte, Brauch. Gewohnheit ist: Wer durch Erziehung daran gewöhnt ist, wie er handeln soll. b: Mit Ätha. Führt einen schritt weiter; es geht da um ehtisches Handeln im eigentlichen Sinn. Da übernimmt man nicht einfach eine Gewohnheit, sondern aus Einsicht und Überlegung tut man das richtige. A kann man auch nennen: sozial auferlegte Sittlichkeit, b: personal bejahte Sittlichkeit, da erkennt einer das Gute und will das für sich selbst verwirklichen, einfach nur deshalb, weil es gut ist. Ehtos im Deutschen meint die Gesamtheit des verantwortlichen Verhaltens, das sich an Regeln hält. Da gibt es wieder Unterscheidungen: Das Ethos des Einzelnen, oder das Ethos einer bestimmten Gruppe, z.B. das Ethos eines Lehrers. Dann: ethisches Handeln, das ist ein Handeln, das einen sittlichen Anspruch verwirklicht. Allgemeiner Anspruch wäre, das Gute zu tun, das Böse zu unterlassen. Geboten, verboten, erlaubt, nicht erlaubt. Dann: Ethik ist das systematische Nachdenken über das gelebte Etwas. Ethik ist also die wissenschaftliche Disziplin über den Ethos, Ethos ist das, was der Mensch als verbindlich ansieht, nach dem er lebt. Die Ethik fragt, ob ein Anspruch, der gegeben ist, gültig ist. Was ist das Gesollte, warum sollen wir es tun, wie können wir das verwirklichen. Moral, kommt von lat. mos: Sitte. Das Wort Moral ist ein anderes Wort für Ethos. Dann gibt es eine weitere Unterscheidung: Moralität oder Sittlichkeit ist ein Handeln, das sich dem Anspruch des Guten verpflichtet weiß. Sittlichkeit meint: Da ist schon die Erkenntnis, die Bejahung dabei. Das Sittliche ist der Anspruch der Wirklichkeit. Sittlich Handeln ist dann, den Sollensanspruch der Wirklichkeit handelnd zu beantworten. Es gibt zwei Seiten der Sittlichkeit: Die subjektive Seite, wo es um den sittlich Handelnden geht, und die objektive Seite, die inhaltliche Seite, da geht es um normative Weisungen. Moraltheologie ist die theologische Ethik, sie beschäftigt sich mit dem sittlichen Handeln im Kontext des Glaubens und ist keine einheitliche Größe. Ein Wendepunkt in der Geschichte ist vor allem da das zweite Vaticanum. Wir werden nun also nur einen Ausschnitt dessen kennenlernen, was Moraltheologie ist. Dabei ist weiter zu bedenken, daß biographische Motive miteinfließen, denn es geht immer um existentielle Betroffenheit.

a) Die autonome Ethik im christlichen Kontext (Alfons Auer): Diese soll Neuentwurf der katholischen Moraltheologie nach dem Konzil sein. Auer will eine neue Findung und Begründung von sittlichen Weisungen. Diese Begründungen sollen kommunikabel sein. Es geht darum, daß man einen vernünftigen Dialog führen kann, auch mit denen, die den Glauben nicht teilen. Das bedeutet: Ich kann eine Norm nicht begründen durch die Bibel oder das kirchliche Lehramt, sondern es muß vernünftige Gründe geben, die dafür sprechen, ein Verhalten als verbindlich anzusehen. Erst im zweiten Schritt werden dann die vernünftigen Überlegungen mit dem Glauben konfrontiert. Also zwei Schritte: Vernünftige Überlegung und Glaube. Das vernünftige Denken macht ja die Philosophie, was ist dann typisch für die Moraltheologie? Das spezifische sieht Auer im zweiten Shritt: Also die Deutung dessen, was die Vernunft erkannt hat, im Licht des Glaubens zu deuten. Auer geht also aus von der Autonomie des Sittlichen. Das meint: Der sittliche Anspruch wird aus Erfahrungen gewonnen, nicht aus der Bibel oder dem Glauben. Das meint Autonomie. Auer hat bei diesen Überlegungen das Weltethos im Blick. Das meint, die Gebote 1 bis 3 des Dekaloges beziehen sich auf das Heilsethos, es geht um den Menschen. Die Gebote 4 bis 10 meinen das Weltethos, da geht es um das Zusammenleben der Menschen. Weltethos ist also: normative Regelungen, die alle Menschen betreffen, egal ob sie Glauben oder nicht. Bei Auer geht es um die Normen des Weltethos. Wenn nun die Autonomie des Ethos, des Sittlichen gilt, also unabhängig vom Glauben, was will dann der Glaube? a: Der Glaube motiviert zum sittlichen Handeln, motiviert, die Würde des Menschen anzuerkennen. b: Der Glaube hat eine dreifache Funktion im Blick auf das Nachdenken über etwas. Dies war eine Definition von Vernunft. Der Mensch macht Erfahrungen, aus denen ergeben sich dann Sittlichkeiten. Diese Erfahrungen meint Vernunft. Der Glaube hat nun dreifaches 1.: Er integriert. Also man nimmt das Vernünftige in sich selbst auf. 2.: Er stimuliert zum Weiterdenken, nicht stehen zu bleiben. 3.: Er kritisiert die Vernunft. Bei Auer geht es darum, daß sittliche Urteile wahrheitsfähig sind. Diese Sittlichkeiten kommen aus: Erfahrung und vernünftigem Nachdenken über die Erfahrung, nicht aber aus dem Glauben. Das Sittliche ist nicht ein Oktroi, also eine Auflage, sondern in der Wirklichkeit des Menschen gibt es Sinnstrukturen, die muß man erheben, und in denen ist das Implikat des Ethischen enthalten. Der Vorteil eines solchen Nachdenkens besteht darin: Das Gute ist nicht eine Auflage eines anderen, sondern das Gute entspricht der Wirklichkeit des Menschen. Auer argumentiert also: In der Wirklichkeit des Menschen die Sinnstrukturen aufdecken, in denen das sittlich Gute schon enthalten ist. Beispiel: Was ist die Sinnstruktur der Sprache? Es ist die Ausrichtung des Menschen auf Wahrheit.

b) Glaubensethik (Bernhard Stöckle): Er bekämpfte den autonomen Denkansatz mit diesem Ansatz: Der Mensch ist mit Erbsünde behaftet, der Mensch ist der gefallene, mit Unheil besäte Mensch. Folge: Der Mensch ist sittlich nicht sicher, und kann sich nicht selbst verwirklichen. Die verlorengegangene Gnade kann man nur durch Glauben wiederbekommen. Sicherheit nur durch Glauben. Der Glaube garantiert menschliche Erkenntnisse. Was folgt daraus für die Normfindung? Stöckle sagt: Bei der Ethik geht es um den Menschen, das eigentliche liegt im Glauben an Jesus. Stöckle spricht dem Glauben unmittelbaren Einfluß auf den sittlichen Prozeß zu. Der Glaube ermöglicht sittliche Normierung. Die sittliche Findung ist notwendig auf den Glauben verwiesen. Glaube ist also mehr als nur Motivationskraft. Der Glaube erschließt selbst die Sinnwerte. Beispiel: Die Personenwürde, die an Gott festgemacht wird, oder: Hoffnung auf Friede, Gewaltverzicht. Der Unterschied zu Auer ist: Allein durch Glaube kann man Normen sicher begründen. Und Stöckle sagt: Bestimmte Normen sind nur für den Gläubigen einsehbar.
Nun die kritische Bewertung der beiden ersten Ansätze: Auer wollte ja die Ethik so begründen, daß man mit allen Menschen Kommunikation treiben kann, die nicht glauben. Hier ist Auer zuzustimmen. Aber leider richtete sich Auer als 68er gegen die Kirche. Auer meinte eben: der Mensch braucht eine vernünftige Begründung, um die muß man sich bemühen. Bei Auer muß man wissen, daß er von 1968 geprägt ist. Heute dagegen fragt man: Woran kann ich mich halten? Was gibt mir Sicherheit im Gewirr der Stimmen? Was an Auer weiter Problem ist: Die Betonung der Freiheit und der Vernunft des Menschen. Heute gibt es mehr einen Einsichtsnotstand. Heute braucht man grundsätzliche Werterfahrungen, die voraussetzen, daß man verstehen kann. Vor der Begründung steht immer die Erfahrung. Beispiel Ehe: Kann ich die nur durch Vernunft begründen, oder muß ich bestimmte Werte erst mal erfahren haben, damit ich bestimmte Vernunftargumentationen einsehen kann? Stöckle dagegen forderte schon immer das Vorbildethos. Er fordert also auch eine Kommunikation des Ethos, aber nicht rational, sondern durch das Zeugnis. Ein Zeugnis in folgendem Sinn: Liebt einander, daß die Welt es sieht und damit glaubt. Problem an Stöckle ist: Verhältnis von Glaube und Vernunft. Bei Stöckle bestimmt der Glaube die Vernunft direkt. Das ist nicht direkt so, denn es gibt Dinge, die haben keine Grundlage in der Bibel.

c) Hermeneutische Moral (Johannes Reiter): Es ist der dritte Weg neben Auer und Stöckle. Maßgeblich für den dritten weg ist Klaus Dämmer. Der hermeneutsiche Weg stammt also von Dämmer. Hier ist es nun so: Der Glaube beeinflußt nicht mehr direkt und unmittelbar, sondern der Glaube beeinflußt indirekt, und zwar durch das Menschenbild. Dieses vermittelt zwischen Glauben und Vernunft. Das Menschenbild erhält eine Sinndeutung auf die Frage: Wer und wozu und wohin geht der Mensch? Im Menschenbild ist der Rahmen, wo sittliche Urteilung geschieht. Beispiel: Wie wird der Mensch verstanden? Ist er nur geworfenes Dasein? Dann gibt sich ganz andere Ethik und Ethos. Oder ist der Mensch geliebtes Geschöpf? Dann ist wieder anderer Ethos da. Der Glaube erleuchtet die Vernunft, das christliche Menschenbild ist die Inspiration dafür. Wichtig zur Orientierung ist auch die Frage: Warum ist Gott Mensch geworden? Bei Dämmer gibt es eine relationale Autonomie der Vernunft. Das Nachdenken über Moral geschieht im Bezug auf das Licht Gottes, der sich in Jesus offenbart hat. Zusammenfassend gesagt: Die hermeneutische Moral greift die Vorteile von autonomer Ethik und von Glaubensethik auf und sagt dann dazu: Der Glaube impliziert ein Menschenbild, von dem aus ist ein neuer Rahmen gegeben, indem nach sittlichen Weisungen gefragt wird. Bei der autonomen Moral wäre es so, daß die Vernunft ganz vorn steht, bei der Glaubensmoral ist der Glaube das allein Führende. Dämmer bringt beides in Relation mit Hilfe des Menschenbildes, das als Rahmen gilt. Daraus kann man sagen: Moraltheologie zeigt die ethische Erforschung des christlichen Menschenbildes. Jetzt fragen wir: Was meint hermeneutisch? Die Kunst des Verstehens und der Auslegung von Sinn der Texte. Für Hermeneutik ist Geschichtlichkeit wichtig, denn man versteht nur, wenn man die Geschichte des Nachdenkens mitbedenkt. Wir stehen nicht auf dem Nullpunkt, sondern in einem geschichtlichen Wachstum. Da gibt es Tradition, das sind Erfahrungen von Menschen, die sich bewährt haben. Die Hermeneutik betreibt die sachgerechte Auslegung von Texten, indem sie die Zeitgeschichte mitbedenkt. Hermeneutik überspringt die Zeit und fragt: Was will ein alter Text mir heute sagen? Hermeneutik ist der Versuch den Zusammenhang von Text und Kontext herzustellen. a: Was ist der Kontext damals? b: Was muß der Text uns im Kontext heute sagen? Eine Kategorie der Hermeneutik ist die Deutung von Sinn, also zu fragen: Was ist die Aussageabsicht? Dämmer definiert die Moraltheologie als die wissenschaftliche Lehre von Gottes Heilshandeln am Menschen, will das christliche Menschenbild ethisch aufschlüsseln. Anders: Was bedeutet es für das sittliche Handeln, daß Gott Mensch geworden ist und ans Kreuz gegangen ist? Da kann man nun hermeneutisch fragen: Was bedeutet das für die Zeit von heute? Das Heilshandeln Gottes findet Höhepunkt in der Menschwerdung. Dadurch öffnet sich auch ein Zugang zum Geheimnis des Menschen. Jesus macht also dem Menschen den Menschen kund. Und erschließt ihm seine höchste Berufung. So sagt GS 22. Damit ist die Christologie der Höhepunkt der Anthropologie. Der Moraltheologie geht es um das Heil des Menschen und das humane Wohl. Die beiden Begriffe muß man differenzieren. Ein grundlegendes Anlegen der Moraltheologie ist es, daß sie Lebenshilfe leisten will. Das will auch die hermeneutische Moral. Dämmer sagt: Sittlich handeln heißt mit Geschick und Verhängnis zu recht zu kommen.

d) Personale Ethik (Hans Rotter): Für Rotter ist es wichtig, die Anliegen des Menschen herauszustellen, die mit dem Personsein zusammenhängen. Der Mensch ist nicht nur Leib, sondern auch Person. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts hat da entsprechend den Personalismus. Vertreter: Buber und Guardini. Personaler Ethik geht es um: der Mensch ist Person. Drei Merkmale dazu. A: Der Mensch ist einmalig. B: Der Mensch hat ein gewisses Maß an Freiheit. Und dazu gehört auch die Verantwortung, die jeder hat. C: Des weiteren gehört zum personalen Menschenbild: Der Mensch entfaltet sich in Beziehung zu Personen. Ein anderer Aspekt des personalen Menschenbildes ist die Zeitgestalt der personalen Wirklichkeit. Rotter sagt dazu: Der Mensch ist eine Werdewirklichkeit. Es ist ein lebenslanger Prozeß, man ist nie fertig. Rotter sagt: Moraltheologie ist eine Lehre vom Werden der sittlichen Persönlichkeit und von der Gestaltung der menschlichen Lebensgeschichte. Nun ein weiterer Aspekt, der zur personnalen Moral gehört, der aber auch zur hermeneutischen Moral gehört. Es geht um die heilsgeschichtliche Begründung der Moral. Nun also zuerst zum Begriff Heilsgeschichte. Da steckt drin: die Geschichte. Das meint: Zu jedem Mensch gehört Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Zur Geschichte gehört nun, daß in der Gesellschaft Einsichten wachsen, es werden Entscheidungen getroffen, für die bestimmte Werte maßgeblich sind. Wenn nun der Mensch sich ins Böse verstrickt, wie in der Nazizeit, dann wird die Geschichte zur Unheilsgeschichte. Eine heilsgeschichtliche Moral bedenkt die Geschichte aus dem Licht Gottes heraus, also aus der Sicht der Ewigkeit. Zum Heil gehört also immer die ewige Bestimmung mit dazu. Zwei Beispiele für Heilsgeschichte: Der Exodus des Volkes Israel und die Menschwerdung Gottes, letztere ist nicht gewaltsam, es hat mit Freiheit zu tun. Also der Mensch muß sich in Freiheit für die Menschwerdung entscheiden. Der ethische Aspekt ist: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Handeln Gottes, das ja die Heilsgeschichte ist, für das Handeln des Menschen? Wenn Menschen auf den Ruf Gottes antworten, dann wendet sich die Unheilsgeschichte zur Heilsgeschichte. Die Urkunde unseres Glaubens, die heilige Schrift, zeigt uns, wie Menschen immer wieder zur Umkehr gerufen und berufen werden. Somit ist Heilsgeschichte wesentlich Berufungsgeschichte. Was Heilsgeschichte ist, wissen wir jetzt. Was ist demgegenüber: schöpfungstheologisches Denken? Da wird alles aus dem Licht der Kreatürlichkeit heraus behandelt. Weil wir Geschöpf sind, deshalb ergibt sich das Sein, die Sexualität und vieles mehr. Heilsgeschichtliche Dimension dagegen ist: Man wird von Gott berufen und entscheidet sich dann freiwillig. Die Hoffnung des Menschen besteht in der Heilsgeschichte darin, daß Gott die Liebe ist und daß ich immer mehr liebender werde.

e) Moraltheologie und Vaticanum II: Zwei Aussagen sind da zu zitieren. A: Die Öffnung des Konzils für den Dialog mit der Welt. B: Eine spezifische Anweisung des Vaticanum II für die Moraltheologie. A: Dialog mit der Welt. Das Konzil läßt eine hohe Wertschätzung der Profanwissenschaften erkennen, so GS 62: Die Theologen sollen die Lehre des Glaubens den Menschen in ihrer Zeit vermitteln, dazu braucht es andere Wissenschaften, durch die soll der Mensch zu einem reineren und reiferen Glaubensleben kommen. Veritatis splendor sagt: Die Wahrheit der Theologie ist in ihrem Umfeld zu entfalten. B: Da steht im Dekret über die Priesterausbildung: Man verwende besondere Bedeutung für die Moraltheologie. In ihr muß die heilsgeschichtliche Bedeutung gefördert werden, um Antworten auf die Zeit zu geben. Von der Moraltheologie wird eine wissenschaftliche Begründung erwartet. Die Hauptaufgabe der Moraltheologie wird formuliert: die Berufung aufzuzeigen, die dem Menschen geschenkt ist, denn jeder hat eine Berufung in Christus. Es geht also um Berufung, die soll in Liebe Frucht tragen für das Leben der Welt. Jeder hat eine Berufung, nicht für sich, sondern für das Leben der Welt.

f) Moraltheologie im Dienst des gelingenden Lebens: Definition: Ethik forscht nach dem Sein und Werden, nach dem Erkennen und Handeln des Menschen unter der Rücksicht der Frage nach dem Beitrag der verantwortlichen Person zum Gelingen des personal-relationalen Reifungsprozesses. Der Ethik geht es um das Sein und Werden des Menschen. Wer ist der Mensch und wie kann der Mensch er selbst werden in den Beziehung, in denen er lebt und die ihm aufgegeben sind? Es weiter um das Erkennen und Handeln des Menschen, und zwar immer um das sittliche. Wie vollzieht sich sittliche Erkenntnis und sittliches Handeln? Welche sittlichen Orientierungen sind da bedeutsam? Prinzipien, Tugenden, Normen. Prinzip ist z.B. die goldene Regel. Da muß man nach dem Subjekt des Handelns fragen, das ist die allgemeine Moral; die spezielle Moral geht dann um bestimmte Inhalte. Sittliches Erkennen und Handeln sollen dazu dienen, daß das Leben gelingt. Was kann jeder einzelne dazu beitragen? Wichtig also: Person. Dazu gehört ein gewisses Maß an Freiheit und die Möglichkeit, auf einen Anspruch zu antworten, und Verantwortung zu nehmen. Verantwortung immer doppelt: Selbstverantwortung für mich und Verantwortung für andere. Moraltheologie ist eine Glaubenswissenschaft. Also nicht nur Vernunft-erkenntnis, sondern auch die Offenbarung ist Quelle der Moral. Die Offenbarung bedarf nun der Deutung, dazu braucht es die Tradition. Folge: Die Tradition ist neben Vernunft und Offenbarung eine weitere Quelle der Moraltheologie. Zur Tradition gehören die Aussagen des Lehramtes, da sollen die Aussagen des Glaubens auf die Gegenwart übertragen werden. Diese Definition darf nicht individualistisch gesehen werden. Das sieht man schon daran, daß sich ja die Moraltheologie relational entfaltet. Also in Bezug zu anderen Menschen. Moral hat also einen personalen und relationalen Aspekt. Der Mensch muß sich über sich hinaus überschreiten, weil er nicht nur für sich da ist. Dazu gehören wieder die vier Dimensionen der Relation, die wir schon hatten. Die zusammenbindende Wirklichkeit ist Gott selber. Eine zweite Erläuterung zur Definition nun: Es geht um einen sittlichen Beitrag zum Gelingen des Lebens. Das kann zunächst befremdlich klingen. Aber: Beitrag, das meint: Sittliches Werden ist abhängig von bestimmten Bedingungen. Was meint das? Die Humanwissenschaften zeigen, daß der Mensch abhängig ist von der Gesellschaft und von der eigenen Psyche. Wie stark man von der Psyche abhängig ist, zeigen Gefühle wie: Angst, die zur Panik werden kann, auch die Traurigkeit kann lähmend wirken. Und auch der Ekel. Kurz gesagt: Das sittliche Handeln ist eingebunden in Komplexe der Psyche und der Gemeinschaft. Der Mensch ist ein Stück abhängig, aber er hat ja Freiheit. Dies meint: Man soll Stellungnahme beziehen zu den Verwiesenheiten auf Gesellschaft und Psyche. Auf vier Dinge ist der Mensch weiter verwiesen: a. die Anlagen, b: Vorgegebenheiten, welche Gesellschaftsform. Ist also die Mitwelt, dazu gehört auch das Elternhaus, c: Was macht der Mensch aus dem, was ihm vorgegeben ist? Was mache ich aus den Anlagen und der Mitwelt. d: Theologisch der Aspekt der Gnade. Deshalb steht also in der Definition: Beitrag. Das soll einer doppelten Gefahr währen: a: gegen ethische Läthargie und Resignation. Das meint: wenn einer nicht fähig ist, sich einzusetzen b: Gefahr, den Freiheitsgedanken überziehen, so wie es in der Neuzeit passiert. Richtig ist: Es gibt Einschränkungen, aber die dürfen einen nicht einschränken. Die Rede vom Beitrag läuft darauf hinaus: Es soll vertrauen geweckt werden in Hilfsmöglichkeiten, die die eigene Selbstwerdung gestalten und fördern. Der Mensch hat Hilfsmittel, die ihm zukommen. Was sind es für Hilfen: Einmal die Psychotherapie. In dem Sinn ist eine gute Psychotherapie die Freilegung der Freiheit und des Gewissens. Das ist die eine Hilfsquelle. Auch die Theologie hat Hilfen: es ist die Ekklesiologie. Kirche als Gemeinschaft, die betet und solidarisch ist. Der Beitragscharakter des sittlichen Handelns: Das sittliche Handeln ist dreifach verwoben nach innen, nach außen, nach oben. Diese Angaben sind raumsymbolisch gesehen. Was meint von innen? Jedem Menschen ist ein Reifungsdrang eingeboren. Das kann der Mensch nicht herstellen, es ist schon in ihm. C. G. Jung sagt über sich: Mein Leben ist die Selbstverwirklichung des Unbewußten. Also der Drang ist: Werde, der du bist. Der Mensch muß kooperieren mit der Reifungsdynamik, die in ihm liegt. Jung sagt also: in jedem schlummern viele Entfaltungsmöglichkeiten. Wie äußert sich das? Wir erleben, daß wir von einem Menschen, der eine besondere Tätigkeit ausübt, fasziniert sind. Man ist also fasziniert, und will dann das nachmachen. Nach außen: Sittliches Handeln ist von außen mitbestimmt. Da kommen von außen Hilfen zu, die stimulieren, inspirierend, anregen, kritisieren und assistieren. Da ist wieder wichtig die Kooperation mit ihnen. Diese Einflüsse gehen durch den Filter des Gewissens. Der Filter hilft uns, zu unterscheiden, welche Einflüsse auf uns wir wirken lassen sollen und welche nicht. Nach oben: Das Sittliche steht im Horizont der Gnade, also in der Zuwendung Gottes zum Menschen. Gott tut den ersten Schritt auf den Menschen allein, den zweiten aber mit dem Menschen zusammen. Das bedeutet, das sittliche Handeln soll zur Kooperation mit der Gnade werden. DH 238ff steht ein Indiculus: Gott ist Urheber aller Tugenden in uns. Gott hat uns das zum Vollzug geschenkt, damit wir an der Gnade mitarbeiten. Nochmals besser gesagt: Gott gibt also Gaben, damit wir das verwirklichen, was Gott in uns gelegt hat, und damit werden wir zum Mitarbeiter an der Gnade Gottes. Es gibt also ein Miteinander von menschlichem Wirken und göttlichem Handeln.
Die spirituelle Dimension der Moraltheologie: Die Seele der Moraltheologie ist Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese drei durchdringen das ethische Handeln. Was versteht man unter Spiritualität? Definition von Spiritualität von Fraling: Ist die geistgewirkte Weise ganzheitlich gläubiger Existenz, die gelebte Gestalt des Glaubens. Die gelebte Gestalt muß durch den Geist dynamisiert und am Leben gehalten werden. Christliche Spiritualität heißt daher: Leben aus dem Geist Christi. Spiritualität hat zwei Seiten: Eine Innenseite, eine Außenseite. Die Innenseite ist die gelebte Beziehung zu Christus. Das entscheidende ist: Gott ist ein personales Du, mir gegenüber, den ich ansprechen kann. Zur Außenseite: meint die Äußerungsformen des Glaubens: das weite Feld der sog. geistlichen Übungen, mit Gebet als Zentrum. Dazu auch die Sakramente, Liturgie. Die Äußerungsformen sollen aus dem Glauben hervorgehen und der Lebendigerhaltung dienen. Das ist noch wichtig: Hervorgang aus Glauben und. Lebendigerhaltung. Spiritualität ist mehr als nur innen und außen, sondern. Die Spiritualität erweist sich darin, daß sie die Gesamtheit des Menschen prägt. Man kann sagen: Spiritualität ist die Seele des christlichen Ethos. Die Spiritualität inspiriert und formt das wache geistige Leben. Was ist das Leitmotiv der Spiritualität? Es ist der Hymnus zum heiligen Geist: Veni creator spiritus. In diesem Hymnus wird die ganze Existenz des Christen unter der Wirksamkeit des heiligen Geistes betrachtet. Der Geist ist die tragende inspirierende Kraft des geistigen Lebens. Die ethische Bedeutsamkeit des Hymnus liegt in der vierten Strophe: Entflamme Sinne und Gemüt, daß Liebe unser Herz durchdringt und wir das Gute tun. Der Geist soll die Empfänglichkeit der Sinne stimulieren. Der Geist wirkt sich aus, weil dann der Mensch das Gute tun kann. Zur Spiritualität gehört weiter: Es gibt Prozedualität, also Stufen: Anfänger, und Fortgeschrittene und Suchende. Das Suchen kann man so formulieren: Sag mir ein Wort, wie ich gerettet werden kann. So sagt es das Buch der Apophtegmata. Dazu ist geistige Begleitung wichtig, um dieses Wort zu finden. In diesem Zusammenhang ist gut die DBK-Arbeitshilfe Nr. 158, da werden die ganzen Spiritualitäten aufgezählt.

4.      Erkenntnisquellen der theologischen Ethik und ihre methodische Erarbeitung
a)Stufen ethischer Erkenntnis: Da gibt es zwei Quellen, wie ein Elipse mit zwei Brennpunkten. Der eine Brennpunkt ist die Situation in die wir geraten. Also erste Quelle: die Herausforderung der Situation, die zweite Quelle ist unsere Erfahrung, ethisches Wissen, mit dem wir an die Situation herangehen. Beispiel: Eine Frau kommt in Klinik, hat Krebs, der Frau sagt man die Wahrheit nicht, der Mann aber weiß die Wahrheit. Soll der Mann seiner Frau die Wahrheit sagen? Diese Frage ist also die Situation. Diese Frage kann er nur beantworten, wenn er zurückgreift auf sein bisher erworbenes ethisches Wissen. Diese zwei Quellen waren die erste Stufe. Die zweite Stufe ist nun, daß ich mit der Glaubenserfahrung an die Situation herangehe. Damit sind alle Quellen benannt, die auch die Wissenschaft verwendet.

b)Methodisch-reflektierte Erkenntnis: Ein Weg, den die Wissenschaft geht, muß nachprüfbar sein, und alles muß systematisch sein. Drei Quellen werden genannt. A: Die Situationsanalyse, das tun die Humanwissenschaften, die schauen, was die Möglichkeiten des Menschen sind, was der Mensch kann. Folge: Die Ethik muß die Humanwissenschaft benutzen. Dazu zählen biologische Vorgaben, psychische Dynamismen und soziologische Vorgaben. Das muß man berücksichtigen in der Moraltheologie, um herauszufinden, was der Mensch kann. B: Der zweite Schritt in der ethischen Bearbeitung ist: Von der Ethik hin zur Moraltheologie. Dazu benutze ich die Philosophie, mit dieser deute ich das Ergebnis der Humanwissenschaft. Die Quelle ist hier die Vernunft. Die Vernunft muß ein Menschenbild herausarbeiten, das für alle Situationen angewandt werden kann. C: Die theologische Quelle. Das ist das sog depositum fidei, der Glaubensschatz. Das Glaubensgut, das in der heiligen Schrift niedergelegt ist, und Glaubensgut ist auch Auslegungs- und Wirkungsgeschichte der heiligen Schrift. Die Erschließung der Glaubensquelle ist in der Moraltheologie der sog. positive Befund. Da fragt man: Wie ist die Tradition in der Geschichte ausgelegt und entfaltet worden? Dazu ist das Lehramt nötig, denn es könnte sein, daß einer sagt: Es gilt a, der andere sagt: es gilt b. Das Lehramt entscheidet nun: Gilt a oder b? Beides geht nicht. Dies gilt auch für ethische Fragen, wo es gilt, ethische Entscheidungen zu treffen. Es gibt noch eine andere Quelle, auf die die Moraltheologie zurückgreifen kann, die Heiligenbiographien. Diese sind Vorbilder, weil sie sich auf die Gnade bezogen und auf diese antworteten.

C.   Moralpsychologie als integraler Teil der Moraltheologie

1.      Pioniere der Moralpsychologie in der katholischen Moraltheologie
a) Ignaz Klug. Werk: Die Tiefen der Seele (1926). Klug studierte bei Hermann Schell, der war Reformkatholik. Es ging um eine Begegnung der Kirche mit der modernen Kultur. Die Kirche sollte z.B. der modernen Psychologie begegnen, und nicht sie ablehnen. Von Rom aus wollte man damals um 1920 die Kirche schützen und legte so einen Wall um die Kirche, so wollte sich die Kirche z.B. vor Sigmund Freud schützen. Klug hat also bei Schell studiert. Nun zur geschichtlichen Situation der Kirche damals zur Zeit Klugs: Es geht um die Zeit um 1920. Damals war eine Kirche aufgebaut, die dem Liberalismus und der Moderne entgegensetzt war. Kirche war also festgefügter Bau, die sich gegen etwas richtete, gegen den Subjektivismus der Moderne. Die Kirche betonte dagegen die objetkive Norm gegen den Liberalismus. Die Kirche wollte Autorität des Lehramtes gegen den Fortschrittsgedanken, die Kirche wollte lieber die Bewahrung der Tradition. a. Die Norm. Die Moraltheologie hatte damals eine Kasuistik, da wurden Fälle aufgezeigt, die vorkamen. Man nannte Fälle, die gebeichtet wurden, und sagte dazu, welche Art von Sünde es war. Die Neuscholastik trug diese Fälle zusammen, hatte also eine kasuistische Grundausrichtung. Und hier galt allein der Gesetzesbuchstabe. Man sagte da immer, was der Mensch nicht tun darf, man sprach leider nicht von: Das Gute tun, sondern immer: Dies und das verbietet das Gesetz. Das war der normative Bereich. b. Die Autorität galt als Formalprinzip der Moraltheologie, alle Normen müssen aus der Autorität des Lehramtes herauskommen und sich daran orientieren. Da gab es damals drei Aspekte: Objektive Norm, Autorität des Lehramtes und Tradition (das geschichtliche Werden). Dann gab es den Papst Pius X., der gab drei Erlasse gegen den Modernismus. Der Papst wollte damit einen Schutzwall um die Kirche legen, deshalb betonte er diese drei: Norm, Autorität und Tradition. Man wehrte sich gegen die Exegeten. Auch gab es damals einen Index, wo schlechte Bücher draufkamen, z.B. die Bücher von Schell waren da drauf. Auch die Proffessoren wurden bespitzelt, was sie alles sagen. Dazu muß man immer wissen, es ging darum, die Kirche zu schützen. Weiter wurde in diesem Zusammenhang der Antimodernisteneid erlassen. Das war der binnenkirchliche Rahmen, in dem die drei Theologen wirkten, die hier vorgestellt werden sollen. Adressaten des Antimodernisteneides waren die, die auf das Gewissen und auf die Freiheit setzen, die den Dialog mit anderen Wissenschaften wollten. Damals lehnte man das ab, im Vaticanum II kam das dann durch. Damals war die Moraltheologie kein fester Block, man wollte größere Nähe zu den Leuten herstellen. Dazu zählt auch der Versuch von Ignaz Klug. Er war gegen eine rigoristische Moral, gegen eine Moral, die den Menschen überfordert. Klug wollte, daß man auf den Adressaten der Moral, also auf den Menschen, schaut. Für Klug war unbestritten, daß es eine absolute Moral gibt, Dinge, die gelten für jeden, dazu zählt der Dekalog und das Liebesgebot. Diese absolute Moral darf nicht relativiert werden. Der absoluten Moral gegenüber gilt es eine konkrete Moral zu entwickeln. Das meint eine Moral, die so ist, daß es der Mensch erreichen kann. Konkrete Moral ist dynamisch konzipiert, hier ist wichtig: daß man merkt, der Mensch ist auf dem Weg dazu, die Vorgaben der autoritativen Moral zu erreichen. Die konkrete Moral bezieht sich auf das gelebte Ethos, daß dem Maß des sittlichen Könnens entspricht. Einfaches Beispiel: Da ist das Alter des Menschen, das übt einen Einfluß auf das sittliche Können. Also man fragt immer: Was kann einer im Alter reichen? Klug will also den Menschen konkret wahrnehmen. Das heißt aber nicht, die Moral wird relativiert, sondern die Moral wird konkretisiert. Um nun auch die Hindernisse festzustellen, warum ein Mensch eine Norm nicht erfüllen kann, braucht es die Moralpsychologie. Die Aufgabe der Moraltheologie ist, Werte, Normen und Tugenden darzustellen, sittliche Weisung soll erarbeitet werden, immer mit der Frage: Was ist das Gute, wie kann ich es erreichen. Die Moralpsychologie dagegen hat die Aufgabe, die abstrakten Sätze der Moraltheologie auf den Menschen zu beziehen. Es geht darum, den Schuldigen zu verstehen, die Einflüsse des Mensch erkennen, die ihn geprägt haben. Auch soll die konkrete Situation jedes einzelnen wahrgenommen werden, um die Reichweite und die Grenzen eines jeden Menschen zu erkennen. Die Moralpsychologie zeigt dem Menschen, wie er wurde was er ist und versucht zu zeigen, wie er werden kann, was er werden soll. Welche Methode wendet Klug dabei an? Er wertete Erfahrungen aus, die er aus der Psychatrie, dem Strafvollzug und dem Obdachlosenheim gewonnen hat. Klug geht mit diesen Erkenntnissen kritisch um. Weiter verwendet Klug als Methode Biographien, um damit den Menschen nahe zu kommen. Er will also schauen, warum kommen Menschen zurecht und warum nicht. Auch schaut er Heiligenbiographien an. Was ist nun der thematische Schwerpunkt bei Klug? Es ist der psychisch fragile Mensch vor dem ethischen Anspruch. Das Zielbild des Werdens ist bei Klug immer vorgegeben, und zwar in dem Sinn, daß der Mensch nicht nur Naturwesen ist, sondern auch Geistwesen, da kann er dann Werte erkennen, und dazu muß das Gewissen ausgebildet werden. Das Höchste bei Klug ist Wertbejahung und Wertverwirklichung statt Wertverneinung und Wertvernichtung. Weiter gilt, daß der Mensch Ewigkeitswert hat, der Sinn des Lebens ist daher: Der Mensch soll den Schöpfergedanken verwirklichen, der ihm eingeschaffen ist. Der Mensch hat das also wie einen Keim in sich. Am besten geht das am Vorbild Christi, imitatio Christi. Damit der Mensch das kann, soll der Mensch sein inneres Ohr öffnen für das Jenseitige, auch sein inneres Auge soll er für die Jenseitsschau öffnen werden. Wenn der Mensch so lebt, erreicht er sein letztes Ziel, die visio beatifica. Die Frage ist nun: Kann der Mensch überhaupt das werden, was er sein soll? Was sind da Hindernisse zur Entfaltung? Es sind lebensgeschichtliche Erfahrungen, die er gemacht hat, und es sind Anlagen, die ihm vorgegeben sind. Durch Lebenserfahrung wird vieles beim Menschen beeinflußt. Damit kommen wir nun zu einem Schlüsselbegriff bei Klug. Zur Psyche des Menschen gehört eine Bruchstelle. Die Psyche hat mehrere Schichten. Dann sagt Klug: Man denke sich mehrere Glasplatten, die so aneinanderliegen, daß man nicht mehr merkt, daß es mehrere Platten sind. Wenn nun eine dieser Platten eine kleine Bruchstelle hat, dann bricht das Ganze auseinander, sobald das Ganze unter Druck gerät. Was ist die Bruchstelle inhaltlich konkret? Psychische Fehlhatlungen und Neigungen zu Untugenden, z.B.: Minderwertig-keitsgefühle, Hemmungen, Kontaktschwierigkeiten, Depression, Neid, Maskentragen. Klug folgert daraus, daß die Bruchstelle zur sittlichen Aufgabe wird. Klug deutet nun die Bruchtstelle theologisch. Gott hat dem Menschen die Psyche anvertraut, auch mit der Bruchstelle. Der Mensch soll die Bruchstelle suchen und ausbessern und etwas gutes daraus machen und um sie gut wieder zurückzugeben. Weiter beschriebt nun Klug einzelne ethische Aspekte genauer, die die Bruchstelle ausmachen. Zwei Beispiele sind: a: Das übermäßige Gebundensein an die Eltern. Klug will die Selbständigkeit des Menschen. Eine übergroße Liebe kann die Selbstbehauptung des Menschen verhindern. Falsch ist auch, wenn man ein Kind wegen kaputter Ehe zu sehr bindet. Das Kind darf keine Klagemauer sein, an die sich eine gebrochene Vaterseele anlehnen darf. b: Die Glaubensentwicklung kann in Gefahr geraten durch die Entwicklung eines infantilen Gottesbildes, das meint: Wenn z.B. das Gottesbild Angst ist. Ziel ist, das Gottesbild zu läutern. Ein letzter Gedanke bei Klug nun: Es kommt zur Neuinterpretation theologischer Grundbegriffe: a: Die Schuld ist ein Nicht-geworden-sein dessen, was einer werden sollte und konnte. b: Das Gewissen ist der Erwecker aus Schlummer und Traum, man kann nur Erwachen, wenn man sich mit dem Gewissen auseinandersetzt. Das Gewissen stöbert den Gottesgedanken im Menschen auf, der einem sagt, was man werden soll. c: Die Umkehr ist bei Klug Aufbruch. Man ist immer nur auf einer Station des Weges, man ist nie am Ziel. Wichtig ist, auf dem Weg zu sein, aber der Weg ist nicht das letzte Ziel, das letzte Ziel soll die Vollendung in der Ewigkeit sein. Nun kurz zur Würdigung: Erst vier positive Punkte: 1.: Das Buch „Tiefen der Seele“ war großer Erfolg. 2.: Hauptverdienst bei Klug ist das Bemühen um den konkreten Menschen. Klug hat eben den Menschen im Blick, wie er wirklich ist, wie er sich erfährt. Klug sieht nicht nur, wie einer sein soll. Klug will eine Relationierung der Moral. Das meint: Keiner soll überfordert und unterfordert werden. Das Gute ist das der Freiheit, der Liebe und der Entfaltung des Menschen Zuträgliche und Mögliche. 3.: Der Weg geht über das sittliche Wissen über das sittliche Können zum sittlichen Handeln. Es gibt eine Zwischeninstanz, das sittliche Können ist Voraussetzung für das sittliche Handeln. Das Menschenbild von Klug, da ist die Fragilität mit einbezogen. Anderer Ausdruck dafür. Die Vulnerabilität, Verwundbarkeit. 4.: Klug deutet immer alles theologisch. Hat einen theologischen Horizont. Kritisch anzumerken bleibt: Man kann heute nicht alles so aus dem Buch von Klug übernehmen, weil der Stil zu blumig ist. Haupteinwand: Das Menschenbild des Klug. hat da die kognitive und voluntative Seite überbetont: Mit Willen und Wollen und Verstand kann ich alles erreichen. Dies steht in Spannung zur konkreten Moral, die Klug ja hat.

b)Theodor Müncker (1887-1960). Buch: Psychologische Grundlagen der katholischen Sittenlehre. In seiner Zeit gab es Neuaufbrüche in der Moraltheologie. Ein Neuaufbruch war ein Werk von Fritz Tillmann (Exeget), ihm ging es um das Prinzip des NT: Die Nachfolge.  Die Nachfolge war bei ihm für die Moraltheologie auch entscheidend. Der zweite Band bei diesem Werk stammte eben von Theodor Müncker. Insgesamt hatte das Tillmannwerk sieben Bände. Bei Münker ging es um das Gewissen und seine Entfaltung. 1922 befaßte er sich mit dem ängstlichen, dem unsicheren Gewissen. Das war eine Moralpathologie, weil es um den psychischen Zwang ging. Bei dieser ist es so, daß eine Erfahrung von Freiheit da nicht möglich ist. Die Betonung des Gewissens bei Müncker hat als Hintergrund eben diese Moralpathologie. Zweiter Hintergrund sind die Zeitumstände, nämlich die Nazidikatur. Es war eine Zeit des konzentrierten Angriffs gegen Glauben und Gewissen. Worin besteht nun das Aniegen Münckers? Ihm geht es um psychologische Grundlagen für den Weg hin zu einer persongemäßen Sittlichkeit. Und Voraussetzung dieser Sittlichkeit ist das Gewissen. Falsch wäre eine legalistische Sittlichkeit, da geht es immer um objektive Normen. Richtig wäre personale Sittlichkeit: Der Mensch wird unter Leitung seines Gewissens er selbst. So ein Gewissen geht aus der Hand Gottes hervor und ist dem Menschen anvertraut. Es geht also darum: Es muß schon Normen geben, aber wie gehe ich damit um? Ich soll das Gewissen benutzen, nicht einfach objektiv den Normen folgen. Persongemäße Sittlichkeit ist: Der Mensch gewinnt die Freiheit und Sicherheit zum Eigenstand. Dies geschieht durch das Gewissen. Dann wird der Mensch so, wie Gott ihn gemeint hat. Zwei Aspekte nun zur Zielvorstellung, die Müncker hat. Die Zielvorstellung wurde ja gerade genannt: Freiheit und Sicherheit zum Eigenstand: a: Die Möglichkeit ist vom Gewissen gesteuert. Das beinhaltet die Lösung aus infantilen Bindungen. Da gibt es zwei Fehlhaltungen: Überzogener Gehorsam an Autoritäten und die chronische Opposition und die entwertende Gefühls-einstellung. b: Die Selbständigkeit hat auch zu tun mit einer sich entfaltenden Emotionalität. Einige Aspekte dazu, die für die Gestaltung der Sittlichkeit wichtig sind: Die emotionale Ansprechbarkeit auf Tugenden, das Schamgefühl, ganzheitlich verstanden, das Einfühlen, Mitgefühl, das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen. Müncker sagt: Sittliche Erziehung soll dem Menschen Sicherheit und Freiheit vermitteln, die die Seele des Menschen zur Verwirklichung ihrer Lebensaufgabe braucht. Müncker hat nun eine systematische Moralpsychologie vorgelegt, die jener Zweig der Seelenlehren ist, der die Vorgänge des sittlichen Lebens in ihrem Sein und Werden erforscht. Das Sein meint: was sind sie psychologisch gesehen, das Werden meint: wie entfalten sie sich. Anders: Was ist das Gewissen psychologisch, und wie entfaltet sich das Gewissen? Müncker geht diesen Fragen anthropologisch nach. Müncker geht es um a: Frage und Deutung des Gewissens-phänomens. b: Was sind entwicklungspsychologische Voraussetzung für die Entfaltung des Gewissens. Um diese Frage zu beantworten, geht Müncker dreifach vor. Er fragt erst nach Störungsmöglichkeiten, dann fragt er: die Beschreibung nach strukturellen Anlagen des Gewissens, und wie entfaltet sich das Gewissen psychogenetisch? Und: Prophylaxe und Therapie von Fehlentwicklungen. Prophylaxe ist die Vorbereitung auf z.B. Ehefähigkeit. c: Der thematische Schwerpunkt ist bei Müncker: Hilfen und Hindernisse auf dem Weg zur Entfaltung der Person aufzuzeigen und das aus der Entfaltung des Gewissens heraus. Antwort auf die Frage: Das Streben zum Guten wird dadurch geweckt, daß das Kind das Gute erfährt. Ein Kind braucht also Vorbilder, die sind nicht durch rationale Argumentation zu ersetzen. Müncker will nicht das Denken ausschalten, aber die Werterfahrung kommt zuerst, dann erst die Reflexion. Die  Würdigung: a: Müncker ist gründlich wissenschaftlich, b: Er hat ganzheitlichen Gewissensbegriff, auch für die Theologie ist heute wichtig, daß Müncker nach dem Wie der Entwicklung der Sittlichkeit fragte. Aber: Müncker lebte ja in den 30 er Jahren und hatte Diktatur erlebt. Das muß man bei Müncker mitbedenken. Trotzdem sind die Einsichten Münckers bis heute aktuell. Was bei ihm zu kurz kommt, ist: Eine Theologie des Gewissens fehlt, und weiter fehlt: Die Erarbeitung der Bedeutung von Tugenden.

c)Wilhelm Heinen (1909-1986). Er fragte nach dem Gelingen des Lebens, und das hat bei ihm mit dem Gelingen von Beziehungen zu tun. Heinen hat eine Tugendlehre der Liebe, und der Beziehung. Heinen war Priester und lernte viel im Beichtstuhl. Er setzte sich von Kasuistik ab, wo die Handlung lösgelöst vom Handelnden betrachtet wurde. Heinen sagt: Das Sittengesetz hat den gesunden sittlichen Menschen als Voraussetzung. Heinen fragt: Wer ist der Adressat der sittlichen Weisung? Hat ein Adressat überhaupt die sittliche Voraussetzung, um das Sittliche gut zu tun zu können? Heinen wehrte sich gegen eine Beichte, die ein Gericht ist, wo man nach entsprechenden Fehlern gemäß verurteilt wird. Bei ihm steht der Mensch als Adressat der sittlichen Weisung im Mittelpunkt. Unter welchen Voraussetzungen ist der Mensch im Stande, die sittlichen Weisungen zu erfüllen? Dazu ist die Moralpsychologie gefordert. Wie gelingt der lebenslange Reifungsprozeß des menschlichen Lebens in Bezug auf alle Beziehungen, die der Mensch hat? Es geht also wieder um Relationen. Diese Relationen entfalten sich nur, wenn sich die kardiale Mitte entfaltet. Das ist die Mitte des Herzens, die hilft, Beziehungen zu knüpfen. Es geht bei Heinen um eine theologia cordis. Die Instanz, die mit karidaler Mitte gemeint ist, ist also: Gemüt und Gewissen. Durch Gemüt und Gewissen kann sich der Mensch richtig entfalten. Heinen entwickelt die Moralpsychologie Münckers weiter zu einer Moralpsychologie der Liebe. Der Schwerpunkt von Heinen war also Gemüt und Gewissen, das Beziehungen entfaltet und so Leben gelingen läßt. Heinen geht es um eine Elipse mit zwei Brennpunkten: Gott und Mensch. Methodisch gesehen orientiert sich Heinen bei Müncker. Auch orientiert sich Heinen an der Neopsychoanalyse. Nun zum thematischen Schwerpunkt bei Heinen: Es ist die Liebe zum Gelingen von Beziehungen. Heinen deutet die verschiedenen Fehlhaltungen des Menschen als Ausdruck von Liebesnot. Dann beschreibt er die Ausdrucksformen der Liebesnot, dann fragt er, wo kommt das her, und dann fragt er nach der Imputation, das ist: Inwiefern ist einer Schuld an der Liebesnot? Und dann gibt Heinen Hilfe, um die Fehlhaltungen zu verbessern. Bei ihm gibt es immer einen Dreischritt: a: Phänomenbeschreibung, wie die Liebesnot gestaltet ist. b: Frage nach den Ursprüngen, wo kommt das her, inwieweit ist der Betreffende Schuld? c: Lösungen zur Hilfe, damit man liebesfähig wird. Die Grundannahme bei Heinen ist: Es muß um geordnete Liebe gehen, das ist ein Ausgleich von Nächstenliebe und Selbstliebe. Diese geordnete Liebe ist eine Voraussetzung für ein gelungenes Leben. Dies ist die Grundannahme bei Heinen. Er kommt zur Konsequenz, daß die Liebe die Grundkraft ist. Es gibt weiter einen Gestaltwandel der Liebe. Das ist: Weg von der ich-bezogenen Liebe hin zu einer du-bezogenen Liebe. Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Wandlung, das meint die Umkehr: das Alte muß sterben, damit das neue hervorgehen kann. In diesem Wandlungsprozeß sind die theologischen Tugenden wichtig: Glaube, Hoffnung, Liebe. Die Liebe zu Gott ist das Regulativ der Selbstliebe und der Nächstenliebe. Regulativ, das meint: Man darf sich nicht an das Du verlieren, sonst stirbt sein Selbst. Jeder muß bei sich selbst gehalten werden, keiner darf sich aufgeben, richtig ist: Liebe führt zum sich hingeben, nicht zum sich aufgeben. Wenn man das alles verkürzt sagen will, kann man sagen: Die drei theologischen Tugenden werden als theologische Hilfen für die acht Todsünden aufgezeigt. Diese acht sind: Völlerei, Habgier, Unzucht, das waren die drei leiblichen, dann kommen die emotionalen: Hochmut, Traurigkeit, Trägheit, und geistig sind: Zorn, Ruhmsucht. Heinen entwickelt nun ein Konzept zur Wandlung, zur Umkehr in der Liebe, hin zu einer gegenseitigen schenkenden Liebe. Das Gewissen ist die innermenschliche Kraft zur Gestaltung der Liebe. Das Gewissen ist wie ein Seismograph, das uns zeigt, wie es mit der Liebe steht. Weil den theologischen Tugenden so viel Bedeutung zukommt, fragt Heinen: Wie entwickelt sich Glaube, Hoffnung, Liebe? Wo lernt der Mensch das? Glaube ist, vertrauen können. Hoffnung ist, auf die positive Wende warten. Die entscheidende Hilfe für diese Tugenden ist der Mitmensch. An Beziehungen liegt alles. Begegnungen mit dem Du sind der Ausgangspunkt. Denn im Du kann uns das Ur-Du Gott begegnen. Bei Heinen hat die Präventivethik eine große Bedeutung. Es geht um Vorbeugung zum Schutz vor Fehlhaltungen, da spielen die Tugenden eine große Rolle. Weiter sind bei Heinen wichtig: Es gibt 8 wichtige Grundbeziehungen, in denen entfaltet sich die kardiale Mitte des Menschen. Im Leben des Menschen haben Bild, Wort und Symbol hohe Bedeutung. Heinen sagt: Alle drei braucht man. Nicht nur Worte, sondern auch Bilder und Symbole. Nun zur Würdigung Heinens: Seine Leistung besteht in der Integration von modernen psychologischen Erkenntnissen hinein in die Moraltheologie. Ein Mangel an Heinen ist: Er hatte gute Intuitionen, aber die stellte er einfach in den Raum, ohne sie wissenschaftlich abzusichern.

d)Thesen zur moralpsychologischen Arbeit in der theologischen Ethik heute: 1.: Die drei Theologen kann man nicht einfach so übernehmen. Drei Themenbereiche kann man heute aufnehmen: a. Die Wahrnehmung möglicher psychischer Beeinträchtigungen, und die sich daraus ergebenden ethischen Probleme. b: Die Frage nach den Bedingungen der Gewissensentfaltung. c: Die Frage nach der Genese der Tugenden. 2.: Moralpsychologie ist keine eigene Disziplin, sondern in allen Themen der Moraltheologie muß man die Moralpsychologie mit einbeziehen. Also keine eigene Disziplin der Moralpsychologie. Ziel ist die Vermittlung des ethischen Anspruchs und des konkreten Menschen. Beispiel: Wenn es in der Ehe um Treue geht, dann muß man fragen: Wie lernt dieser Mensch Treuefähigkeit. Die Moralpsychologie dient dem Ziel, den Adressaten der Moraltheologie nicht zu überfordern und nicht zu unterfordern. DH 1536 sagt: Gott befiehlt nicht unmögliches, sondern  man soll tun, was man kann, und Gott hilft, daß man kann. Eine Forderung, die den Menschen überfordert, kann nie von Gott stammen. Aber dem Menschen erscheint vieles als unmöglich, was doch geht. 3.: Moralpsychologie untersucht das sittliche Können und seine psychogenetischen und strukturellen Voraussetzungen. Ernst August Vetter sagt dazu: Strutkruelle Aspekte sind solche, die in den Anlagen des Menschen gegeben sind. Man ist angelegt und hat die Fähigkeit, sittlich zu handeln, also Gutes zu tun, das ist sittliches Können, dazu gehören von den Anlagen her: Die sittliche Phantasie, der sittliche Antrieb, der Drang zum Guten, eine unverzerrte Wahrnehmungsfähigkeit. Vetter hat eben ein ganz bestimmtes Menschenbild. Die Kernfähigkeiten des sittlichen Könnens sind: Gewissen, Gemüt, Tugenden. Gemüt ist die Bindungsfähigkeit des Menschen. Diese zentralen Fähigkeiten sind verbunden mit der Wahrnehmungsseite und der Handlungsseite. Wahrnehmungsseite meint: Möglichst unverfälschte Wahrnehmungen. Dagegen kann die Projektion arbeiten, z.B. bei Verliebtheit projiziert man den sehr guten Menschen in den anderen. Projektion führt zu verzerrter Wahrnehmung. Neben der Wahrnehmung ist weiter wichtig für das sittliche Können die Imagination, das meint: Wir nehmen Bilder wahr, auf der Verstandesebene ist das Einsehen und das Wissen nötig für das sittliche Können. Das Einsehen-können ist aber von Erfahrungen abhängig. Das war die Erkenntnisseite. Nun kommt die Handlungsseite. Dazu gehört der Trieb, gut handeln zu wollen, weiter die produktive Imagination, das ist ein Handlungsentwurf, und drittens ist wichtig die Fähigkeit, zu entscheiden. Das waren die Strukturkomponenten des sittlichen Könnens nach dem Menschenbild von Vetter. Was ist demnach Moralpsychologie? Sie untersucht diese strutkurellen Voraussetzungen des sittlichen Könnens. Es gibt dafür dreifach Entwicklungshilfen. a. Erkenntnishilfen, b. Bejahungshilfen, c. Wandlungshilfen. 4.: Die Moralpsychologie ist auch bedeutsam, um herauszufinden, welcher der sittliche Anspruch für die Menschen ist. Beispiel: Die Moralpsychologie kann nicht einfach sagen: Es gibt Formen von Homosexualität, wenn sich zeigt, daß das schlecht ist, kann man den Menschen nicht einfach umpolen, sondern man muß die Homosexualität annehmen, denn sie kann nur eine Durchgangsphase bei diesem Menschen sein, der sich verändert. Also man kann nicht einfach etwas von einem Menschen fordern, sondern mit der Moralpsychologie muß man jeden Menschen bewußt anschauen. Anderes Beispiel: Es wurde aus dem CIC etwas gestrichen. Es gab das Verbot, einen Suizidanten kirchlich zu beerdigen. Dieses Verbot wurde aufgrund der Moralpsychologie gestrichen, denn sie zeigte, daß Suizid immer aus Unfreiheit geschieht, und deshalb ist es keine Sünde. 5.: Sittliches Können muß man aus theologischer Sicht betrachten, indem man es heilsgeschichtlich deutet. Beispiel: Eltern lieben ihr Kind. Was ist das nun heilsgeschichtlich gedeutet? Gott liebt den Menschen, und durch die Mutterliebe wird von Anfang an die Gottesliebe an das Kind weitergegeben. Aus dem Glauben ergeben sich  motivierende, kritisierende und assistierende Momente für das Gewissen. Daran sieht man: Moralpsychologie und Moraltheologie hängen zusammen.

D.  Ethische Grundbegriffe

1.Wert: Da unterscheidet man: Sittlicher Wert und vorsittlicher Wert. Letztere sind den sittlichen Werten vorgegeben, z.B. unser Leib, der ist den sittlichen Werten vorgegeben und aufgegeben, auch die Schöpfung. Was ist ein sittlicher Wert? Einer, der durch die Freiheit heraus vom Menschen verwirklicht wird, das sind. die Tugenden.

2.Die Unterscheidung zwischen sittlich gut und sittlich richtig bzw. zwischen sittlich schlecht und sittlich falsch. Gut bezieht auf die Gesinnung, auf die innere Einstellung, wenn also einer seiner inneren Einstellung nach handelt, dann wäre es sittlich gut. Wenn aber nun einer sich täuscht und etwas für sittlich gut hält, handelt er sittlich gut, aber dennoch sittlich falsch. Beispiel: Die Zeugen Jehowas sagen: Bluttransfusion ist verboten, das ist für die Zeugen sittlich gut, aber sittlich falsch, weil die Transfusion Leben retten würde. Sittlich richtig ist dann: die sachliche Stimmigkeit, also die richtige Lösung im Konfliktfall. Dazu gibt es vier idealtypische Gestalten, a: sittlich gut und sittlich richtig, b: sittlich gut aber sittlich falsch, das ist einer, der unverschuldet Unheil anrichtet, c: sittlich schlecht aber sittlich richtig, der Sünder, der zum Wohltäter wird, d: sittlich schlecht und auch sittlich falsch. Fazit: Gutes Handeln ist gewissenhaftes Handeln. Wir müssen uns bemühen, richtig zu handeln. Aber die Unterscheidung von sittlich gut und richtig hat ihre Grenzen. Beispiel: Vergewaltigung. Das ist sittlich falsch nach unserer Definition, aber ist es nicht auch sittlich schlecht? Richtig ist, Vergewaltigung ist ein malum in se. Deshalb würde man unterscheiden: Gut und böse in einem weiteren Sinn. Der engere Sinn würde die Motivation meinen. Gut im weiteren Sinn meint: Die Sittliche Richtigkeit ist eingeschlossen.

3.Quellen der Moralität: Was ist ausschlaggebend für eine Handlung? Welche Elemente sind für eine sittliche Handlung relevant. Dabei geht es um drei Elemente der Handlung. a: das Objekt, das Ziel der Handlung, b: das Ziel des Handlenden, c: die Umstände oder die Situation. Diese drei Aspekte sind für die Beurteilung einer Handlung bedeutsam. Zu a: Das Objekt des menschlichen Aktes, einer Handlung, dies ist die Wirkung, die eine Handlung direkt hervorbringt. Es geht also um Ergebnis einer Handlung.. Beispiel: Man gibt Almosen. Das Objekt ist hier: die Hilfsbedürftigen. Zu den Wirkungen zählen auch die Auswirkungen auf die Rechte Anderer Menschen. Das Objekt einer Handlung kann sittlich gut, böse oder indifferent sein. Beispiel: Das Spielen eines Musikinstrumentes ist zunächst indifferent Bei Benefizkonzert ist es gut, nachts um Mitternacht ist es schlecht. Was ist dann malum in se? Das sind Dinge, die können weder durch Handlung noch durch sittliche Einstellung gut gemacht werden. In GS 27 stehen alle mala in se aufgezählt. b: das Ziel des Handelnden , der Grund, aus dem der Handelnde den sittlichen Akt vollzieht. Anders. Es ist das Ziel einer Handlung, die der Handelnde anstrebt. Hier kann man differenzieren zwischen: Absicht und Motiv. Absicht ist das Ziel, das einer bewußt erreiche will, das Motiv ist der Beweggrund, aus dem heraus einer handelt. Beides kann zusammenfallen, z.B. bei Almosen geben. Die Gesinnung ist: Absicht und Motivation zusammen, also eine Art Überbegriff. Ene gute Absicht reicht noch nicht aus, damit etwas dann auch gut ist. Also ein wichtiger Leitspruch ist: Eine gute Absicht heiligt noch nicht die Mittel. Also eine gute Absicht, ein gutes Ziel garantiert noch nicht die Richtigkeit einer Tat. c: Die Umstände, die für die ethische Qualifikation einer Handlung wichtig sind. Das ist die Beschaffenheit einer Handlung, die nicht direkt mit der Handlung verbunden ist. Beispiel: Almosen geben ist das Objekt. Die Umstände sind: Wann ich wem wie viel gebe. Auch negativ gilt: Wann bestehle ich wen um wieviel? Grundsätzlich gilt: Umstände können einen Akt noch schlechter machen, wenn ich z.B. einem Armen was stehle, aber. Es gibt auch, daß Umstände eine Tat weniger schlimm machen. z.B. mildernde Umstände. Umstände sind z.B. in welcher Familie man aufwächst, welche Bildung man hat, welche Staatsform gibt es, in der man lebt. Wir unterscheiden Subjekt- und Objektseite einer Handlung. Die Subjektkseite ist der handelnde Mensch und was in ihm vorgeht Die Objektseite ist die Wirkung, die eine Handlung hervorbringt. Auf der Subjektseite steht die Gesinnung als Überbegriff, das sind alle Haltungen. Auf der Objektseite stehen die Umstände, in der eine Handlung stattfindet. Die Objektseite unterscheidet: richtig und falsch, die Subjektseite unterscheidet gut und schlecht. Dieses Schema hilft, eine korrekte Entscheidung über eine Handlung zu treffen. Richtig ist eine Verantwortungsethik, diese Art von Ethik will sowohl dem Subjekt als auch dem Objekt einer Handlung gerecht werden. Falsch wäre z.B. eine legalistische Ethik, die fragt immer nur nach dem Objekt als Beispiel. Gut ist immer im Futur zwei zu Fragen, also: Was wird sein, wenn ich das getan habe. Wie lautet das Axiom zum Umgang mit den Quellen der Ethik. Es lautet klassisch: Sittlich gut ist, wenn alle Elemente einer Handlung gut sind. Schlecht ist eine Handlung: wenn nur ein Element aller Quellen schlecht ist.

4.Sittliche Wahrheit: Dies ist keine Tatsachenwahrheit, sondern eine Sinnwahrheit. Das muß man wirklich unterscheiden. Tatsachenwahrheit ist: Ein Tatbestand wird so gut wie möglich erfaßt, siehe Naturwissenschaft. Bei der Sinnwahrheit fragt man immer nach dem Worumwillen eines Handelns. Man fragt z.B. woraufhin ist der Leib geschaffen? Dann bekommt etwas einen Sinn. Das ist der Gegenstand der Moraltheologie. Das Merkmal der Sinnwahrheit ist: Sie können nur in Freiheit ergriffen werden. Sinnwahrheiten erweisen sich im praktischen Vollzug als plausibel. Zum Zusammenhang von Sinnwahrheit und Tatsachenwahrheit: Beispiel: Sittliche Urteile beziehen sich immer auf Tatsachenwahr-heiten, z.B. Kaliumzyanit ist ein Gift, das ist Tatsachenwahrheit. Sinwahrheit ist: menschliches Leben ist zu schützen. Folge: Dem Menschen darf man kein Zyanit geben. Wie kommt man zur Erkenntnis von Sinn beim Menschen? Der Sinn erschließt sich aus dem angenommenen Menschenbild. Was ist ein Menschenbild? Das Gesamt der Vorstellungen vom Menschen als Antwort auf die Frage: Wer ist der Mensch? Es geht darum, was allen Menschen gemeinsam ist. Und es geht darum, was der Gesamtwirklichkeit des Menschen entspricht. Menschenbild geht also immer um die Gesamtwirklichkeit des Menschen zu erfassen. Das wird dann ausgedrückt durch ein Menschenbild. Man nimmt also nicht nur einen Teilbereich her, wie es z.B. die Medizin tut, sondern die Theologie nimmt alles her: körperliche, geistige und seelische Seite. Stichwort also: ganzheitlicher Zugang zum Menschen. Moraltheologie versucht auch immer den Auftrag herauszufinden, den ein Menschenbild impliziert. Und dann soll die Moraltheologie das Menschenbild bewerten und deuten. Man hat dann eine Gesamtdeutung, und von der aus erhält jeder einzelne Aspekt des Menschenbildes seine Deutung. Basissatz des Menschenbildes ist: Der Mensch ist sich selbst aufgegeben. Jeder ist verantwortlich und muß sich aus der Freiheit heraus gestalten. Dann gilt: Ein Menschenbild ist nie etwas statisches, man entwickelt sich weiter. Nun wird kurz die Fülle möglicher Menschenbilder angedeutet. Materialistisch sagt: es geht um leibliches Ausgestaltung des Menschen. idealistisches Menschenbild geht um den Geist. Soziologistisch ist: Der Mensch ist aus der Umwelt determiniert. Individualistisch sagt: Jeder Einzelne ist als Indidiumm wichtig. Determinismus sagt: Jeder ist festgelegt durch Gesellschaft. Existenzialismus sagt: Der Mensch ist zur Freiheit verdammt und wird das, was er aus sich macht. Sittliche Wahrheit ist der sittliche Anspruch, das sittliche Gute und Richtige. Dieses wird erkannt auf dem Weg über ein Menschenbild, wobei es immer um die Handlungsrelevanz geht. Das sittliche Gute ist das, was der Freiheit des Menschen zuträglich und förderlich ist.

E.   Anthropologie als Grundlage der Moraltheologie

1.Philosophischer Zugang: Da ist der Mensch zunächst Person. Was meint Person? Person ist man, weil der Mensch im Gesamt der Wirklichkeit eine Sonderrolle hat. Dazu gehörten drei Dinge: a: Einmaligkeit und Unersetzlichkeit. Daraus ergibt sich: Der Mensch hat Würde. Die Einmaligkeit bedeutet: Jeder hat einmalige Berufung. Sicher gibt es allgemeine Berufungen, aber jeder hat einen eigenen Weg. b: Das Bewußtsein der Freiheit, jeder kann sich selbst wählen, er kann über sich entscheiden. Der Mensch ist nicht instinktiv festgelegt. Auch hierin gründet die Würde des Menschen. c: Jeder hat und braucht eine Aufgabe. Problem ist, wenn einer Arbeitslos wird, hat er eine Krise, weil Aufgabe weg ist, das selbe kann fürs Alter gelten, wenn man fragt: Wozu bin ich noch da? Mit der Aufgabe ist verbunden, daß jeder eine Verantwortlichkeit hat. Verantwortung meint, Antwort geben auf das, was vom anderen her als Anspruch auf einen einströmt. Zur Verantwortung gehört auch: Für die Folgen einstehen, die sich aus Handlungen ergeben, z.B. Eltern übernehmen Verantwortung für Kinder.

Das Menschenbild von August Vetter (Philosoph und Psychologe). Seine Leistung besteht darin: Ein Menschenbild hat er entworfen. Er versucht ein leitendes Gesamtbild des Menschen zu entwerfen, das ein Richtbild darstellt, indem es die heile Verfassung des Menschen aufzeigt. Das Richtbild schöpft aus mehreren Quellen: Aus Notzuständen, aus Psychologie, Tiefenpsychologie und Ausdruckspsychologie, und aus der Bildsprache des Traumes. Es geht also um eine Vorstellung von Heil, zu dem der Mensch geführt werden soll. Vetter sagt: Es geht um eine Zusammenschau der Geistesgeschichte, es geht um die Ganzheit des Menschen, wo auch das Transzendente wichtig ist. Vetter kommt zu Befunden, die über Zeitströmungen hinweg gelten. Er nennt das Menschenbild ein Strutkturbild der Persönlichkeit. Nun zum Basisbereich des Menschenbildes bei Vetter: Der Lebensgrund, das ist der Leib als Grundlage menschlichen Lebens. Der Lebensgrund gliedert sich bei Vetter in zwei Bereiche. a: Vegetative Urschicht, b: die animalische Grundschicht. Zu a. Dazu gehört Ernährung und Fortpflanzung. Ernährung hat immer eine Spannung von gesund und ungesund. Diätethik ist da die Lehre von der Gesundheit des Lebens. In diesen Bereich gehört auch der Stoffwechsel, damit auch das Ausscheiden vom Stuhlgang. In diesen beiden Bereich merkt man schon: Es geht um Fortpflanzung und Arterhaltung. Also: Doppelpoligkeit von Selbstbezug und Du-Beziehung. Das Menschenbild Vetters ist gut für die Moraltheologie, weil es zwischen Philosophie, Theologie und Psychologie steht. Sein Menschenbild ist eine Fuge der Geistesgeschichte. Vetter will einen Gesamtplan der Gegebenheiten des Menschen darstellen, um die heile Verfassung des Menschen zu erarbeiten. Das wäre dann ein Richtbild für Psychologen und Seelsorger. Vetters Menschenbild geht von Dreigliedrigkeit aus. Man könnte auch sagen: drei Schichten, drei Bereiche: Leib, Seele, Geist. Leib ist Lebensgrund. In diesem Bereich soll gezeigt werden, daß vegetative Störungen ihre Ursache in der Seele haben, z.B. Magersucht führt dazu, daß bei Frauen keine Periode stattfindet. Ernährung und Sexualität gehören zusammen. Die Nahrungsaufnahme und die Ausscheidung von Nahrung hat seelische Ursachen. Bei Vetter kommt nun hinzu, daß er die symbolische Dimension der einzelnen Bereiche mit berücksichtigt. So ergibt sich: Das pflanzliche Wachstum ist dreigliedrig: Licht oben, Sproß in der Mitte, Wurzel unten. Zentral ist hier die Mitte, die sich nach oben entfaltet. Und genauso wird dann der Leib symbolisch betrachtet. Das nennt Vetter Anthropognomik. Das ist die symbolische Gestaltung des Leibes. So hat dann z.B. Kopf, Brust, Beine, und alles symbolische Bedeutung. B: die animalische Grundschicht. Vetter vergleicht hier den Menschen mit dem Tier, vorher war es die Pflanze. Typisch für das Tier ist eine Polspannung zwischen Empfindungseindruck und das Wirken. Man hat also Sinneseindruck, und den setzt das Tier um. Also zwei Seiten: Wahrnehmung und aus diesem Antrieb heraus folgt das Handeln. Beide Seiten werden vom Tier durch den Instinkt gesteuert, z.B. Wahrnehmung; da kommt der Feind, Handlung ist: Ich werde flüchten. Beides ist beim Tier gekoppelt. Diesem Instinkt verdankt das Tier seine Daseinssicherheit. Beim Menschen ist dieser Instinkt reduziert. Daraus ergibt sich für den Menschen: Sinne auf der einen Seite, Handlung auf der anderen Seite. Aber dazwischen kein Instinkt, sondern ein Hohlraum. Aus diesem Hohlraum ergibt sich Angst, die das Tier nicht hat. Beim Menschen verselbständigen also sich die Pole, dann kommt eben Angst. So ergibt sich aus dem Alleinsein der Sinne ein lähmender Schrecken, dann ist eben der Antriebspol gelähmt. Wenn sich die Antriebsseite verselbständigt, ergibt sich: eine blinde Wut. Anderes Beispiel für die Verselbständigung des Antriebspoles ist die Sucht. Hier ist eben das Verhalten nicht mehr von der Wahrnehmung beeinflußt. Folge: Der Mensch braucht eine Steuerungsmitte, so wie das Tier einen Instinkt hat. Mit dieser Steuerungsmitte kann dann der Mensch die Angst bannen. Was diese Mitte ist, hören wir später. Diese Spannung aus beiden Bereichen nennt Vetter den Grundkonflikt. Das ist, wenn beide Pole auseinanderfallen. Nun zu einer weiteren Spannung: Die Spannung zwischen oben und unten, zwischen Geist und Leib. Auf der einen Seite sind die Triebe, der Leib, auf der anderen Seite ist der Verstand und Wille, der Geist. Falsch wäre, wenn sich der Mensch nur mit der einen Seite beschäftigt, und z.B. den Verstand außen vorläßt. Nun ein dritter Aspekt. Geistiger Bereich: Spannung zwischen erkennen und wollen, zwischen dem kognitiven und dem voluntativen Pol. Beispiel: Ich weiß, was ich tun sollte, die Einsicht ist da, aber ich kann es nicht tun. Oder wenn der Wille dominiert, dann würde der Verstand vom Willen erleuchtet werden, das meint: ich bestimmte willentlich, was ich erkennen will und was nicht. Nun geht es um den Bereich der Mitte, der alles Steuern soll. Zwei Aufgaben der Mitte: A: Integrationsmitte, was meint das? Einen Bereich einordnen. B: Steuerungsmitte. Vetter verwendet weiter die Begriffe. Emotionale Mitte: Das ist das Gefühl. Und den Begriff der personalen Mitte, das ist die Steuerung von Gewissen und Gemüt. Diese Mitte soll die Persönlichkeit zusammenhalten. Zuerst zur emotionalen Mitte: Das sind Aspekte des Gefühls. Drei Grundaspekte des Gefühls: Selbst-, Mit-, und Lebensgefühl. Was ist Selbstgefühl? Da gibt es auch wieder zwei Spannungen. Oben ist das Selbstwertgefühl. Dieses kann zu stark oder zu wenig sein. Der untere Pol dagegen ist das Eigenmachtgefühl, ist umgangssprachlich das Selbstvertrauen, wo man sagt: Ja das schaffe ich schon, das kann ich, traue ich mir zu. Nun zum Mitgefühl. Hier geht es um die Beziehung zum Mitmenschen. Wieder zwei Pole hier. Mitleid und Mitfreude. Das Mitgefühl ist wie das Selbstgefühl Grundlage allen Verhaltens. Mitgefühl braucht Empathie, also daß man sich einfühlen kann. Aber Einfühlung allein ist noch kein Mitgefühl, sondern Mitgefühl ist, wenn ich Gutes will. Zum Lebensgefühl: Wieder zwei Spannungen, zwei Pole: Heiterkeit und Traurigkeit. Da hilft Ausgleich von Ernst und Humor. Nun zu Gewissen und Gemüt. Gewissen ist die Fähigkeit, Gut und böse zu unterscheiden. Vetter sagt: Das Gewissen bindet die Erkenntnis und den Willen. Das Gemüt nun ist vergleichbar mit dem Wurzeltrieb. Gemüt ist das Grundgeflecht der Anhänglichkeiten einer Person. Gemüt ist, wo uns etwas ans Herz gewachsen ist. Eine andere Umschreibung von Gemüt: Gemüt ist das Zielbild des emotional integrierten Menschen. Das meint, der Mensch ist in sich ausgeglichen. Nun zum Gesamtbild des Menschen. Es gibt dreifache Aufgliederung: Geist, Mitte, Lebensgrund. Wie sieht da nun die heile Verfassung des Menschen aus? Dreigliedrigkeit: Lebensgrund unten, geistiger Bereich oben, und die Mitte. Nun strahlt die Transzendenz auf den mittleren Bereich ein, das meint: Das Gewissen ist offen für die Stimme Gottes. Das Gewissen wird durch Transzendenz normiert. Man sieht: Das Gewissen ist nicht dem Verstand zugeordnet, sondern mehr der Transzendenz. Deshalb ist die Transzendenz der Mitte zugeordnet. Die Mitte soll nun die anderen Pole und die Spannungen steuern., z.B. steuert die Mitte, was ich wahrnehmen soll, wovor ich mich schütze, wie ich das sinnlich Wahrgenommene verarbeite. Die Mitte ist auch maßgebend für die Steuerung der Antriebe. Lasse ich einen Antrieb zu, verschiebe ich einen Antrieb oder nicht? Das ist die Aufgabe der Mitte. Beispiel: Geschlechtlichkeit. Dazu gehört Sinnlichkeit, Triebhaftigkeit, also die Sexualität hat auch zwei Pole. Die Mitte nun, also Gewissen und Gemüt, die steuert nun die beiden Pole der Sexualität. Heile Verfassung ist die, daß der Mittelbereich des Menschen entsprechend ausgeprägt ist, nicht also allein Wille oder allein Verstand, sondern Gewissen und Gemüt als Mitte der Persönlichkeit. Dieses Menschenbild ist gesehen aus dem Entwicklungsprozeß des Menschen. Dazu gehören immer Beziehungen. Deshalb nun ein zweiter Punkt der Anthropologie: Der Mensch entfaltet sich durch Beziehungen. Die Beziehungen sind vielfältig, in der Vielfalt gibt es Akzente, manche sind wichtiger als andere. Und je nach Alter und Geschlecht geben sich verschiedene Grundgestaltungen der Beziehungen. Heinen hat diese auf acht reduziert. Diese werden nun kurz vorgestellt im sog. Beziehungskreuz: Mutter, Vater, Sohn, Tochter sind die ersten vier. Bruder, Schwester, Mann, Frau, das sind die anderen vier. Das waren zwei Achsen: horizontal und vertikal. Verbindet man die alle miteinander, so ergeben sich acht Beziehungen. Was meint nun der Begriff Gestalt? Es ist eine bestimmte Qualität, die jemand zugeordnet wird, z.B. Mutter hat einen ganz eigenen Charakter, man wird zu einer mütterlichen Gestalt. Es kann eine Ordensschwester eine Muttergestalt für das Kind werden, wenn die Ordensschwester das Kind erzieht. Für die Ordensschwester hat das Kind dann auch Sohnesgestalt. Gestalt meint also bestimmte Qualitäten. Ziel ist nun, daß man eine gute Gestalt wird, z.B. daß eine Mutter zur Muttergestalt wird, dann wird es auch nicht zum Kindesmißbrauch kommen. Da gibt es Entwicklung, von Kindsein zum Brudersein, zum Sohnsein, zum Mannsein, zum Vatersein. Weil es sich ja um Gestalten handelt, ist diese Entwicklung auch alles gültig für die nicht Verheirateten. Beispiel: Die Entwicklung zum Mannsein heißt beim Single selbständig werden. Wenn einer nicht die Gestalt des Vaters annimmt, bleibt der Mann immer nur ein Erzeuger. Diese Beziehung, die dann der Vater zum Sohn hat, ist dann ein Kreuz. Deshalb heißt das Modell Beziehungskreuz, weil die Beziehungen Kreuze sind. Wenn nun einer eine bestimmte Grundgestalt nicht erlebt, gibt es die Möglichkeit der Stellvertretung, z.B. ein Kind ohne Vater sucht sich einen, der Stellvertreter für die Vatergestalt ist. Ein anderes Beispiel: Ein Kind sucht nach Geschwistergestalten, wenn es Einzelkind ist.

Der Mensch entfaltet sich in einem Reifeprozeß, zu dem verschiedene Stadien gehören. Nun also zu diesen Stadien der Entwicklung. Guardini hat die herausgearbeitet. Jedes Stadium, von Kindheit bis hohes Alter, hat bestimmte hohe Werte und Ansprüche. Vetter weist auf ein Stadium hin, das wichtig ist, nämlich die Mitte des Lebens. Daraus folgen zwei Hälften: eine erste und eine zweite. Jung sagt: Die erste Hälfte ist wie der Aufstieg der Sonne bis zum höchsten Standpunkt, das ist dann die Lebensmitte, dann kommt der Abstieg der Sonne bis zum Tod. Die erste Hälfte ist eine Aufbauphase, in Familie und Beruf. Die zweite Hälfte ist gekennzeichnet durch: das Sterben lernen. Auf- und Abstiegsmodell mit der Mitte. Das stammte von Jung. Vetter ergänzt das, denn bei Jung würde man nach dem Tod im Nichts versinken. Deshalb ist bei Vetter noch eine Linie wichtig: Von Gott kommend, zu Gott hingehend. Damit ist die zweite Lebenshälfte jetzt anders als bei Jung, bei Jung war es Sterben, bei Vetter ist es sich vorzubereiten, zu Gott zurückzukehren.

2.Theologischer Zugang: Die Grundaussage ist Ps 8,5: Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, wer ist der Mensch als Person? Hier steht der Mensch vor dem Geheimnis seiner Existenz, das er erfährt angesichts der Größe des Kosmos und angesichts seiner Kleinheit und schwäche. Aber das eigentliche Geheimnis des Menschen erschließt sich nicht in seiner Schwäche, sondern im Geheimnis Gottes. Das Geheimnis des Menschen ist, daß Gott sich des Menschen annimmt. Der Mensch wird also als theologisches Wesen definiert, der Mensch ist Antwort auf das rufende Wort Gottes. Im Pfingsthymnus heißt es: Dein Schöpferwort rief uns zum Sein. Der Basissatz der theologischen Anthropologie heißt: Zu dir hin hast du uns geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir (Augustinus). Hier wird der Mensch von Gott her und auf Gott hin verstanden. Daher vergleicht Augustinus den Menschen mit einer Brücke. Die Brücke hebt von einem Ufer ab, und endet am anderen Ufer. Der Mensch muß wissen, wer Gott ist, damit er sich selbst kennt. Um Gott zu kennen, muß der Mensch die Offenbarung annehmen, so Guardini. Nun drei Aspekte des christlichen Menschenbildes a: Von Gott erschaffen, b: Er erfährt die Sünde, c: Er braucht die Erlösung. d wäre noch: die Vollendung durch Gott. Diese drei werden nun beziehungstheologisch gedeutet. So ist Sünde z.B. Beziehungsstörung, und Erlösung ist dann Beziehungserneuerung.

a)     Der Mensch als Geschöpf und Ebenbild (Abbild) Gottes (Beziehungsstiftung)
Der Schöpfungsbericht in Gen 2 sagt: Der Mensch wurde von Gott aus Erde vom Ackerboden geformt. Formen kommt aus der Arbeit des Töpfers. Jer 18,6 spricht vom Ton in der Hand des Schöpfers. Also jede Form des Menschen ist individuell und ist die Spur des Schöpfers. Dieses Formen ist dann aber ein Lebensprozeß, damit die Anfangsform vollendet wird. Das bedeutet für den Menschen, daß wir uns der Form Gottes öffnen und mit ihr zusammenwirken. Zur Form des Menschen gehören auch die Bruchstellen und die Verwundbarkeit. Der Mensch soll einfach eine Bereitschaft zur Formbarkeit haben, er soll ein hörendes Herz haben, das ihm diese Entwicklung ermöglicht. Ethisch relevant ist weiter, daß der Mensch Ja sagen muß zu seiner Existenz, ja zum Dasein und zum Sosein. Nun ein weiteres Detail aus dieser Schöpfungsgeschichte: Gott bläst seinen Lebensatem in die Nase des Menschen. Da sieht man den Unterschied zum Tier. Denn dem Menschen wird der Odem von Angesicht zu Angesicht eingeblasen. Gott wendet sich dem Menschen zu. Diese Zuwendung Gottes ist darauf ausgelegt, daß sich auch der Mensch dem Gott zuwendet, lateinisch coram deo, vor Gott. Aus Sicht des NT ist der Odem der Geist Gottes. Der Wesensort des Mensch ist das coram deo, das vor Gott stehen. Wie das Töpfern so ist auch das Angehauchtwerden ein Lebensprozeß. Wenn nun der Mensch vom Vertrauen zum Mißtrauen kommt, also den Odem Gottes aufbricht, sind alle Beziehungen des Lebens gestört. Mensch können nicht miteinander umgehen, wenn sie nicht coram deo stehen, also keinen Geist Gottes haben. Interessant ist dann auch, daß Jesus bei der Neuschöpfung die Jünger auch anhaucht mit dem Geist Gottes. Nun zum Schöfpungsbericht der Priesterschrift. Gen 1,26: Laßt uns Menschen machen nach seinem Abbild. Als Abbild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er sie. Hier steht nun Gottebenbildlichkeit. Was meint das? Die Grundbedeutung ist: Der Schöpfer schuf ein Geschöpf, das ihm entspricht, zu dem er reden kann und das ihn hört. Gottes Ebenbild meint: Als Gottes Gegenüber ist der Mensch geschaffen. Der Sinn des Lebens ist daher: Zur Antwort gerufen. Gott kreiert den Menschen in der Art, wie er ihn erschafft. So entsteht die Person aus Gottes Anruf, die Dinge dagegen entstehen aus einem Befehl. Da sieht man, Schöpfung ist Beziehungsstiftung. Der Mensch wird durch Anruf Gottes zum Du. Der Mensch weiß sich zur Person freigesetzt und zur Würde berufen. So hat der Mensch einen Anspruch, der sich aus der Geschaffenheit durch Gott ergibt. Guardini sagt: Ganz Ohr zu sein für Gott ist der Weg zur Erfüllung der Existenz. Wie kann man aber den Ruf Gottes hören, das ist dann die Grundfrage. Man kann Gotteswort im Menschenwort hören. Weiter hat alles, was auf der Welt geschieht, Wortcharakter, überall verbirgt sich ein Wort. Manchmal meinen Leute, je näher ich Gott komme, desto mehr schrumpft der Mensch und ist nur noch Gott da. Aber das ist falsch. Richtig ist. je mehr der Mensch zu Gott kommt, desto mehr wird er sich selbst. Diese Lehre vom Menschen hat ethische Konsequenzen: die Unverfügbarkeit des Lebens. Das meint: das Leben ist in der Hand Gottes, Gott allein ist Eigentümer (vgl. Gen 9,6).

b)Sünde als Beziehungsverweigerung bzw. Beziehungsstörung: Zur Schöpfung gehört auch einerseits die Größe, andererseits die Endlichkeit und Fragilität, denn der Mensch geht auf den Tod zu. Die Aufgabe des Menschen ist es, die Spannung zwischen Größe und Elend auszugleichen. Sünde hat mit der Freiheit des Menschen zu tun, denn der Mensch hat Freiheit in gewissen Grad, das meint: Er kann wählen. Wenn er sündigt, ist Freiheit falsch gebraucht. Thomas von Aquin sagt: Gott wird durch nichts beleidigt, außer durch das, wo sich der Mensch selber schadet. Bei Sünde also schadet sich der Mensch selber. Was ist mit Sünde gemeint? Man muß vom Erschaffensein des Menschen ausgehen, damit hat das Dasein einen Sinn. Dieser Sinn ist im Groben vorgegeben. Sünde ist, daß ich gegen diesen Sinn verfehle. Wenn man Sünde so definiert, meint das: Man ist zu etwas berufen von Gott, und  man verweigert sich durch die Sünde gegen den Ruf Gottes. Guardini sagt: Die Grundgestalt der Sünde ist, daß der Mensch nicht mehr Abbild Gottes sein will, sondern der Mensch selbst will Urbild sein, also selber über den Sinn bestimmen können. Die Sündenfallgeschichte von Genesis zeigt, wie man sich gegen den Ruf verweigert. Gott stellt da den Garten zur Verfügung. Der Garten ist lebensermöglichendes Umfeld in einer Wüste. Im Garten ist alles darin, was der Mensch braucht, damit er bewahren und bebauen kann. Ein Baum ist dem Mensch versagt. Dieser Baum symbolisiert die Möglichkeit des Menschen, daß er mehr aus sich machen kann, als ihm zusteht. Die Frucht des Baumes als etwas, was nicht zum Menschen gehört. Nimmt der Mensch von der Frucht, führt dies zu Lebensminderung. Der Wesensort des Menschen ist coram deo sein, in der Sünde verläßt der Mensch diesen Wesensort, daß er vor Gott steht. Dann führt dies zu Selbstverwerfung und Selbstüberhebung. Walter Kasper sagt: In der Sünde macht sich der Mensch oder einen anderen Mensch selbst zu Gott. Also beide Seiten sehen: Selbstüberhebung und auch Selbstverwerfung. Wir halten fest: Verweigerung als Begriff für Sünde. Verweigerung hat doppelten Sinn: a: Verweigerung direkt gegenüber Gott, b: Verweigerung gegenüber einem anderen Menschen. Sünde ist eine mehrdimensionale Beziehungsverweigerung. Man verweigert sich direkt oder indirekt gegen Gott. Greshake sagt: Sünde heißt, die Comunio mit Gott verweigern. Man könnte den Sinngehalt der Sünde weiter ausfalten, wenn man inhaltlich noch Punkte betreffs der Sünde nennt. Da muß man wieder fragen: Was ist die eigentliche Berufung des Menschen? Der Mensch ist dann Mensch, wenn er das Entwicklungsprogramm übernimmt, das Gott ihm gibt. Und dieser Sinn, den Gott dem Menschen gibt, ist. die Liebe. Der Mensch soll also die Liebe, zu der er berufen ist, entfalten. Bei der Sünde tut man dies gerade nicht. Das könnte man nun an den 10 Geboten noch ausdifferenzieren. Die 10 Gebote zeigen nämlich die Sinnstruktur, die Gott dem Menschen gegeben hat. Erstes Gebot: Sünde ist, wenn ich mich an einen Götzen versklave. Zweites Gebot: den Namen Gottes, sein Wesen, heilig halten. Der Mensch soll die Gemeinschaft mit Gott bewahren. Drittes Gebot: Den Sabbath halten, mit Gott wieder in Beziehung kommen. Das war die erste Tafel der Gebote, die sich beziehen von Gott zum Menschen. Die zweite Tafel geht über die Beziehung von Mensch zu Mitmensch. Das vierte Gebot sagt, daß Eltern und Kinder in einer guten Beziehung stehen sollen, denn wenn die Eltern ihre Kinder gut behandeln, sorgen sich die Kinder auch um die Eltern, wenn die Eltern alt sind, also Schutz der Eltern-Kind-Beziehung. Fünftes: Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, nicht töten. Sechstes und neuntes geht um Liebe und Treue. Das siebte um Eigentum, das achte um Wahrheit. Die Zusammenfassung des NT ist: Gottes- und Nächstenliebe. Alles das hat mit dem Sinn des Lebens zu tun. Damit haben wir die konkreten Felder genannt, wo sich der Mensch gegen den Ruf Gottes verweigert. Nun das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Drei Männer gehen vorbei am Halbtoten, zwei nehmen ihn wahr, aber gehen vorbei. Das nennt Jesus Herzenshärte. Der Samariter nimmt den Anruf wahr und erfüllt ihn. Nun zur Erbsünde. Gehört auch zum christlichen Menschenbild. Die Sünde von der wir bis jetzt sprachen, hat mit der Freiheit zu tun, da kann der Mensch auch anders handeln. Bei Erbsünde ist Sünde übertragen gemeint: Es geht um eine Grundbefindlichkeit des menschlichen Daseins, in die er hineingeboren ist. Das ist ein doppeltes. A: Der Mensch ist in eine unheile Gesamtwirklichkeit hineingeboren. Das meint, der Mensch ist immer auch Opfer, nicht nur Täter. B: Der Mensch ist erlösungs-bedürftig. Der Mensch ist verwiesen, daß Gott ihn erlöst, der Mensch kann es allein nicht, ist auf Gnade angewiesen. Die Erbsünde wird in Taufe getilgt, da kommt der Mensch zu Christus zurück, wieder hin zum coram deo. Der Mensch darf jetzt selbst teilhaben an der Gottesbeziehung. Aber es gibt einen Teil der Erbsünde, die sog. konkupiszente Verfassung des Menschen, die wird durch Taufe nicht getilgt, das ist die Neigung zur Sünde. Es geht nicht um Sexualität, sondern: Das menschliche Dasein kann führen zur Selbstüberhebung oder Selbstverwerfung.

c)Erlösung als Beziehungserneuerung: Der Mensch ist erlöst durch Jesus Christus. Die Erlösung besteht darin, daß Gott in Jesus dem Menschen nachgeht, um den Menschen wieder zur Gotteskindschaft zurückzuführen. Coram deo ist Gotteskindschaft. Kindschaft ist ein Beziehungsbegriff. Gott und Mensch sind wesensmäßig verbunden. Von dieser Beziehung zu Gott gibt es eine Ausstrahlung auf alle Beziehungen des Menschen. Erlösung ist ein frei werden aus einer Fessel. Der Begriff Versöhnung meint, eine zerbrochene Beziehung wieder ganz machen. Es geht um Erneuerung der Beziehung zu Gott, Gott handelt, um den zerrissenen Faden wieder zu knüpfen. Höhepunkt ist hier das Weihnachtsfest, Gott wird Menschen, um den Menschen aus dem Nein zu Gott ins befreite Ja der Neuwerdung zu führen. Dieses Nein zu Gott erleidet Jesus am Kreuz. Das Kreuz ist Ausdruck der radikalen Liebe Gottes zu den Menschen. Greshake sagt: Vom Menschen her ist das Kreuz das Zeichen für das Nein der Menschen zu Gott. Von Gott her ist es der Beweis des ja, der höchsten Liebe, das Kreuz zeigt die Communio Gottes mit den Menschen. Dieses Kreuz muß man im Licht der Auferstehung sehen. Wie wirkt sich Erlösung beim Menschen aus: a: Erlösung bedeutet das Geschenk des Friedens mit Gott. b: Erneuerung der Gotteskindschaft. Die Erneuerung wird in Taufe geschehen. Dann hat man am Gottesverhältnis teil. c: Das Geschenk der Sündenvergebung. Der Mensch gewinnt Anteil am Gottesverhältnis Jesu, das hat vierfachen Aspekt. a: Teilhabe am Gottesbewußtsein Jesu, also so, wie Jesus Gott schaut. b: Teilhabe am Selbstbewußtsein Jesu: Ich weiß, ich bin ein geliebter Sohn Gottes. c: Es gibt ein Wir-Bewußtsein, wir sind Kinder Gotttes. d: Teilhabe am sittlichen Bewußtsein Jesu, das ist zu sagen: Dein Wille geschehe. Teilhabe ist Röm 8,14-16: Ihr habt den Geist empfangen, der uns zu Söhnen Gottes macht. Das waren nun die drei Grundelemente des chritlichen Menschenbildes. Geschaffenheit, Sünde, Erlösung. Ziel ist die Demut, bereit zu sein, den Ort des coram deo einzunehmen. Hochmut und Kleinmut sind die Gegenteile davon. Erlösung ist dann erneuerte Demut. Am Ende stände dann die Vollendung im Eschaton, mit der Glückseligkeit, der visio beatifica.

F.   Anthropologie und Theologie des Gewissens

Gewissen: zentrale ethische Instanz im Menschen. (Literatur von E. Schockenhoff: Wie gewiß ist das Gewissen?) Tiere haben kein Gewissen, nur einen Instinkt. Aber sie können dressiert werden: Dann sagen die Tiere: Wenn ich das mache, bekomme ich Lohn oder Strafe. Das Gewissen ist jedem als Anlage mitgegeben werden und muß gebildet werden, kann auch verbildet werden. Zweite Vorbemerkung ist: Es sind zwei Eigenschaften, die den Menschen hörig machen können. Hörig heißt. Ich gehorche voll dem anderen Menschen. Zwei Gründe, wieso es dazu kommt. a: Selbstunsicherheit, b: Isolationsangst. Diese beiden führen dazu, daß sich einer hörig an einen anderen Menschen anklammert. Horst Ewald Richter sagte das alles zur Hörigkeit. Nun zwei Zugänge zum Gewissen: anthropologisch  und theologisch. Eine Definition, was Gewissen ist: Theodor Müncker sagt: Gewissen ist eine Funktion der ganzen menschlichen Persönlichkeit, in der ihr ein sittlicher Anspruch bewußt wird. Das Gewissen muß immer in Funktion treten, sonst wirkt es nicht. Dann ist Gewissen etwas Ganzheitliches des Menschen, die gesamte Person des Menschen ist beteiligt. Der sittliche Anspruch ist persönlich verpflichtend. Also ich persönlich merke, was ich hier und jetzt tun soll. Gewissen ist kein moralisches Urteil, das wäre: Man darf nicht lügen. Das gewissen aber sagt: Ich darf jetzt in dieser Situation nicht lügen. Wenn das Gewissen in Funktion tritt, kommt etwas ins Bewußtsein. Das meint in zweifacher Weise: a: Das Gewissen kann über den Menschen kommen, plötzlich wird mir da bewußt, ich darf das jetzt nicht tun, da überkommt mich so dieser Gedanke. b: Jemand sucht nach dem Richtigen, im Laufe des Suchens wird einem etwas als Ergebnis bewußt. Da sieht man auch: Das Gewissen meldet sich nicht immer eindeutig. Man kann drei Elemente von Gewissensfunktion sehen: a. Wertintuition, das ist, wenn uns ein Wert aufleuchtet und einleuchtet. Einer meint: Es ist ein Wert-Fühlen. Nach Müncker werden die Werte schlicht und unmittelbar geschaut. Von dem geschauten werden wir dann angesprochen und es löst in uns eine zweifache Resonanz aus: eine emotionale und eine motivierende Seite. Motivierend wäre, wenn ich sage: Das will ich nun oder das will ich nun nicht tun. Die emotionale Seite wäre: Ich sehe einen Menschen und habe dann Mitleid mit dem Weh des anderen. Müncker sagt: Die emotionale Ansprechbarkeit ist nötig für eine Wertintuition. Also: Einfühlen und Mitfühlen ist nötig. Nun sind die Wertintuitionen noch kein Gewissensimpuls. Es muß sich erst ein Wertbewußtsein bilden, damit man weiß, was man tun soll. Im Gewissen werden die Werte intuiert, die jetzt in der Situation auf mich eindringen. Beim Samariter ist es der Wert des Lebens und des Helfens. b: zweite Funktion des Gewissens: Das Wert-Unterscheiden.

16

No comments:

Post a Comment