Allgemeine Moraltheologie
Einleitung
Die Reaktionen auf den Begriff Moral sind sehr unterschiedlich. Die
Vorstellung von Moral ist. Zwiespältig. a) Einmal ein neu erwachendes Interesse
an Moral, vor allem weil im medizinischen Bereich eine sehr schnelle
Entwicklung da ist, die die Ethik heraufruft, auch gibt es heute einen Ruf nach
Werten. Menschen merken, sie kommen ohne Werte nicht zurecht. Der Spiegel
machte dazu eine Umfrage, große Prozentzahl für Höflichkeit und korrekte
Kleidung. b) Skepsis und Befürchtung: Kann Moral nicht das Leben einschränken?
Mancher erlebt das Gute als Zwang, er möchte lieber frei sein. Edith Piaff
sagt: Moral ist, wenn man so lebt, daß es gar keinen Spaß mehr macht, zu leben.
Was will Moral eigentlich? Sie will Zielbilder gelingenden Lebens
aufzeigen. Moral soll dazu helfen, zu einer Lebensbejahung zu finden, daß der
Mensch sagen kann: Es ist gut, daß ich da bin. Paulus sagt: Wir sind Helfer zu
euerer Freude. Zu einem gelingenden Leben gehört auch, mit Leid umgehen zu
lernen, also nicht nur Spaß. Moraltheologie ist die Wissenschaft vom Sittlichen
Handeln. Das meint: Es ist ein Handeln, das bewertet wird nach dem Maßstab gut,
böse. Sittlich meint: Ein Maßstab, der sich aus einer Wertordnung ergibt, wird
angelegt. Moraltheologie muß den Menschen gemäß sein, also dem Menschen
entsprechend. Dazu muß man auch fragen: Wer ist der Mensch, was kann er, was
soll er? Weitere Frage: Wie kann der Mensch aus seinem ihm vorgegebenen Dasein
etwas machen? Der Mensch darf keine rigide und keine laxe Moral bekommen, er
braucht eine Mitte.
A. Der relationale Aspekt der Moraltheologie – Zu einer Grundperspektive der Moraltheologie
1.
Wodurch ist die MT
heute besonders herausgefordert?
Ein Zeichen der Zeit heute ist die lädierte Beziehungsfähigkeit des
Menschen. Wichtig ist immer zu fragen: Wer ist der Mensch heute? Das muß ich
wissen, um eine gute Moraltheologie betreiben zu können. Das ist wie ein
Beratungsgespräch, wo erst gefragt wird, wie es dem Klienten geht. Danach
schaut man, was weiter hilft. So sollte auch Moraltheologie vorgehen. Erst
fragen: Wie geht es dem Mensch heute? Dann entwickelt man hier konziliatorische
Aspekt (beratender Aspekt). Wo ist nun der Mensch, was ist ein Zeichen der
heutigen Zeit? Dazu ein Konzept von Wilhelm Heinen. Das Konzept der indirekten
Fragen. Heinen behandelt Fehlformen der Liebe, wie sind die zu verstehen und
wie kann man die heilen. Dazu bringt er die Moralpsychologie mit ins Spiel.
Konzept der indirekten Fragen ist: Jeder Mensch stellt Fragen normal mit
Worten. Indirekte Fragen sind Fragen durch das Verhalten, nicht mit Worten. Man
muß nun schauen, was es für eine Frage ist. Wie kann ich die beantworten? Diese
fragen sind hier problematische Verhaltensweisen, z.B. Fehlformen der Liebe.
Der Ausgangspunkt der Deutung ist die Wahrnehmung des Menschen in der
Gesellschaft. Heinen sagt: Der Mensch lebt in Kultur des Bewußtseins und der
Triebdynamik. Es betont das geistig rationale des Menschen, also das obere, und
es betont das Triebhafte, das Untere. Aber die Mitte, die nach Sinn sucht, geht
dabei leer aus. Kultur des Bewußtseins überbetont die Ratio, den Verstand und
den Zweckwillen, der alles umsetzen will. Also Sachverstand, Zweckwillen und
Bewußtsein. Triebdynamik meint: Triebe nach Haben wollen, siehe Werbung.
Weiter: Genießen wollen und dritter Trieb: Gelten wollen. Unterbelichtet ist
der Bereich der Mitte. Das wäre alle Emotion, Sinnsuche, was vermittelt dem
Menschen Zugehörigkeit. Und Frage nach verläßlichen Beziehungen, Geborgenheit.
Aus dem Mangelzustand nun entwickeln sich indirekte Fragen: Wie kann der
Mangelzustand beseitigt werden? Beispiele dafür. 1.: Inadäquates Verhalten,
z.B.: Aggressivität, Trotzverhalten, Eßstörung, Sprechstörung. Viele Kinder
haben heute verzögerte Sprachentwicklung, weil keine da sind, mit denen man
sprechen kann. Wenn sich nun einer auffällig kleidet und schlimme Geschichten
erfindet, nur um aufzufallen, Aufmerksamkeit zu erregen, das ist dann
indirektes Verhalten. Anderes Beispiel: ADS – Aufmerksamkeitsdefizits- und
Hyperaktivsyncrom. ADS meint: Man redet gegen eine Wand, Kinder passen nicht
auf. Hyperaktiv meint: Man kann nicht still sitzen. Mit inadäquatem verhalten
wird gefragt: Werde ich gesehen? Dazu muß man wissen. Leistungen streben
danach, daß das Kind hören will: Das hast du gut gemacht. Leistungen sind
adressierte Phänomene, man will wahrgenommen werden. Ein solches schwieriges
Verhalten kann gelöst werden durch Zuwendung. 2.: Konflikte mit der Zeit: Das
ist: störende Unpünktlichkeit, Hetze. 3.: Konflikte mit dem Raum: Ein Kind soll
einen Baum malen, das ist dann, wenn einer keinen Baum auf ein Blatt Papier
bringt, wenn einer mit dem Raum nicht zurecht kommt, wenn einer ständig wo
anstößt. 4.: Umgang mit Geld. Dazu nun ein weiterer Bereich, wo diese fragen
kommen: Der Leistungsbereich; Leistungsabfall oder gar -ausfall. Woher kommt
die Unfähigkeit, an die Arbeit zu gehen? Kinder, deren Elternhaus nicht stimmt,
sind weniger leistungsfähig. Wie lautet da die indirekte Frage des Kindes? Ihr
Eltern, schaut auf euere Situation, daß die wieder in Ordnung wird. Leistungsschwund
kann auch daher kommen, daß zuviel erwartet wird von den Kindern.
Überforderungen entmutigen einen. Ruth Kohn meint, man solle in der Schule
nicht nur nach Leistungen bewerten, es gibt mehr als Sieger zu sein. Auch das
Verhalten wäre wichtig, auch mal andere loben, nicht nur die mit den besten
Noten. Ein weiterer Bereich für indirekte Fragen: Delikte und Vergehen, also
da, wo ein Rechtsbruch ist, das ist indirekte Frage. Weiterer Bereich:
Erkrankung. Heute fragt keiner mehr: Welchen Sinn hat diese Krankheit hier und
jetzt. Krankheit ist mehr als nur ein somatisches Problem. Letzter Bereich nun:
Der Zustand höchster Verzweiflung als Suizidversuch. Dieser ist meist ein
Apellversuch: Man sieht keinen Ausweg mehr zu leben.
Was hat das alles für eine Bedeutung für die Moraltheologie: Wenn Leben
gelingen soll, braucht es mitmenschliche Begleitung. Die indirekten Fragen
zeigen, wie Menschen sich schwer tun, zurecht zu kommen. Die Moraltheologie muß
dazu eine Lebensbewältigungslehre sein. Was gehört denn zur Lebenskompetenz
dazu? Unterscheiden können zwischen gut und schlecht, auch sich entscheiden
können, ein Verhalten zu ergreifen, das andere aber dann zulassen. Dann lernen
können, sich an neue Umgebung gewöhnen können, dann Entwicklung von Beziehungsfähigkeit
von Freundschaften. Dann ertragen können, dann die Polarität zwischen Beginnen
können und Aufhören können. Dann zugreifen können und verzichten können, dann:
glauben, hoffen, und lieben können. Heute genügt es nicht, nur Forderungen zu
stellen, sondern wichtig ist, auch zu fragen: wie kann der sittliche Anspruch
verwirklicht werden? Es ist die Frage nach dem sittlichen Können. Die
indirekten Fragen zielen darauf hin, Hilfen zu bekommen durch mitmenschliche
Begleitung. Wilhelm Heinen hebt hervor, daß diese Fragen auf bestimmte Personen
sich beziehen: Es sind familiäre Personen, die der Mensch braucht. Peter Struck
zeigt unter anderem, wie wichtig die Sprachfähigkeit und die Bewegungsfähigkeit
bei der Erziehung des Kindes zu beachten ist. Auch die Entfaltung der Sinne,
die Entfaltung des Spielens, der Umgang mit Medien. b) Ein Psychotherapeut ist:
Helm Stierlin. Er nennt die Gesellschaftssituation Haltsuche in Haltlosigkeit.
Er fragt: Woran kann man sich heute noch halten, wenn alles fließt? Denn was
gestern Halt gab, gilt heute nicht mehr. Wichtig wären haltbar machende
Beziehungen. Wichtig ist, daß jeder Prioritäten setzt und sich für etwas
entscheidet. Sucht ist: Ausdruck einer gestörten Selbstregulation. c) Eugen
Biser versucht die Gesellschaft zu beschreiben. Er zeigt: Der Mensch der
Gegenwart ist gekennzeichnet durch den gebrochenen Lebenswillen. Es ist ein
Unvermögen des Menschen zu sich selber. Dieses erwächst aus der Wurzel der
Angst. Und die Angst ist der Nachbar der Einsamkeit, ein einsamer Mensch ist
der Angst ausgesetzt. Biser weiter: Die Gesellschaft ist da nicht förderlich,
sondern eher frustrierend. Die Menschen sind eine anonyme Masse. Der Mensch
fragt heute: Warum muß ich sein?
2.
Die Zielgestalt des
Werdens
Was ist das Ziel des Weges, wohin geht die Reise. Werden ist die
Entfaltung des Menschen. Zielgestalt bedeutet das, Woraufhin der Entfaltung.
Wenn wir Ziel entwerfen, dann muß das Ziel dem inneren Wesen des Menschen
entsprechen. Man kann die Zielgestalt des Werdens auch sehen als Beitrag zum
Gelingen des Lebens. Worin besteht nun die Zielgestalt? Vorläufige Antwort: Es
ist der beziehungsfähige und selbständige Mensch. Darin stecken zwei Begriffe:
a: Selbständigkeit, Autonomie und Freiheit Das wird heute leider oft
überbetont, aber das Ziel ist schon berechtigt. Der Mensch will ja Ich selbst
werden. Der Mensch soll in sich ruhen, in sich selber Stand gewinnen. b: Die
Beziehungsfähigkeit. Schon das Leben beginnt mit Beziehung bei der Geburt.
Beziehung gibt es zweifach: gegenüber und enthalten im Mutterleib. Beziehung
sein ist der Anfang von allem, da ist man noch nicht selbständig. Auch am
Lebensende ist Selbständigkeit oft erloschen, aber man ist noch in Beziehung.
Man kann nun sagen: Leben gelingt in dem Maße, wie der Mensch beziehungsfähig
wird und wie er dann selbständig wird. Nun muß man die Zielgestalt näher
präzisieren. Dazu muß man Beziehung und Selbststand ethisch näher
differenzieren. Denn Autonomie kann ja auch heißen: rücksichtslos. Wichtig ist
dazu der Begriff der Liebe. Was heisst Liebe? 1.: Liebe ist Sehfähigkeit auf
den anderen Menschen, den anderen wahrnehmen, b: die Bereitschaft, den anderen
in seiner Andersartigkeit anzunehmen. Zum annehmen gehört auch immer das
Neinsagen können. Ist eine Polarität zwischen ja und nein 3.: Dem anderen
Lebenshilfen geben, die der andere zum Leben braucht. Das Zielbild der
Entfaltung ist der liebende Mensch. Das bezieht sich auf mehreres. a: Auf sich
selbst, z.B.: Ich gönne mir ein Frühstück morgens. b: Liebe zum anderen. c:
Liebe zu Gott. d: Liebe zur Natur. Ziel der Entfaltung ist der liebende Mensch
das wird zweifach unterstützt. a: Alois Ethmaier schrieb Buch mit Titel:
Dialogische Ethik. Er will egologisches Denken überwinden und ein dialogisches
Denken fördern. Das dialogische Denken ist Du-bezogen. Ethmaier sagt: Die Liebe
ist die Norm ethischen Handelns. Ethmaier stellt dialogische Denker dar, z.B.
Martin Buber, Franz Rosenzweig. Einige Gedanken dazu auch von Ferdinand Ebner.
Man muß über die egozentrische Daseinsinteresiertheit hinauswachsen. Der
Abgrund ist die Du-losigkeit und damit verbunden die Ich-Einsamkeit. Ziel für
Ebner ist, in die Offenheit der Du-Begegnung zu kommen. Das Gegenteil ist
Nietzsche. Er will aus dem Gegenüber-sein heraus. Nach Ebner gelingt das durch
die Liebe und durch das Wort als Wege aus der Ich-einsamkeit. Die
Gesprächsfähigkeit ist da wichtig. Beziehungsfähigkeit und Selbständigkeit sind
Bedingungen für die Gesprächsfähigkeit. Vorbedingung für Gespräch ist aber
auch: mit sich allein sein können. Gespräch ist nicht Unterhaltung,
Besprechung, Selbstgespräch. Welche Hauptmerkmale hat ein Gespräch? Basis ist
Vertrauen, der Mensch fühlt sich ein in den anderen, und ist zugleich ganz bei
sich, er entfaltet sich also selbst. Das Gespräch stellt auch ein sehr gutes
Therapeutikum dar. b: Konzeption von Jörg Willi. Schreibt über die Psychologie
der Liebe. Er ist Fachmann in der Paartherapie. Er hat relationale
Psychotherapie. Seine Richtung heißt daher: Beziehungspsychotherapie
Ausgangspunkt dieser Richtung ist: Wir sind in Zeit der Destabilisierung, der
Relationalität. Er stellt fest: Heute steht im Vordergrund die Entwicklung und
Gestaltung von Beziehungsprozessen. Heute muß man sich nicht mehr von
Beziehungen unabhängig machen, so wie 1968, sondern man muß fähig werden zu
Beziehungen. Willi basiert auf der Rückverbindung von Psychologie, Philosophie
und Theologie. Willi hat also anderes Menschenbild als Grundlage. Er sagt: Der
Mensch entwickelt sich aus Beziehungen, diese fordern heraus zu Beziehungen,
sie begrenzen Beziehungen und unterstützen Beziehungen. Diese drei Dinge nennt
Willi. Grundvoraussetzung bei ihm liegt in der Frage enthalten: Wer wären wir
heute, wenn wir nicht bestimmten Menschen begegnet wären? Man muß jetzt
Beziehungen so schaffen, daß sich das Potential entfalten kann, das jeder in
sich hat. Außerhalb Beziehung gibt es kein psychisches Leben. Bei Willi ist
dann wichtig das beantwortete Wirken. Das meint: Jeder Mensch sucht in seinem
Beziehungsfeld etwas zu bewirken, dann will der Mensch, daß dieses Wirken von
anderen beantwortet wird. Der Mensch ist bestrebt zu wirken und will
beantwortet werden. Für die Psyche ist es wichtig, von der Mitwelt beantwortet
zu werden. Formen des Wirkens sind die Leistung, das Ausüben von Einfluß oder
andere in ihrem Wirken unterstützen. Jeder sucht sich so eine Umwelt, wo er
sich am besten entfalten kann. Der Mensch ist am meisten damit beschäftigt, die
Wirkungen zu beobachten, die anderen auf das Wirken hin zeigen. Man beobachtet,
wie andere das eigene Wirken beantworten.
3.
Die Vielfalt von
Beziehungen
a: Zwischenmenschliche Beziehung. Da gibt es zwei Variablen, die die
Vielfalt ausmachen. Das Alter und das Geschlecht Das Alter: Beziehung zu
Jüngeren, Gleichaltirgen, Älteren. Das Geschlecht: gleiches oder anderes
Geschlecht. Daraus ergeben sich schon 6 Möglichkeiten von Beziehungen. Oft ist
das aber eingeschränkt. Manche haben nur Beziehungen zu Jungen. b: Beziehung zu
sich selbst. Es ist schon wichtig, mit sich selbst in Kontakt zu sein. Es gibt
ja Körpersignale, wichtig ist besonders, daß wir mit unserem Gewissen in
Kontakt sind. Das Gegenteil der Selbstwahrnehmung ist Flucht vor sich Selbst.
c: Beziehung zur Natur, Bereich der Erholung. Diese Drei werden nun durch
vierte Dimension erweitert, das ist eine besondere, weil die vierte Dimension
alle drei anderen umgreift: c: Beziehung zu Gott. Das meint: Indem wir der
Natur begegnen, können wir der Spur Gottes begegnen. Überall also schwingt die
Begegnung Gottes mit. Es finden sich immer Spuren der Liebe Gottes. Die Mystik
sagt: In der Tiefe der Seele ruht das Fünkchen, das uns mit Gott verbindet. Der
Seelengrund reicht in das Geheimnis Gottes. Dazu wird nun eine bildhafte Form
vorgestellt. Es gibt die vier Dimensionen der Bezogenheit. Die vierte Dimension
Gott umfaßt alles. Die vier Urbeziehungen sind zunächst einmal zu Gott: Vater,
Sohn und Heiliger Geist. Gott Vater über uns, Jesus uns gegenüber, der Geist in
uns. Dann: zum Mitmenschen ist das du und wir. Und das wieder je nach Geschlecht.
Zu: Natur: Es gibt belebte und unbelebte, wie Steine, und letztens: zu uns
selbst.
4.
Der relationale Aspekt
der Moraltheologie in theologischer Sicht
Allgemein gilt: In theologischer Sicht zeigt sich: die Bedeutung der
Beziehungen im menschlichen Dasein wird von der heiligen Schrift voll
bestätigt. Was heißt theologisch Denken? Die Zeit aus der Sicht der Ewigkeit
betrachten. Oder anders: alles aus dem Licht der Offenbarung betrachten.
Offenbarung ist: Der ewige Gott kommt als Jesus in die Zeit. Die Offenbarung
ist ein Beziehungsvorgang, weil Gott mit den Menschen eine Beziehung knüpft,
und zwar durch das Wort, das Fleisch geworden ist. Worin bestand die
Haupttätigkeit Jesu? Er arbeitete an Beziehungen von Menschen zu sich selbst
und zu Gott und zur Natur. Die Natur kommt bei Jesus in vielen
Wachstumsgleichnissen vor. Diese Beziehungsarbeit wird in den
Heilungsgeschichten des NT besonders deutlich. Heilung bedeutet: Die
vierdimensionale Bezogenheit des Menschen wird durch Jesus ermöglicht. Das
sieht man vor allem an den Sinnesheilungen, z.B. Blindenheilungen. Was soll man
sehen? Man soll Gott entdecken in der Welt, Gott im rechten Licht sehen,
Verabschiedung von falschen und naiven Gottesbildern. Zum Sehenlernen gehört,
sich selber und die eigene Lebensgeschichte kennenlernen. Die Bekehrung Pauli
wird in der Apg dreimal erzählt. Paulus wird innerhalb von drei Tagen sehend.
Drei Tage meint: Der Tag der göttlichen Hilfe. Bei Paulus ist das Sehendwerden
eine Umkehr. Ein zweiter Bereich der Heilungsgeschichten: Taube lernen Hören.
So ist das Grundgebot des Dtn: Höre Israel. Auch die Berufungsgeschichten sind
wie folgt: Einer ruft, der andere hört. Das heißt, der Gipfelpunkt des Hörens
ist das Wahrnehmen der Berufung. Dann zum nächsten: Stumme lernen Sprechen.
Jesus meint vor allem die Fähigkeit zum Lobpreis Gottes. Lahme können gehen
meint: Man kommt in Bewegung, lähmende Selbstzweifel werden überwunden. Nun ein
Beispiel für eine solche Heilungsgeschichte. Mk 3: Die Heilung des Mannes mit
der verdorrten Hand. Jesus sagt am Sabbat: Stell dich in die Mitte. Was ist die
verdorrte Hand? Die Hand ist eines der wertvollsten Organe, die wir haben. man
merkt es, wenn wir uns mal geschnitten haben. Hand und Handlung gehört
sprachlich auch zusammen. Ist die Hand verdorrt, fehlt das, was zum Leben
bestimmt ist. So ein Mann mit behinderter Beziehungsfähigkeit wird von Jesus in
die Mitte gestellt. Und die Rettung Jesu ist: Der Mann wird wieder
beziehungsfähig, denn der Mann streckt seine Hand aus. Kurz gesagt: Glaube heißt,
die Handreichung Gottes ergreifen. Denn in Jesus ergreift der Mensch die Hand
Gottes. Bei Johannes erkennt man: Da werden die Wunder Zeichen genannt. Wunder
sind Zeichen. Und das erste Zeichen in Johannes ist die Hochzeit von Kana. Es
geht da um Beziehung von Mann und Frau. Man muß die Hochzeit von Kana lesen auf
dem Hintergrund der Urgeschichte von Adam und Eva. Da kommt jetzt Jesus, um den
Menschen in der Bezogenheit zu Gott zu heilen. Auf dem Hintergrund der
Urgeschichte erscheint das Kommen Jesu als beziehungsstiftend. Und das ist die
Erlösung. Zur Hochzeit von Kana sei gesagt: Erika Lorenz beschäftigte sich mit
Teresa von Avilla. Sie schreibt: Jesu Kommen ist ein fröhliches Fest. Jesus
verwandelt 600 Liter Wasser in vorzüglichen Wein. Bedeutend ist bei der
Hochzeit: Durch Jesus ist eine Wandlung ermöglicht. Welche Wandlung geschieht?
Eine Wandlung zum Du und zur Beziehung hin. Der Wein ist auch Symbol für den
neuen Menschen. Christus kam nicht in die Welt, um eine Lehre oder Gebote
überzustülpen, sondern Jesus kam, um den Menschen in das Geheimnis des Daseins
zu führen. Das Grundgesetz des Daseins ist: Der Mensch stammt aus der Liebe und
ist zur Liebe bestimmt. Das Gelingen des Lebens hängt davon ab, daß der Mensch
in die Grundmelodie des Daseins einstimmt und so in Harmonie kommt. All das
kann man verdeutlichen an zwei Grundbegriffen: Reich Gottes und Umkehr. a:
Reich Gottes ist da: wo der Mensch ganz Mensch ist, weil er Gott als Gott
anerkennt. Reich Gottes ist da, wo Menschen glauben, hoffen und lieben. Glauben
meint verwurzelt sein in Gottbezogenheit. Hoffen heißt: in der Enttäuschung den
nicht zu verlieren, der unser Leben will. Lieben meint: von Gott geliebt worden
sein, und dieses geliebt werden dann beantworten. Liebe ist also eine Antwort,
denn Gott hat uns zuerst geliebt. b: die Umkehr ist der Aufbruch in die
Du-Begegnung. Also Umkehr ist eine Umwendung, Gott nicht mehr den Rücken
zeigen, sondern ihn anschauen. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters: Vor
der Forderung des Sollens steht erst einmal das Geschenkt des Glaubens. Diese
Erzählung ist ein Selbstbildnis Jesu. Der unter die Räuber gefallene Mensch
steht für den Menschen allgemein. Und da kommt jetzt der Gottessohn, der
Samariter, der heilt und rettet. Daraus ergibt sich: Ethik lädt in die
Nachfolge ein, um an Heil und Rettung des Menschen mitzuwirken. Auf einer
Miniatur sieht man einen Engel, der eine Schale bringt. Eine Deutung. Es ist
die Schale der Barmherzigkeit. Andere Deutung: Bei Jesus am Ölberg wird bei
Lukas berichtet, daß ein Engel kommt und Jesus stärkt. Es könnte auch hier auf
der Miniatur der selbe Engel sein, der hier Jesus bei der Rettung der Menschen
hilft.
5.
Brauchen wir heute
eine therapeutische Theologie?
Eugen Biser sagt: Die Theologie ist heute ein System geworden, man muß
sich dabei fragen: Kommt da der einzelne, angeschlagene, leidende Mensch noch
vor? Biser meint auch, das narrative der Theologie, das Angesprochenwerden, sei
verloren gegangen. Biser sagt: in jeder Heilungsgeschichte bin ich
angesprochen, diese Geschichten haben den Menschen heute im Blick. Nun habe
sich die argumentative Theo durchgesetzt, da tritt das narrative zurück.
Deshalb müsse, wieder das Heilende am Wort Gottes in Blick genommen werden.
Aber: In der Wissenschaft ist das nur ein Anklang.
B. Zum Selbstverständnis und zur Methode der Moraltheologie
1.
Die ethische
Grundfrage
Die Ethik ist der Prozeß des Nachdenkens. Die ethische Grundfrage
lautet: Was sollen wir tun? Was soll ich tun, damit mein Leben gelingt, was
sollen wir tun, damit unser Zusammenleben und auch mein Leben gelingt?
Menschliches Leben gelingt eben nicht von selbst. Es gibt viele Gründe für das
Scheitern. Aber auch das Scheitern ist nicht einfach nur ein Schicksal. Die
beiden Extreme: Totale Freiheit und Diktatur. Der Mensch muß sein Werden
dazwischen entfalten. Es ist eine Reifung wie in der Natur, da muß eine Frucht
reifen. Das Bild der Reifung aus der Natur wird nun ins Personale übertragen.
Der Mensch ist Person, er hat Freiheit. Diese Person muß nun sein Leben entfalten,
es reifen lassen. Gutes sittliches Handeln fördert das Reifen. Wie sehr es auf
den Menschen bei der Reifung ankommt, sieht man besonders an Weggabelungen, wo
man sich in Konfliktsituationen entscheiden muß. Ein Mensch muß sich immer
wieder entscheiden, in welche Richtung man gehen soll. Bei Weggabelungen geht
es nicht nur um Verhaltensweisen, sondern auch um Sinnentwürfe, Welchen Sinn
gebe ich meinem Leben? Wozu lebe ich, was ist der Sinn? Auch das muß ich
wählen. Wähle ich falsch, gerate ich in Widerspruch zu mir selbst, ich lebe im
Widerspruch mit mir selbst. Wir kommen aber dann auch zu Widersprüchen mit
anderen Menschen, dann komme ich in Isolation zu anderen Menschen. Falsche
Entscheidungen haben also auch Konsequenzen für mich selbst, für den
Mitmenschen und auch für die inhumane Natur, also die Tiere und Umwelt. Und
schließlich kommt die vierte Beziehungsdimension dazu: die Beziehung zu Gott.
Da kann man fragen, wenn die Beziehung zu Gott fallen gelassen wurde: Welchen
Sinn hat das Leben dann ohne Gott? Die Situation der Entscheidung an
Weggabelungen ist ein altes Bild. Kommt schon vor im Herakles-Mythos. Herakles
muß entscheiden, ob er den Weg der Tugend oder den der Laster geht. Da setzt er
sich auf eine Bank und überlegt. Da kommen zwei Frauen auf ihn zu. Die eine ist
die Lasterfrau, die sagt: Du wirst keine Mühen haben, du wirst alle Freuden
gewinnen. Die Tugendfrau sagt: Ich kenne dein Wesen, Herakles. Du kannst gute
Taten vollbringen. Dann kommt es zur Diskussion zwischen beiden Frauen. Pointe
ist: Das Glück wird nur erreicht durch das Tun des Guten. Beim Sinn des Lebens
geht es immer um Wegetappen, um Zielpunkte, man muß auch mal in die Einsamkeit
gehen und sich prüfen, denn eine Entscheidung kann mir letztlich keiner
abnehmen. Kirkegaard nennt diese Entscheidung: Die Wahl der Wahl. Entscheidung
meint auch immer Verabschiedung von nicht verwirklichbaren Möglichkeiten.
Voraussetzung für eine Entscheidung ist die Einsicht in die Werte, um die es
geht. Drei Schritte: erkennen, unterscheiden, sich entscheiden. Worauf läuft
alles hinaus? Es muß eine Erfahrung des ethischen Anspruchs kommen. Es muß die
Frage auftauchen: Was soll ich tun? Dieser Anspruch taucht auf im Gewissen. Der
Heraklesmythos zeigt die beiden Wege, die beiden Frauen also, sind nicht
gleichwertig, denn der Lasterweg führt ins Verderben.
2.
Die ethische Frage im
Kontext des Glaubens
Der Mensch ist in Entscheidung. Jes Sir 15,14: Gott hat den Menschen
erschaffen und ihn der Macht der eigenen Entscheidung gelassen. Gaudium et spes
greift das auf: Die Schöpfung ist die Entlassung des Menschen in die Freiheit,
und da soll der Mensch frei ja sagen zu Gott. Die ethische Frage aus
Glaubenssicht meint: Wir sollen nach Gott suchen und ihn erkennen, erkennen
meint den Ruf erkennen, der an uns geht. Lk 3,10 zeigt: Die Leute fragen
Johannes den Täufer, wie Umkehr konkret aussehen soll. Da gibt Johannes dann
konkrete Antworten. Menschen kommen zu Johannes aus ihrer Situation heraus. Das
selbe ist mit dem reichen Mann und Jesus. Der Reiche fragt: Was soll ich tun,
um das ewige Leben zu gewinnen? Diese ist die klassische ethische Frage. Jesus
gibt dann Antwort. Der Reiche fragt aber weiter. Darauf sagt Jesus: Alles
verlassen und nachfolgen. Das kann der Reiche nicht. Theologisch kann man sagen:
Es gibt allgemeine Berufung, das Heil und das ewige Leben zu gewinnen. Heil ist
Leben mit Gott, communio mit Gott. Und es gibt die individuelle Berufung, wo
der Mensch in seiner Einmaligkeit angerufen wird. Die individuelle Berufung
findet man in Existenzialethik, so Karl Rahner. Eine andere Bibelstelle zur
Entscheidung ist, wo Saulus zum Paulus wird. Apg 9.23.26: In diesen drei
Kapiteln steht es jeweils. Da ist die Frage des Paulus: Herr, was soll ich tun?
Die Frage ist gestellt im Dialog mit dem Herren. Jesus selbst gibt dann keine
präzise Antwort, sondern verweist auf den Hannanias. Daran sieht man:
Christliche Ethik ist responsorische Ethik, Anwort auf den Ruf Gottes. Es gibt
drei Komponenten für das ethische Handeln im Glauben: a: Der Ursprung des
ethischen Anspruchs. Wo kommt der Anspruch her? Es ist Christus, der uns
anspricht. b: Die zweite Komponente der christlichen Ethik ist das Ziel des
Rufes, die Ewigkeit, Ziel ist nicht diese Welt. c: Was sind die
Verwirklichungshilfen, damit der Mensch im Glauben sein Ziel erreichen kann.
Das ist die praktische Glaubensausübung, dazu gehört: Glaubensgemeinschaft,
Schriftbetrachtung, Liturgie, Sakramente, Eucharistie, Gebetsleben in Stille.
Eine Kurzformel der responsorischen Ethik ist: die Person Jesus selbst, die uns
zeigt, was das Geheimnis des Menschen selbst ist.
3.
Erste terminologische
Klärungen
Erster Begriff: Ehtik, griechisch Ethos, hat zwei Varianten. a: Mit
Epsilon. Damit ist gemeint Gewohnheit, Sitte, Brauch. Gewohnheit ist: Wer durch
Erziehung daran gewöhnt ist, wie er handeln soll. b: Mit Ätha. Führt einen
schritt weiter; es geht da um ehtisches Handeln im eigentlichen Sinn. Da
übernimmt man nicht einfach eine Gewohnheit, sondern aus Einsicht und
Überlegung tut man das richtige. A kann man auch nennen: sozial auferlegte
Sittlichkeit, b: personal bejahte Sittlichkeit, da erkennt einer das Gute und
will das für sich selbst verwirklichen, einfach nur deshalb, weil es gut ist.
Ehtos im Deutschen meint die Gesamtheit des verantwortlichen Verhaltens, das
sich an Regeln hält. Da gibt es wieder Unterscheidungen: Das Ethos des
Einzelnen, oder das Ethos einer bestimmten Gruppe, z.B. das Ethos eines
Lehrers. Dann: ethisches Handeln, das ist ein Handeln, das einen sittlichen
Anspruch verwirklicht. Allgemeiner Anspruch wäre, das Gute zu tun, das Böse zu
unterlassen. Geboten, verboten, erlaubt, nicht erlaubt. Dann: Ethik ist das
systematische Nachdenken über das gelebte Etwas. Ethik ist also die
wissenschaftliche Disziplin über den Ethos, Ethos ist das, was der Mensch als
verbindlich ansieht, nach dem er lebt. Die Ethik fragt, ob ein Anspruch, der
gegeben ist, gültig ist. Was ist das Gesollte, warum sollen wir es tun, wie
können wir das verwirklichen. Moral, kommt von lat. mos: Sitte. Das Wort Moral
ist ein anderes Wort für Ethos. Dann gibt es eine weitere Unterscheidung:
Moralität oder Sittlichkeit ist ein Handeln, das sich dem Anspruch des Guten
verpflichtet weiß. Sittlichkeit meint: Da ist schon die Erkenntnis, die
Bejahung dabei. Das Sittliche ist der Anspruch der Wirklichkeit. Sittlich
Handeln ist dann, den Sollensanspruch der Wirklichkeit handelnd zu beantworten.
Es gibt zwei Seiten der Sittlichkeit: Die subjektive Seite, wo es um den
sittlich Handelnden geht, und die objektive Seite, die inhaltliche Seite, da
geht es um normative Weisungen. Moraltheologie ist die theologische Ethik, sie
beschäftigt sich mit dem sittlichen Handeln im Kontext des Glaubens und ist
keine einheitliche Größe. Ein Wendepunkt in der Geschichte ist vor allem da das
zweite Vaticanum. Wir werden nun also nur einen Ausschnitt dessen kennenlernen,
was Moraltheologie ist. Dabei ist weiter zu bedenken, daß biographische Motive
miteinfließen, denn es geht immer um existentielle Betroffenheit.
a) Die autonome Ethik im christlichen Kontext (Alfons Auer): Diese soll
Neuentwurf der katholischen Moraltheologie nach dem Konzil sein. Auer will eine
neue Findung und Begründung von sittlichen Weisungen. Diese Begründungen sollen
kommunikabel sein. Es geht darum, daß man einen vernünftigen Dialog führen
kann, auch mit denen, die den Glauben nicht teilen. Das bedeutet: Ich kann eine
Norm nicht begründen durch die Bibel oder das kirchliche Lehramt, sondern es
muß vernünftige Gründe geben, die dafür sprechen, ein Verhalten als verbindlich
anzusehen. Erst im zweiten Schritt werden dann die vernünftigen Überlegungen
mit dem Glauben konfrontiert. Also zwei Schritte: Vernünftige Überlegung und
Glaube. Das vernünftige Denken macht ja die Philosophie, was ist dann typisch
für die Moraltheologie? Das spezifische sieht Auer im zweiten Shritt: Also die
Deutung dessen, was die Vernunft erkannt hat, im Licht des Glaubens zu deuten.
Auer geht also aus von der Autonomie des Sittlichen. Das meint: Der sittliche
Anspruch wird aus Erfahrungen gewonnen, nicht aus der Bibel oder dem Glauben.
Das meint Autonomie. Auer hat bei diesen Überlegungen das Weltethos im Blick.
Das meint, die Gebote 1 bis 3 des Dekaloges beziehen sich auf das Heilsethos,
es geht um den Menschen. Die Gebote 4 bis 10 meinen das Weltethos, da geht es
um das Zusammenleben der Menschen. Weltethos ist also: normative Regelungen,
die alle Menschen betreffen, egal ob sie Glauben oder nicht. Bei Auer geht es
um die Normen des Weltethos. Wenn nun die Autonomie des Ethos, des Sittlichen
gilt, also unabhängig vom Glauben, was will dann der Glaube? a: Der Glaube
motiviert zum sittlichen Handeln, motiviert, die Würde des Menschen
anzuerkennen. b: Der Glaube hat eine dreifache Funktion im Blick auf das
Nachdenken über etwas. Dies war eine Definition von Vernunft. Der Mensch macht
Erfahrungen, aus denen ergeben sich dann Sittlichkeiten. Diese Erfahrungen
meint Vernunft. Der Glaube hat nun dreifaches 1.: Er integriert. Also man nimmt
das Vernünftige in sich selbst auf. 2.: Er stimuliert zum Weiterdenken, nicht
stehen zu bleiben. 3.: Er kritisiert die Vernunft. Bei Auer geht es darum, daß
sittliche Urteile wahrheitsfähig sind. Diese Sittlichkeiten kommen aus:
Erfahrung und vernünftigem Nachdenken über die Erfahrung, nicht aber aus dem
Glauben. Das Sittliche ist nicht ein Oktroi, also eine Auflage, sondern in der
Wirklichkeit des Menschen gibt es Sinnstrukturen, die muß man erheben, und in
denen ist das Implikat des Ethischen enthalten. Der Vorteil eines solchen
Nachdenkens besteht darin: Das Gute ist nicht eine Auflage eines anderen,
sondern das Gute entspricht der Wirklichkeit des Menschen. Auer argumentiert
also: In der Wirklichkeit des Menschen die Sinnstrukturen aufdecken, in denen
das sittlich Gute schon enthalten ist. Beispiel: Was ist die Sinnstruktur der
Sprache? Es ist die Ausrichtung des Menschen auf Wahrheit.
b) Glaubensethik (Bernhard Stöckle): Er bekämpfte den autonomen
Denkansatz mit diesem Ansatz: Der Mensch ist mit Erbsünde behaftet, der Mensch
ist der gefallene, mit Unheil besäte Mensch. Folge: Der Mensch ist sittlich
nicht sicher, und kann sich nicht selbst verwirklichen. Die verlorengegangene
Gnade kann man nur durch Glauben wiederbekommen. Sicherheit nur durch Glauben.
Der Glaube garantiert menschliche Erkenntnisse. Was folgt daraus für die
Normfindung? Stöckle sagt: Bei der Ethik geht es um den Menschen, das
eigentliche liegt im Glauben an Jesus. Stöckle spricht dem Glauben
unmittelbaren Einfluß auf den sittlichen Prozeß zu. Der Glaube ermöglicht
sittliche Normierung. Die sittliche Findung ist notwendig auf den Glauben
verwiesen. Glaube ist also mehr als nur Motivationskraft. Der Glaube erschließt
selbst die Sinnwerte. Beispiel: Die Personenwürde, die an Gott festgemacht
wird, oder: Hoffnung auf Friede, Gewaltverzicht. Der Unterschied zu Auer ist:
Allein durch Glaube kann man Normen sicher begründen. Und Stöckle sagt:
Bestimmte Normen sind nur für den Gläubigen einsehbar.
Nun die kritische Bewertung der beiden ersten Ansätze: Auer wollte ja
die Ethik so begründen, daß man mit allen Menschen Kommunikation treiben kann,
die nicht glauben. Hier ist Auer zuzustimmen. Aber leider richtete sich Auer
als 68er gegen die Kirche. Auer meinte eben: der Mensch braucht eine
vernünftige Begründung, um die muß man sich bemühen. Bei Auer muß man wissen,
daß er von 1968 geprägt ist. Heute dagegen fragt man: Woran kann ich mich
halten? Was gibt mir Sicherheit im Gewirr der Stimmen? Was an Auer weiter
Problem ist: Die Betonung der Freiheit und der Vernunft des Menschen. Heute gibt
es mehr einen Einsichtsnotstand. Heute braucht man grundsätzliche
Werterfahrungen, die voraussetzen, daß man verstehen kann. Vor der Begründung
steht immer die Erfahrung. Beispiel Ehe: Kann ich die nur durch Vernunft
begründen, oder muß ich bestimmte Werte erst mal erfahren haben, damit ich
bestimmte Vernunftargumentationen einsehen kann? Stöckle dagegen forderte schon
immer das Vorbildethos. Er fordert also auch eine Kommunikation des Ethos, aber
nicht rational, sondern durch das Zeugnis. Ein Zeugnis in folgendem Sinn: Liebt
einander, daß die Welt es sieht und damit glaubt. Problem an Stöckle ist:
Verhältnis von Glaube und Vernunft. Bei Stöckle bestimmt der Glaube die
Vernunft direkt. Das ist nicht direkt so, denn es gibt Dinge, die haben keine
Grundlage in der Bibel.
c) Hermeneutische Moral (Johannes Reiter): Es ist der dritte Weg neben
Auer und Stöckle. Maßgeblich für den dritten weg ist Klaus Dämmer. Der
hermeneutsiche Weg stammt also von Dämmer. Hier ist es nun so: Der Glaube
beeinflußt nicht mehr direkt und unmittelbar, sondern der Glaube beeinflußt
indirekt, und zwar durch das Menschenbild. Dieses vermittelt zwischen Glauben
und Vernunft. Das Menschenbild erhält eine Sinndeutung auf die Frage: Wer und
wozu und wohin geht der Mensch? Im Menschenbild ist der Rahmen, wo sittliche
Urteilung geschieht. Beispiel: Wie wird der Mensch verstanden? Ist er nur
geworfenes Dasein? Dann gibt sich ganz andere Ethik und Ethos. Oder ist der
Mensch geliebtes Geschöpf? Dann ist wieder anderer Ethos da. Der Glaube
erleuchtet die Vernunft, das christliche Menschenbild ist die Inspiration
dafür. Wichtig zur Orientierung ist auch die Frage: Warum ist Gott Mensch
geworden? Bei Dämmer gibt es eine relationale Autonomie der Vernunft. Das
Nachdenken über Moral geschieht im Bezug auf das Licht Gottes, der sich in
Jesus offenbart hat. Zusammenfassend gesagt: Die hermeneutische Moral greift
die Vorteile von autonomer Ethik und von Glaubensethik auf und sagt dann dazu:
Der Glaube impliziert ein Menschenbild, von dem aus ist ein neuer Rahmen gegeben,
indem nach sittlichen Weisungen gefragt wird. Bei der autonomen Moral wäre es
so, daß die Vernunft ganz vorn steht, bei der Glaubensmoral ist der Glaube das
allein Führende. Dämmer bringt beides in Relation mit Hilfe des Menschenbildes,
das als Rahmen gilt. Daraus kann man sagen: Moraltheologie zeigt die ethische
Erforschung des christlichen Menschenbildes. Jetzt fragen wir: Was meint
hermeneutisch? Die Kunst des Verstehens und der Auslegung von Sinn der Texte.
Für Hermeneutik ist Geschichtlichkeit wichtig, denn man versteht nur, wenn man
die Geschichte des Nachdenkens mitbedenkt. Wir stehen nicht auf dem Nullpunkt,
sondern in einem geschichtlichen Wachstum. Da gibt es Tradition, das sind
Erfahrungen von Menschen, die sich bewährt haben. Die Hermeneutik betreibt die
sachgerechte Auslegung von Texten, indem sie die Zeitgeschichte mitbedenkt.
Hermeneutik überspringt die Zeit und fragt: Was will ein alter Text mir heute
sagen? Hermeneutik ist der Versuch den Zusammenhang von Text und Kontext
herzustellen. a: Was ist der Kontext damals? b: Was muß der Text uns im Kontext
heute sagen? Eine Kategorie der Hermeneutik ist die Deutung von Sinn, also zu
fragen: Was ist die Aussageabsicht? Dämmer definiert die Moraltheologie als die
wissenschaftliche Lehre von Gottes Heilshandeln am Menschen, will das
christliche Menschenbild ethisch aufschlüsseln. Anders: Was bedeutet es für das
sittliche Handeln, daß Gott Mensch geworden ist und ans Kreuz gegangen ist? Da
kann man nun hermeneutisch fragen: Was bedeutet das für die Zeit von heute? Das
Heilshandeln Gottes findet Höhepunkt in der Menschwerdung. Dadurch öffnet sich
auch ein Zugang zum Geheimnis des Menschen. Jesus macht also dem Menschen den
Menschen kund. Und erschließt ihm seine höchste Berufung. So sagt GS 22. Damit
ist die Christologie der Höhepunkt der Anthropologie. Der Moraltheologie geht
es um das Heil des Menschen und das humane Wohl. Die beiden Begriffe muß man
differenzieren. Ein grundlegendes Anlegen der Moraltheologie ist es, daß sie
Lebenshilfe leisten will. Das will auch die hermeneutische Moral. Dämmer sagt:
Sittlich handeln heißt mit Geschick und Verhängnis zu recht zu kommen.
d) Personale Ethik (Hans Rotter): Für Rotter ist es wichtig, die
Anliegen des Menschen herauszustellen, die mit dem Personsein zusammenhängen.
Der Mensch ist nicht nur Leib, sondern auch Person. Die Philosophie des 20.
Jahrhunderts hat da entsprechend den Personalismus. Vertreter: Buber und
Guardini. Personaler Ethik geht es um: der Mensch ist Person. Drei Merkmale
dazu. A: Der Mensch ist einmalig. B: Der Mensch hat ein gewisses Maß an
Freiheit. Und dazu gehört auch die Verantwortung, die jeder hat. C: Des
weiteren gehört zum personalen Menschenbild: Der Mensch entfaltet sich in
Beziehung zu Personen. Ein anderer Aspekt des personalen Menschenbildes ist die
Zeitgestalt der personalen Wirklichkeit. Rotter sagt dazu: Der Mensch ist eine
Werdewirklichkeit. Es ist ein lebenslanger Prozeß, man ist nie fertig. Rotter
sagt: Moraltheologie ist eine Lehre vom Werden der sittlichen Persönlichkeit
und von der Gestaltung der menschlichen Lebensgeschichte. Nun ein weiterer
Aspekt, der zur personnalen Moral gehört, der aber auch zur hermeneutischen
Moral gehört. Es geht um die heilsgeschichtliche Begründung der Moral. Nun also
zuerst zum Begriff Heilsgeschichte. Da steckt drin: die Geschichte. Das meint:
Zu jedem Mensch gehört Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Zur Geschichte
gehört nun, daß in der Gesellschaft Einsichten wachsen, es werden
Entscheidungen getroffen, für die bestimmte Werte maßgeblich sind. Wenn nun der
Mensch sich ins Böse verstrickt, wie in der Nazizeit, dann wird die Geschichte
zur Unheilsgeschichte. Eine heilsgeschichtliche Moral bedenkt die Geschichte
aus dem Licht Gottes heraus, also aus der Sicht der Ewigkeit. Zum Heil gehört also
immer die ewige Bestimmung mit dazu. Zwei Beispiele für Heilsgeschichte: Der
Exodus des Volkes Israel und die Menschwerdung Gottes, letztere ist nicht
gewaltsam, es hat mit Freiheit zu tun. Also der Mensch muß sich in Freiheit für
die Menschwerdung entscheiden. Der ethische Aspekt ist: Welche Konsequenzen
ergeben sich aus dem Handeln Gottes, das ja die Heilsgeschichte ist, für das
Handeln des Menschen? Wenn Menschen auf den Ruf Gottes antworten, dann wendet
sich die Unheilsgeschichte zur Heilsgeschichte. Die Urkunde unseres Glaubens,
die heilige Schrift, zeigt uns, wie Menschen immer wieder zur Umkehr gerufen
und berufen werden. Somit ist Heilsgeschichte wesentlich Berufungsgeschichte.
Was Heilsgeschichte ist, wissen wir jetzt. Was ist demgegenüber: schöpfungstheologisches
Denken? Da wird alles aus dem Licht der Kreatürlichkeit heraus behandelt. Weil
wir Geschöpf sind, deshalb ergibt sich das Sein, die Sexualität und vieles
mehr. Heilsgeschichtliche Dimension dagegen ist: Man wird von Gott berufen und
entscheidet sich dann freiwillig. Die Hoffnung des Menschen besteht in der
Heilsgeschichte darin, daß Gott die Liebe ist und daß ich immer mehr liebender
werde.
e) Moraltheologie und Vaticanum II: Zwei Aussagen sind da zu zitieren.
A: Die Öffnung des Konzils für den Dialog mit der Welt. B: Eine spezifische
Anweisung des Vaticanum II für die Moraltheologie. A: Dialog mit der Welt. Das
Konzil läßt eine hohe Wertschätzung der Profanwissenschaften erkennen, so GS
62: Die Theologen sollen die Lehre des Glaubens den Menschen in ihrer Zeit
vermitteln, dazu braucht es andere Wissenschaften, durch die soll der Mensch zu
einem reineren und reiferen Glaubensleben kommen. Veritatis splendor sagt: Die
Wahrheit der Theologie ist in ihrem Umfeld zu entfalten. B: Da steht im Dekret
über die Priesterausbildung: Man verwende besondere Bedeutung für die
Moraltheologie. In ihr muß die heilsgeschichtliche Bedeutung gefördert werden,
um Antworten auf die Zeit zu geben. Von der Moraltheologie wird eine
wissenschaftliche Begründung erwartet. Die Hauptaufgabe der Moraltheologie wird
formuliert: die Berufung aufzuzeigen, die dem Menschen geschenkt ist, denn
jeder hat eine Berufung in Christus. Es geht also um Berufung, die soll in
Liebe Frucht tragen für das Leben der Welt. Jeder hat eine Berufung, nicht für
sich, sondern für das Leben der Welt.
f) Moraltheologie im Dienst des gelingenden Lebens: Definition: Ethik
forscht nach dem Sein und Werden, nach dem Erkennen und Handeln des Menschen
unter der Rücksicht der Frage nach dem Beitrag der verantwortlichen Person zum
Gelingen des personal-relationalen Reifungsprozesses. Der Ethik geht es um das
Sein und Werden des Menschen. Wer ist der Mensch und wie kann der Mensch er
selbst werden in den Beziehung, in denen er lebt und die ihm aufgegeben sind?
Es weiter um das Erkennen und Handeln des Menschen, und zwar immer um das
sittliche. Wie vollzieht sich sittliche Erkenntnis und sittliches Handeln?
Welche sittlichen Orientierungen sind da bedeutsam? Prinzipien, Tugenden,
Normen. Prinzip ist z.B. die goldene Regel. Da muß man nach dem Subjekt des
Handelns fragen, das ist die allgemeine Moral; die spezielle Moral geht dann um
bestimmte Inhalte. Sittliches Erkennen und Handeln sollen dazu dienen, daß das
Leben gelingt. Was kann jeder einzelne dazu beitragen? Wichtig also: Person.
Dazu gehört ein gewisses Maß an Freiheit und die Möglichkeit, auf einen
Anspruch zu antworten, und Verantwortung zu nehmen. Verantwortung immer
doppelt: Selbstverantwortung für mich und Verantwortung für andere. Moraltheologie
ist eine Glaubenswissenschaft. Also nicht nur Vernunft-erkenntnis, sondern auch
die Offenbarung ist Quelle der Moral. Die Offenbarung bedarf nun der Deutung,
dazu braucht es die Tradition. Folge: Die Tradition ist neben Vernunft und
Offenbarung eine weitere Quelle der Moraltheologie. Zur Tradition gehören die
Aussagen des Lehramtes, da sollen die Aussagen des Glaubens auf die Gegenwart
übertragen werden. Diese Definition darf nicht individualistisch gesehen
werden. Das sieht man schon daran, daß sich ja die Moraltheologie relational
entfaltet. Also in Bezug zu anderen Menschen. Moral hat also einen personalen
und relationalen Aspekt. Der Mensch muß sich über sich hinaus überschreiten,
weil er nicht nur für sich da ist. Dazu gehören wieder die vier Dimensionen der
Relation, die wir schon hatten. Die zusammenbindende Wirklichkeit ist Gott
selber. Eine zweite Erläuterung zur Definition nun: Es geht um einen sittlichen
Beitrag zum Gelingen des Lebens. Das kann zunächst befremdlich klingen. Aber:
Beitrag, das meint: Sittliches Werden ist abhängig von bestimmten Bedingungen.
Was meint das? Die Humanwissenschaften zeigen, daß der Mensch abhängig ist von
der Gesellschaft und von der eigenen Psyche. Wie stark man von der Psyche
abhängig ist, zeigen Gefühle wie: Angst, die zur Panik werden kann, auch die
Traurigkeit kann lähmend wirken. Und auch der Ekel. Kurz gesagt: Das sittliche
Handeln ist eingebunden in Komplexe der Psyche und der Gemeinschaft. Der Mensch
ist ein Stück abhängig, aber er hat ja Freiheit. Dies meint: Man soll
Stellungnahme beziehen zu den Verwiesenheiten auf Gesellschaft und Psyche. Auf
vier Dinge ist der Mensch weiter verwiesen: a. die Anlagen, b:
Vorgegebenheiten, welche Gesellschaftsform. Ist also die Mitwelt, dazu gehört
auch das Elternhaus, c: Was macht der Mensch aus dem, was ihm vorgegeben ist?
Was mache ich aus den Anlagen und der Mitwelt. d: Theologisch der Aspekt der
Gnade. Deshalb steht also in der Definition: Beitrag. Das soll einer doppelten
Gefahr währen: a: gegen ethische Läthargie und Resignation. Das meint: wenn
einer nicht fähig ist, sich einzusetzen b: Gefahr, den Freiheitsgedanken
überziehen, so wie es in der Neuzeit passiert. Richtig ist: Es gibt
Einschränkungen, aber die dürfen einen nicht einschränken. Die Rede vom Beitrag
läuft darauf hinaus: Es soll vertrauen geweckt werden in Hilfsmöglichkeiten,
die die eigene Selbstwerdung gestalten und fördern. Der Mensch hat Hilfsmittel,
die ihm zukommen. Was sind es für Hilfen: Einmal die Psychotherapie. In dem
Sinn ist eine gute Psychotherapie die Freilegung der Freiheit und des
Gewissens. Das ist die eine Hilfsquelle. Auch die Theologie hat Hilfen: es ist
die Ekklesiologie. Kirche als Gemeinschaft, die betet und solidarisch ist. Der
Beitragscharakter des sittlichen Handelns: Das sittliche Handeln ist dreifach
verwoben nach innen, nach außen, nach oben. Diese Angaben sind raumsymbolisch
gesehen. Was meint von innen? Jedem Menschen ist ein Reifungsdrang eingeboren.
Das kann der Mensch nicht herstellen, es ist schon in ihm. C. G. Jung sagt über
sich: Mein Leben ist die Selbstverwirklichung des Unbewußten. Also der Drang
ist: Werde, der du bist. Der Mensch muß kooperieren mit der Reifungsdynamik,
die in ihm liegt. Jung sagt also: in jedem schlummern viele
Entfaltungsmöglichkeiten. Wie äußert sich das? Wir erleben, daß wir von einem
Menschen, der eine besondere Tätigkeit ausübt, fasziniert sind. Man ist also
fasziniert, und will dann das nachmachen. Nach außen: Sittliches Handeln ist
von außen mitbestimmt. Da kommen von außen Hilfen zu, die stimulieren,
inspirierend, anregen, kritisieren und assistieren. Da ist wieder wichtig die
Kooperation mit ihnen. Diese Einflüsse gehen durch den Filter des Gewissens.
Der Filter hilft uns, zu unterscheiden, welche Einflüsse auf uns wir wirken
lassen sollen und welche nicht. Nach oben: Das Sittliche steht im Horizont der
Gnade, also in der Zuwendung Gottes zum Menschen. Gott tut den ersten Schritt
auf den Menschen allein, den zweiten aber mit dem Menschen zusammen. Das
bedeutet, das sittliche Handeln soll zur Kooperation mit der Gnade werden. DH
238ff steht ein Indiculus: Gott ist Urheber aller Tugenden in uns. Gott hat uns
das zum Vollzug geschenkt, damit wir an der Gnade mitarbeiten. Nochmals besser
gesagt: Gott gibt also Gaben, damit wir das verwirklichen, was Gott in uns
gelegt hat, und damit werden wir zum Mitarbeiter an der Gnade Gottes. Es gibt
also ein Miteinander von menschlichem Wirken und göttlichem Handeln.
Die spirituelle Dimension der Moraltheologie: Die Seele der
Moraltheologie ist Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese drei durchdringen das
ethische Handeln. Was versteht man unter Spiritualität? Definition von
Spiritualität von Fraling: Ist die geistgewirkte Weise ganzheitlich gläubiger
Existenz, die gelebte Gestalt des Glaubens. Die gelebte Gestalt muß durch den
Geist dynamisiert und am Leben gehalten werden. Christliche Spiritualität heißt
daher: Leben aus dem Geist Christi. Spiritualität hat zwei Seiten: Eine
Innenseite, eine Außenseite. Die Innenseite ist die gelebte Beziehung zu
Christus. Das entscheidende ist: Gott ist ein personales Du, mir gegenüber, den
ich ansprechen kann. Zur Außenseite: meint die Äußerungsformen des Glaubens:
das weite Feld der sog. geistlichen Übungen, mit Gebet als Zentrum. Dazu auch
die Sakramente, Liturgie. Die Äußerungsformen sollen aus dem Glauben
hervorgehen und der Lebendigerhaltung dienen. Das ist noch wichtig: Hervorgang
aus Glauben und. Lebendigerhaltung. Spiritualität ist mehr als nur innen und
außen, sondern. Die Spiritualität erweist sich darin, daß sie die Gesamtheit
des Menschen prägt. Man kann sagen: Spiritualität ist die Seele des
christlichen Ethos. Die Spiritualität inspiriert und formt das wache geistige
Leben. Was ist das Leitmotiv der Spiritualität? Es ist der Hymnus zum heiligen
Geist: Veni creator spiritus. In diesem Hymnus wird die ganze Existenz des
Christen unter der Wirksamkeit des heiligen Geistes betrachtet. Der Geist ist
die tragende inspirierende Kraft des geistigen Lebens. Die ethische
Bedeutsamkeit des Hymnus liegt in der vierten Strophe: Entflamme Sinne und
Gemüt, daß Liebe unser Herz durchdringt und wir das Gute tun. Der Geist soll
die Empfänglichkeit der Sinne stimulieren. Der Geist wirkt sich aus, weil dann
der Mensch das Gute tun kann. Zur Spiritualität gehört weiter: Es gibt
Prozedualität, also Stufen: Anfänger, und Fortgeschrittene und Suchende. Das
Suchen kann man so formulieren: Sag mir ein Wort, wie ich gerettet werden kann.
So sagt es das Buch der Apophtegmata. Dazu ist geistige Begleitung wichtig, um
dieses Wort zu finden. In diesem Zusammenhang ist gut die DBK-Arbeitshilfe Nr.
158, da werden die ganzen Spiritualitäten aufgezählt.
4.
Erkenntnisquellen der
theologischen Ethik und ihre methodische Erarbeitung
a)Stufen ethischer Erkenntnis: Da gibt es zwei Quellen, wie ein Elipse
mit zwei Brennpunkten. Der eine Brennpunkt ist die Situation in die wir
geraten. Also erste Quelle: die Herausforderung der Situation, die zweite
Quelle ist unsere Erfahrung, ethisches Wissen, mit dem wir an die Situation
herangehen. Beispiel: Eine Frau kommt in Klinik, hat Krebs, der Frau sagt man
die Wahrheit nicht, der Mann aber weiß die Wahrheit. Soll der Mann seiner Frau
die Wahrheit sagen? Diese Frage ist also die Situation. Diese Frage kann er nur
beantworten, wenn er zurückgreift auf sein bisher erworbenes ethisches Wissen.
Diese zwei Quellen waren die erste Stufe. Die zweite Stufe ist nun, daß ich mit
der Glaubenserfahrung an die Situation herangehe. Damit sind alle Quellen
benannt, die auch die Wissenschaft verwendet.
b)Methodisch-reflektierte
Erkenntnis: Ein Weg, den die Wissenschaft geht, muß nachprüfbar sein, und alles
muß systematisch sein. Drei Quellen werden genannt. A: Die Situationsanalyse,
das tun die Humanwissenschaften, die schauen, was die Möglichkeiten des
Menschen sind, was der Mensch kann. Folge: Die Ethik muß die Humanwissenschaft
benutzen. Dazu zählen biologische Vorgaben, psychische Dynamismen und
soziologische Vorgaben. Das muß man berücksichtigen in der Moraltheologie, um
herauszufinden, was der Mensch kann. B: Der zweite Schritt in der ethischen
Bearbeitung ist: Von der Ethik hin zur Moraltheologie. Dazu benutze ich die
Philosophie, mit dieser deute ich das Ergebnis der Humanwissenschaft. Die
Quelle ist hier die Vernunft. Die Vernunft muß ein Menschenbild herausarbeiten,
das für alle Situationen angewandt werden kann. C: Die theologische Quelle. Das
ist das sog depositum fidei, der Glaubensschatz. Das Glaubensgut, das in der
heiligen Schrift niedergelegt ist, und Glaubensgut ist auch Auslegungs- und
Wirkungsgeschichte der heiligen Schrift. Die Erschließung der Glaubensquelle
ist in der Moraltheologie der sog. positive Befund. Da fragt man: Wie ist die
Tradition in der Geschichte ausgelegt und entfaltet worden? Dazu ist das
Lehramt nötig, denn es könnte sein, daß einer sagt: Es gilt a, der andere sagt:
es gilt b. Das Lehramt entscheidet nun: Gilt a oder b? Beides geht nicht. Dies
gilt auch für ethische Fragen, wo es gilt, ethische Entscheidungen zu treffen.
Es gibt noch eine andere Quelle, auf die die Moraltheologie zurückgreifen kann,
die Heiligenbiographien. Diese sind Vorbilder, weil sie sich auf die Gnade
bezogen und auf diese antworteten.
C. Moralpsychologie als integraler Teil der Moraltheologie
1.
Pioniere der
Moralpsychologie in der katholischen Moraltheologie
a) Ignaz Klug. Werk: Die Tiefen der Seele (1926). Klug studierte bei
Hermann Schell, der war Reformkatholik. Es ging um eine Begegnung der Kirche
mit der modernen Kultur. Die Kirche sollte z.B. der modernen Psychologie
begegnen, und nicht sie ablehnen. Von Rom aus wollte man damals um 1920 die
Kirche schützen und legte so einen Wall um die Kirche, so wollte sich die
Kirche z.B. vor Sigmund Freud schützen. Klug hat also bei Schell studiert. Nun
zur geschichtlichen Situation der Kirche damals zur Zeit Klugs: Es geht um die
Zeit um 1920. Damals war eine Kirche aufgebaut, die dem Liberalismus und der
Moderne entgegensetzt war. Kirche war also festgefügter Bau, die sich gegen
etwas richtete, gegen den Subjektivismus der Moderne. Die Kirche betonte
dagegen die objetkive Norm gegen den Liberalismus. Die Kirche wollte Autorität
des Lehramtes gegen den Fortschrittsgedanken, die Kirche wollte lieber die
Bewahrung der Tradition. a. Die Norm. Die Moraltheologie hatte damals eine
Kasuistik, da wurden Fälle aufgezeigt, die vorkamen. Man nannte Fälle, die
gebeichtet wurden, und sagte dazu, welche Art von Sünde es war. Die
Neuscholastik trug diese Fälle zusammen, hatte also eine kasuistische
Grundausrichtung. Und hier galt allein der Gesetzesbuchstabe. Man sagte da
immer, was der Mensch nicht tun darf, man sprach leider nicht von: Das Gute
tun, sondern immer: Dies und das verbietet das Gesetz. Das war der normative
Bereich. b. Die Autorität galt als Formalprinzip der Moraltheologie, alle
Normen müssen aus der Autorität des Lehramtes herauskommen und sich daran
orientieren. Da gab es damals drei Aspekte: Objektive Norm, Autorität des
Lehramtes und Tradition (das geschichtliche Werden). Dann gab es den Papst Pius
X., der gab drei Erlasse gegen den Modernismus. Der Papst wollte damit einen Schutzwall
um die Kirche legen, deshalb betonte er diese drei: Norm, Autorität und
Tradition. Man wehrte sich gegen die Exegeten. Auch gab es damals einen Index,
wo schlechte Bücher draufkamen, z.B. die Bücher von Schell waren da drauf. Auch
die Proffessoren wurden bespitzelt, was sie alles sagen. Dazu muß man immer
wissen, es ging darum, die Kirche zu schützen. Weiter wurde in diesem
Zusammenhang der Antimodernisteneid erlassen. Das war der binnenkirchliche
Rahmen, in dem die drei Theologen wirkten, die hier vorgestellt werden sollen.
Adressaten des Antimodernisteneides waren die, die auf das Gewissen und auf die
Freiheit setzen, die den Dialog mit anderen Wissenschaften wollten. Damals
lehnte man das ab, im Vaticanum II kam das dann durch. Damals war die Moraltheologie
kein fester Block, man wollte größere Nähe zu den Leuten herstellen. Dazu zählt
auch der Versuch von Ignaz Klug. Er war gegen eine rigoristische Moral, gegen
eine Moral, die den Menschen überfordert. Klug wollte, daß man auf den
Adressaten der Moral, also auf den Menschen, schaut. Für Klug war unbestritten,
daß es eine absolute Moral gibt, Dinge, die gelten für jeden, dazu zählt der
Dekalog und das Liebesgebot. Diese absolute Moral darf nicht relativiert
werden. Der absoluten Moral gegenüber gilt es eine konkrete Moral zu
entwickeln. Das meint eine Moral, die so ist, daß es der Mensch erreichen kann.
Konkrete Moral ist dynamisch konzipiert, hier ist wichtig: daß man merkt, der
Mensch ist auf dem Weg dazu, die Vorgaben der autoritativen Moral zu erreichen.
Die konkrete Moral bezieht sich auf das gelebte Ethos, daß dem Maß des
sittlichen Könnens entspricht. Einfaches Beispiel: Da ist das Alter des
Menschen, das übt einen Einfluß auf das sittliche Können. Also man fragt immer:
Was kann einer im Alter reichen? Klug will also den Menschen konkret
wahrnehmen. Das heißt aber nicht, die Moral wird relativiert, sondern die Moral
wird konkretisiert. Um nun auch die Hindernisse festzustellen, warum ein Mensch
eine Norm nicht erfüllen kann, braucht es die Moralpsychologie. Die Aufgabe der
Moraltheologie ist, Werte, Normen und Tugenden darzustellen, sittliche Weisung
soll erarbeitet werden, immer mit der Frage: Was ist das Gute, wie kann ich es
erreichen. Die Moralpsychologie dagegen hat die Aufgabe, die abstrakten Sätze
der Moraltheologie auf den Menschen zu beziehen. Es geht darum, den Schuldigen
zu verstehen, die Einflüsse des Mensch erkennen, die ihn geprägt haben. Auch
soll die konkrete Situation jedes einzelnen wahrgenommen werden, um die
Reichweite und die Grenzen eines jeden Menschen zu erkennen. Die
Moralpsychologie zeigt dem Menschen, wie er wurde was er ist und versucht zu
zeigen, wie er werden kann, was er werden soll. Welche Methode wendet Klug
dabei an? Er wertete Erfahrungen aus, die er aus der Psychatrie, dem
Strafvollzug und dem Obdachlosenheim gewonnen hat. Klug geht mit diesen
Erkenntnissen kritisch um. Weiter verwendet Klug als Methode Biographien, um
damit den Menschen nahe zu kommen. Er will also schauen, warum kommen Menschen
zurecht und warum nicht. Auch schaut er Heiligenbiographien an. Was ist nun der
thematische Schwerpunkt bei Klug? Es ist der psychisch fragile Mensch vor dem
ethischen Anspruch. Das Zielbild des Werdens ist bei Klug immer vorgegeben, und
zwar in dem Sinn, daß der Mensch nicht nur Naturwesen ist, sondern auch
Geistwesen, da kann er dann Werte erkennen, und dazu muß das Gewissen
ausgebildet werden. Das Höchste bei Klug ist Wertbejahung und
Wertverwirklichung statt Wertverneinung und Wertvernichtung. Weiter gilt, daß
der Mensch Ewigkeitswert hat, der Sinn des Lebens ist daher: Der Mensch soll
den Schöpfergedanken verwirklichen, der ihm eingeschaffen ist. Der Mensch hat
das also wie einen Keim in sich. Am besten geht das am Vorbild Christi,
imitatio Christi. Damit der Mensch das kann, soll der Mensch sein inneres Ohr
öffnen für das Jenseitige, auch sein inneres Auge soll er für die Jenseitsschau
öffnen werden. Wenn der Mensch so lebt, erreicht er sein letztes Ziel, die
visio beatifica. Die Frage ist nun: Kann der Mensch überhaupt das werden, was
er sein soll? Was sind da Hindernisse zur Entfaltung? Es sind
lebensgeschichtliche Erfahrungen, die er gemacht hat, und es sind Anlagen, die
ihm vorgegeben sind. Durch Lebenserfahrung wird vieles beim Menschen
beeinflußt. Damit kommen wir nun zu einem Schlüsselbegriff bei Klug. Zur Psyche
des Menschen gehört eine Bruchstelle. Die Psyche hat mehrere Schichten. Dann
sagt Klug: Man denke sich mehrere Glasplatten, die so aneinanderliegen, daß man
nicht mehr merkt, daß es mehrere Platten sind. Wenn nun eine dieser Platten
eine kleine Bruchstelle hat, dann bricht das Ganze auseinander, sobald das
Ganze unter Druck gerät. Was ist die Bruchstelle inhaltlich konkret? Psychische
Fehlhatlungen und Neigungen zu Untugenden, z.B.: Minderwertig-keitsgefühle,
Hemmungen, Kontaktschwierigkeiten, Depression, Neid, Maskentragen. Klug folgert
daraus, daß die Bruchstelle zur sittlichen Aufgabe wird. Klug deutet nun die
Bruchtstelle theologisch. Gott hat dem Menschen die Psyche anvertraut, auch mit
der Bruchstelle. Der Mensch soll die Bruchstelle suchen und ausbessern und
etwas gutes daraus machen und um sie gut wieder zurückzugeben. Weiter
beschriebt nun Klug einzelne ethische Aspekte genauer, die die Bruchstelle
ausmachen. Zwei Beispiele sind: a: Das übermäßige Gebundensein an die Eltern.
Klug will die Selbständigkeit des Menschen. Eine übergroße Liebe kann die
Selbstbehauptung des Menschen verhindern. Falsch ist auch, wenn man ein Kind
wegen kaputter Ehe zu sehr bindet. Das Kind darf keine Klagemauer sein, an die sich
eine gebrochene Vaterseele anlehnen darf. b: Die Glaubensentwicklung kann in
Gefahr geraten durch die Entwicklung eines infantilen Gottesbildes, das meint:
Wenn z.B. das Gottesbild Angst ist. Ziel ist, das Gottesbild zu läutern. Ein
letzter Gedanke bei Klug nun: Es kommt zur Neuinterpretation theologischer
Grundbegriffe: a: Die Schuld ist ein Nicht-geworden-sein dessen, was einer
werden sollte und konnte. b: Das Gewissen ist der Erwecker aus Schlummer und
Traum, man kann nur Erwachen, wenn man sich mit dem Gewissen auseinandersetzt.
Das Gewissen stöbert den Gottesgedanken im Menschen auf, der einem sagt, was
man werden soll. c: Die Umkehr ist bei Klug Aufbruch. Man ist immer nur auf
einer Station des Weges, man ist nie am Ziel. Wichtig ist, auf dem Weg zu sein,
aber der Weg ist nicht das letzte Ziel, das letzte Ziel soll die Vollendung in
der Ewigkeit sein. Nun kurz zur Würdigung: Erst vier positive Punkte: 1.: Das
Buch „Tiefen der Seele“ war großer Erfolg. 2.: Hauptverdienst bei Klug ist das
Bemühen um den konkreten Menschen. Klug hat eben den Menschen im Blick, wie er
wirklich ist, wie er sich erfährt. Klug sieht nicht nur, wie einer sein soll.
Klug will eine Relationierung der Moral. Das meint: Keiner soll überfordert und
unterfordert werden. Das Gute ist das der Freiheit, der Liebe und der
Entfaltung des Menschen Zuträgliche und Mögliche. 3.: Der Weg geht über das
sittliche Wissen über das sittliche Können zum sittlichen Handeln. Es gibt eine
Zwischeninstanz, das sittliche Können ist Voraussetzung für das sittliche
Handeln. Das Menschenbild von Klug, da ist die Fragilität mit einbezogen.
Anderer Ausdruck dafür. Die Vulnerabilität, Verwundbarkeit. 4.: Klug deutet
immer alles theologisch. Hat einen theologischen Horizont. Kritisch anzumerken
bleibt: Man kann heute nicht alles so aus dem Buch von Klug übernehmen, weil
der Stil zu blumig ist. Haupteinwand: Das Menschenbild des Klug. hat da die
kognitive und voluntative Seite überbetont: Mit Willen und Wollen und Verstand
kann ich alles erreichen. Dies steht in Spannung zur konkreten Moral, die Klug
ja hat.
b)Theodor Müncker (1887-1960). Buch: Psychologische Grundlagen der
katholischen Sittenlehre. In seiner Zeit gab es Neuaufbrüche in der
Moraltheologie. Ein Neuaufbruch war ein Werk von Fritz Tillmann (Exeget), ihm
ging es um das Prinzip des NT: Die Nachfolge. Die Nachfolge war bei ihm
für die Moraltheologie auch entscheidend. Der zweite Band bei diesem Werk
stammte eben von Theodor Müncker. Insgesamt hatte das Tillmannwerk sieben
Bände. Bei Münker ging es um das Gewissen und seine Entfaltung. 1922 befaßte er
sich mit dem ängstlichen, dem unsicheren Gewissen. Das war eine
Moralpathologie, weil es um den psychischen Zwang ging. Bei dieser ist es so,
daß eine Erfahrung von Freiheit da nicht möglich ist. Die Betonung des
Gewissens bei Müncker hat als Hintergrund eben diese Moralpathologie. Zweiter
Hintergrund sind die Zeitumstände, nämlich die Nazidikatur. Es war eine Zeit
des konzentrierten Angriffs gegen Glauben und Gewissen. Worin besteht nun das
Aniegen Münckers? Ihm geht es um psychologische Grundlagen für den Weg hin zu
einer persongemäßen Sittlichkeit. Und Voraussetzung dieser Sittlichkeit ist das
Gewissen. Falsch wäre eine legalistische Sittlichkeit, da geht es immer um
objektive Normen. Richtig wäre personale Sittlichkeit: Der Mensch wird unter
Leitung seines Gewissens er selbst. So ein Gewissen geht aus der Hand Gottes
hervor und ist dem Menschen anvertraut. Es geht also darum: Es muß schon Normen
geben, aber wie gehe ich damit um? Ich soll das Gewissen benutzen, nicht
einfach objektiv den Normen folgen. Persongemäße Sittlichkeit ist: Der Mensch
gewinnt die Freiheit und Sicherheit zum Eigenstand. Dies geschieht durch das
Gewissen. Dann wird der Mensch so, wie Gott ihn gemeint hat. Zwei Aspekte nun
zur Zielvorstellung, die Müncker hat. Die Zielvorstellung wurde ja gerade
genannt: Freiheit und Sicherheit zum Eigenstand: a: Die Möglichkeit ist vom
Gewissen gesteuert. Das beinhaltet die Lösung aus infantilen Bindungen. Da gibt
es zwei Fehlhaltungen: Überzogener Gehorsam an Autoritäten und die chronische
Opposition und die entwertende Gefühls-einstellung. b: Die Selbständigkeit hat
auch zu tun mit einer sich entfaltenden Emotionalität. Einige Aspekte dazu, die
für die Gestaltung der Sittlichkeit wichtig sind: Die emotionale
Ansprechbarkeit auf Tugenden, das Schamgefühl, ganzheitlich verstanden, das
Einfühlen, Mitgefühl, das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen. Müncker sagt:
Sittliche Erziehung soll dem Menschen Sicherheit und Freiheit vermitteln, die
die Seele des Menschen zur Verwirklichung ihrer Lebensaufgabe braucht. Müncker
hat nun eine systematische Moralpsychologie vorgelegt, die jener Zweig der
Seelenlehren ist, der die Vorgänge des sittlichen Lebens in ihrem Sein und
Werden erforscht. Das Sein meint: was sind sie psychologisch gesehen, das
Werden meint: wie entfalten sie sich. Anders: Was ist das Gewissen
psychologisch, und wie entfaltet sich das Gewissen? Müncker geht diesen Fragen
anthropologisch nach. Müncker geht es um a: Frage und Deutung des
Gewissens-phänomens. b: Was sind entwicklungspsychologische Voraussetzung für
die Entfaltung des Gewissens. Um diese Frage zu beantworten, geht Müncker
dreifach vor. Er fragt erst nach Störungsmöglichkeiten, dann fragt er: die
Beschreibung nach strukturellen Anlagen des Gewissens, und wie entfaltet sich
das Gewissen psychogenetisch? Und: Prophylaxe und Therapie von
Fehlentwicklungen. Prophylaxe ist die Vorbereitung auf z.B. Ehefähigkeit. c:
Der thematische Schwerpunkt ist bei Müncker: Hilfen und Hindernisse auf dem Weg
zur Entfaltung der Person aufzuzeigen und das aus der Entfaltung des Gewissens
heraus. Antwort auf die Frage: Das Streben zum Guten wird dadurch geweckt, daß
das Kind das Gute erfährt. Ein Kind braucht also Vorbilder, die sind nicht
durch rationale Argumentation zu ersetzen. Müncker will nicht das Denken
ausschalten, aber die Werterfahrung kommt zuerst, dann erst die Reflexion.
Die Würdigung: a: Müncker ist gründlich wissenschaftlich, b: Er hat
ganzheitlichen Gewissensbegriff, auch für die Theologie ist heute wichtig, daß
Müncker nach dem Wie der Entwicklung der Sittlichkeit fragte. Aber: Müncker
lebte ja in den 30 er Jahren und hatte Diktatur erlebt. Das muß man bei Müncker
mitbedenken. Trotzdem sind die Einsichten Münckers bis heute aktuell. Was bei
ihm zu kurz kommt, ist: Eine Theologie des Gewissens fehlt, und weiter fehlt:
Die Erarbeitung der Bedeutung von Tugenden.
c)Wilhelm Heinen (1909-1986). Er fragte nach dem Gelingen des Lebens,
und das hat bei ihm mit dem Gelingen von Beziehungen zu tun. Heinen hat eine
Tugendlehre der Liebe, und der Beziehung. Heinen war Priester und lernte viel
im Beichtstuhl. Er setzte sich von Kasuistik ab, wo die Handlung lösgelöst vom
Handelnden betrachtet wurde. Heinen sagt: Das Sittengesetz hat den gesunden
sittlichen Menschen als Voraussetzung. Heinen fragt: Wer ist der Adressat der
sittlichen Weisung? Hat ein Adressat überhaupt die sittliche Voraussetzung, um
das Sittliche gut zu tun zu können? Heinen wehrte sich gegen eine Beichte, die
ein Gericht ist, wo man nach entsprechenden Fehlern gemäß verurteilt wird. Bei ihm
steht der Mensch als Adressat der sittlichen Weisung im Mittelpunkt. Unter
welchen Voraussetzungen ist der Mensch im Stande, die sittlichen Weisungen zu
erfüllen? Dazu ist die Moralpsychologie gefordert. Wie gelingt der lebenslange
Reifungsprozeß des menschlichen Lebens in Bezug auf alle Beziehungen, die der
Mensch hat? Es geht also wieder um Relationen. Diese Relationen entfalten sich
nur, wenn sich die kardiale Mitte entfaltet. Das ist die Mitte des Herzens, die
hilft, Beziehungen zu knüpfen. Es geht bei Heinen um eine theologia cordis. Die
Instanz, die mit karidaler Mitte gemeint ist, ist also: Gemüt und Gewissen.
Durch Gemüt und Gewissen kann sich der Mensch richtig entfalten. Heinen
entwickelt die Moralpsychologie Münckers weiter zu einer Moralpsychologie der
Liebe. Der Schwerpunkt von Heinen war also Gemüt und Gewissen, das Beziehungen
entfaltet und so Leben gelingen läßt. Heinen geht es um eine Elipse mit zwei
Brennpunkten: Gott und Mensch. Methodisch gesehen orientiert sich Heinen bei
Müncker. Auch orientiert sich Heinen an der Neopsychoanalyse. Nun zum
thematischen Schwerpunkt bei Heinen: Es ist die Liebe zum Gelingen von
Beziehungen. Heinen deutet die verschiedenen Fehlhaltungen des Menschen als
Ausdruck von Liebesnot. Dann beschreibt er die Ausdrucksformen der Liebesnot,
dann fragt er, wo kommt das her, und dann fragt er nach der Imputation, das
ist: Inwiefern ist einer Schuld an der Liebesnot? Und dann gibt Heinen Hilfe,
um die Fehlhaltungen zu verbessern. Bei ihm gibt es immer einen Dreischritt: a:
Phänomenbeschreibung, wie die Liebesnot gestaltet ist. b: Frage nach den
Ursprüngen, wo kommt das her, inwieweit ist der Betreffende Schuld? c: Lösungen
zur Hilfe, damit man liebesfähig wird. Die Grundannahme bei Heinen ist: Es muß
um geordnete Liebe gehen, das ist ein Ausgleich von Nächstenliebe und
Selbstliebe. Diese geordnete Liebe ist eine Voraussetzung für ein gelungenes
Leben. Dies ist die Grundannahme bei Heinen. Er kommt zur Konsequenz, daß die
Liebe die Grundkraft ist. Es gibt weiter einen Gestaltwandel der Liebe. Das
ist: Weg von der ich-bezogenen Liebe hin zu einer du-bezogenen Liebe. Ein
weiterer wichtiger Begriff ist die Wandlung, das meint die Umkehr: das Alte muß
sterben, damit das neue hervorgehen kann. In diesem Wandlungsprozeß sind die
theologischen Tugenden wichtig: Glaube, Hoffnung, Liebe. Die Liebe zu Gott ist
das Regulativ der Selbstliebe und der Nächstenliebe. Regulativ, das meint: Man
darf sich nicht an das Du verlieren, sonst stirbt sein Selbst. Jeder muß bei
sich selbst gehalten werden, keiner darf sich aufgeben, richtig ist: Liebe
führt zum sich hingeben, nicht zum sich aufgeben. Wenn man das alles verkürzt
sagen will, kann man sagen: Die drei theologischen Tugenden werden als
theologische Hilfen für die acht Todsünden aufgezeigt. Diese acht sind:
Völlerei, Habgier, Unzucht, das waren die drei leiblichen, dann kommen die
emotionalen: Hochmut, Traurigkeit, Trägheit, und geistig sind: Zorn, Ruhmsucht.
Heinen entwickelt nun ein Konzept zur Wandlung, zur Umkehr in der Liebe, hin zu
einer gegenseitigen schenkenden Liebe. Das Gewissen ist die innermenschliche
Kraft zur Gestaltung der Liebe. Das Gewissen ist wie ein Seismograph, das uns
zeigt, wie es mit der Liebe steht. Weil den theologischen Tugenden so viel
Bedeutung zukommt, fragt Heinen: Wie entwickelt sich Glaube, Hoffnung, Liebe?
Wo lernt der Mensch das? Glaube ist, vertrauen können. Hoffnung ist, auf die
positive Wende warten. Die entscheidende Hilfe für diese Tugenden ist der
Mitmensch. An Beziehungen liegt alles. Begegnungen mit dem Du sind der
Ausgangspunkt. Denn im Du kann uns das Ur-Du Gott begegnen. Bei Heinen hat die
Präventivethik eine große Bedeutung. Es geht um Vorbeugung zum Schutz vor
Fehlhaltungen, da spielen die Tugenden eine große Rolle. Weiter sind bei Heinen
wichtig: Es gibt 8 wichtige Grundbeziehungen, in denen entfaltet sich die
kardiale Mitte des Menschen. Im Leben des Menschen haben Bild, Wort und Symbol
hohe Bedeutung. Heinen sagt: Alle drei braucht man. Nicht nur Worte, sondern
auch Bilder und Symbole. Nun zur Würdigung Heinens: Seine Leistung besteht in
der Integration von modernen psychologischen Erkenntnissen hinein in die
Moraltheologie. Ein Mangel an Heinen ist: Er hatte gute Intuitionen, aber die
stellte er einfach in den Raum, ohne sie wissenschaftlich abzusichern.
d)Thesen zur
moralpsychologischen Arbeit in der theologischen Ethik heute: 1.: Die drei
Theologen kann man nicht einfach so übernehmen. Drei Themenbereiche kann man
heute aufnehmen: a. Die Wahrnehmung möglicher psychischer Beeinträchtigungen,
und die sich daraus ergebenden ethischen Probleme. b: Die Frage nach den
Bedingungen der Gewissensentfaltung. c: Die Frage nach der Genese der Tugenden.
2.: Moralpsychologie ist keine eigene Disziplin, sondern in allen Themen der
Moraltheologie muß man die Moralpsychologie mit einbeziehen. Also keine eigene
Disziplin der Moralpsychologie. Ziel ist die Vermittlung des ethischen
Anspruchs und des konkreten Menschen. Beispiel: Wenn es in der Ehe um Treue
geht, dann muß man fragen: Wie lernt dieser Mensch Treuefähigkeit. Die
Moralpsychologie dient dem Ziel, den Adressaten der Moraltheologie nicht zu
überfordern und nicht zu unterfordern. DH 1536 sagt: Gott befiehlt nicht
unmögliches, sondern man soll tun, was man kann, und Gott hilft, daß man
kann. Eine Forderung, die den Menschen überfordert, kann nie von Gott stammen.
Aber dem Menschen erscheint vieles als unmöglich, was doch geht. 3.:
Moralpsychologie untersucht das sittliche Können und seine psychogenetischen
und strukturellen Voraussetzungen. Ernst August Vetter sagt dazu: Strutkruelle
Aspekte sind solche, die in den Anlagen des Menschen gegeben sind. Man ist
angelegt und hat die Fähigkeit, sittlich zu handeln, also Gutes zu tun, das ist
sittliches Können, dazu gehören von den Anlagen her: Die sittliche Phantasie,
der sittliche Antrieb, der Drang zum Guten, eine unverzerrte
Wahrnehmungsfähigkeit. Vetter hat eben ein ganz bestimmtes Menschenbild. Die
Kernfähigkeiten des sittlichen Könnens sind: Gewissen, Gemüt, Tugenden. Gemüt
ist die Bindungsfähigkeit des Menschen. Diese zentralen Fähigkeiten sind
verbunden mit der Wahrnehmungsseite und der Handlungsseite. Wahrnehmungsseite
meint: Möglichst unverfälschte Wahrnehmungen. Dagegen kann die Projektion
arbeiten, z.B. bei Verliebtheit projiziert man den sehr guten Menschen in den
anderen. Projektion führt zu verzerrter Wahrnehmung. Neben der Wahrnehmung ist
weiter wichtig für das sittliche Können die Imagination, das meint: Wir nehmen
Bilder wahr, auf der Verstandesebene ist das Einsehen und das Wissen nötig für
das sittliche Können. Das Einsehen-können ist aber von Erfahrungen abhängig.
Das war die Erkenntnisseite. Nun kommt die Handlungsseite. Dazu gehört der
Trieb, gut handeln zu wollen, weiter die produktive Imagination, das ist ein
Handlungsentwurf, und drittens ist wichtig die Fähigkeit, zu entscheiden. Das
waren die Strukturkomponenten des sittlichen Könnens nach dem Menschenbild von
Vetter. Was ist demnach Moralpsychologie? Sie untersucht diese strutkurellen
Voraussetzungen des sittlichen Könnens. Es gibt dafür dreifach
Entwicklungshilfen. a. Erkenntnishilfen, b. Bejahungshilfen, c.
Wandlungshilfen. 4.: Die Moralpsychologie ist auch bedeutsam, um
herauszufinden, welcher der sittliche Anspruch für die Menschen ist. Beispiel:
Die Moralpsychologie kann nicht einfach sagen: Es gibt Formen von
Homosexualität, wenn sich zeigt, daß das schlecht ist, kann man den Menschen
nicht einfach umpolen, sondern man muß die Homosexualität annehmen, denn sie
kann nur eine Durchgangsphase bei diesem Menschen sein, der sich verändert.
Also man kann nicht einfach etwas von einem Menschen fordern, sondern mit der
Moralpsychologie muß man jeden Menschen bewußt anschauen. Anderes Beispiel: Es
wurde aus dem CIC etwas gestrichen. Es gab das Verbot, einen Suizidanten
kirchlich zu beerdigen. Dieses Verbot wurde aufgrund der Moralpsychologie
gestrichen, denn sie zeigte, daß Suizid immer aus Unfreiheit geschieht, und
deshalb ist es keine Sünde. 5.: Sittliches Können muß man aus theologischer
Sicht betrachten, indem man es heilsgeschichtlich deutet. Beispiel: Eltern
lieben ihr Kind. Was ist das nun heilsgeschichtlich gedeutet? Gott liebt den
Menschen, und durch die Mutterliebe wird von Anfang an die Gottesliebe an das
Kind weitergegeben. Aus dem Glauben ergeben sich motivierende, kritisierende
und assistierende Momente für das Gewissen. Daran sieht man: Moralpsychologie
und Moraltheologie hängen zusammen.
D. Ethische Grundbegriffe
1.Wert: Da unterscheidet man: Sittlicher Wert und vorsittlicher Wert.
Letztere sind den sittlichen Werten vorgegeben, z.B. unser Leib, der ist den
sittlichen Werten vorgegeben und aufgegeben, auch die Schöpfung. Was ist ein
sittlicher Wert? Einer, der durch die Freiheit heraus vom Menschen verwirklicht
wird, das sind. die Tugenden.
2.Die Unterscheidung zwischen sittlich gut und sittlich richtig bzw.
zwischen sittlich schlecht und sittlich falsch. Gut bezieht auf die Gesinnung,
auf die innere Einstellung, wenn also einer seiner inneren Einstellung nach
handelt, dann wäre es sittlich gut. Wenn aber nun einer sich täuscht und etwas
für sittlich gut hält, handelt er sittlich gut, aber dennoch sittlich falsch.
Beispiel: Die Zeugen Jehowas sagen: Bluttransfusion ist verboten, das ist für
die Zeugen sittlich gut, aber sittlich falsch, weil die Transfusion Leben
retten würde. Sittlich richtig ist dann: die sachliche Stimmigkeit, also die
richtige Lösung im Konfliktfall. Dazu gibt es vier idealtypische Gestalten, a:
sittlich gut und sittlich richtig, b: sittlich gut aber sittlich falsch, das
ist einer, der unverschuldet Unheil anrichtet, c: sittlich schlecht aber
sittlich richtig, der Sünder, der zum Wohltäter wird, d: sittlich schlecht und
auch sittlich falsch. Fazit: Gutes Handeln ist gewissenhaftes Handeln. Wir
müssen uns bemühen, richtig zu handeln. Aber die Unterscheidung von sittlich
gut und richtig hat ihre Grenzen. Beispiel: Vergewaltigung. Das ist sittlich
falsch nach unserer Definition, aber ist es nicht auch sittlich schlecht?
Richtig ist, Vergewaltigung ist ein malum in se. Deshalb würde man
unterscheiden: Gut und böse in einem weiteren Sinn. Der engere Sinn würde die
Motivation meinen. Gut im weiteren Sinn meint: Die Sittliche Richtigkeit ist
eingeschlossen.
3.Quellen der Moralität: Was ist ausschlaggebend für eine Handlung?
Welche Elemente sind für eine sittliche Handlung relevant. Dabei geht es um
drei Elemente der Handlung. a: das Objekt, das Ziel der Handlung, b: das Ziel
des Handlenden, c: die Umstände oder die Situation. Diese drei Aspekte sind für
die Beurteilung einer Handlung bedeutsam. Zu a: Das Objekt des menschlichen
Aktes, einer Handlung, dies ist die Wirkung, die eine Handlung direkt
hervorbringt. Es geht also um Ergebnis einer Handlung.. Beispiel: Man gibt
Almosen. Das Objekt ist hier: die Hilfsbedürftigen. Zu den Wirkungen zählen
auch die Auswirkungen auf die Rechte Anderer Menschen. Das Objekt einer
Handlung kann sittlich gut, böse oder indifferent sein. Beispiel: Das Spielen
eines Musikinstrumentes ist zunächst indifferent Bei Benefizkonzert ist es gut,
nachts um Mitternacht ist es schlecht. Was ist dann malum in se? Das sind
Dinge, die können weder durch Handlung noch durch sittliche Einstellung gut
gemacht werden. In GS 27 stehen alle mala in se aufgezählt. b: das Ziel des
Handelnden , der Grund, aus dem der Handelnde den sittlichen Akt vollzieht. Anders.
Es ist das Ziel einer Handlung, die der Handelnde anstrebt. Hier kann man
differenzieren zwischen: Absicht und Motiv. Absicht ist das Ziel, das einer
bewußt erreiche will, das Motiv ist der Beweggrund, aus dem heraus einer
handelt. Beides kann zusammenfallen, z.B. bei Almosen geben. Die Gesinnung ist:
Absicht und Motivation zusammen, also eine Art Überbegriff. Ene gute Absicht
reicht noch nicht aus, damit etwas dann auch gut ist. Also ein wichtiger
Leitspruch ist: Eine gute Absicht heiligt noch nicht die Mittel. Also eine gute
Absicht, ein gutes Ziel garantiert noch nicht die Richtigkeit einer Tat. c: Die
Umstände, die für die ethische Qualifikation einer Handlung wichtig sind. Das
ist die Beschaffenheit einer Handlung, die nicht direkt mit der Handlung verbunden
ist. Beispiel: Almosen geben ist das Objekt. Die Umstände sind: Wann ich wem
wie viel gebe. Auch negativ gilt: Wann bestehle ich wen um wieviel?
Grundsätzlich gilt: Umstände können einen Akt noch schlechter machen, wenn ich
z.B. einem Armen was stehle, aber. Es gibt auch, daß Umstände eine Tat weniger
schlimm machen. z.B. mildernde Umstände. Umstände sind z.B. in welcher Familie
man aufwächst, welche Bildung man hat, welche Staatsform gibt es, in der man
lebt. Wir unterscheiden Subjekt- und Objektseite einer Handlung. Die
Subjektkseite ist der handelnde Mensch und was in ihm vorgeht Die Objektseite
ist die Wirkung, die eine Handlung hervorbringt. Auf der Subjektseite steht die
Gesinnung als Überbegriff, das sind alle Haltungen. Auf der Objektseite stehen
die Umstände, in der eine Handlung stattfindet. Die Objektseite unterscheidet:
richtig und falsch, die Subjektseite unterscheidet gut und schlecht. Dieses
Schema hilft, eine korrekte Entscheidung über eine Handlung zu treffen. Richtig
ist eine Verantwortungsethik, diese Art von Ethik will sowohl dem Subjekt als
auch dem Objekt einer Handlung gerecht werden. Falsch wäre z.B. eine
legalistische Ethik, die fragt immer nur nach dem Objekt als Beispiel. Gut ist
immer im Futur zwei zu Fragen, also: Was wird sein, wenn ich das getan habe.
Wie lautet das Axiom zum Umgang mit den Quellen der Ethik. Es lautet klassisch:
Sittlich gut ist, wenn alle Elemente einer Handlung gut sind. Schlecht ist eine
Handlung: wenn nur ein Element aller Quellen schlecht ist.
4.Sittliche Wahrheit: Dies
ist keine Tatsachenwahrheit, sondern eine Sinnwahrheit. Das muß man wirklich
unterscheiden. Tatsachenwahrheit ist: Ein Tatbestand wird so gut wie möglich
erfaßt, siehe Naturwissenschaft. Bei der Sinnwahrheit fragt man immer nach dem
Worumwillen eines Handelns. Man fragt z.B. woraufhin ist der Leib geschaffen?
Dann bekommt etwas einen Sinn. Das ist der Gegenstand der Moraltheologie. Das
Merkmal der Sinnwahrheit ist: Sie können nur in Freiheit ergriffen werden.
Sinnwahrheiten erweisen sich im praktischen Vollzug als plausibel. Zum
Zusammenhang von Sinnwahrheit und Tatsachenwahrheit: Beispiel: Sittliche
Urteile beziehen sich immer auf Tatsachenwahr-heiten, z.B. Kaliumzyanit ist ein
Gift, das ist Tatsachenwahrheit. Sinwahrheit ist: menschliches Leben ist zu
schützen. Folge: Dem Menschen darf man kein Zyanit geben. Wie kommt man zur
Erkenntnis von Sinn beim Menschen? Der Sinn erschließt sich aus dem
angenommenen Menschenbild. Was ist ein Menschenbild? Das Gesamt der
Vorstellungen vom Menschen als Antwort auf die Frage: Wer ist der Mensch? Es
geht darum, was allen Menschen gemeinsam ist. Und es geht darum, was der
Gesamtwirklichkeit des Menschen entspricht. Menschenbild geht also immer um die
Gesamtwirklichkeit des Menschen zu erfassen. Das wird dann ausgedrückt durch
ein Menschenbild. Man nimmt also nicht nur einen Teilbereich her, wie es z.B.
die Medizin tut, sondern die Theologie nimmt alles her: körperliche, geistige
und seelische Seite. Stichwort also: ganzheitlicher Zugang zum Menschen. Moraltheologie
versucht auch immer den Auftrag herauszufinden, den ein Menschenbild
impliziert. Und dann soll die Moraltheologie das Menschenbild bewerten und
deuten. Man hat dann eine Gesamtdeutung, und von der aus erhält jeder einzelne
Aspekt des Menschenbildes seine Deutung. Basissatz des Menschenbildes ist: Der
Mensch ist sich selbst aufgegeben. Jeder ist verantwortlich und muß sich aus
der Freiheit heraus gestalten. Dann gilt: Ein Menschenbild ist nie etwas
statisches, man entwickelt sich weiter. Nun wird kurz die Fülle möglicher
Menschenbilder angedeutet. Materialistisch sagt: es geht um leibliches
Ausgestaltung des Menschen. idealistisches Menschenbild geht um den Geist.
Soziologistisch ist: Der Mensch ist aus der Umwelt determiniert. Individualistisch
sagt: Jeder Einzelne ist als Indidiumm wichtig. Determinismus sagt: Jeder ist
festgelegt durch Gesellschaft. Existenzialismus sagt: Der Mensch ist zur
Freiheit verdammt und wird das, was er aus sich macht. Sittliche Wahrheit ist
der sittliche Anspruch, das sittliche Gute und Richtige. Dieses wird erkannt
auf dem Weg über ein Menschenbild, wobei es immer um die Handlungsrelevanz
geht. Das sittliche Gute ist das, was der Freiheit des Menschen zuträglich und
förderlich ist.
E. Anthropologie als Grundlage der Moraltheologie
1.Philosophischer Zugang: Da ist der Mensch zunächst Person. Was meint
Person? Person ist man, weil der Mensch im Gesamt der Wirklichkeit eine
Sonderrolle hat. Dazu gehörten drei Dinge: a: Einmaligkeit und
Unersetzlichkeit. Daraus ergibt sich: Der Mensch hat Würde. Die Einmaligkeit
bedeutet: Jeder hat einmalige Berufung. Sicher gibt es allgemeine Berufungen,
aber jeder hat einen eigenen Weg. b: Das Bewußtsein der Freiheit, jeder kann
sich selbst wählen, er kann über sich entscheiden. Der Mensch ist nicht
instinktiv festgelegt. Auch hierin gründet die Würde des Menschen. c: Jeder hat
und braucht eine Aufgabe. Problem ist, wenn einer Arbeitslos wird, hat er eine
Krise, weil Aufgabe weg ist, das selbe kann fürs Alter gelten, wenn man fragt: Wozu
bin ich noch da? Mit der Aufgabe ist verbunden, daß jeder eine
Verantwortlichkeit hat. Verantwortung meint, Antwort geben auf das, was vom
anderen her als Anspruch auf einen einströmt. Zur Verantwortung gehört auch:
Für die Folgen einstehen, die sich aus Handlungen ergeben, z.B. Eltern
übernehmen Verantwortung für Kinder.
Das Menschenbild von August Vetter (Philosoph und Psychologe). Seine
Leistung besteht darin: Ein Menschenbild hat er entworfen. Er versucht ein
leitendes Gesamtbild des Menschen zu entwerfen, das ein Richtbild darstellt,
indem es die heile Verfassung des Menschen aufzeigt. Das Richtbild schöpft aus
mehreren Quellen: Aus Notzuständen, aus Psychologie, Tiefenpsychologie und
Ausdruckspsychologie, und aus der Bildsprache des Traumes. Es geht also um eine
Vorstellung von Heil, zu dem der Mensch geführt werden soll. Vetter sagt: Es
geht um eine Zusammenschau der Geistesgeschichte, es geht um die Ganzheit des
Menschen, wo auch das Transzendente wichtig ist. Vetter kommt zu Befunden, die
über Zeitströmungen hinweg gelten. Er nennt das Menschenbild ein Strutkturbild
der Persönlichkeit. Nun zum Basisbereich des Menschenbildes bei Vetter: Der
Lebensgrund, das ist der Leib als Grundlage menschlichen Lebens. Der
Lebensgrund gliedert sich bei Vetter in zwei Bereiche. a: Vegetative Urschicht,
b: die animalische Grundschicht. Zu a. Dazu gehört Ernährung und Fortpflanzung.
Ernährung hat immer eine Spannung von gesund und ungesund. Diätethik ist da die
Lehre von der Gesundheit des Lebens. In diesen Bereich gehört auch der
Stoffwechsel, damit auch das Ausscheiden vom Stuhlgang. In diesen beiden
Bereich merkt man schon: Es geht um Fortpflanzung und Arterhaltung. Also:
Doppelpoligkeit von Selbstbezug und Du-Beziehung. Das Menschenbild Vetters ist
gut für die Moraltheologie, weil es zwischen Philosophie, Theologie und
Psychologie steht. Sein Menschenbild ist eine Fuge der Geistesgeschichte.
Vetter will einen Gesamtplan der Gegebenheiten des Menschen darstellen, um die
heile Verfassung des Menschen zu erarbeiten. Das wäre dann ein Richtbild für
Psychologen und Seelsorger. Vetters Menschenbild geht von Dreigliedrigkeit aus.
Man könnte auch sagen: drei Schichten, drei Bereiche: Leib, Seele, Geist. Leib
ist Lebensgrund. In diesem Bereich soll gezeigt werden, daß vegetative
Störungen ihre Ursache in der Seele haben, z.B. Magersucht führt dazu, daß bei
Frauen keine Periode stattfindet. Ernährung und Sexualität gehören zusammen.
Die Nahrungsaufnahme und die Ausscheidung von Nahrung hat seelische Ursachen.
Bei Vetter kommt nun hinzu, daß er die symbolische Dimension der einzelnen
Bereiche mit berücksichtigt. So ergibt sich: Das pflanzliche Wachstum ist
dreigliedrig: Licht oben, Sproß in der Mitte, Wurzel unten. Zentral ist hier
die Mitte, die sich nach oben entfaltet. Und genauso wird dann der Leib
symbolisch betrachtet. Das nennt Vetter Anthropognomik. Das ist die symbolische
Gestaltung des Leibes. So hat dann z.B. Kopf, Brust, Beine, und alles
symbolische Bedeutung. B: die animalische Grundschicht. Vetter vergleicht hier den
Menschen mit dem Tier, vorher war es die Pflanze. Typisch für das Tier ist eine
Polspannung zwischen Empfindungseindruck und das Wirken. Man hat also
Sinneseindruck, und den setzt das Tier um. Also zwei Seiten: Wahrnehmung und
aus diesem Antrieb heraus folgt das Handeln. Beide Seiten werden vom Tier durch
den Instinkt gesteuert, z.B. Wahrnehmung; da kommt der Feind, Handlung ist: Ich
werde flüchten. Beides ist beim Tier gekoppelt. Diesem Instinkt verdankt das
Tier seine Daseinssicherheit. Beim Menschen ist dieser Instinkt reduziert.
Daraus ergibt sich für den Menschen: Sinne auf der einen Seite, Handlung auf
der anderen Seite. Aber dazwischen kein Instinkt, sondern ein Hohlraum. Aus
diesem Hohlraum ergibt sich Angst, die das Tier nicht hat. Beim Menschen
verselbständigen also sich die Pole, dann kommt eben Angst. So ergibt sich aus
dem Alleinsein der Sinne ein lähmender Schrecken, dann ist eben der Antriebspol
gelähmt. Wenn sich die Antriebsseite verselbständigt, ergibt sich: eine blinde
Wut. Anderes Beispiel für die Verselbständigung des Antriebspoles ist die
Sucht. Hier ist eben das Verhalten nicht mehr von der Wahrnehmung beeinflußt.
Folge: Der Mensch braucht eine Steuerungsmitte, so wie das Tier einen Instinkt
hat. Mit dieser Steuerungsmitte kann dann der Mensch die Angst bannen. Was
diese Mitte ist, hören wir später. Diese Spannung aus beiden Bereichen nennt
Vetter den Grundkonflikt. Das ist, wenn beide Pole auseinanderfallen. Nun zu
einer weiteren Spannung: Die Spannung zwischen oben und unten, zwischen Geist
und Leib. Auf der einen Seite sind die Triebe, der Leib, auf der anderen Seite
ist der Verstand und Wille, der Geist. Falsch wäre, wenn sich der Mensch nur
mit der einen Seite beschäftigt, und z.B. den Verstand außen vorläßt. Nun ein
dritter Aspekt. Geistiger Bereich: Spannung zwischen erkennen und wollen,
zwischen dem kognitiven und dem voluntativen Pol. Beispiel: Ich weiß, was ich
tun sollte, die Einsicht ist da, aber ich kann es nicht tun. Oder wenn der
Wille dominiert, dann würde der Verstand vom Willen erleuchtet werden, das
meint: ich bestimmte willentlich, was ich erkennen will und was nicht. Nun geht
es um den Bereich der Mitte, der alles Steuern soll. Zwei Aufgaben der Mitte:
A: Integrationsmitte, was meint das? Einen Bereich einordnen. B: Steuerungsmitte.
Vetter verwendet weiter die Begriffe. Emotionale Mitte: Das ist das Gefühl. Und
den Begriff der personalen Mitte, das ist die Steuerung von Gewissen und Gemüt.
Diese Mitte soll die Persönlichkeit zusammenhalten. Zuerst zur emotionalen Mitte:
Das sind Aspekte des Gefühls. Drei Grundaspekte des Gefühls: Selbst-, Mit-, und
Lebensgefühl. Was ist Selbstgefühl? Da gibt es auch wieder zwei Spannungen.
Oben ist das Selbstwertgefühl. Dieses kann zu stark oder zu wenig sein. Der
untere Pol dagegen ist das Eigenmachtgefühl, ist umgangssprachlich das
Selbstvertrauen, wo man sagt: Ja das schaffe ich schon, das kann ich, traue ich
mir zu. Nun zum Mitgefühl. Hier geht es um die Beziehung zum Mitmenschen.
Wieder zwei Pole hier. Mitleid und Mitfreude. Das Mitgefühl ist wie das
Selbstgefühl Grundlage allen Verhaltens. Mitgefühl braucht Empathie, also daß
man sich einfühlen kann. Aber Einfühlung allein ist noch kein Mitgefühl,
sondern Mitgefühl ist, wenn ich Gutes will. Zum Lebensgefühl: Wieder zwei
Spannungen, zwei Pole: Heiterkeit und Traurigkeit. Da hilft Ausgleich von Ernst
und Humor. Nun zu Gewissen und Gemüt. Gewissen ist die Fähigkeit, Gut und böse
zu unterscheiden. Vetter sagt: Das Gewissen bindet die Erkenntnis und den
Willen. Das Gemüt nun ist vergleichbar mit dem Wurzeltrieb. Gemüt ist das
Grundgeflecht der Anhänglichkeiten einer Person. Gemüt ist, wo uns etwas ans
Herz gewachsen ist. Eine andere Umschreibung von Gemüt: Gemüt ist das Zielbild
des emotional integrierten Menschen. Das meint, der Mensch ist in sich
ausgeglichen. Nun zum Gesamtbild des Menschen. Es gibt dreifache Aufgliederung:
Geist, Mitte, Lebensgrund. Wie sieht da nun die heile Verfassung des Menschen
aus? Dreigliedrigkeit: Lebensgrund unten, geistiger Bereich oben, und die
Mitte. Nun strahlt die Transzendenz auf den mittleren Bereich ein, das meint:
Das Gewissen ist offen für die Stimme Gottes. Das Gewissen wird durch
Transzendenz normiert. Man sieht: Das Gewissen ist nicht dem Verstand
zugeordnet, sondern mehr der Transzendenz. Deshalb ist die Transzendenz der
Mitte zugeordnet. Die Mitte soll nun die anderen Pole und die Spannungen
steuern., z.B. steuert die Mitte, was ich wahrnehmen soll, wovor ich mich
schütze, wie ich das sinnlich Wahrgenommene verarbeite. Die Mitte ist auch
maßgebend für die Steuerung der Antriebe. Lasse ich einen Antrieb zu,
verschiebe ich einen Antrieb oder nicht? Das ist die Aufgabe der Mitte.
Beispiel: Geschlechtlichkeit. Dazu gehört Sinnlichkeit, Triebhaftigkeit, also
die Sexualität hat auch zwei Pole. Die Mitte nun, also Gewissen und Gemüt, die
steuert nun die beiden Pole der Sexualität. Heile Verfassung ist die, daß der
Mittelbereich des Menschen entsprechend ausgeprägt ist, nicht also allein Wille
oder allein Verstand, sondern Gewissen und Gemüt als Mitte der Persönlichkeit.
Dieses Menschenbild ist gesehen aus dem Entwicklungsprozeß des Menschen. Dazu
gehören immer Beziehungen. Deshalb nun ein zweiter Punkt der Anthropologie: Der
Mensch entfaltet sich durch Beziehungen. Die Beziehungen sind vielfältig, in
der Vielfalt gibt es Akzente, manche sind wichtiger als andere. Und je nach
Alter und Geschlecht geben sich verschiedene Grundgestaltungen der Beziehungen.
Heinen hat diese auf acht reduziert. Diese werden nun kurz vorgestellt im sog.
Beziehungskreuz: Mutter, Vater, Sohn, Tochter sind die ersten vier. Bruder,
Schwester, Mann, Frau, das sind die anderen vier. Das waren zwei Achsen:
horizontal und vertikal. Verbindet man die alle miteinander, so ergeben sich
acht Beziehungen. Was meint nun der Begriff Gestalt? Es ist eine bestimmte
Qualität, die jemand zugeordnet wird, z.B. Mutter hat einen ganz eigenen
Charakter, man wird zu einer mütterlichen Gestalt. Es kann eine Ordensschwester
eine Muttergestalt für das Kind werden, wenn die Ordensschwester das Kind
erzieht. Für die Ordensschwester hat das Kind dann auch Sohnesgestalt. Gestalt
meint also bestimmte Qualitäten. Ziel ist nun, daß man eine gute Gestalt wird,
z.B. daß eine Mutter zur Muttergestalt wird, dann wird es auch nicht zum
Kindesmißbrauch kommen. Da gibt es Entwicklung, von Kindsein zum Brudersein,
zum Sohnsein, zum Mannsein, zum Vatersein. Weil es sich ja um Gestalten
handelt, ist diese Entwicklung auch alles gültig für die nicht Verheirateten.
Beispiel: Die Entwicklung zum Mannsein heißt beim Single selbständig werden.
Wenn einer nicht die Gestalt des Vaters annimmt, bleibt der Mann immer nur ein
Erzeuger. Diese Beziehung, die dann der Vater zum Sohn hat, ist dann ein Kreuz.
Deshalb heißt das Modell Beziehungskreuz, weil die Beziehungen Kreuze sind.
Wenn nun einer eine bestimmte Grundgestalt nicht erlebt, gibt es die
Möglichkeit der Stellvertretung, z.B. ein Kind ohne Vater sucht sich einen, der
Stellvertreter für die Vatergestalt ist. Ein anderes Beispiel: Ein Kind sucht
nach Geschwistergestalten, wenn es Einzelkind ist.
Der Mensch entfaltet sich in einem Reifeprozeß, zu dem verschiedene
Stadien gehören. Nun also zu diesen Stadien der Entwicklung. Guardini hat die
herausgearbeitet. Jedes Stadium, von Kindheit bis hohes Alter, hat bestimmte
hohe Werte und Ansprüche. Vetter weist auf ein Stadium hin, das wichtig ist,
nämlich die Mitte des Lebens. Daraus folgen zwei Hälften: eine erste und eine
zweite. Jung sagt: Die erste Hälfte ist wie der Aufstieg der Sonne bis zum
höchsten Standpunkt, das ist dann die Lebensmitte, dann kommt der Abstieg der
Sonne bis zum Tod. Die erste Hälfte ist eine Aufbauphase, in Familie und Beruf.
Die zweite Hälfte ist gekennzeichnet durch: das Sterben lernen. Auf- und
Abstiegsmodell mit der Mitte. Das stammte von Jung. Vetter ergänzt das, denn
bei Jung würde man nach dem Tod im Nichts versinken. Deshalb ist bei Vetter
noch eine Linie wichtig: Von Gott kommend, zu Gott hingehend. Damit ist die
zweite Lebenshälfte jetzt anders als bei Jung, bei Jung war es Sterben, bei
Vetter ist es sich vorzubereiten, zu Gott zurückzukehren.
2.Theologischer Zugang: Die Grundaussage ist Ps 8,5: Was ist der
Mensch, daß du an ihn denkst, wer ist der Mensch als Person? Hier steht der
Mensch vor dem Geheimnis seiner Existenz, das er erfährt angesichts der Größe
des Kosmos und angesichts seiner Kleinheit und schwäche. Aber das eigentliche
Geheimnis des Menschen erschließt sich nicht in seiner Schwäche, sondern im
Geheimnis Gottes. Das Geheimnis des Menschen ist, daß Gott sich des Menschen
annimmt. Der Mensch wird also als theologisches Wesen definiert, der Mensch ist
Antwort auf das rufende Wort Gottes. Im Pfingsthymnus heißt es: Dein
Schöpferwort rief uns zum Sein. Der Basissatz der theologischen Anthropologie
heißt: Zu dir hin hast du uns geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es
ruhet in dir (Augustinus). Hier wird der Mensch von Gott her und auf Gott hin
verstanden. Daher vergleicht Augustinus den Menschen mit einer Brücke. Die
Brücke hebt von einem Ufer ab, und endet am anderen Ufer. Der Mensch muß wissen,
wer Gott ist, damit er sich selbst kennt. Um Gott zu kennen, muß der Mensch die
Offenbarung annehmen, so Guardini. Nun drei Aspekte des christlichen
Menschenbildes a: Von Gott erschaffen, b: Er erfährt die Sünde, c: Er braucht
die Erlösung. d wäre noch: die Vollendung durch Gott. Diese drei werden nun
beziehungstheologisch gedeutet. So ist Sünde z.B. Beziehungsstörung, und
Erlösung ist dann Beziehungserneuerung.
a)
Der Mensch als
Geschöpf und Ebenbild (Abbild) Gottes (Beziehungsstiftung)
Der Schöpfungsbericht in Gen 2 sagt: Der Mensch wurde von Gott aus Erde
vom Ackerboden geformt. Formen kommt aus der Arbeit des Töpfers. Jer 18,6
spricht vom Ton in der Hand des Schöpfers. Also jede Form des Menschen ist
individuell und ist die Spur des Schöpfers. Dieses Formen ist dann aber ein
Lebensprozeß, damit die Anfangsform vollendet wird. Das bedeutet für den
Menschen, daß wir uns der Form Gottes öffnen und mit ihr zusammenwirken. Zur
Form des Menschen gehören auch die Bruchstellen und die Verwundbarkeit. Der
Mensch soll einfach eine Bereitschaft zur Formbarkeit haben, er soll ein
hörendes Herz haben, das ihm diese Entwicklung ermöglicht. Ethisch relevant ist
weiter, daß der Mensch Ja sagen muß zu seiner Existenz, ja zum Dasein und zum
Sosein. Nun ein weiteres Detail aus dieser Schöpfungsgeschichte: Gott bläst
seinen Lebensatem in die Nase des Menschen. Da sieht man den Unterschied zum
Tier. Denn dem Menschen wird der Odem von Angesicht zu Angesicht eingeblasen.
Gott wendet sich dem Menschen zu. Diese Zuwendung Gottes ist darauf ausgelegt,
daß sich auch der Mensch dem Gott zuwendet, lateinisch coram deo, vor Gott. Aus
Sicht des NT ist der Odem der Geist Gottes. Der Wesensort des Mensch ist das
coram deo, das vor Gott stehen. Wie das Töpfern so ist auch das
Angehauchtwerden ein Lebensprozeß. Wenn nun der Mensch vom Vertrauen zum
Mißtrauen kommt, also den Odem Gottes aufbricht, sind alle Beziehungen des
Lebens gestört. Mensch können nicht miteinander umgehen, wenn sie nicht coram
deo stehen, also keinen Geist Gottes haben. Interessant ist dann auch, daß
Jesus bei der Neuschöpfung die Jünger auch anhaucht mit dem Geist Gottes. Nun
zum Schöfpungsbericht der Priesterschrift. Gen 1,26: Laßt uns Menschen machen
nach seinem Abbild. Als Abbild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er
sie. Hier steht nun Gottebenbildlichkeit. Was meint das? Die Grundbedeutung
ist: Der Schöpfer schuf ein Geschöpf, das ihm entspricht, zu dem er reden kann
und das ihn hört. Gottes Ebenbild meint: Als Gottes Gegenüber ist der Mensch
geschaffen. Der Sinn des Lebens ist daher: Zur Antwort gerufen. Gott kreiert
den Menschen in der Art, wie er ihn erschafft. So entsteht die Person aus
Gottes Anruf, die Dinge dagegen entstehen aus einem Befehl. Da sieht man,
Schöpfung ist Beziehungsstiftung. Der Mensch wird durch Anruf Gottes zum Du.
Der Mensch weiß sich zur Person freigesetzt und zur Würde berufen. So hat der
Mensch einen Anspruch, der sich aus der Geschaffenheit durch Gott ergibt.
Guardini sagt: Ganz Ohr zu sein für Gott ist der Weg zur Erfüllung der
Existenz. Wie kann man aber den Ruf Gottes hören, das ist dann die Grundfrage.
Man kann Gotteswort im Menschenwort hören. Weiter hat alles, was auf der Welt
geschieht, Wortcharakter, überall verbirgt sich ein Wort. Manchmal meinen Leute,
je näher ich Gott komme, desto mehr schrumpft der Mensch und ist nur noch Gott
da. Aber das ist falsch. Richtig ist. je mehr der Mensch zu Gott kommt, desto
mehr wird er sich selbst. Diese Lehre vom Menschen hat ethische Konsequenzen:
die Unverfügbarkeit des Lebens. Das meint: das Leben ist in der Hand Gottes,
Gott allein ist Eigentümer (vgl. Gen 9,6).
b)Sünde als Beziehungsverweigerung bzw. Beziehungsstörung: Zur
Schöpfung gehört auch einerseits die Größe, andererseits die Endlichkeit und
Fragilität, denn der Mensch geht auf den Tod zu. Die Aufgabe des Menschen ist
es, die Spannung zwischen Größe und Elend auszugleichen. Sünde hat mit der
Freiheit des Menschen zu tun, denn der Mensch hat Freiheit in gewissen Grad,
das meint: Er kann wählen. Wenn er sündigt, ist Freiheit falsch gebraucht.
Thomas von Aquin sagt: Gott wird durch nichts beleidigt, außer durch das, wo
sich der Mensch selber schadet. Bei Sünde also schadet sich der Mensch selber.
Was ist mit Sünde gemeint? Man muß vom Erschaffensein des Menschen ausgehen,
damit hat das Dasein einen Sinn. Dieser Sinn ist im Groben vorgegeben. Sünde
ist, daß ich gegen diesen Sinn verfehle. Wenn man Sünde so definiert, meint
das: Man ist zu etwas berufen von Gott, und man verweigert sich durch die
Sünde gegen den Ruf Gottes. Guardini sagt: Die Grundgestalt der Sünde ist, daß
der Mensch nicht mehr Abbild Gottes sein will, sondern der Mensch selbst will
Urbild sein, also selber über den Sinn bestimmen können. Die
Sündenfallgeschichte von Genesis zeigt, wie man sich gegen den Ruf verweigert.
Gott stellt da den Garten zur Verfügung. Der Garten ist lebensermöglichendes
Umfeld in einer Wüste. Im Garten ist alles darin, was der Mensch braucht, damit
er bewahren und bebauen kann. Ein Baum ist dem Mensch versagt. Dieser Baum symbolisiert
die Möglichkeit des Menschen, daß er mehr aus sich machen kann, als ihm
zusteht. Die Frucht des Baumes als etwas, was nicht zum Menschen gehört. Nimmt
der Mensch von der Frucht, führt dies zu Lebensminderung. Der Wesensort des
Menschen ist coram deo sein, in der Sünde verläßt der Mensch diesen Wesensort,
daß er vor Gott steht. Dann führt dies zu Selbstverwerfung und
Selbstüberhebung. Walter Kasper sagt: In der Sünde macht sich der Mensch oder
einen anderen Mensch selbst zu Gott. Also beide Seiten sehen: Selbstüberhebung
und auch Selbstverwerfung. Wir halten fest: Verweigerung als Begriff für Sünde.
Verweigerung hat doppelten Sinn: a: Verweigerung direkt gegenüber Gott, b:
Verweigerung gegenüber einem anderen Menschen. Sünde ist eine mehrdimensionale
Beziehungsverweigerung. Man verweigert sich direkt oder indirekt gegen Gott.
Greshake sagt: Sünde heißt, die Comunio mit Gott verweigern. Man könnte den
Sinngehalt der Sünde weiter ausfalten, wenn man inhaltlich noch Punkte betreffs
der Sünde nennt. Da muß man wieder fragen: Was ist die eigentliche Berufung des
Menschen? Der Mensch ist dann Mensch, wenn er das Entwicklungsprogramm
übernimmt, das Gott ihm gibt. Und dieser Sinn, den Gott dem Menschen gibt, ist.
die Liebe. Der Mensch soll also die Liebe, zu der er berufen ist, entfalten.
Bei der Sünde tut man dies gerade nicht. Das könnte man nun an den 10 Geboten
noch ausdifferenzieren. Die 10 Gebote zeigen nämlich die Sinnstruktur, die Gott
dem Menschen gegeben hat. Erstes Gebot: Sünde ist, wenn ich mich an einen
Götzen versklave. Zweites Gebot: den Namen Gottes, sein Wesen, heilig halten.
Der Mensch soll die Gemeinschaft mit Gott bewahren. Drittes Gebot: Den Sabbath
halten, mit Gott wieder in Beziehung kommen. Das war die erste Tafel der
Gebote, die sich beziehen von Gott zum Menschen. Die zweite Tafel geht über die
Beziehung von Mensch zu Mitmensch. Das vierte Gebot sagt, daß Eltern und Kinder
in einer guten Beziehung stehen sollen, denn wenn die Eltern ihre Kinder gut
behandeln, sorgen sich die Kinder auch um die Eltern, wenn die Eltern alt sind,
also Schutz der Eltern-Kind-Beziehung. Fünftes: Die Unantastbarkeit des
menschlichen Lebens, nicht töten. Sechstes und neuntes geht um Liebe und Treue.
Das siebte um Eigentum, das achte um Wahrheit. Die Zusammenfassung des NT ist:
Gottes- und Nächstenliebe. Alles das hat mit dem Sinn des Lebens zu tun. Damit
haben wir die konkreten Felder genannt, wo sich der Mensch gegen den Ruf Gottes
verweigert. Nun das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Drei Männer gehen vorbei
am Halbtoten, zwei nehmen ihn wahr, aber gehen vorbei. Das nennt Jesus
Herzenshärte. Der Samariter nimmt den Anruf wahr und erfüllt ihn. Nun zur
Erbsünde. Gehört auch zum christlichen Menschenbild. Die Sünde von der wir bis
jetzt sprachen, hat mit der Freiheit zu tun, da kann der Mensch auch anders
handeln. Bei Erbsünde ist Sünde übertragen gemeint: Es geht um eine
Grundbefindlichkeit des menschlichen Daseins, in die er hineingeboren ist. Das
ist ein doppeltes. A: Der Mensch ist in eine unheile Gesamtwirklichkeit
hineingeboren. Das meint, der Mensch ist immer auch Opfer, nicht nur Täter. B:
Der Mensch ist erlösungs-bedürftig. Der Mensch ist verwiesen, daß Gott ihn
erlöst, der Mensch kann es allein nicht, ist auf Gnade angewiesen. Die Erbsünde
wird in Taufe getilgt, da kommt der Mensch zu Christus zurück, wieder hin zum
coram deo. Der Mensch darf jetzt selbst teilhaben an der Gottesbeziehung. Aber
es gibt einen Teil der Erbsünde, die sog. konkupiszente Verfassung des
Menschen, die wird durch Taufe nicht getilgt, das ist die Neigung zur Sünde. Es
geht nicht um Sexualität, sondern: Das menschliche Dasein kann führen zur
Selbstüberhebung oder Selbstverwerfung.
c)Erlösung als
Beziehungserneuerung: Der Mensch ist erlöst durch Jesus Christus. Die Erlösung
besteht darin, daß Gott in Jesus dem Menschen nachgeht, um den Menschen wieder
zur Gotteskindschaft zurückzuführen. Coram deo ist Gotteskindschaft. Kindschaft
ist ein Beziehungsbegriff. Gott und Mensch sind wesensmäßig verbunden. Von
dieser Beziehung zu Gott gibt es eine Ausstrahlung auf alle Beziehungen des
Menschen. Erlösung ist ein frei werden aus einer Fessel. Der Begriff Versöhnung
meint, eine zerbrochene Beziehung wieder ganz machen. Es geht um Erneuerung der
Beziehung zu Gott, Gott handelt, um den zerrissenen Faden wieder zu knüpfen.
Höhepunkt ist hier das Weihnachtsfest, Gott wird Menschen, um den Menschen aus
dem Nein zu Gott ins befreite Ja der Neuwerdung zu führen. Dieses Nein zu Gott
erleidet Jesus am Kreuz. Das Kreuz ist Ausdruck der radikalen Liebe Gottes zu
den Menschen. Greshake sagt: Vom Menschen her ist das Kreuz das Zeichen für das
Nein der Menschen zu Gott. Von Gott her ist es der Beweis des ja, der höchsten
Liebe, das Kreuz zeigt die Communio Gottes mit den Menschen. Dieses Kreuz muß
man im Licht der Auferstehung sehen. Wie wirkt sich Erlösung beim Menschen aus:
a: Erlösung bedeutet das Geschenk des Friedens mit Gott. b: Erneuerung der
Gotteskindschaft. Die Erneuerung wird in Taufe geschehen. Dann hat man am
Gottesverhältnis teil. c: Das Geschenk der Sündenvergebung. Der Mensch gewinnt
Anteil am Gottesverhältnis Jesu, das hat vierfachen Aspekt. a: Teilhabe am
Gottesbewußtsein Jesu, also so, wie Jesus Gott schaut. b: Teilhabe am
Selbstbewußtsein Jesu: Ich weiß, ich bin ein geliebter Sohn Gottes. c: Es gibt
ein Wir-Bewußtsein, wir sind Kinder Gotttes. d: Teilhabe am sittlichen
Bewußtsein Jesu, das ist zu sagen: Dein Wille geschehe. Teilhabe ist Röm
8,14-16: Ihr habt den Geist empfangen, der uns zu Söhnen Gottes macht. Das
waren nun die drei Grundelemente des chritlichen Menschenbildes.
Geschaffenheit, Sünde, Erlösung. Ziel ist die Demut, bereit zu sein, den Ort
des coram deo einzunehmen. Hochmut und Kleinmut sind die Gegenteile davon.
Erlösung ist dann erneuerte Demut. Am Ende stände dann die Vollendung im
Eschaton, mit der Glückseligkeit, der visio beatifica.
F. Anthropologie und Theologie des Gewissens
Gewissen: zentrale ethische Instanz im Menschen. (Literatur von E.
Schockenhoff: Wie gewiß ist das Gewissen?) Tiere haben kein Gewissen, nur einen
Instinkt. Aber sie können dressiert werden: Dann sagen die Tiere: Wenn ich das
mache, bekomme ich Lohn oder Strafe. Das Gewissen ist jedem als Anlage
mitgegeben werden und muß gebildet werden, kann auch verbildet werden. Zweite
Vorbemerkung ist: Es sind zwei Eigenschaften, die den Menschen hörig machen
können. Hörig heißt. Ich gehorche voll dem anderen Menschen. Zwei Gründe, wieso
es dazu kommt. a: Selbstunsicherheit, b: Isolationsangst. Diese beiden führen
dazu, daß sich einer hörig an einen anderen Menschen anklammert. Horst Ewald
Richter sagte das alles zur Hörigkeit. Nun zwei Zugänge zum Gewissen:
anthropologisch und theologisch. Eine Definition, was Gewissen ist:
Theodor Müncker sagt: Gewissen ist eine Funktion der ganzen menschlichen
Persönlichkeit, in der ihr ein sittlicher Anspruch bewußt wird. Das Gewissen
muß immer in Funktion treten, sonst wirkt es nicht. Dann ist Gewissen etwas
Ganzheitliches des Menschen, die gesamte Person des Menschen ist beteiligt. Der
sittliche Anspruch ist persönlich verpflichtend. Also ich persönlich merke, was
ich hier und jetzt tun soll. Gewissen ist kein moralisches Urteil, das wäre:
Man darf nicht lügen. Das gewissen aber sagt: Ich darf jetzt in dieser
Situation nicht lügen. Wenn das Gewissen in Funktion tritt, kommt etwas ins
Bewußtsein. Das meint in zweifacher Weise: a: Das Gewissen kann über den
Menschen kommen, plötzlich wird mir da bewußt, ich darf das jetzt nicht tun, da
überkommt mich so dieser Gedanke. b: Jemand sucht nach dem Richtigen, im Laufe
des Suchens wird einem etwas als Ergebnis bewußt. Da sieht man auch: Das
Gewissen meldet sich nicht immer eindeutig. Man kann drei Elemente von
Gewissensfunktion sehen: a. Wertintuition, das ist, wenn uns ein Wert
aufleuchtet und einleuchtet. Einer meint: Es ist ein Wert-Fühlen. Nach Müncker
werden die Werte schlicht und unmittelbar geschaut. Von dem geschauten werden
wir dann angesprochen und es löst in uns eine zweifache Resonanz aus: eine
emotionale und eine motivierende Seite. Motivierend wäre, wenn ich sage: Das will
ich nun oder das will ich nun nicht tun. Die emotionale Seite wäre: Ich sehe
einen Menschen und habe dann Mitleid mit dem Weh des anderen. Müncker sagt: Die
emotionale Ansprechbarkeit ist nötig für eine Wertintuition. Also: Einfühlen
und Mitfühlen ist nötig. Nun sind die Wertintuitionen noch kein
Gewissensimpuls. Es muß sich erst ein Wertbewußtsein bilden, damit man weiß,
was man tun soll. Im Gewissen werden die Werte intuiert, die jetzt in der
Situation auf mich eindringen. Beim Samariter ist es der Wert des Lebens und
des Helfens. b: zweite Funktion des Gewissens: Das Wert-Unterscheiden.
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